Reichspost. Nr. 3, Wien, 04.01.1901.3 Wien, Freitag Reichspost 4. Jänner 1901 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Ein socialdemokratischer "Pastor". Der bekannte reichsdeutsche Prediger Göhre, Medicinische Aphorismen, das heißt Aussprüche der berühmtesten Mediciner, Professor Dr. Victor Babes in Bukarest schreibt "Endlich muß die Presse dahin wirken, das Dogma Das Dogma von der Freiheit, auf der Universität Mehrere Mediciner betonen den Einfluß der Docent Dr. Roman von Baracz in Lemberg "Die Unsterblichkeit der Seele bewahrheitet Eine echt jüdische Fre--iheit nimmt: sich Doctor "Wenn man bedenkt, daß nach der Zerstörung der Würde man heute mehr für's Seeleuheil "Als ein Ideal künftiger Cultur sollte uns vor- Hofft Herr Dr. Beer dies Ideal zu erreichen, Eine Reihe von medicinischen Autoritäten er- "Der größte Fortschritt der modernen Medicin Krankheiten zu verhüten, dazu wird eben nicht Die "Sorge für's Seelenheil" ist den Aerzten "Die segensreichen Resultate der modernen Wund- Wir werden diese Aphorismen noch fortzusetzen Ferk's Ehe ungiltig. Durch das hiesige Landes- und Civilgericht Was Herrn Ferk physisch gehindert hat, aus Theater, Kunst und Musik. -- Kaiserjubiläums-Stadttheater. Durch -- Im Kaiserjubiläums-Stadttheater findet -- Im Jantschtheater findet heute Donnerstag -- Quartett Duesberg. Am Sonntag, 6. Jänner, -- Wiener Concert-Verein. In der heute -- Concerte und Liederabende. Johannes Verlosungen. Creditlose. (Fortsetzung.) Bei der gestern vorge- 1851er Staatslose. Bei der gestern vorgenom- Wiener Verkehrsanleihe. Bei der gestern stattge- Oesterreichische Rothe Kreuz-Lose. Bei der vor- Lose der Stadt Krakau. Bei der gestern in Krakau Lose der Stadt Laibach. Bei der gestern in 3 Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901 [Spaltenumbruch] Streiflichter. Ein ſocialdemokratiſcher „Paſtor“. Der bekannte reichsdeutſche Prediger Göhre, Mediciniſche Aphorismen, das heißt Ausſprüche der berühmteſten Mediciner, Profeſſor Dr. Victor Babes in Bukareſt ſchreibt „Endlich muß die Preſſe dahin wirken, das Dogma Das Dogma von der Freiheit, auf der Univerſität Mehrere Mediciner betonen den Einfluß der Docent Dr. Roman von Baracz in Lemberg „Die Unſterblichkeit der Seele bewahrheitet Eine echt jüdiſche Fre—iheit nimmt: ſich Doctor „Wenn man bedenkt, daß nach der Zerſtörung der Würde man heute mehr für’s Seeleuheil „Als ein Ideal künftiger Cultur ſollte uns vor- Hofft Herr Dr. Beer dies Ideal zu erreichen, Eine Reihe von mediciniſchen Autoritäten er- „Der größte Fortſchritt der modernen Medicin Krankheiten zu verhüten, dazu wird eben nicht Die „Sorge für’s Seelenheil“ iſt den Aerzten „Die ſegensreichen Reſultate der modernen Wund- Wir werden dieſe Aphorismen noch fortzuſetzen Ferk’s Ehe ungiltig. Durch das hieſige Landes- und Civilgericht Was Herrn Ferk phyſiſch gehindert hat, aus Theater, Kunſt und Muſik. — Kaiſerjubiläums-Stadttheater. Durch — Im Kaiſerjubiläums-Stadttheater findet — Im Jantſchtheater findet heute Donnerſtag — Quartett Duesberg. Am Sonntag, 6. Jänner, — Wiener Concert-Verein. In der heute — Concerte und Liederabende. Johannes Verloſungen. Creditloſe. (Fortſetzung.) Bei der geſtern vorge- 1851er Staatsloſe. Bei der geſtern vorgenom- Wiener Verkehrsanleihe. Bei der geſtern ſtattge- Oeſterreichiſche Rothe Kreuz-Loſe. Bei der vor- Loſe der Stadt Krakau. Bei der geſtern in Krakau Loſe der Stadt Laibach. Bei der geſtern in <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header">3 Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901</fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Streiflichter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein ſocialdemokratiſcher „Paſtor“.</hi> </head><lb/> <p>Der bekannte reichsdeutſche Prediger Göhre,<lb/> der früher in Frankfurt an der Oder amtirte,<lb/> hat ſchon länger ſein geiſtliches <hi rendition="#g">Amt</hi> niedergelegt,<lb/> war aber dabei doch noch Geiſtlicher der evangeli-<lb/> ſchen Landeskirche geblieben. Er hat ſich ein eigenes<lb/> Chriſtenthum zurechtgelegt, das nicht das katholiſche,<lb/> nicht das evangeliſche Antichriſtenthum iſt, aber ſich<lb/> auch weſentlich von dem Chriſtenthum der So<supplied>cial</supplied><lb/> demokratie unterſcheidet, der er jetzt als Mitglied<lb/> angehört. In letzter Zeit wurde er von dem Conſi-<lb/> ſtorium der Provinz Brandenburg unter An-<lb/> drohung des Disciplinarverfahrens zum frei-<lb/> willigen Verzicht auf die Rechte des geiſtlichen<lb/> Standes aufgefordert worden und hat dieſer<lb/> Aufforderung auch entſprochen. — Göhres<lb/> neues Chriſtenthum entſprach alſo nicht<lb/> den Anforderungen des Conſiſtoriums an einen<lb/> evangeliſchen Geiſtlichen. Darüber iſt nichts zu<lb/> ſagen, das iſt ſelbſtverſtändlich. Intereſſanter<lb/> aber iſt, daß das Göhre’ſche Chriſtenthum auch<lb/> den Socialdemokraten nicht paßt, und warum es<lb/> ihnen nicht paßt. Nach ſeiner Anſicht ſind die<lb/> Chriſtus-Leugner <hi rendition="#g">Strauß</hi> und <hi rendition="#g">Bauer</hi> mit<lb/> ihrer Evangelienkritik, auf welche ſich auch die<lb/> Socialdemokratie zu ſtützen pflegt, auf dem<lb/><hi rendition="#g">Holzwege</hi> geweſen; er meint, neuere theologiſche<lb/> Forſcher, wie Harnack und Holzmann, hätten<lb/> nachgewieſen, daß Jeſus in der That eine<lb/><hi rendition="#g">hiſtoriſche Perſon</hi> geweſen ſei und daß man<lb/> in den vier Evangelien eine authentiſche Dar-<lb/> ſtellung ſeines Lebens beſitze. Danach ſei das<lb/> Chriſtenthum von einer machtvollen, in ſich har-<lb/> moniſch abgeſchloſſenen Perſönlichkeit ausge-<lb/> gangen, von dem einzigen Uebermenſchen, den<lb/> die Geſchichte kenne; durch die Perſon Jeſu,<lb/> und nicht durch die Verhältniſſe ſei die<lb/> Rieſenbewegung des Chriſtenthums entſtanden.<lb/> Göhre erkennt an, daß er damit den<lb/><hi rendition="#g">hiſtoriſchen Materialismus verleugne.</hi><lb/> Das iſt der Grund, warum Goehre in ſocial-<lb/> demokratiſchen Verſammlungen vielfachen Wider-<lb/> ſpruch findet. Er wird wohl bald erfahren, daß<lb/> er ſelbſt mit ſeinem „freien“ wiſſenſchaftlichen<lb/> Chriſtenthum bei den „zielbewußten“ Socialdemo-<lb/> kraten, denen nach Bebel <hi rendition="#g">Atheismus Partei-<lb/> ſache</hi> iſt, nichts ausrichten kann. Trotzdem geht<lb/> die Socialdemokratie mit dem Prediger a. D.<lb/> Goehre, welcher ſeinerſeits die Frage, ob ein<lb/> Chriſt Socialdemokrat ſein könne, <hi rendition="#g">bejaht</hi> hat,<lb/> krebſen; für die „Landagitation“ der Socialdemo-<lb/> kratie, die auf eine wirkliche Bauernfängerei hin-<lb/> ausläuft, iſt Herr Goehre trotz allem und wider<lb/> Willen ein willkommener „Kronzeuge“. „Wir<lb/> mogeln, wo wir können“. Ob Goehre nicht bald<lb/> auch aus der „Genoſſenſchaft“ herausfliegt?</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Mediciniſche Aphorismen,</hi> </head><lb/> <p>das heißt Ausſprüche der berühmteſten Mediciner,<lb/> ſind der „Wiener Mediciniſchen Wochenſchrift“ aus<lb/> Anlaß ihres fünfzigjährigen Beſtandes (1850—1900)<lb/> gewidmet worden, die in einem ſtattlichen Heft ge-<lb/> ſamm<supplied>e</supplied>lt uns vorliegen. Wir finden darin eine Menge<lb/> Streiflichter, die verſchiedene Gebiete berühren, und<lb/> aus ſolchem Munde vielleicht beſſer wirken, als wenn<lb/> ſie aus unſerer Feder flöſſen. Wir theilen nur<lb/> einige mit.</p><lb/> <p>Profeſſor Dr. Victor <hi rendition="#g">Babes</hi> in Bukareſt ſchreibt<lb/> unter Anderem:</p><lb/> <p>„Endlich muß die Preſſe dahin wirken, das Dogma<lb/> von der Unantaſtbarkeit der Freiheit des Individuums,<lb/> durch Uebertragung ſeiner Krankheit Elend und Tod<lb/> unter ſeinen Mitmenſchen zu verbreiten, zu <hi rendition="#g">zerſtören.</hi>“</p><lb/> <p>Das Dogma von der Freiheit, auf der Univerſität<lb/> und in der Literatur durch Uebertragung der Krankheit<lb/> des materialiſtiſchen Unglaubens Elend und Tod unter<lb/> ſeinen Mitmenſchen zu verbreiten — ſoll dies allein<lb/> als <hi rendition="#g">unantaſtbar</hi> gelten?</p><lb/> <p>Mehrere Mediciner betonen den Einfluß der<lb/><hi rendition="#g">pſychiſchen</hi> (ſeeliſchen) Vorgänge auf Geſundheit<lb/> und Krankheit des Körpers, dem Profeſſor Dr.<lb/><hi rendition="#g">Gabriel Anton</hi> in Graz aber ſind die pſychiſchen<lb/> Vorgänge anſcheinend nur „Abänderungen der <hi rendition="#g">Ge-<lb/> hirn</hi> vorgänge“. Daß aber auch das Gehirn von den<lb/> ſeeliſchen Vorgängen beeinflußt wird, ſcheint der<lb/> mediciniſchen Wiſſenſchaft noch fremd zu ſein,<lb/> während doch das Umgekehrte der Medizin wie der<lb/> Philoſophie und dem geſunden Menſchenverſtande<lb/> einleuchtet.</p><lb/> <p>Docent Dr. <hi rendition="#g">Roman von Baracz</hi> in Lemberg<lb/> jedoch bildet eine rühmliche Ausnahme dieſer die Pſyche<lb/> leugnenden Gelehrten. Er ſchreibt:</p><lb/> <p>„Die <hi rendition="#g">Unſterblichkeit der Seele</hi> bewahrheitet<lb/> ſich alltäglich vielleicht nirgends ſo ſehr wie in unſerer<lb/> Wiſſenſchaft.“</p><lb/> <p>Eine echt jüdiſche Fre—iheit nimmt: ſich Doctor<lb/> Theodor <hi rendition="#g">Beer</hi>-Wien heraus mit der Bemerkung:</p><lb/> <p>„Wenn man bedenkt, daß nach der Zerſtörung der<lb/> antiken Cultur die Menſchen an zweitauſend Jahre<lb/><cb/> von dem Wahn beſeſſen bleiben, man müſſe <hi rendition="#g">aus-<lb/> ſchließlich</hi> oder <hi rendition="#g">vorwiegend</hi> für das <hi rendition="#g">Seelen-<lb/> heil</hi> ſorgen, kann die furchtbare Morbidität, in welche<lb/> die Menſchheit verfallen iſt, nicht Wunder nehmen.<lb/> Wir leben in hygieniſch-prophylaktiſcher und in<lb/><hi rendition="#g">ſexual-ſelectiver,</hi> auch in <hi rendition="#g">lebensgenußlicher</hi><lb/> Hinſicht noch in einer mittelalterlich(!) beeinflußten<lb/> Periode wilder Anarchie, deren wir uns umſomehr<lb/> ſchämen ſollten, als unſere großartige Technik uns viel<lb/> mehr Hygiene und Lebensgenuß geſtalten könnte, als<lb/> jemals den Menſchen früherer Epochen von dieſer<lb/> Seite möglich war.“</p><lb/> <p>Würde man heute <hi rendition="#g">mehr</hi> für’s <hi rendition="#g">Seeleuheil</hi><lb/> ſorgen, ſo würde gewiß die Morbidität heute <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> ſo groß ſein, als ſie es iſt. Trunkſucht und Sitten-<lb/> loſigkeit ſind die Hauptſchuld an der großen Sterb-<lb/> lichkeit und die <hi rendition="#g">verbietet</hi> die Sorge für’s Seelen-<lb/> heil. Die wilde Anarchie des Genuſſes iſt nicht<lb/> mittelalterliche Tradition, ſondern Product der Neu-<lb/> zeit trotz ihrer ſehr erfreulichen Hygiene! Dr. Beer<lb/> ſtellt ſelbſt folgendes Ideal „phyſiſcher Cultur“ uns<lb/> vor Augen.</p><lb/> <p>„Als ein Ideal künftiger Cultur ſollte uns vor-<lb/> ſchweben: Das Ausgerottetſein der meiſten Krank-<lb/> heiten, vor Allem des Alkoholismus, der Syphilis,<lb/> Gonorrhoe, Tuberculoſe u. ſ. w.“</p><lb/> <p>Hofft Herr Dr. Beer dies Ideal zu erreichen,<lb/> wenn er die „Sorge für’s Seelenheil“ als überflüſſig<lb/> oder als Nebenſache, die Sorge für’s „Körperheil“<lb/> als vor Allem nöthig erklärt?</p><lb/> <p>Eine Reihe von mediciniſchen Autoritäten er-<lb/> klären mit anderen Worten, was Profeſſor Doctor<lb/><hi rendition="#g">Hann Chiari</hi>-Prag folgendermaßen ausdrückt:</p><lb/> <p>„Der größte Fortſchritt der modernen Medicin<lb/> liegt darin, daß ſie es nunmehr gelernt hat, nicht bloß<lb/> Krankheiten zu diagnoſticiren und zu heilen, ſondern<lb/> auch Krankheiten zu <hi rendition="#g">verhüten.</hi>“</p><lb/> <p>Krankheiten zu verhüten, dazu wird eben nicht<lb/> wenig die „Sorge für’s Seelenheil“ beitragen, Herr<lb/> Doctor Beer! Oder glauben Sie nicht?</p><lb/> <p>Die „Sorge für’s Seelenheil“ iſt den Aerzten<lb/> ſelbſt zu empfehlen; denn nur zu wahr iſt, was<lb/> Hofrath Profeſſor Dr. <hi rendition="#g">Rudolf Chrobak</hi>-Wien<lb/> ſchreibt:</p><lb/> <p>„Die ſegensreichen Reſultate der modernen Wund-<lb/> behandlung haben zu einer zu beklagenden Unter-<lb/> ſchätzung der techniſchen Fertigkeit und Ausbildung<lb/> geführt, ſie bergen aber noch für den <hi rendition="#g">ſittlich nicht<lb/> zuhöchſt ſtehenden Arzt</hi> eine reiche Quelle von<lb/> Gefahren.“</p><lb/> <p>Wir werden dieſe Aphorismen noch fortzuſetzen<lb/> Gelegenheit nehmen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ferk’s Ehe ungiltig.</hi> </head><lb/> <p>Durch das hieſige Landes- und Civilgericht<lb/> wurde geſtern die Ehe des altkatholiſchen Pfarrers<lb/><hi rendition="#g">Ferk</hi> in Graz, der früher katholiſcher Prieſter<lb/> geweſen, ungiltig erklärt. Ferk führte zwar aus,<lb/> daß er ſeinerzeit die Gelübde als katholiſcher<lb/> Prieſter nur unter Zwang abgelegt habe(?), und<lb/> zwar unter phyſiſchem Zwang, indem man es ihm<lb/> unmöglich(?) machte, aus dem Kloſter an ſeine<lb/> Eltern zu ſchreiben oder wegzugehen(?) — unter<lb/> moraliſchem Zwang, indem man ihm nur den<lb/> Beſuch einer Oeffentlichkeitsrechtes entbehrenden<lb/> Privatſchule geſtattete, was ihm jede andere Mög-<lb/> lichkeit einer Exiſtenz benahm(?). Der Gerichtshof<lb/> ſprach unter Berufung auf § 63 B. G. B. die<lb/> Ungiltigkeit der am 29. Juli 1900 abgeſchloſſenen<lb/> Ehe aus.</p><lb/> <p>Was Herrn Ferk phyſiſch gehindert hat, aus<lb/> dem Franciscanerkloſter als Novize vor Ablegung<lb/> der Gelübde auszutreten, iſt uns unerfindlich.<lb/> Man hätte ihn doch nicht eingeſperrt oder ge-<lb/> martert oder gar abgemurkſt? Ein Glück für ihn<lb/> und für den Orden wäre es doch geweſen?</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jCulturalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Theater, Kunſt und Muſik.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">— Kaiſerjubiläums-Stadttheater.</hi> </head> <p>Durch<lb/> die geſtrige Aufführung von Schiller’s <hi rendition="#g">„Räuber“</hi><lb/> erfuhr das claſſiſche Repertoir dieſer Bühne eine be-<lb/> deutungsvolle Erweiterung. Der den Wienern be-<lb/> reits wohlbekannte Künſtler Ferdinand <hi rendition="#g">Bonn</hi><lb/> gaſtirte in der Rolle des Franz Moor. Er brachte<lb/> ſämmtliche Vorzüge des ihm eigenthümlichen Talentes<lb/> zur Geltung. Durch die Natürlichkeit ſeiner Dar-<lb/> ſtellung, vor Allem durch ſein treffendes Mienen-<lb/> ſpiel verſtand er es, die erſchütterndſten Wirkungen<lb/> hervorzubringen.—Den größten Effect erzielte er in<lb/> der Verzweiflungsſcene. Allgemeines Aufſehen er-<lb/> regte der Schluß der Vorſtellung. Statt der uns<lb/> bekannten Scene, wonach Franz, nachdem er<lb/> keine Rettung mehr ſieht, ſich in wildeſter Ver-<lb/> zweiflung erhenkt, bot uns die geſtrige Darſtellung<lb/> die urſprüngliche Faſſung. Franz wurde von den<lb/> Räubern erfaßt und, getreu dem Eide, liefert Schweizer<lb/> ihn lebend ſeinem Hauptmann aus. Carl, in einem Anfall<lb/> von Menſchlichkeit will nicht ſelbſt über ſeinen leib-<lb/> lichen Bruder richten, er überläßt es ſeiner Bande,<lb/> eine Strafe über ihn zu verhängen. Hohnlachend<lb/> werfen die Räuber das Scheuſal in den Thurm und<lb/> geben ihn dem Hungertode preis. Würdig an der<lb/> Seite des Gaſtes ſtanden die übrigen Darſteller.<lb/> Vor Allem Herr <hi rendition="#g">Schmidt</hi> (Carl Moor), dem aber<lb/> mitunter etwas Mäßigung anzurathen wäre, um<lb/><cb/> einem ſtörenden „Sichverſprechen“ auszuweichen. Herr<lb/><hi rendition="#g">Godai</hi> verdiente für ſeine zwar kurze, doch gut ge-<lb/> ſpielte Rolle des Koſinsky den ihm gezollten Beifall<lb/> mit vollem Rechte. Der Umſtand, daß die Vorſtellung<lb/> erſt in ſehr ſpät vorgerückter Stunde zu Ende ging,<lb/> iſt alleinige Schuld des Publicums, das in ſeinem<lb/> rauſchenden Beifalle keine Grenzen kannte und den<lb/> gaſtirenden Künſtler vierzigmal vor die Rampe rief.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Im Kaiſerjubiläums-Stadttheater</hi> </head> <p>findet<lb/> heute die ſechſte Aufführung der übermüthigen Geſangs-<lb/> poſſe <hi rendition="#g">„Von Penzing nach Peking“</hi> ſtatt. Morgen<lb/> Freitag wird das erfolgreiche Volksſtück <hi rendition="#g">„Das Kind“</hi><lb/> von A. Baumberg wiederholt, das bereits an zahl-<lb/> reichen auswärtigen Bühnen zur Aufführung ange-<lb/> nommen wurde. Die nächſten Aufführungen des Märchen-<lb/> ſpiels <hi rendition="#g">„Aſchenbrödel“</hi> finden am Samſtag den<lb/> 5. und Sonntag den 6. Jänner l. J. Nachmittags um<lb/> ½3 Uhr ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Im Jantſchtheater</hi> </head> <p>findet heute Donnerſtag<lb/> anläßlich der 50. Aufführung des Ausſtattungsſtückes<lb/><hi rendition="#g">„Zwanzigtauſend Meilen unterm Meere“</hi><lb/> eine Feſtvorſtellung ſtatt. Sonntag, den 6. d. M. ge-<lb/> langt dieſes Stück Nachmittags 3 Uhr und Abends<lb/> ½8 Uhr zur Wiederholung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Quartett Duesberg.</hi> </head> <p>Am Sonntag, 6. Jänner,<lb/> findet das <hi rendition="#aq">IX.</hi> Concert Duesberg (Sonate-Abend) mit<lb/> folgendem Programm ſtatt: 1. Brahms; Clavier-<lb/> Violin-Sonate <hi rendition="#aq">D-moll.</hi> 2. Chorvorträge des Damen-<lb/> Chorvereines unter Leitung des Herrn Carl Lafite und<lb/> zwar von Zechner, Rebay und Lafite. 3. Chriſtian<lb/> Sinding, Clavier-Violin-Sonate <hi rendition="#aq">E-dur.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Wiener Concert-Verein.</hi> </head> <p>In der <hi rendition="#g">heute</hi><lb/> Donnerſtag, den 3. Jänner, ½5 Uhr Nachmittags im<lb/> k. k. Volksgarten ſtattfindenden populären Orcheſter-<lb/> Concerte des Wiener Concert-Vereines gelangen u. A.<lb/> Werke von Mozart („Jupiter“-Symphonie), Wagner<lb/> („Rienzi“-Ouverture), Johann Strauß („An der ſchönen<lb/> blauen Donau“), Delibes, Suppé, Grieg, Dvorak,<lb/> Eduard Strauß zur Aufführung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Concerte und Liederabende.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">Johannes<lb/> Meßſchaert</hi> und <hi rendition="#g">Julius Röntgen</hi> veranſtalten<lb/> Montag, den 21. Jänner einen Liederabend im Böſen-<lb/> dorfer-Saale. — <hi rendition="#g">Moriz Roſenthal</hi> veranſtaltet<lb/> Samſtag, den 26. Jänner ein Concert im Böſendorfer-<lb/> Saale. Karten in Gutmann’s Hofmuſikalienhandlung.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Verloſungen.</hi> </head><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Creditloſe.</hi> </head> <p>(Fortſetzung.) Bei der geſtern vorge-<lb/> nommenen Ziehung der Creditloſe gewannen je 800 <hi rendition="#aq">K</hi><lb/> S. 638 Nr. 25, S. 929 Nr. 41, S. 954 Nr. 53 und 72,<lb/> S. 1114 Nr. 45, S. 1125 Nr. 63, S. 1167 Nr. 47,<lb/> S. 1226 Nr. 17 und 57, S. 1482 Nr. 42, S. 1551<lb/> Nr. 51, S. 1768 Nr. 38, S. 1841 Nr. 8, S. 2303<lb/> Nr. 43 und 57, S. 2575 Nr. 12, 21 und<lb/> 50, S. 2652 Nr. 80, S. 2683 Nr. 51, S. 2777<lb/> Nr. 5, 22 und 58, S. 2808 Nr. 20, S. 2852 Nr. 76,<lb/> S. 2916 Nr. 60, S. 3237 Nr. 39 und 71, S. 3424<lb/> Nr. 15, S. 3442 Nr. 29, 51 und 54, S. 3533 Nr. 19,<lb/> S. 3601 Nr. 14 und 41. Auf alle übrigen in den ver-<lb/> loſten Serien hier nicht aufgeführten Nummern fällt<lb/> der kleinſte Gewinn von je 400 <hi rendition="#aq">K.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">1851er Staatsloſe.</hi> </head> <p>Bei der geſtern vorgenom-<lb/> menen Ziehung wurden nachſtehende Serien gezogen:<lb/> 4 77 304 345 423 463 513 516 524 529 649 663 744<lb/> 784 812 858 892 960 1084 1153 1189 1210 1224 1269<lb/> 1280 1364 1393 1699 1751 1806 1973 1996 2089 2093<lb/> 2100 2109 2116 2169 2272 2333 2357 2359 2378 2406<lb/> 2426 2437 2474 2530 2657 2663 2703 2789 2912 3051<lb/> 3058 3087 3120 3146 3172 3222 3234 3332 3346 3366<lb/> 3389 3430 3469 3525 3587 3640 3712 3762 und 3883.<lb/> Die Prämienziehung der in dieſen verloſten Serien<lb/> enthaltenen höheren Gewinnſte findet am 1. April<lb/> d. J. ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wiener Verkehrsanleihe.</hi> </head> <p>Bei der geſtern ſtattge-<lb/> fundenen öffentlichen Ziehung der Obligationen des<lb/> Anlehens der Commiſſion für Verkehrsanlagen in<lb/> Wien wurden nachſtehende Serien gezogen und zwar:<lb/> Erſte Emiſſion: S. 295 1388 1966 2340 2877 4393 4589<lb/> 4606. — Zweite Emiſſion: S. 5377 6016 6135 6549<lb/> 6246 7508 8002. — Emiſſion vom Jahre 1900: S. 28<lb/> 1303 1661. Dieſelben gelangen gegen Rückſtellung der<lb/> Obligationen und der nicht verfallenen Coupons<lb/> ſammt Talons ab 1. April 1901 bei der Zahlſtelle der<lb/> obigen Commiſſion (das iſt dermalen die Unionbank<lb/> in Wien) zur Einlöſung.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Rothe Kreuz-Loſe.</hi> </head> <p>Bei der vor-<lb/> geſtern vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer<lb/> mit 70.000 <hi rendition="#aq">K</hi> auf S. 5491 Nr. 5, der zweite Treffer<lb/> mit 2000 <hi rendition="#aq">K</hi> auf S. 2316 Nr. 6. Je 200 <hi rendition="#aq">K</hi> gewannen<lb/> S. 200 Nr. 24, S. 276 Nr. 13, S. 383 Nr. 37, S. 624<lb/> Nr. 40, S. 1122 Nr. 14, S. 1252 Nr. 24, S. 1774<lb/> Nr. 34. S. 2476 Nr. 48, S. 2538 Nr. 17, S. 3831<lb/> Nr. 37, S. 4449 Nr. 17, S. 4774 Nr. 32, S. 9062<lb/> Nr. 6, S. 9444 Nr. 42 und S. 10303 Nr. 12. Je 100 <hi rendition="#aq">K</hi><lb/> gewannen G. 1803 Nr. 9, S. 2348 Nr. 18, S. 3103<lb/> Nr. 36, S. 4639 Nr. 34, S. 4770 Nr. 30, S. 5009<lb/> Nr. 31, S. 5338 Nr. 40, S. 5381 Nr. 43. S. 6709<lb/> Nr. 36, S. 7877 Nr. 15, S. 8431 Nr. 43, S. 9658<lb/> Nr. 45, S. 11073 Nr. 21, S. 11487 Nr. 15 und<lb/> S. 11954 Nr. 11. In der folgenden Tilgungsziehung<lb/> wurden die Serien 82 287 1290 2381 2973 3215 3690<lb/> 3921 3973 4400 4514 4612 5157 5529 6773 6838 6854<lb/> 7109 7494 7571 7962 8655 9098 9151 9284 10371 10502<lb/> 11502 11686 und 11862 gezogen, welche je die Nummern<lb/> 1 bis 50 enthalten und mit dem Nominalbetrage von<lb/> je 28 <hi rendition="#aq">K</hi> gezogen wurden.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Loſe der Stadt Krakau.</hi> </head> <p>Bei der geſtern in Krakau<lb/> vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer mit<lb/> 50.000 <hi rendition="#aq">K</hi> auf Nr. 7502, der zweite Treffer mit 5000 <hi rendition="#aq">K</hi><lb/> auf Nr. 21991. Je 1000 <hi rendition="#aq">K</hi> gewannen Nr. 28995 37631<lb/> 40569 44616 und 58700.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Loſe der Stadt Laibach.</hi> </head> <p>Bei der geſtern in<lb/> Laibach vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer<lb/> mit 50.000 <hi rendition="#aq">K</hi> auf Nr. 71763, der zweite Treffer mit<lb/> 3000 <hi rendition="#aq">K</hi> auf Nr. 3330. Je 1000 <hi rendition="#aq">K</hi> gewannen die<lb/> Nummern 5775 21183 28962 41540 und 42657.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
3 Wien, Freitag Reichspoſt 4. Jänner 1901
Streiflichter.
Ein ſocialdemokratiſcher „Paſtor“.
Der bekannte reichsdeutſche Prediger Göhre,
der früher in Frankfurt an der Oder amtirte,
hat ſchon länger ſein geiſtliches Amt niedergelegt,
war aber dabei doch noch Geiſtlicher der evangeli-
ſchen Landeskirche geblieben. Er hat ſich ein eigenes
Chriſtenthum zurechtgelegt, das nicht das katholiſche,
nicht das evangeliſche Antichriſtenthum iſt, aber ſich
auch weſentlich von dem Chriſtenthum der Social
demokratie unterſcheidet, der er jetzt als Mitglied
angehört. In letzter Zeit wurde er von dem Conſi-
ſtorium der Provinz Brandenburg unter An-
drohung des Disciplinarverfahrens zum frei-
willigen Verzicht auf die Rechte des geiſtlichen
Standes aufgefordert worden und hat dieſer
Aufforderung auch entſprochen. — Göhres
neues Chriſtenthum entſprach alſo nicht
den Anforderungen des Conſiſtoriums an einen
evangeliſchen Geiſtlichen. Darüber iſt nichts zu
ſagen, das iſt ſelbſtverſtändlich. Intereſſanter
aber iſt, daß das Göhre’ſche Chriſtenthum auch
den Socialdemokraten nicht paßt, und warum es
ihnen nicht paßt. Nach ſeiner Anſicht ſind die
Chriſtus-Leugner Strauß und Bauer mit
ihrer Evangelienkritik, auf welche ſich auch die
Socialdemokratie zu ſtützen pflegt, auf dem
Holzwege geweſen; er meint, neuere theologiſche
Forſcher, wie Harnack und Holzmann, hätten
nachgewieſen, daß Jeſus in der That eine
hiſtoriſche Perſon geweſen ſei und daß man
in den vier Evangelien eine authentiſche Dar-
ſtellung ſeines Lebens beſitze. Danach ſei das
Chriſtenthum von einer machtvollen, in ſich har-
moniſch abgeſchloſſenen Perſönlichkeit ausge-
gangen, von dem einzigen Uebermenſchen, den
die Geſchichte kenne; durch die Perſon Jeſu,
und nicht durch die Verhältniſſe ſei die
Rieſenbewegung des Chriſtenthums entſtanden.
Göhre erkennt an, daß er damit den
hiſtoriſchen Materialismus verleugne.
Das iſt der Grund, warum Goehre in ſocial-
demokratiſchen Verſammlungen vielfachen Wider-
ſpruch findet. Er wird wohl bald erfahren, daß
er ſelbſt mit ſeinem „freien“ wiſſenſchaftlichen
Chriſtenthum bei den „zielbewußten“ Socialdemo-
kraten, denen nach Bebel Atheismus Partei-
ſache iſt, nichts ausrichten kann. Trotzdem geht
die Socialdemokratie mit dem Prediger a. D.
Goehre, welcher ſeinerſeits die Frage, ob ein
Chriſt Socialdemokrat ſein könne, bejaht hat,
krebſen; für die „Landagitation“ der Socialdemo-
kratie, die auf eine wirkliche Bauernfängerei hin-
ausläuft, iſt Herr Goehre trotz allem und wider
Willen ein willkommener „Kronzeuge“. „Wir
mogeln, wo wir können“. Ob Goehre nicht bald
auch aus der „Genoſſenſchaft“ herausfliegt?
Mediciniſche Aphorismen,
das heißt Ausſprüche der berühmteſten Mediciner,
ſind der „Wiener Mediciniſchen Wochenſchrift“ aus
Anlaß ihres fünfzigjährigen Beſtandes (1850—1900)
gewidmet worden, die in einem ſtattlichen Heft ge-
ſammelt uns vorliegen. Wir finden darin eine Menge
Streiflichter, die verſchiedene Gebiete berühren, und
aus ſolchem Munde vielleicht beſſer wirken, als wenn
ſie aus unſerer Feder flöſſen. Wir theilen nur
einige mit.
Profeſſor Dr. Victor Babes in Bukareſt ſchreibt
unter Anderem:
„Endlich muß die Preſſe dahin wirken, das Dogma
von der Unantaſtbarkeit der Freiheit des Individuums,
durch Uebertragung ſeiner Krankheit Elend und Tod
unter ſeinen Mitmenſchen zu verbreiten, zu zerſtören.“
Das Dogma von der Freiheit, auf der Univerſität
und in der Literatur durch Uebertragung der Krankheit
des materialiſtiſchen Unglaubens Elend und Tod unter
ſeinen Mitmenſchen zu verbreiten — ſoll dies allein
als unantaſtbar gelten?
Mehrere Mediciner betonen den Einfluß der
pſychiſchen (ſeeliſchen) Vorgänge auf Geſundheit
und Krankheit des Körpers, dem Profeſſor Dr.
Gabriel Anton in Graz aber ſind die pſychiſchen
Vorgänge anſcheinend nur „Abänderungen der Ge-
hirn vorgänge“. Daß aber auch das Gehirn von den
ſeeliſchen Vorgängen beeinflußt wird, ſcheint der
mediciniſchen Wiſſenſchaft noch fremd zu ſein,
während doch das Umgekehrte der Medizin wie der
Philoſophie und dem geſunden Menſchenverſtande
einleuchtet.
Docent Dr. Roman von Baracz in Lemberg
jedoch bildet eine rühmliche Ausnahme dieſer die Pſyche
leugnenden Gelehrten. Er ſchreibt:
„Die Unſterblichkeit der Seele bewahrheitet
ſich alltäglich vielleicht nirgends ſo ſehr wie in unſerer
Wiſſenſchaft.“
Eine echt jüdiſche Fre—iheit nimmt: ſich Doctor
Theodor Beer-Wien heraus mit der Bemerkung:
„Wenn man bedenkt, daß nach der Zerſtörung der
antiken Cultur die Menſchen an zweitauſend Jahre
von dem Wahn beſeſſen bleiben, man müſſe aus-
ſchließlich oder vorwiegend für das Seelen-
heil ſorgen, kann die furchtbare Morbidität, in welche
die Menſchheit verfallen iſt, nicht Wunder nehmen.
Wir leben in hygieniſch-prophylaktiſcher und in
ſexual-ſelectiver, auch in lebensgenußlicher
Hinſicht noch in einer mittelalterlich(!) beeinflußten
Periode wilder Anarchie, deren wir uns umſomehr
ſchämen ſollten, als unſere großartige Technik uns viel
mehr Hygiene und Lebensgenuß geſtalten könnte, als
jemals den Menſchen früherer Epochen von dieſer
Seite möglich war.“
Würde man heute mehr für’s Seeleuheil
ſorgen, ſo würde gewiß die Morbidität heute nicht
ſo groß ſein, als ſie es iſt. Trunkſucht und Sitten-
loſigkeit ſind die Hauptſchuld an der großen Sterb-
lichkeit und die verbietet die Sorge für’s Seelen-
heil. Die wilde Anarchie des Genuſſes iſt nicht
mittelalterliche Tradition, ſondern Product der Neu-
zeit trotz ihrer ſehr erfreulichen Hygiene! Dr. Beer
ſtellt ſelbſt folgendes Ideal „phyſiſcher Cultur“ uns
vor Augen.
„Als ein Ideal künftiger Cultur ſollte uns vor-
ſchweben: Das Ausgerottetſein der meiſten Krank-
heiten, vor Allem des Alkoholismus, der Syphilis,
Gonorrhoe, Tuberculoſe u. ſ. w.“
Hofft Herr Dr. Beer dies Ideal zu erreichen,
wenn er die „Sorge für’s Seelenheil“ als überflüſſig
oder als Nebenſache, die Sorge für’s „Körperheil“
als vor Allem nöthig erklärt?
Eine Reihe von mediciniſchen Autoritäten er-
klären mit anderen Worten, was Profeſſor Doctor
Hann Chiari-Prag folgendermaßen ausdrückt:
„Der größte Fortſchritt der modernen Medicin
liegt darin, daß ſie es nunmehr gelernt hat, nicht bloß
Krankheiten zu diagnoſticiren und zu heilen, ſondern
auch Krankheiten zu verhüten.“
Krankheiten zu verhüten, dazu wird eben nicht
wenig die „Sorge für’s Seelenheil“ beitragen, Herr
Doctor Beer! Oder glauben Sie nicht?
Die „Sorge für’s Seelenheil“ iſt den Aerzten
ſelbſt zu empfehlen; denn nur zu wahr iſt, was
Hofrath Profeſſor Dr. Rudolf Chrobak-Wien
ſchreibt:
„Die ſegensreichen Reſultate der modernen Wund-
behandlung haben zu einer zu beklagenden Unter-
ſchätzung der techniſchen Fertigkeit und Ausbildung
geführt, ſie bergen aber noch für den ſittlich nicht
zuhöchſt ſtehenden Arzt eine reiche Quelle von
Gefahren.“
Wir werden dieſe Aphorismen noch fortzuſetzen
Gelegenheit nehmen.
Ferk’s Ehe ungiltig.
Durch das hieſige Landes- und Civilgericht
wurde geſtern die Ehe des altkatholiſchen Pfarrers
Ferk in Graz, der früher katholiſcher Prieſter
geweſen, ungiltig erklärt. Ferk führte zwar aus,
daß er ſeinerzeit die Gelübde als katholiſcher
Prieſter nur unter Zwang abgelegt habe(?), und
zwar unter phyſiſchem Zwang, indem man es ihm
unmöglich(?) machte, aus dem Kloſter an ſeine
Eltern zu ſchreiben oder wegzugehen(?) — unter
moraliſchem Zwang, indem man ihm nur den
Beſuch einer Oeffentlichkeitsrechtes entbehrenden
Privatſchule geſtattete, was ihm jede andere Mög-
lichkeit einer Exiſtenz benahm(?). Der Gerichtshof
ſprach unter Berufung auf § 63 B. G. B. die
Ungiltigkeit der am 29. Juli 1900 abgeſchloſſenen
Ehe aus.
Was Herrn Ferk phyſiſch gehindert hat, aus
dem Franciscanerkloſter als Novize vor Ablegung
der Gelübde auszutreten, iſt uns unerfindlich.
Man hätte ihn doch nicht eingeſperrt oder ge-
martert oder gar abgemurkſt? Ein Glück für ihn
und für den Orden wäre es doch geweſen?
Theater, Kunſt und Muſik.
— Kaiſerjubiläums-Stadttheater. Durch
die geſtrige Aufführung von Schiller’s „Räuber“
erfuhr das claſſiſche Repertoir dieſer Bühne eine be-
deutungsvolle Erweiterung. Der den Wienern be-
reits wohlbekannte Künſtler Ferdinand Bonn
gaſtirte in der Rolle des Franz Moor. Er brachte
ſämmtliche Vorzüge des ihm eigenthümlichen Talentes
zur Geltung. Durch die Natürlichkeit ſeiner Dar-
ſtellung, vor Allem durch ſein treffendes Mienen-
ſpiel verſtand er es, die erſchütterndſten Wirkungen
hervorzubringen.—Den größten Effect erzielte er in
der Verzweiflungsſcene. Allgemeines Aufſehen er-
regte der Schluß der Vorſtellung. Statt der uns
bekannten Scene, wonach Franz, nachdem er
keine Rettung mehr ſieht, ſich in wildeſter Ver-
zweiflung erhenkt, bot uns die geſtrige Darſtellung
die urſprüngliche Faſſung. Franz wurde von den
Räubern erfaßt und, getreu dem Eide, liefert Schweizer
ihn lebend ſeinem Hauptmann aus. Carl, in einem Anfall
von Menſchlichkeit will nicht ſelbſt über ſeinen leib-
lichen Bruder richten, er überläßt es ſeiner Bande,
eine Strafe über ihn zu verhängen. Hohnlachend
werfen die Räuber das Scheuſal in den Thurm und
geben ihn dem Hungertode preis. Würdig an der
Seite des Gaſtes ſtanden die übrigen Darſteller.
Vor Allem Herr Schmidt (Carl Moor), dem aber
mitunter etwas Mäßigung anzurathen wäre, um
einem ſtörenden „Sichverſprechen“ auszuweichen. Herr
Godai verdiente für ſeine zwar kurze, doch gut ge-
ſpielte Rolle des Koſinsky den ihm gezollten Beifall
mit vollem Rechte. Der Umſtand, daß die Vorſtellung
erſt in ſehr ſpät vorgerückter Stunde zu Ende ging,
iſt alleinige Schuld des Publicums, das in ſeinem
rauſchenden Beifalle keine Grenzen kannte und den
gaſtirenden Künſtler vierzigmal vor die Rampe rief.
— Im Kaiſerjubiläums-Stadttheater findet
heute die ſechſte Aufführung der übermüthigen Geſangs-
poſſe „Von Penzing nach Peking“ ſtatt. Morgen
Freitag wird das erfolgreiche Volksſtück „Das Kind“
von A. Baumberg wiederholt, das bereits an zahl-
reichen auswärtigen Bühnen zur Aufführung ange-
nommen wurde. Die nächſten Aufführungen des Märchen-
ſpiels „Aſchenbrödel“ finden am Samſtag den
5. und Sonntag den 6. Jänner l. J. Nachmittags um
½3 Uhr ſtatt.
— Im Jantſchtheater findet heute Donnerſtag
anläßlich der 50. Aufführung des Ausſtattungsſtückes
„Zwanzigtauſend Meilen unterm Meere“
eine Feſtvorſtellung ſtatt. Sonntag, den 6. d. M. ge-
langt dieſes Stück Nachmittags 3 Uhr und Abends
½8 Uhr zur Wiederholung.
— Quartett Duesberg. Am Sonntag, 6. Jänner,
findet das IX. Concert Duesberg (Sonate-Abend) mit
folgendem Programm ſtatt: 1. Brahms; Clavier-
Violin-Sonate D-moll. 2. Chorvorträge des Damen-
Chorvereines unter Leitung des Herrn Carl Lafite und
zwar von Zechner, Rebay und Lafite. 3. Chriſtian
Sinding, Clavier-Violin-Sonate E-dur.
— Wiener Concert-Verein. In der heute
Donnerſtag, den 3. Jänner, ½5 Uhr Nachmittags im
k. k. Volksgarten ſtattfindenden populären Orcheſter-
Concerte des Wiener Concert-Vereines gelangen u. A.
Werke von Mozart („Jupiter“-Symphonie), Wagner
(„Rienzi“-Ouverture), Johann Strauß („An der ſchönen
blauen Donau“), Delibes, Suppé, Grieg, Dvorak,
Eduard Strauß zur Aufführung.
— Concerte und Liederabende. Johannes
Meßſchaert und Julius Röntgen veranſtalten
Montag, den 21. Jänner einen Liederabend im Böſen-
dorfer-Saale. — Moriz Roſenthal veranſtaltet
Samſtag, den 26. Jänner ein Concert im Böſendorfer-
Saale. Karten in Gutmann’s Hofmuſikalienhandlung.
Verloſungen.
Creditloſe. (Fortſetzung.) Bei der geſtern vorge-
nommenen Ziehung der Creditloſe gewannen je 800 K
S. 638 Nr. 25, S. 929 Nr. 41, S. 954 Nr. 53 und 72,
S. 1114 Nr. 45, S. 1125 Nr. 63, S. 1167 Nr. 47,
S. 1226 Nr. 17 und 57, S. 1482 Nr. 42, S. 1551
Nr. 51, S. 1768 Nr. 38, S. 1841 Nr. 8, S. 2303
Nr. 43 und 57, S. 2575 Nr. 12, 21 und
50, S. 2652 Nr. 80, S. 2683 Nr. 51, S. 2777
Nr. 5, 22 und 58, S. 2808 Nr. 20, S. 2852 Nr. 76,
S. 2916 Nr. 60, S. 3237 Nr. 39 und 71, S. 3424
Nr. 15, S. 3442 Nr. 29, 51 und 54, S. 3533 Nr. 19,
S. 3601 Nr. 14 und 41. Auf alle übrigen in den ver-
loſten Serien hier nicht aufgeführten Nummern fällt
der kleinſte Gewinn von je 400 K.
1851er Staatsloſe. Bei der geſtern vorgenom-
menen Ziehung wurden nachſtehende Serien gezogen:
4 77 304 345 423 463 513 516 524 529 649 663 744
784 812 858 892 960 1084 1153 1189 1210 1224 1269
1280 1364 1393 1699 1751 1806 1973 1996 2089 2093
2100 2109 2116 2169 2272 2333 2357 2359 2378 2406
2426 2437 2474 2530 2657 2663 2703 2789 2912 3051
3058 3087 3120 3146 3172 3222 3234 3332 3346 3366
3389 3430 3469 3525 3587 3640 3712 3762 und 3883.
Die Prämienziehung der in dieſen verloſten Serien
enthaltenen höheren Gewinnſte findet am 1. April
d. J. ſtatt.
Wiener Verkehrsanleihe. Bei der geſtern ſtattge-
fundenen öffentlichen Ziehung der Obligationen des
Anlehens der Commiſſion für Verkehrsanlagen in
Wien wurden nachſtehende Serien gezogen und zwar:
Erſte Emiſſion: S. 295 1388 1966 2340 2877 4393 4589
4606. — Zweite Emiſſion: S. 5377 6016 6135 6549
6246 7508 8002. — Emiſſion vom Jahre 1900: S. 28
1303 1661. Dieſelben gelangen gegen Rückſtellung der
Obligationen und der nicht verfallenen Coupons
ſammt Talons ab 1. April 1901 bei der Zahlſtelle der
obigen Commiſſion (das iſt dermalen die Unionbank
in Wien) zur Einlöſung.
Oeſterreichiſche Rothe Kreuz-Loſe. Bei der vor-
geſtern vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer
mit 70.000 K auf S. 5491 Nr. 5, der zweite Treffer
mit 2000 K auf S. 2316 Nr. 6. Je 200 K gewannen
S. 200 Nr. 24, S. 276 Nr. 13, S. 383 Nr. 37, S. 624
Nr. 40, S. 1122 Nr. 14, S. 1252 Nr. 24, S. 1774
Nr. 34. S. 2476 Nr. 48, S. 2538 Nr. 17, S. 3831
Nr. 37, S. 4449 Nr. 17, S. 4774 Nr. 32, S. 9062
Nr. 6, S. 9444 Nr. 42 und S. 10303 Nr. 12. Je 100 K
gewannen G. 1803 Nr. 9, S. 2348 Nr. 18, S. 3103
Nr. 36, S. 4639 Nr. 34, S. 4770 Nr. 30, S. 5009
Nr. 31, S. 5338 Nr. 40, S. 5381 Nr. 43. S. 6709
Nr. 36, S. 7877 Nr. 15, S. 8431 Nr. 43, S. 9658
Nr. 45, S. 11073 Nr. 21, S. 11487 Nr. 15 und
S. 11954 Nr. 11. In der folgenden Tilgungsziehung
wurden die Serien 82 287 1290 2381 2973 3215 3690
3921 3973 4400 4514 4612 5157 5529 6773 6838 6854
7109 7494 7571 7962 8655 9098 9151 9284 10371 10502
11502 11686 und 11862 gezogen, welche je die Nummern
1 bis 50 enthalten und mit dem Nominalbetrage von
je 28 K gezogen wurden.
Loſe der Stadt Krakau. Bei der geſtern in Krakau
vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer mit
50.000 K auf Nr. 7502, der zweite Treffer mit 5000 K
auf Nr. 21991. Je 1000 K gewannen Nr. 28995 37631
40569 44616 und 58700.
Loſe der Stadt Laibach. Bei der geſtern in
Laibach vorgenommenen Ziehung fiel der Haupttreffer
mit 50.000 K auf Nr. 71763, der zweite Treffer mit
3000 K auf Nr. 3330. Je 1000 K gewannen die
Nummern 5775 21183 28962 41540 und 42657.
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