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Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836.

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Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] [Abbildung] Der weiße Mohn.
mit Blättern bedeckt, trocknet und in den Handel bringt.
Das in Indien gewonnene Opium geht meist durch
Schleichhandel nach China, wo man es theils raucht,
theils in Gestalt von Pillen nimmt, um sich zu berau-
schein. Diese verderbliche Sitte ist ebenso herrschend
unter den Türken, besonders den ältern, und nur erst
in der neuesten Zeit ist sie beschränkt worden. Ein
Reisender, der längere Zeit in Konstantinopel verweilte,
besuchte eines der Kaffeehäuser, wo sich die leidenschaft-
lichen Opiumesser, Theriaki, versammeln. Jedem
Besucher wurde die Gabe gereicht, die er brauchte, um
sich in einen Rausch zu versetzen. Sie saßen still auf
ihren Polstersitzen und erwarteten die Wirkung. Einige
machten furchtbare Geberden, während Diejenigen, die
bereits im Rausche waren, wie im Fieberwahn redeten.
Ihre Gesichter glühten, ihre Augen hatten einen unna-
türlichen Glanz, und furchtbar wild war der Ausdruck
ihrer Züge. Gewöhnlich erfolgt die Wirkung zwei Stun-
den nach dem Genusse des Opiums und dauert gegen fünf
Stunden. Die Gabe steigt von drei Gran bis zu einer
Drachme. Man sah in jenem Kaffeehause einen alten
Mann, der seit 25 Jahren täglich binnen zwei Stunden
vier Pillen, jede von sechs Gran genommen hatte. Solche
Fälle sind aber sehr selten, da ein Opiumesser nicht leicht
das dreißigste Jahr überlebt, wenn er sich der zerstören-
den Gewohnheit hingegeben hat. Die moralische und
physische Schwäche, die der Aufregung folgt, ist furcht-
bar. Die Eßlust wird bald gestört, jede Fiber zittert,
die Nerven des Halses werden angegriffen und die Mus-
keln steif; bei mehren Gästen des Kaffeehauses war
der Hals dürr und die Finger zusammengezogen, und
doch konnten sie von der Gewohnheit nicht ablassen.
Sie fühlen sich elend, bis die Stunde kommt, wo
sie ihre gewöhnliche Gabe nehmen, und wenn sie zu
wirken beginnt, werden sie feurig und lebendig. Ei-
[Spaltenumbruch] nige reden in Versen, Andere sprechen in beredten Wor-
ten zu den Umstehenden, und halten in ihrem trunkenen
Wahn sich für Könige der Welt. Der Reisende erprobte
an sich selber die Wirkung. Er begann mit einem Gran,
der in einer Zeit von anderthalb Stunden keine merk-
liche Wirkung hatte. Dann nahm er noch einen halben
Gran, und nach einer halben Stunde nochmals ebenso
viel. Drittehalb Stunden nach der ersten Gabe ließ
er sich eine Pille von zwei Gran reichen und bald nach-
her fühlte er eine lebhafte Aufregung. Seine Seelen-
kräfte belebten sich, Alles, was er sah, schien sich zu
vergrößern, aber er fühlte nicht so angenehme Regungen,
wenn er die Augen schloß, als wenn er sie offen hielt.
Er eilte so schnell als möglich nach Hause und es war
ihm, als ob sein Fuß kaum den Boden berührte. Er
ging sogleich zu Bette, und die seltsamsten entzückendsten
Traumbilder flogen durch seine Seele. Er war bleich
und unlustig, als er am folgenden Morgen aufstand,
hatte Kopfschmerz und fühlte eine so große Schwäche,
daß er den ganzen Tag auf dem Sopha liegen mußte.



Das Chamäleon.
[Abbildung]

Das Chamäleon gehört zu den vierfüßigen Amphibien.
Es ist von verschiedener Größe, doch nicht über1 1 / 2
Fuß groß, hat einen großen pyramidalen Kopf, der auf
den Seiten zusammengedrückt, von vorn angesehen, fast
viereckig erscheint, mehr hoch als breit ist und fast so
hoch als lang, in eine spitzige Schnauze endigt, die je
nach den verschiedenen Arten mit kammartigen Aus-
wüchsen besetzt ist. Auch die Seiten des Kopfes sind
kammartig erhöht, der Hinterkopf aber ist mehr oder
weniger angeschwollen, verlängert und ebenfalls mit ei-
nem Kamme besetzt. Unten an der Kehle zeigt sich ein
zusammengedrückter Kropf, den das Thier nach Willkür
aufblasen kann. Der eigentliche Hals ist sehr kurz und
wenig beweglich. Auch der übrige Körper ist kurz und
an den Seiten eingedrückt; auf dem scharfen und gebo-
genen Rücken bemerkt man oft einen Kamm, sowie
auch am Bauche. Der zugerundete Schwanz kann kräf-
tig nach unten zusammengerollt werden. Die langen und
schmächtigen Gliedmaßen haben einen eignen Bau; die
Schienbeine sind nämlich so lang als die Schenkel.
Noch sonderbarer aber ist die Beschaffenheit der Zehen,
die man bei keinen andern Amphibien auf gleiche Weise
findet. Sie sind in zwei Bündel verwachsen, die sich
einander gegenüber stehen, sodaß sie gleichsam eine Zange
bilden, und zwar stehen an den Vorderfüßen zwei Ze-
hen nach außen und drei nach innen, wogegen dieses
Verhältniß bei den Hinterfüßen umgekehrt ist.

Betrachten wir das Skelett dieser Thiere, so fin-
den wir noch manches Merkwürdige. Zuerst fallen die
[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] [Abbildung] Der weiße Mohn.
mit Blättern bedeckt, trocknet und in den Handel bringt.
Das in Indien gewonnene Opium geht meist durch
Schleichhandel nach China, wo man es theils raucht,
theils in Gestalt von Pillen nimmt, um sich zu berau-
schein. Diese verderbliche Sitte ist ebenso herrschend
unter den Türken, besonders den ältern, und nur erst
in der neuesten Zeit ist sie beschränkt worden. Ein
Reisender, der längere Zeit in Konstantinopel verweilte,
besuchte eines der Kaffeehäuser, wo sich die leidenschaft-
lichen Opiumesser, Theriaki, versammeln. Jedem
Besucher wurde die Gabe gereicht, die er brauchte, um
sich in einen Rausch zu versetzen. Sie saßen still auf
ihren Polstersitzen und erwarteten die Wirkung. Einige
machten furchtbare Geberden, während Diejenigen, die
bereits im Rausche waren, wie im Fieberwahn redeten.
Ihre Gesichter glühten, ihre Augen hatten einen unna-
türlichen Glanz, und furchtbar wild war der Ausdruck
ihrer Züge. Gewöhnlich erfolgt die Wirkung zwei Stun-
den nach dem Genusse des Opiums und dauert gegen fünf
Stunden. Die Gabe steigt von drei Gran bis zu einer
Drachme. Man sah in jenem Kaffeehause einen alten
Mann, der seit 25 Jahren täglich binnen zwei Stunden
vier Pillen, jede von sechs Gran genommen hatte. Solche
Fälle sind aber sehr selten, da ein Opiumesser nicht leicht
das dreißigste Jahr überlebt, wenn er sich der zerstören-
den Gewohnheit hingegeben hat. Die moralische und
physische Schwäche, die der Aufregung folgt, ist furcht-
bar. Die Eßlust wird bald gestört, jede Fiber zittert,
die Nerven des Halses werden angegriffen und die Mus-
keln steif; bei mehren Gästen des Kaffeehauses war
der Hals dürr und die Finger zusammengezogen, und
doch konnten sie von der Gewohnheit nicht ablassen.
Sie fühlen sich elend, bis die Stunde kommt, wo
sie ihre gewöhnliche Gabe nehmen, und wenn sie zu
wirken beginnt, werden sie feurig und lebendig. Ei-
[Spaltenumbruch] nige reden in Versen, Andere sprechen in beredten Wor-
ten zu den Umstehenden, und halten in ihrem trunkenen
Wahn sich für Könige der Welt. Der Reisende erprobte
an sich selber die Wirkung. Er begann mit einem Gran,
der in einer Zeit von anderthalb Stunden keine merk-
liche Wirkung hatte. Dann nahm er noch einen halben
Gran, und nach einer halben Stunde nochmals ebenso
viel. Drittehalb Stunden nach der ersten Gabe ließ
er sich eine Pille von zwei Gran reichen und bald nach-
her fühlte er eine lebhafte Aufregung. Seine Seelen-
kräfte belebten sich, Alles, was er sah, schien sich zu
vergrößern, aber er fühlte nicht so angenehme Regungen,
wenn er die Augen schloß, als wenn er sie offen hielt.
Er eilte so schnell als möglich nach Hause und es war
ihm, als ob sein Fuß kaum den Boden berührte. Er
ging sogleich zu Bette, und die seltsamsten entzückendsten
Traumbilder flogen durch seine Seele. Er war bleich
und unlustig, als er am folgenden Morgen aufstand,
hatte Kopfschmerz und fühlte eine so große Schwäche,
daß er den ganzen Tag auf dem Sopha liegen mußte.



Das Chamäleon.
[Abbildung]

Das Chamäleon gehört zu den vierfüßigen Amphibien.
Es ist von verschiedener Größe, doch nicht über1 1 / 2
Fuß groß, hat einen großen pyramidalen Kopf, der auf
den Seiten zusammengedrückt, von vorn angesehen, fast
viereckig erscheint, mehr hoch als breit ist und fast so
hoch als lang, in eine spitzige Schnauze endigt, die je
nach den verschiedenen Arten mit kammartigen Aus-
wüchsen besetzt ist. Auch die Seiten des Kopfes sind
kammartig erhöht, der Hinterkopf aber ist mehr oder
weniger angeschwollen, verlängert und ebenfalls mit ei-
nem Kamme besetzt. Unten an der Kehle zeigt sich ein
zusammengedrückter Kropf, den das Thier nach Willkür
aufblasen kann. Der eigentliche Hals ist sehr kurz und
wenig beweglich. Auch der übrige Körper ist kurz und
an den Seiten eingedrückt; auf dem scharfen und gebo-
genen Rücken bemerkt man oft einen Kamm, sowie
auch am Bauche. Der zugerundete Schwanz kann kräf-
tig nach unten zusammengerollt werden. Die langen und
schmächtigen Gliedmaßen haben einen eignen Bau; die
Schienbeine sind nämlich so lang als die Schenkel.
Noch sonderbarer aber ist die Beschaffenheit der Zehen,
die man bei keinen andern Amphibien auf gleiche Weise
findet. Sie sind in zwei Bündel verwachsen, die sich
einander gegenüber stehen, sodaß sie gleichsam eine Zange
bilden, und zwar stehen an den Vorderfüßen zwei Ze-
hen nach außen und drei nach innen, wogegen dieses
Verhältniß bei den Hinterfüßen umgekehrt ist.

Betrachten wir das Skelett dieser Thiere, so fin-
den wir noch manches Merkwürdige. Zuerst fallen die
[Ende Spaltensatz]

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[205/0005] Das Pfennig=Magazin. [Abbildung Der weiße Mohn.] mit Blättern bedeckt, trocknet und in den Handel bringt. Das in Indien gewonnene Opium geht meist durch Schleichhandel nach China, wo man es theils raucht, theils in Gestalt von Pillen nimmt, um sich zu berau- schein. Diese verderbliche Sitte ist ebenso herrschend unter den Türken, besonders den ältern, und nur erst in der neuesten Zeit ist sie beschränkt worden. Ein Reisender, der längere Zeit in Konstantinopel verweilte, besuchte eines der Kaffeehäuser, wo sich die leidenschaft- lichen Opiumesser, Theriaki, versammeln. Jedem Besucher wurde die Gabe gereicht, die er brauchte, um sich in einen Rausch zu versetzen. Sie saßen still auf ihren Polstersitzen und erwarteten die Wirkung. Einige machten furchtbare Geberden, während Diejenigen, die bereits im Rausche waren, wie im Fieberwahn redeten. Ihre Gesichter glühten, ihre Augen hatten einen unna- türlichen Glanz, und furchtbar wild war der Ausdruck ihrer Züge. Gewöhnlich erfolgt die Wirkung zwei Stun- den nach dem Genusse des Opiums und dauert gegen fünf Stunden. Die Gabe steigt von drei Gran bis zu einer Drachme. Man sah in jenem Kaffeehause einen alten Mann, der seit 25 Jahren täglich binnen zwei Stunden vier Pillen, jede von sechs Gran genommen hatte. Solche Fälle sind aber sehr selten, da ein Opiumesser nicht leicht das dreißigste Jahr überlebt, wenn er sich der zerstören- den Gewohnheit hingegeben hat. Die moralische und physische Schwäche, die der Aufregung folgt, ist furcht- bar. Die Eßlust wird bald gestört, jede Fiber zittert, die Nerven des Halses werden angegriffen und die Mus- keln steif; bei mehren Gästen des Kaffeehauses war der Hals dürr und die Finger zusammengezogen, und doch konnten sie von der Gewohnheit nicht ablassen. Sie fühlen sich elend, bis die Stunde kommt, wo sie ihre gewöhnliche Gabe nehmen, und wenn sie zu wirken beginnt, werden sie feurig und lebendig. Ei- nige reden in Versen, Andere sprechen in beredten Wor- ten zu den Umstehenden, und halten in ihrem trunkenen Wahn sich für Könige der Welt. Der Reisende erprobte an sich selber die Wirkung. Er begann mit einem Gran, der in einer Zeit von anderthalb Stunden keine merk- liche Wirkung hatte. Dann nahm er noch einen halben Gran, und nach einer halben Stunde nochmals ebenso viel. Drittehalb Stunden nach der ersten Gabe ließ er sich eine Pille von zwei Gran reichen und bald nach- her fühlte er eine lebhafte Aufregung. Seine Seelen- kräfte belebten sich, Alles, was er sah, schien sich zu vergrößern, aber er fühlte nicht so angenehme Regungen, wenn er die Augen schloß, als wenn er sie offen hielt. Er eilte so schnell als möglich nach Hause und es war ihm, als ob sein Fuß kaum den Boden berührte. Er ging sogleich zu Bette, und die seltsamsten entzückendsten Traumbilder flogen durch seine Seele. Er war bleich und unlustig, als er am folgenden Morgen aufstand, hatte Kopfschmerz und fühlte eine so große Schwäche, daß er den ganzen Tag auf dem Sopha liegen mußte. Das Chamäleon. [Abbildung] Das Chamäleon gehört zu den vierfüßigen Amphibien. Es ist von verschiedener Größe, doch nicht über1 1 / 2 Fuß groß, hat einen großen pyramidalen Kopf, der auf den Seiten zusammengedrückt, von vorn angesehen, fast viereckig erscheint, mehr hoch als breit ist und fast so hoch als lang, in eine spitzige Schnauze endigt, die je nach den verschiedenen Arten mit kammartigen Aus- wüchsen besetzt ist. Auch die Seiten des Kopfes sind kammartig erhöht, der Hinterkopf aber ist mehr oder weniger angeschwollen, verlängert und ebenfalls mit ei- nem Kamme besetzt. Unten an der Kehle zeigt sich ein zusammengedrückter Kropf, den das Thier nach Willkür aufblasen kann. Der eigentliche Hals ist sehr kurz und wenig beweglich. Auch der übrige Körper ist kurz und an den Seiten eingedrückt; auf dem scharfen und gebo- genen Rücken bemerkt man oft einen Kamm, sowie auch am Bauche. Der zugerundete Schwanz kann kräf- tig nach unten zusammengerollt werden. Die langen und schmächtigen Gliedmaßen haben einen eignen Bau; die Schienbeine sind nämlich so lang als die Schenkel. Noch sonderbarer aber ist die Beschaffenheit der Zehen, die man bei keinen andern Amphibien auf gleiche Weise findet. Sie sind in zwei Bündel verwachsen, die sich einander gegenüber stehen, sodaß sie gleichsam eine Zange bilden, und zwar stehen an den Vorderfüßen zwei Ze- hen nach außen und drei nach innen, wogegen dieses Verhältniß bei den Hinterfüßen umgekehrt ist. Betrachten wir das Skelett dieser Thiere, so fin- den wir noch manches Merkwürdige. Zuerst fallen die

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Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig169_1836/5>, abgerufen am 21.11.2024.