Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 158. Leipzig (Sachsen), 9. April 1836.Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
nackte Leperos schlafen, von Pulque berauscht, auf derErde, oder betteln von den Vorübergehenden; Priester, Mönche, Offiziere, Jndianer, Frauen und Europäer bilden ein immer bewegtes Gemälde. Hier sehen wir einen Wasserträger, der an einem über den Kopf ge- henden breiten Riemen einen ungeheuren Krug auf dem Rücken trägt, während ein anderes kleineres Gefäß vorne an einem andern Riemen hängt, um das Gleich- gewicht zu erhalten. Dort trägt ein rüstiger Lepero [Spaltenumbruch] auf einem über die Schultern hangenden Stuhle einen alten zudringlichen Bettler. Weichen wir ihm aus, so straucheln wir über die Früchte und Blumen einer armen Jndianerin, die ruhig auf der Erde an einem Pfeiler sitzt, während von einer andern Seite das laute Geschrei der Ausrufer erschallt, die Flugschriften und Bekanntmachungen über die Angelegenheiten des Tages verkaufen. Die Straße über den St.=Gotthard in der Schweiz.
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Die Teufelsbrücke. [Beginn Spaltensatz] Schon im frühesten Alterthume führte über den St. - Das Pfennig=Magazin. [Beginn Spaltensatz]
nackte Leperos schlafen, von Pulque berauscht, auf derErde, oder betteln von den Vorübergehenden; Priester, Mönche, Offiziere, Jndianer, Frauen und Europäer bilden ein immer bewegtes Gemälde. Hier sehen wir einen Wasserträger, der an einem über den Kopf ge- henden breiten Riemen einen ungeheuren Krug auf dem Rücken trägt, während ein anderes kleineres Gefäß vorne an einem andern Riemen hängt, um das Gleich- gewicht zu erhalten. Dort trägt ein rüstiger Lepero [Spaltenumbruch] auf einem über die Schultern hangenden Stuhle einen alten zudringlichen Bettler. Weichen wir ihm aus, so straucheln wir über die Früchte und Blumen einer armen Jndianerin, die ruhig auf der Erde an einem Pfeiler sitzt, während von einer andern Seite das laute Geschrei der Ausrufer erschallt, die Flugschriften und Bekanntmachungen über die Angelegenheiten des Tages verkaufen. Die Straße über den St.=Gotthard in der Schweiz.
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Die Teufelsbrücke. [Beginn Spaltensatz] Schon im frühesten Alterthume führte über den St. - <TEI> <text> <body> <div xml:id="Mexico5" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0005" n="117"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/> nackte Leperos schlafen, von Pulque berauscht, auf der<lb/> Erde, oder betteln von den Vorübergehenden; Priester,<lb/> Mönche, Offiziere, Jndianer, Frauen und Europäer<lb/> bilden ein immer bewegtes Gemälde. Hier sehen wir<lb/> einen Wasserträger, der an einem über den Kopf ge-<lb/> henden breiten Riemen einen ungeheuren Krug auf dem<lb/> Rücken trägt, während ein anderes kleineres Gefäß<lb/> vorne an einem andern Riemen hängt, um das Gleich-<lb/> gewicht zu erhalten. Dort trägt ein rüstiger Lepero<lb/><cb n="2"/> auf einem über die Schultern hangenden Stuhle einen<lb/> alten zudringlichen Bettler. Weichen wir ihm aus,<lb/> so straucheln wir über die Früchte und Blumen einer<lb/> armen Jndianerin, die ruhig auf der Erde an einem<lb/> Pfeiler sitzt, während von einer andern Seite das laute<lb/> Geschrei der Ausrufer erschallt, die Flugschriften und<lb/> Bekanntmachungen über die Angelegenheiten des Tages<lb/> verkaufen.</p> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Die Straße über den St.=Gotthard in der Schweiz</hi>.</hi> </head> <figure> <head> Die Teufelsbrücke. </head> </figure><lb/> <cb type="start"/> <p><hi rendition="#in">S</hi>chon im frühesten Alterthume führte über den St. -<lb/> Gotthard ein Pfad, der bereits im J. 801 gangbarer gemacht<lb/> wurde; später ward er von den mächtigen Grafen von<lb/> Rappersschwyl bedeutend verbessert, wofür sie in Göschinen<lb/> einen Zoll erhoben. Als nach der Bildung der schwei-<lb/> zerischen Eidgenossenschaft der Handel in den Städten<lb/> der deutschen Schweiz immer mehr aufblühte, wurde der<lb/> Paß über den Gotthard auch belebter und blieb lange<lb/> der kürzeste Hauptverbindungsweg zwischen Deutschland<lb/> und Jtalien. Jn den neuesten Zeiten, als unter Na-<lb/> poleon die Simplonstraße angelegt und später die bishe-<lb/> rigen Saumwege über den Bernhardin und Splügen,<lb/> nach dem Luganer= und Comersee fahrbar gemacht wa-<lb/> ren, wurde der Gotthardpaß weniger benutzt. Man<lb/> dachte seitdem ernstlich auch an die Fahrbarmachung<lb/> dieser Saumstraße und kam, ungeachtet der mancherlei<lb/> Hindernisse, die sich einem solchen Unternehmen entge-<lb/> genstellten, und unter welchen der bedeutende Kostenauf-<lb/> wand für einen so armen Canton wie Uri nicht das<lb/> kleinste war, endlich so weit, daß im Mai 1820 die<lb/> Sache der Landesgemeinde vorgelegt und von dieser der<lb/> Bau der Straße von Amstäg nach Göschinen, nach<lb/> dem Plane des Staatsraths Maschini, einmüthig be-<lb/> schlossen wurde. Die Arbeit wurde hierauf dem Bau-<lb/> meister Cirillo Jauch aus Bellenz übertragen und im<lb/> Herbst 1822 vollendet; freilich nicht ganz zur allgemei-<lb/> nen Zufriedenheit, da mehre Stellen bald wieder ein-<lb/><cb n="2"/> stürzten und neu gebaut werden mußten. Das Geld<lb/> zur Tilgung der Baukosten war durch Actien aufgebracht<lb/> worden, die vom Ertrage eines Zolles verzinst und nach<lb/> und nach abgezahlt werden sollten. Das Bedürfniß, die<lb/> neue Fahrstraße weiter fortzusetzen, sie auf der Höhe<lb/> des Gotthard mit der Tessinerstraße zu verbinden und<lb/> die untere schon fahrbare Straße von Amstäg nach<lb/> Fluelen auszubessern, war allgemein und so dringend,<lb/> daß auch diesmal die sich darbietenden beträchtlichen<lb/> Hindernisse überwunden wurden. Es wurde abermals<lb/> durch Actien das Geld aufgebracht, der Bau zu 400,000<lb/> Schweizerfranken veranschlagt, und zur Abtragung dieser<lb/> Actienschuld in den Cantonen Uri und Luzern eine ge-<lb/> meinschaftliche Tilgungskasse errichtet. Nachdem die<lb/> Landesgemeinde 1827 diesen Plan genehmigt hatte, be-<lb/> gann die Arbeit im Mai 1828 und wurde 1830 voll-<lb/> endet. Dies ist die freilich sehr gedrängte Geschiche<lb/> dieses großartigen Unternehmens, dessen Ausführung<lb/> man, wegen der großen Schwierigkeiten und der an-<lb/> strengenden Arbeiten, die damit verbunden waren, noch<lb/> wenige Jahre vorher für unmöglich gehalten hatte. Dem<lb/> menschlichen Fleiße und ernstem Willen ist es gelungen,<lb/> einen der rauhesten Gebirgswege in eine vollkommen schöne<lb/> Kunststraße zu verwandeln, sodaß, wo früher nur das<lb/> Saumroß mühsam und unsicher unter Flüchen und Stö-<lb/> ßen des Treibers einhergehen konnte, jetzt mit Bequem-<lb/> lichkeit der wohlgepackte Frachtwagen und die schnelle<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0005]
Das Pfennig=Magazin.
nackte Leperos schlafen, von Pulque berauscht, auf der
Erde, oder betteln von den Vorübergehenden; Priester,
Mönche, Offiziere, Jndianer, Frauen und Europäer
bilden ein immer bewegtes Gemälde. Hier sehen wir
einen Wasserträger, der an einem über den Kopf ge-
henden breiten Riemen einen ungeheuren Krug auf dem
Rücken trägt, während ein anderes kleineres Gefäß
vorne an einem andern Riemen hängt, um das Gleich-
gewicht zu erhalten. Dort trägt ein rüstiger Lepero
auf einem über die Schultern hangenden Stuhle einen
alten zudringlichen Bettler. Weichen wir ihm aus,
so straucheln wir über die Früchte und Blumen einer
armen Jndianerin, die ruhig auf der Erde an einem
Pfeiler sitzt, während von einer andern Seite das laute
Geschrei der Ausrufer erschallt, die Flugschriften und
Bekanntmachungen über die Angelegenheiten des Tages
verkaufen.
Die Straße über den St.=Gotthard in der Schweiz.
[Abbildung Die Teufelsbrücke. ]
Schon im frühesten Alterthume führte über den St. -
Gotthard ein Pfad, der bereits im J. 801 gangbarer gemacht
wurde; später ward er von den mächtigen Grafen von
Rappersschwyl bedeutend verbessert, wofür sie in Göschinen
einen Zoll erhoben. Als nach der Bildung der schwei-
zerischen Eidgenossenschaft der Handel in den Städten
der deutschen Schweiz immer mehr aufblühte, wurde der
Paß über den Gotthard auch belebter und blieb lange
der kürzeste Hauptverbindungsweg zwischen Deutschland
und Jtalien. Jn den neuesten Zeiten, als unter Na-
poleon die Simplonstraße angelegt und später die bishe-
rigen Saumwege über den Bernhardin und Splügen,
nach dem Luganer= und Comersee fahrbar gemacht wa-
ren, wurde der Gotthardpaß weniger benutzt. Man
dachte seitdem ernstlich auch an die Fahrbarmachung
dieser Saumstraße und kam, ungeachtet der mancherlei
Hindernisse, die sich einem solchen Unternehmen entge-
genstellten, und unter welchen der bedeutende Kostenauf-
wand für einen so armen Canton wie Uri nicht das
kleinste war, endlich so weit, daß im Mai 1820 die
Sache der Landesgemeinde vorgelegt und von dieser der
Bau der Straße von Amstäg nach Göschinen, nach
dem Plane des Staatsraths Maschini, einmüthig be-
schlossen wurde. Die Arbeit wurde hierauf dem Bau-
meister Cirillo Jauch aus Bellenz übertragen und im
Herbst 1822 vollendet; freilich nicht ganz zur allgemei-
nen Zufriedenheit, da mehre Stellen bald wieder ein-
stürzten und neu gebaut werden mußten. Das Geld
zur Tilgung der Baukosten war durch Actien aufgebracht
worden, die vom Ertrage eines Zolles verzinst und nach
und nach abgezahlt werden sollten. Das Bedürfniß, die
neue Fahrstraße weiter fortzusetzen, sie auf der Höhe
des Gotthard mit der Tessinerstraße zu verbinden und
die untere schon fahrbare Straße von Amstäg nach
Fluelen auszubessern, war allgemein und so dringend,
daß auch diesmal die sich darbietenden beträchtlichen
Hindernisse überwunden wurden. Es wurde abermals
durch Actien das Geld aufgebracht, der Bau zu 400,000
Schweizerfranken veranschlagt, und zur Abtragung dieser
Actienschuld in den Cantonen Uri und Luzern eine ge-
meinschaftliche Tilgungskasse errichtet. Nachdem die
Landesgemeinde 1827 diesen Plan genehmigt hatte, be-
gann die Arbeit im Mai 1828 und wurde 1830 voll-
endet. Dies ist die freilich sehr gedrängte Geschiche
dieses großartigen Unternehmens, dessen Ausführung
man, wegen der großen Schwierigkeiten und der an-
strengenden Arbeiten, die damit verbunden waren, noch
wenige Jahre vorher für unmöglich gehalten hatte. Dem
menschlichen Fleiße und ernstem Willen ist es gelungen,
einen der rauhesten Gebirgswege in eine vollkommen schöne
Kunststraße zu verwandeln, sodaß, wo früher nur das
Saumroß mühsam und unsicher unter Flüchen und Stö-
ßen des Treibers einhergehen konnte, jetzt mit Bequem-
lichkeit der wohlgepackte Frachtwagen und die schnelle
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