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Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895.

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[Spaltenumbruch]
2. Jahrgang.



Redaction, Administration,
Expedition
und Druckerei
VIII., Josefstädterstraße 14.




Stadtexpedition I., Schulerstr. 18.
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankierte Briefe werden nicht an-
genommen; Manuscripte in der Regel
[n]icht zurückgestellt. Unverschlossene
Reclamationen sind portofrei.




Ankündigungs-Bureau:
VIII., Josefstädterstraße [1]4,
sowie bei dem Annoncenbureau für
[k]ath.-conserv. Blätter, Hubert
Friedl,
Wien, V. 1.




Abonnements werden angenommen
außer in den Expeditionen bei
J. Heindl, I., Stephansplatz 7.




Erscheint täglich 6 Uhr abends
mit Ausnahme der Sonn- und
Feiertage.


[Spaltenumbruch]
Wien, Dienstag 8. Jänner 1895.


Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns.

[Spaltenumbruch]
Nr. 6.



Bezugspreise:
Für Wien mit Zustellung ins Haus
ganzjährig ...... 15 fl.
vierteljährig ... 3 fl. 30 kr.
monatlich .... 1 fl. 30 kr.
wöchentlich 30 kr.

Einzelne Nummern 4 kr., per Pest
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Bei Abholung in unserer Admini-
stration ganzj. 12 fl., monatlich 1 fl.

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ganzjährig .... 16 fl. -- kr
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Länder des Weltpostvereines
viertelj. 6 fl. oder 10 Mark.




Telephon 1828.




[Spaltenumbruch]
Stimmungsbericht aus Ungaru.


Das neue Jahr beginnt gut. Am 2. d. M. wurde
in Leutschau der erste Abgeordnete der katholischen
Volkspartei Dr. Zelenyak gewählt. Verwundert fragt
man sich, wie das möglich sei, nachdem alle unsere
liberalen Blätter, ja sogar die stets "bestunterrichtete"
"Neue Freie Presse", diese Partei als gestorben, be-
vor sie geboren erklärt hatten, nachdem der verflossene
Wekerle eine conservative Richtung in der ungarischen
Politik ein für allemal als ausgeschlossen erachtete, und
die Sanctionirung der Gesetze selbst den Nimbus der
Krone zu Gunsten der liberalen Partei zu verwerthen
zuließ? Und trotzdem gelingt es einem armen
Theologie-Professor unter dem Schlachtrufe:
"Revision" den liberalen Gegner, für den sich der
ganze corrupte Verwaltungsapparat, Schulin-
spector, Gymnasialdirector bis zum letzten
Straßenräumer verwenden, der den unergründlich tiefen
Säckel der Regierung zur Disposition hat,
mit großer Majorität zu besiegen! Es ist das ein
Zeichen der Zeit. Elemente wollen mitsprechen, mit-
thun, die man bis jetzt in Wirkliakeit nie befragt hat
-- das Volk. Mögen die 413 Herren Abgeordneten
sich den Kopf zerbrechen, ob Banffy, ob Hedervary
der Mann sei, der es ihnen an der gedeckten Tafel
weiter zu verweilen ermöglicht, es bleibt sich gleich,
das Volk erwacht und wird abrechnen. Die Partei
"der Unbekannten", wie Baron Kaas sehr richtig
voraussagte, gibt das erste Lebenszeichen und hat in
Leutschau ihre Bluttaufe erhalten. Tief muß der
Ingrimm im Lande sein, wenn in den sonst so ruhigen
slovakischen Wahlbezirken Blut fließt, wo man noch
gelegentlich der letzten Wahlen denjenigen wählte, den
der Stuhlrichter haben wollte. Es fühlen auch alle
Parteien, daß sie von der Volkspartei das Meiste zu
fürchten haben, und so grimmig sie sich gegenseitig be-
kämpfen, in dem waren sie einig, daß die Volkspartei
überflüssig sei. Das war ihre und die Meinung ihrer
Journale. Die "Neue Freie Presse" behauptete sogar,
Graf Zichy habe sich mit den "ausgleichsfeindlichen
Rumänen" verbunden. Wann und wo er es gethan,
[Spaltenumbruch] das zu sagen bleibt das "Journal für Gebildete"
schuldig. Ebenso ist es Erfindung, daß die Rumänen
und die Nationalitäten gegen den Ausgleich seien;
das Entgegengesetzte ist der Fall, vielleicht kann man
ihnen eher zu große Hinneigung zu
Wien vorwerfen,
wollten doch die Rumänen
ihr Memorandum vor zwei Jahren in Wien und nicht
in Pest Sr. Majestät überreichen und es wählten die
Wahlbezirke, wo die Nationalen in Majorität sind,
stets Regierungsmänner. Also mit der Ausgleichs-
feindlichkeit der Nationalitäten ist es nicht weit her.
Daß die Volkspartei das bisher befolgte Verhetzungs-
und Unterdrückungssystem der liberalen Partei nicht
billigt, ist klar, aber daraus zu solchen Conclusionen
wie denen der Herren Liberalen und ihrer Journale zu
kommen, dazu gehört ihre Logik und die Verwirrung,
in der sie sich befinden. Dieses Vorgehen wird nicht
verhindern, daß endlich die Vertrauensmänner der
Katholiken vor Mitte dieses Monates zusammentreten
und die langersehnte Organisation vornehmen werden.

Die Krise spiegelt die Verworrenheit und Un-
sicherheit der Lage wieder. Graf Khnen spielt die
Rolle des "Trauminöt". Er sondirt, er will jetzt die
Unvorsichtigkeit, die er im Juni begangen, durch ver-
doppelte Vorsicht wett machen. Bei ihm bewährt sich
das Sprichwort: Das Lächerliche tödtet -- nicht.
Seine Rolle als nächtlicher Ministerpräsident Ungarns
-- die Herrlichkeit dauerte bekanntlich nur so lange,
als die Fahrt von Wien nach Pest mit dem Nachtzug
in Anspruch nahm -- hat seinen Ehrgeiz nicht gestillt.
Er ist eben ein Glücks .... kind! Ohne Energie, weiß
er sich den Directiven sei er Untergebenen so anzu-
schmiegen, daß man glaubt, es seien seine ureigensten
Ideen, die verwirklicht werden. In Agram stützt er
sich auf die "Nationalitäten", die Serben, die von der
Verbrüderung in einem Großserbien träumen, mit
deren Hilfe er die dynastisch treuen Croaten unter-
drücken läßt; einem liberalen Staatsmann ist so was
nicht verwehrt. Sollte ihn das Glück zum Minister-
präsidenten machen, wird er die dynastischen Katholiken
in Ungarn mittelst der Protestanten und Re-
formirten, denen er auch verwandtschaftlich nahe stehet,
vergewaltigen. Sein Spiritusrector dürfte Koloman
[Spaltenumbruch] Tisza sein, dem er Alles verdankt. Der zweite Prä-
tendent ist Baron Banffy, ein Reformirter. Rücksichts-
los und ungeschickt, so war er als Obergespan, so als
Präsident des Hauses. Er scheint weniger persona
grata
an allerhöchster Stelle zu sein. Grund genug,
daß er es destomehr bei der "alleinseligmachenden"
liberalen Partei ist. Er wie sein Concurrent haben
schon ihre geheimen Ministerlisten, in beiden fehlt
der junge Tisza nicht, und damit wird die Ruhe in
Ungarn hergestellt, darum konnte das Land nicht vor
den kirchenpolitischen Gesetzen bewahrt werden. "Ohne
Palatin keine Krönung", so hieß es einstens, "ohne
Hausmeier keine Regierung" -- heute. Graf Apponyi
grollt und hat zum unzähligsten Male die natio-
nalen Aspirationen, auf die außer ihm Niemand
aspirirt, hervorgehoben, aus der Fusion scheint
Nichts zu werden, und darin hat er recht. Sich
mit einer abgewirthschafteten Partei zu verbinden,
sich mit dieser Corruption zu identificiren, dazu
gehört mehr als Muth. Eine Fusion ist nur gelegent-
lich der Neuwahlen möglich, bei welchen sich die guten
Elemente aller Parteien unter der Devise: "Nieder
mit der Corruption und Revision der radikalen,
Unfrieden stiftenden Kirchengesetze!" vereinigen. Nur
in den Neuwahlen liegt der Schwerpunkt der politi-
schen Lage, nur durch die Neuwahlen können diese
mehr als ungesunden Verhältnisse sanirt werden, denn
es handelt sich heute nicht darum, daß man die Herren
Abgeordneten unter einen Hut bringe, zusammenstelle,
sondern, daß man das Nationalitäten- und Religions-
hader unterwühlte, durch die Corruption erbitterte
Volk befriedige, möge dabei die alleinseligmachende
Partei in Brüche gehen oder nicht. Zur Vornahme
derselben ist aber keiner jener Politiker tauglich, die
sich in letzter Zeit hervordrängten, weder Banffy noch
Khuen, noch Szlavy oder Szell, sondern Derjenige,
der während der Neujahrsgratulationen sich ferne
hielt -- der Gutsherr von Taskony -- oder
jener conservative Staatsmann, auf den sich die Blicke
aller conservativen Elemente richten; Benjamin
Kallay.
Wie immer es auch werden möge, das
Eis ist gebrochen, die Volkspartei rührt sich, der
erste Schritt zum Besseren ist gethan!




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Wieuer Hunde-Mode.

Die "Wiener Mode" hat jüngst neben den Kleider-
entwürfen für Damen auch eine Hundemode in
Wort und Bild geschildert. Wir sehen da, wie unsere
lieben Vierfüßler modern a la fin de siecle gekleidet
werden können, wie für verschiedene Tageszeiten ver-
schiedene Toiletten gewählt werden können.

Dadurch ist die sociale Frage auch in die Hunde-
welt eingedrungen, und so mancher bullbeißiger Pro-
letarier wird mit Neid auf das aristokratische Wind-
spiel blicken, das nach dem "Journal" gekleidet ist.
Die Dogge wird mit Verachtung den Rattler ansehen,
wenn er nicht eine Decke a la Louis XIV. auf dem
Leibe hat; und der Jagdhund wird stolz sein neuestes
"Jagdcostüm" tragen, während der Ringstraßen-
Dandy als vollendetes Gigeil spazieren wird. Ein
großer Zwiespalt wird eintreten im Hundeleben und
diejenigen, die heute Freunde waren, werden morgen
stolz aneinander vorbei gehen, jeder auf seine Toilette
zu stolz, als daß er den andern eines Blickes würdigen
thäte.

Aber erst wenn diese Thiere die Sprache erhielten,
wenn sie reden könnten, wie würde sich da der Unter-
schied zeigen zwischen dem der oberen Zehntausend und
dem armen Teufel von unten.

Wir stellen uns einen derartigen Dialog lebhaft
vor. Scene: Der äußere Burgplatz, ein bekannter
Hunde-Rendezvous-Ort. Ein zierlicher Pintscher
steigt behutsam im thaufeuchten Grase umher. Seine
Gnädige ist eine Hofrathswitwe, die es gerne sieht,
wenn Ami zeitlich Morgens spazieren geht,
insbesonders im Grase, denn das gehört
zur Gesundheitspflege und die Frau Hofräthin ist sehr
besorgt für die Gesundheit ihres "Herzens-Ami". Es
dauert nicht lange, so erhält Ami Gesellschaft. Das
Spitzhündchen der Sängerin F. ist in aller Morgen-
frühe echappirt; dasselbe liebt es, einen Spaziergang
zu machen, und da seine Herrin es nicht liebt, den
Puffi allein herumlaufen zu lassen, so benützt er
[Spaltenumbruch] jeden Augenblick, um ins Freie zu kommen. Puffi
kennt Ami schon seit längerer Zeit und er hat sich
schon recht befreundet mit mit dem lieben Pintscherl
der Frau Hofräthin. Puffi springt auf den Wiesen-
plan und ersieht seinen Freund: "Guten Morgen
Ami, auch schon hier in aller Früh?" Aber Ami
sieht stolz von den Höhen des Fortschrittes auf den
simplen Spitz hinab, der seine Zeit nicht erkannt hat
und sich nicht schämt, im bloßen Fell herumzulaufen!
Ami weiß, was sich für den anständigen Hund schickt,
und er geht von dem Standpunkte aus: "Wie der
Hund, so der Herr!" Er steht auf der Höhe seiner
Zeit und da der Sohn der Frau Hofräthin ein libe-
raler Abgeordneter ist, so schwärmt auch Ami für
"Freisinn und Fortschritt."

Freisinnig ist seine Herrschaft, das hat sie dadurch
bewiesen, daß sie sofort die geniale Idee ergriff und
dem lieben Ami die modernste Decke ansertigen ließ.
Puffi aber steht im Verdachte, ein Antise mit
zu sein, da er der Flora, der schwarzen Hündin
des Börsecomptoir Inhabers N. Blüthenzweig,
stets schroff begegnet und nicht wie andere um ihre
Freundschaft buhlt. Flora kommt immer auf den
Burgplatz und erzählt von den guten Bissen, die sie
erhält von den fetten, koscheren Gansbeinen, die sie
fast ausschließlich zur Nahrung bekommt.

Puffi sieht das ablehnende Verhalten Ami's und
in Gedanken schleicht er davon, er weiß nicht, was
Ami plötzlich so stolz gemacht. Der Arme! Er hat
keine Ahnung, welchen Funken eine wohlsituirte,
ahnungslose Actiengesellschaft in die bessergestellte
Hundewelt geworfen hat.

Im Gefühl seiner Erhabenheit schreitet Ami
langsam im feuchten Grase weiter, als der lustige
"Greißler-Schipsl einhergallopirt kommt.
Er ist so recht der Proletarier in der Hundegesell-
schaft, und da er keinen Stolz und keinen Hochmuth
kennt, ist er Puffi's Intimus. Auch er kann die
"jüdische". Flora nicht leiden, ebensowenig wie den
"freiheitlichen" Ami. Schipsl hat auch dem Freiheits-
hund der Hofräthin einen Spitznamen gegeben: den
"Vormärzler". Ami hatte nämlich früher die
[Spaltenumbruch] Gewohnheit, der Gesellschaft stets Vorträge zu halten,
die er von seinem Herrn, dem verstorbenen Hofrath,
gehört hatte. Diese Vorträge handelten stets vom
Vormärz und Ami erklärte den Zuhörern, wie das
doch im Vormärz so schlecht war, keine Preß-, keine
Gedankenfreiheit, keine Constitution u. s. w. Dann
lobte er die jetzigen Verhältnisse, bis ihn einmal
Schipsl unterbrach: "Wenn 's auf mich ankemmet,
so wär's mir gleich lieber, wir hätten den Vormärz,
denn was nützt uns Preßfreiheit und Gedankenfreiheit,
wenn wir Maulkorv- und Steuerzwang haben." Alle
gaben ihm Recht, nur Ami brummte "Reactionär".

Schipsl eilte also lustig zu Puffi hin: "Servus
Puffi bist a schon da?" Puffi brummte sein "Guten
Morgen" und wollte weiter gehen, aber Schipsl hielt
ihn zurück: "Na was ist denn das für a Manier?
Was fehlt denn Dir heut?" Puffi machte nun seinem
Herzen Luft und erzählte das schnöde Benehmen des
"liberalen" Ami.

"Der dalkerte Pintsch, der glaubt er is waß Gott
wer, so g'spreizt thut er. Unseraner is g'wiß a soviel
wie der verhätschelte Dalk, der muaß rein glauben er
stammt vom berühmten trojanischen Hector
ab!" Zornig stieß Puffi diese Worte heraus und wer
weiß, was geschehen wäre, wenn nicht eine weise
Obrigkeit einige Jahre vorher die Hundecontumaz ver-
hängt hätte, der zu Folge jeder Hund mit einem vor-
schrifsmäßigen Beißkorb versehen sein muß, widrigen-
falls der "Meister des Wasens" kommt und der
Schlinge ihren Lauf läßt.

Unterdessen war ein kurzbeiniger Dackel gekommen,
der seiner Gesinnung und der seines Herrn, eines
kleinen Großgrundbesitzers gemäß, conservativ war.
Dackel war aber ein kluger Hund, wußte daß der
Parteistandpunkt oft die besten Freunde entzweit, und
deshalb betonte er so wenig als möglich seine Ge-
sinnnung. Er war auch sehr beliebt als der Clown
der Hundegesellschaft. Besondere Fähigkeit zeigte er,
wenn es galt, Ami zu reizen, und eben wollte er
daran gehen "Herrn Ami" ein wenig steigen zu lassen,
als ihn Puffi belehrte, daß mit dem "Tellerlecker der
Hofrathskuchel" nichts anzufangen sei. Dackel wollte es


[Spaltenumbruch]
2. Jahrgang.



Redaction, Adminiſtration,
Expedition
und Druckerei
VIII., Joſefſtädterſtraße 14.




Stadtexpedition I., Schulerſtr. 18.
Zeitungsbureau Weis.




Unfrankierte Briefe werden nicht an-
genommen; Manuſcripte in der Regel
[n]icht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene
Reclamationen ſind portofrei.




Ankündigungs-Bureau:
VIII., Joſefſtädterſtraße [1]4,
ſowie bei dem Annoncenbureau für
[k]ath.-conſerv. Blätter, Hubert
Friedl,
Wien, V. 1.




Abonnements werden angenommen
außer in den Expeditionen bei
J. Heindl, I., Stephansplatz 7.




Erſcheint täglich 6 Uhr abends
mit Ausnahme der Sonn- und
Feiertage.


[Spaltenumbruch]
Wien, Dienſtag 8. Jänner 1895.


Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

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Nr. 6.



Bezugspreiſe:
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monatlich .... 1 fl. 30 kr.
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ſtration ganzj. 12 fl., monatlich 1 fl.

Für Oeſterreich-Ungarn
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vierteljährig ... 4 fl. 10 kr.
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viertelj. 6 fl. oder 10 Mark.




Telephon 1828.




[Spaltenumbruch]
Stimmungsbericht aus Ungaru.


Das neue Jahr beginnt gut. Am 2. d. M. wurde
in Leutſchau der erſte Abgeordnete der katholiſchen
Volkspartei Dr. Zelenyak gewählt. Verwundert fragt
man ſich, wie das möglich ſei, nachdem alle unſere
liberalen Blätter, ja ſogar die ſtets „beſtunterrichtete“
„Neue Freie Preſſe“, dieſe Partei als geſtorben, be-
vor ſie geboren erklärt hatten, nachdem der verfloſſene
Wekerle eine conſervative Richtung in der ungariſchen
Politik ein für allemal als ausgeſchloſſen erachtete, und
die Sanctionirung der Geſetze ſelbſt den Nimbus der
Krone zu Gunſten der liberalen Partei zu verwerthen
zuließ? Und trotzdem gelingt es einem armen
Theologie-Profeſſor unter dem Schlachtrufe:
„Reviſion“ den liberalen Gegner, für den ſich der
ganze corrupte Verwaltungsapparat, Schulin-
ſpector, Gymnaſialdirector bis zum letzten
Straßenräumer verwenden, der den unergründlich tiefen
Säckel der Regierung zur Dispoſition hat,
mit großer Majorität zu beſiegen! Es iſt das ein
Zeichen der Zeit. Elemente wollen mitſprechen, mit-
thun, die man bis jetzt in Wirkliakeit nie befragt hat
— das Volk. Mögen die 413 Herren Abgeordneten
ſich den Kopf zerbrechen, ob Banffy, ob Hedervary
der Mann ſei, der es ihnen an der gedeckten Tafel
weiter zu verweilen ermöglicht, es bleibt ſich gleich,
das Volk erwacht und wird abrechnen. Die Partei
„der Unbekannten“, wie Baron Kaas ſehr richtig
vorausſagte, gibt das erſte Lebenszeichen und hat in
Leutſchau ihre Bluttaufe erhalten. Tief muß der
Ingrimm im Lande ſein, wenn in den ſonſt ſo ruhigen
ſlovakiſchen Wahlbezirken Blut fließt, wo man noch
gelegentlich der letzten Wahlen denjenigen wählte, den
der Stuhlrichter haben wollte. Es fühlen auch alle
Parteien, daß ſie von der Volkspartei das Meiſte zu
fürchten haben, und ſo grimmig ſie ſich gegenſeitig be-
kämpfen, in dem waren ſie einig, daß die Volkspartei
überflüſſig ſei. Das war ihre und die Meinung ihrer
Journale. Die „Neue Freie Preſſe“ behauptete ſogar,
Graf Zichy habe ſich mit den „ausgleichsfeindlichen
Rumänen“ verbunden. Wann und wo er es gethan,
[Spaltenumbruch] das zu ſagen bleibt das „Journal für Gebildete“
ſchuldig. Ebenſo iſt es Erfindung, daß die Rumänen
und die Nationalitäten gegen den Ausgleich ſeien;
das Entgegengeſetzte iſt der Fall, vielleicht kann man
ihnen eher zu große Hinneigung zu
Wien vorwerfen,
wollten doch die Rumänen
ihr Memorandum vor zwei Jahren in Wien und nicht
in Peſt Sr. Majeſtät überreichen und es wählten die
Wahlbezirke, wo die Nationalen in Majorität ſind,
ſtets Regierungsmänner. Alſo mit der Ausgleichs-
feindlichkeit der Nationalitäten iſt es nicht weit her.
Daß die Volkspartei das bisher befolgte Verhetzungs-
und Unterdrückungsſyſtem der liberalen Partei nicht
billigt, iſt klar, aber daraus zu ſolchen Concluſionen
wie denen der Herren Liberalen und ihrer Journale zu
kommen, dazu gehört ihre Logik und die Verwirrung,
in der ſie ſich befinden. Dieſes Vorgehen wird nicht
verhindern, daß endlich die Vertrauensmänner der
Katholiken vor Mitte dieſes Monates zuſammentreten
und die langerſehnte Organiſation vornehmen werden.

Die Kriſe ſpiegelt die Verworrenheit und Un-
ſicherheit der Lage wieder. Graf Khnen ſpielt die
Rolle des „Trauminöt“. Er ſondirt, er will jetzt die
Unvorſichtigkeit, die er im Juni begangen, durch ver-
doppelte Vorſicht wett machen. Bei ihm bewährt ſich
das Sprichwort: Das Lächerliche tödtet — nicht.
Seine Rolle als nächtlicher Miniſterpräſident Ungarns
— die Herrlichkeit dauerte bekanntlich nur ſo lange,
als die Fahrt von Wien nach Peſt mit dem Nachtzug
in Anſpruch nahm — hat ſeinen Ehrgeiz nicht geſtillt.
Er iſt eben ein Glücks .... kind! Ohne Energie, weiß
er ſich den Directiven ſei er Untergebenen ſo anzu-
ſchmiegen, daß man glaubt, es ſeien ſeine ureigenſten
Ideen, die verwirklicht werden. In Agram ſtützt er
ſich auf die „Nationalitäten“, die Serben, die von der
Verbrüderung in einem Großſerbien träumen, mit
deren Hilfe er die dynaſtiſch treuen Croaten unter-
drücken läßt; einem liberalen Staatsmann iſt ſo was
nicht verwehrt. Sollte ihn das Glück zum Miniſter-
präſidenten machen, wird er die dynaſtiſchen Katholiken
in Ungarn mittelſt der Proteſtanten und Re-
formirten, denen er auch verwandtſchaftlich nahe ſtehet,
vergewaltigen. Sein Spiritusrector dürfte Koloman
[Spaltenumbruch] Tisza ſein, dem er Alles verdankt. Der zweite Prä-
tendent iſt Baron Banffy, ein Reformirter. Rückſichts-
los und ungeſchickt, ſo war er als Obergeſpan, ſo als
Präſident des Hauſes. Er ſcheint weniger persona
grata
an allerhöchſter Stelle zu ſein. Grund genug,
daß er es deſtomehr bei der „alleinſeligmachenden“
liberalen Partei iſt. Er wie ſein Concurrent haben
ſchon ihre geheimen Miniſterliſten, in beiden fehlt
der junge Tisza nicht, und damit wird die Ruhe in
Ungarn hergeſtellt, darum konnte das Land nicht vor
den kirchenpolitiſchen Geſetzen bewahrt werden. „Ohne
Palatin keine Krönung“, ſo hieß es einſtens, „ohne
Hausmeier keine Regierung“ — heute. Graf Apponyi
grollt und hat zum unzähligſten Male die natio-
nalen Aſpirationen, auf die außer ihm Niemand
aſpirirt, hervorgehoben, aus der Fuſion ſcheint
Nichts zu werden, und darin hat er recht. Sich
mit einer abgewirthſchafteten Partei zu verbinden,
ſich mit dieſer Corruption zu identificiren, dazu
gehört mehr als Muth. Eine Fuſion iſt nur gelegent-
lich der Neuwahlen möglich, bei welchen ſich die guten
Elemente aller Parteien unter der Deviſe: „Nieder
mit der Corruption und Reviſion der radikalen,
Unfrieden ſtiftenden Kirchengeſetze!“ vereinigen. Nur
in den Neuwahlen liegt der Schwerpunkt der politi-
ſchen Lage, nur durch die Neuwahlen können dieſe
mehr als ungeſunden Verhältniſſe ſanirt werden, denn
es handelt ſich heute nicht darum, daß man die Herren
Abgeordneten unter einen Hut bringe, zuſammenſtelle,
ſondern, daß man das Nationalitäten- und Religions-
hader unterwühlte, durch die Corruption erbitterte
Volk befriedige, möge dabei die alleinſeligmachende
Partei in Brüche gehen oder nicht. Zur Vornahme
derſelben iſt aber keiner jener Politiker tauglich, die
ſich in letzter Zeit hervordrängten, weder Banffy noch
Khuen, noch Szlavy oder Szell, ſondern Derjenige,
der während der Neujahrsgratulationen ſich ferne
hielt — der Gutsherr von Taskony — oder
jener conſervative Staatsmann, auf den ſich die Blicke
aller conſervativen Elemente richten; Benjamin
Kallay.
Wie immer es auch werden möge, das
Eis iſt gebrochen, die Volkspartei rührt ſich, der
erſte Schritt zum Beſſeren iſt gethan!




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Wieuer Hunde-Mode.

Die „Wiener Mode“ hat jüngſt neben den Kleider-
entwürfen für Damen auch eine Hundemode in
Wort und Bild geſchildert. Wir ſehen da, wie unſere
lieben Vierfüßler modern à la fin de siècle gekleidet
werden können, wie für verſchiedene Tageszeiten ver-
ſchiedene Toiletten gewählt werden können.

Dadurch iſt die ſociale Frage auch in die Hunde-
welt eingedrungen, und ſo mancher bullbeißiger Pro-
letarier wird mit Neid auf das ariſtokratiſche Wind-
ſpiel blicken, das nach dem „Journal“ gekleidet iſt.
Die Dogge wird mit Verachtung den Rattler anſehen,
wenn er nicht eine Decke à la Louis XIV. auf dem
Leibe hat; und der Jagdhund wird ſtolz ſein neueſtes
„Jagdcoſtüm“ tragen, während der Ringſtraßen-
Dandy als vollendetes Gigeil ſpazieren wird. Ein
großer Zwieſpalt wird eintreten im Hundeleben und
diejenigen, die heute Freunde waren, werden morgen
ſtolz aneinander vorbei gehen, jeder auf ſeine Toilette
zu ſtolz, als daß er den andern eines Blickes würdigen
thäte.

Aber erſt wenn dieſe Thiere die Sprache erhielten,
wenn ſie reden könnten, wie würde ſich da der Unter-
ſchied zeigen zwiſchen dem der oberen Zehntauſend und
dem armen Teufel von unten.

Wir ſtellen uns einen derartigen Dialog lebhaft
vor. Scene: Der äußere Burgplatz, ein bekannter
Hunde-Rendezvous-Ort. Ein zierlicher Pintſcher
ſteigt behutſam im thaufeuchten Graſe umher. Seine
Gnädige iſt eine Hofrathswitwe, die es gerne ſieht,
wenn Ami zeitlich Morgens ſpazieren geht,
insbeſonders im Graſe, denn das gehört
zur Geſundheitspflege und die Frau Hofräthin iſt ſehr
beſorgt für die Geſundheit ihres „Herzens-Ami“. Es
dauert nicht lange, ſo erhält Ami Geſellſchaft. Das
Spitzhündchen der Sängerin F. iſt in aller Morgen-
frühe echappirt; dasſelbe liebt es, einen Spaziergang
zu machen, und da ſeine Herrin es nicht liebt, den
Puffi allein herumlaufen zu laſſen, ſo benützt er
[Spaltenumbruch] jeden Augenblick, um ins Freie zu kommen. Puffi
kennt Ami ſchon ſeit längerer Zeit und er hat ſich
ſchon recht befreundet mit mit dem lieben Pintſcherl
der Frau Hofräthin. Puffi ſpringt auf den Wieſen-
plan und erſieht ſeinen Freund: „Guten Morgen
Ami, auch ſchon hier in aller Früh?“ Aber Ami
ſieht ſtolz von den Höhen des Fortſchrittes auf den
ſimplen Spitz hinab, der ſeine Zeit nicht erkannt hat
und ſich nicht ſchämt, im bloßen Fell herumzulaufen!
Ami weiß, was ſich für den anſtändigen Hund ſchickt,
und er geht von dem Standpunkte aus: „Wie der
Hund, ſo der Herr!“ Er ſteht auf der Höhe ſeiner
Zeit und da der Sohn der Frau Hofräthin ein libe-
raler Abgeordneter iſt, ſo ſchwärmt auch Ami für
Freiſinn und Fortſchritt.

Freiſinnig iſt ſeine Herrſchaft, das hat ſie dadurch
bewieſen, daß ſie ſofort die geniale Idee ergriff und
dem lieben Ami die modernſte Decke anſertigen ließ.
Puffi aber ſteht im Verdachte, ein Antiſe mit
zu ſein, da er der Flora, der ſchwarzen Hündin
des Börſecomptoir Inhabers N. Blüthenzweig,
ſtets ſchroff begegnet und nicht wie andere um ihre
Freundſchaft buhlt. Flora kommt immer auf den
Burgplatz und erzählt von den guten Biſſen, die ſie
erhält von den fetten, koſcheren Gansbeinen, die ſie
faſt ausſchließlich zur Nahrung bekommt.

Puffi ſieht das ablehnende Verhalten Ami’s und
in Gedanken ſchleicht er davon, er weiß nicht, was
Ami plötzlich ſo ſtolz gemacht. Der Arme! Er hat
keine Ahnung, welchen Funken eine wohlſituirte,
ahnungsloſe Actiengeſellſchaft in die beſſergeſtellte
Hundewelt geworfen hat.

Im Gefühl ſeiner Erhabenheit ſchreitet Ami
langſam im feuchten Graſe weiter, als der luſtige
Greißler-Schipſl einhergallopirt kommt.
Er iſt ſo recht der Proletarier in der Hundegeſell-
ſchaft, und da er keinen Stolz und keinen Hochmuth
kennt, iſt er Puffi’s Intimus. Auch er kann die
„jüdiſche“. Flora nicht leiden, ebenſowenig wie den
„freiheitlichen“ Ami. Schipſl hat auch dem Freiheits-
hund der Hofräthin einen Spitznamen gegeben: den
„Vormärzler“. Ami hatte nämlich früher die
[Spaltenumbruch] Gewohnheit, der Geſellſchaft ſtets Vorträge zu halten,
die er von ſeinem Herrn, dem verſtorbenen Hofrath,
gehört hatte. Dieſe Vorträge handelten ſtets vom
Vormärz und Ami erklärte den Zuhörern, wie das
doch im Vormärz ſo ſchlecht war, keine Preß-, keine
Gedankenfreiheit, keine Conſtitution u. ſ. w. Dann
lobte er die jetzigen Verhältniſſe, bis ihn einmal
Schipſl unterbrach: „Wenn ’s auf mich ankemmet,
ſo wär’s mir gleich lieber, wir hätten den Vormärz,
denn was nützt uns Preßfreiheit und Gedankenfreiheit,
wenn wir Maulkorv- und Steuerzwang haben.“ Alle
gaben ihm Recht, nur Ami brummte „Reactionär“.

Schipsl eilte alſo luſtig zu Puffi hin: „Servus
Puffi biſt a ſchon da?“ Puffi brummte ſein „Guten
Morgen“ und wollte weiter gehen, aber Schipsl hielt
ihn zurück: „Na was iſt denn das für a Manier?
Was fehlt denn Dir heut?“ Puffi machte nun ſeinem
Herzen Luft und erzählte das ſchnöde Benehmen des
„liberalen“ Ami.

„Der dalkerte Pintſch, der glaubt er is waß Gott
wer, ſo g’ſpreizt thut er. Unſeraner is g’wiß a ſoviel
wie der verhätſchelte Dalk, der muaß rein glauben er
ſtammt vom berühmten trojaniſchen Hector
ab!“ Zornig ſtieß Puffi dieſe Worte heraus und wer
weiß, was geſchehen wäre, wenn nicht eine weiſe
Obrigkeit einige Jahre vorher die Hundecontumaz ver-
hängt hätte, der zu Folge jeder Hund mit einem vor-
ſchrifsmäßigen Beißkorb verſehen ſein muß, widrigen-
falls der „Meiſter des Waſens“ kommt und der
Schlinge ihren Lauf läßt.

Unterdeſſen war ein kurzbeiniger Dackel gekommen,
der ſeiner Geſinnung und der ſeines Herrn, eines
kleinen Großgrundbeſitzers gemäß, conſervativ war.
Dackel war aber ein kluger Hund, wußte daß der
Parteiſtandpunkt oft die beſten Freunde entzweit, und
deshalb betonte er ſo wenig als möglich ſeine Ge-
ſinnnung. Er war auch ſehr beliebt als der Clown
der Hundegeſellſchaft. Beſondere Fähigkeit zeigte er,
wenn es galt, Ami zu reizen, und eben wollte er
daran gehen „Herrn Ami“ ein wenig ſteigen zu laſſen,
als ihn Puffi belehrte, daß mit dem „Tellerlecker der
Hofrathskuchel“ nichts anzufangen ſei. Dackel wollte es


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[[1]/0001] 2. Jahrgang. Redaction, Adminiſtration, Expedition und Druckerei VIII., Joſefſtädterſtraße 14. Stadtexpedition I., Schulerſtr. 18. Zeitungsbureau Weis. Unfrankierte Briefe werden nicht an- genommen; Manuſcripte in der Regel nicht zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Reclamationen ſind portofrei. Ankündigungs-Bureau: VIII., Joſefſtädterſtraße 14, ſowie bei dem Annoncenbureau für kath.-conſerv. Blätter, Hubert Friedl, Wien, V. 1. Abonnements werden angenommen außer in den Expeditionen bei J. Heindl, I., Stephansplatz 7. Erſcheint täglich 6 Uhr abends mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Wien, Dienſtag 8. Jänner 1895. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. Nr. 6. Bezugspreiſe: Für Wien mit Zuſtellung ins Haus ganzjährig ...... 15 fl. vierteljährig ... 3 fl. 30 kr. monatlich .... 1 fl. 30 kr. wöchentlich 30 kr. Einzelne Nummern 4 kr., per Peſt 5 kr. Bei Abholung in unſerer Admini- ſtration ganzj. 12 fl., monatlich 1 fl. Für Oeſterreich-Ungarn ganzjährig .... 16 fl. — kr vierteljährig ... 4 fl. 10 kr. monatlich .... 1 fl. 40 kr. Für Deutſchland vierteljährig .... 4 fl. 50 kr oder 7½ Mark. Länder des Weltpoſtvereines viertelj. 6 fl. oder 10 Mark. Telephon 1828. Stimmungsbericht aus Ungaru. Budapeſt, 5. Jänner 1895. Das neue Jahr beginnt gut. Am 2. d. M. wurde in Leutſchau der erſte Abgeordnete der katholiſchen Volkspartei Dr. Zelenyak gewählt. Verwundert fragt man ſich, wie das möglich ſei, nachdem alle unſere liberalen Blätter, ja ſogar die ſtets „beſtunterrichtete“ „Neue Freie Preſſe“, dieſe Partei als geſtorben, be- vor ſie geboren erklärt hatten, nachdem der verfloſſene Wekerle eine conſervative Richtung in der ungariſchen Politik ein für allemal als ausgeſchloſſen erachtete, und die Sanctionirung der Geſetze ſelbſt den Nimbus der Krone zu Gunſten der liberalen Partei zu verwerthen zuließ? Und trotzdem gelingt es einem armen Theologie-Profeſſor unter dem Schlachtrufe: „Reviſion“ den liberalen Gegner, für den ſich der ganze corrupte Verwaltungsapparat, Schulin- ſpector, Gymnaſialdirector bis zum letzten Straßenräumer verwenden, der den unergründlich tiefen Säckel der Regierung zur Dispoſition hat, mit großer Majorität zu beſiegen! Es iſt das ein Zeichen der Zeit. Elemente wollen mitſprechen, mit- thun, die man bis jetzt in Wirkliakeit nie befragt hat — das Volk. Mögen die 413 Herren Abgeordneten ſich den Kopf zerbrechen, ob Banffy, ob Hedervary der Mann ſei, der es ihnen an der gedeckten Tafel weiter zu verweilen ermöglicht, es bleibt ſich gleich, das Volk erwacht und wird abrechnen. Die Partei „der Unbekannten“, wie Baron Kaas ſehr richtig vorausſagte, gibt das erſte Lebenszeichen und hat in Leutſchau ihre Bluttaufe erhalten. Tief muß der Ingrimm im Lande ſein, wenn in den ſonſt ſo ruhigen ſlovakiſchen Wahlbezirken Blut fließt, wo man noch gelegentlich der letzten Wahlen denjenigen wählte, den der Stuhlrichter haben wollte. Es fühlen auch alle Parteien, daß ſie von der Volkspartei das Meiſte zu fürchten haben, und ſo grimmig ſie ſich gegenſeitig be- kämpfen, in dem waren ſie einig, daß die Volkspartei überflüſſig ſei. Das war ihre und die Meinung ihrer Journale. Die „Neue Freie Preſſe“ behauptete ſogar, Graf Zichy habe ſich mit den „ausgleichsfeindlichen Rumänen“ verbunden. Wann und wo er es gethan, das zu ſagen bleibt das „Journal für Gebildete“ ſchuldig. Ebenſo iſt es Erfindung, daß die Rumänen und die Nationalitäten gegen den Ausgleich ſeien; das Entgegengeſetzte iſt der Fall, vielleicht kann man ihnen eher zu große Hinneigung zu Wien vorwerfen, wollten doch die Rumänen ihr Memorandum vor zwei Jahren in Wien und nicht in Peſt Sr. Majeſtät überreichen und es wählten die Wahlbezirke, wo die Nationalen in Majorität ſind, ſtets Regierungsmänner. Alſo mit der Ausgleichs- feindlichkeit der Nationalitäten iſt es nicht weit her. Daß die Volkspartei das bisher befolgte Verhetzungs- und Unterdrückungsſyſtem der liberalen Partei nicht billigt, iſt klar, aber daraus zu ſolchen Concluſionen wie denen der Herren Liberalen und ihrer Journale zu kommen, dazu gehört ihre Logik und die Verwirrung, in der ſie ſich befinden. Dieſes Vorgehen wird nicht verhindern, daß endlich die Vertrauensmänner der Katholiken vor Mitte dieſes Monates zuſammentreten und die langerſehnte Organiſation vornehmen werden. Die Kriſe ſpiegelt die Verworrenheit und Un- ſicherheit der Lage wieder. Graf Khnen ſpielt die Rolle des „Trauminöt“. Er ſondirt, er will jetzt die Unvorſichtigkeit, die er im Juni begangen, durch ver- doppelte Vorſicht wett machen. Bei ihm bewährt ſich das Sprichwort: Das Lächerliche tödtet — nicht. Seine Rolle als nächtlicher Miniſterpräſident Ungarns — die Herrlichkeit dauerte bekanntlich nur ſo lange, als die Fahrt von Wien nach Peſt mit dem Nachtzug in Anſpruch nahm — hat ſeinen Ehrgeiz nicht geſtillt. Er iſt eben ein Glücks .... kind! Ohne Energie, weiß er ſich den Directiven ſei er Untergebenen ſo anzu- ſchmiegen, daß man glaubt, es ſeien ſeine ureigenſten Ideen, die verwirklicht werden. In Agram ſtützt er ſich auf die „Nationalitäten“, die Serben, die von der Verbrüderung in einem Großſerbien träumen, mit deren Hilfe er die dynaſtiſch treuen Croaten unter- drücken läßt; einem liberalen Staatsmann iſt ſo was nicht verwehrt. Sollte ihn das Glück zum Miniſter- präſidenten machen, wird er die dynaſtiſchen Katholiken in Ungarn mittelſt der Proteſtanten und Re- formirten, denen er auch verwandtſchaftlich nahe ſtehet, vergewaltigen. Sein Spiritusrector dürfte Koloman Tisza ſein, dem er Alles verdankt. Der zweite Prä- tendent iſt Baron Banffy, ein Reformirter. Rückſichts- los und ungeſchickt, ſo war er als Obergeſpan, ſo als Präſident des Hauſes. Er ſcheint weniger persona grata an allerhöchſter Stelle zu ſein. Grund genug, daß er es deſtomehr bei der „alleinſeligmachenden“ liberalen Partei iſt. Er wie ſein Concurrent haben ſchon ihre geheimen Miniſterliſten, in beiden fehlt der junge Tisza nicht, und damit wird die Ruhe in Ungarn hergeſtellt, darum konnte das Land nicht vor den kirchenpolitiſchen Geſetzen bewahrt werden. „Ohne Palatin keine Krönung“, ſo hieß es einſtens, „ohne Hausmeier keine Regierung“ — heute. Graf Apponyi grollt und hat zum unzähligſten Male die natio- nalen Aſpirationen, auf die außer ihm Niemand aſpirirt, hervorgehoben, aus der Fuſion ſcheint Nichts zu werden, und darin hat er recht. Sich mit einer abgewirthſchafteten Partei zu verbinden, ſich mit dieſer Corruption zu identificiren, dazu gehört mehr als Muth. Eine Fuſion iſt nur gelegent- lich der Neuwahlen möglich, bei welchen ſich die guten Elemente aller Parteien unter der Deviſe: „Nieder mit der Corruption und Reviſion der radikalen, Unfrieden ſtiftenden Kirchengeſetze!“ vereinigen. Nur in den Neuwahlen liegt der Schwerpunkt der politi- ſchen Lage, nur durch die Neuwahlen können dieſe mehr als ungeſunden Verhältniſſe ſanirt werden, denn es handelt ſich heute nicht darum, daß man die Herren Abgeordneten unter einen Hut bringe, zuſammenſtelle, ſondern, daß man das Nationalitäten- und Religions- hader unterwühlte, durch die Corruption erbitterte Volk befriedige, möge dabei die alleinſeligmachende Partei in Brüche gehen oder nicht. Zur Vornahme derſelben iſt aber keiner jener Politiker tauglich, die ſich in letzter Zeit hervordrängten, weder Banffy noch Khuen, noch Szlavy oder Szell, ſondern Derjenige, der während der Neujahrsgratulationen ſich ferne hielt — der Gutsherr von Taskony — oder jener conſervative Staatsmann, auf den ſich die Blicke aller conſervativen Elemente richten; Benjamin Kallay. Wie immer es auch werden möge, das Eis iſt gebrochen, die Volkspartei rührt ſich, der erſte Schritt zum Beſſeren iſt gethan! Feuilleton. Wieuer Hunde-Mode. Die „Wiener Mode“ hat jüngſt neben den Kleider- entwürfen für Damen auch eine Hundemode in Wort und Bild geſchildert. Wir ſehen da, wie unſere lieben Vierfüßler modern à la fin de siècle gekleidet werden können, wie für verſchiedene Tageszeiten ver- ſchiedene Toiletten gewählt werden können. Dadurch iſt die ſociale Frage auch in die Hunde- welt eingedrungen, und ſo mancher bullbeißiger Pro- letarier wird mit Neid auf das ariſtokratiſche Wind- ſpiel blicken, das nach dem „Journal“ gekleidet iſt. Die Dogge wird mit Verachtung den Rattler anſehen, wenn er nicht eine Decke à la Louis XIV. auf dem Leibe hat; und der Jagdhund wird ſtolz ſein neueſtes „Jagdcoſtüm“ tragen, während der Ringſtraßen- Dandy als vollendetes Gigeil ſpazieren wird. Ein großer Zwieſpalt wird eintreten im Hundeleben und diejenigen, die heute Freunde waren, werden morgen ſtolz aneinander vorbei gehen, jeder auf ſeine Toilette zu ſtolz, als daß er den andern eines Blickes würdigen thäte. Aber erſt wenn dieſe Thiere die Sprache erhielten, wenn ſie reden könnten, wie würde ſich da der Unter- ſchied zeigen zwiſchen dem der oberen Zehntauſend und dem armen Teufel von unten. Wir ſtellen uns einen derartigen Dialog lebhaft vor. Scene: Der äußere Burgplatz, ein bekannter Hunde-Rendezvous-Ort. Ein zierlicher Pintſcher ſteigt behutſam im thaufeuchten Graſe umher. Seine Gnädige iſt eine Hofrathswitwe, die es gerne ſieht, wenn Ami zeitlich Morgens ſpazieren geht, insbeſonders im Graſe, denn das gehört zur Geſundheitspflege und die Frau Hofräthin iſt ſehr beſorgt für die Geſundheit ihres „Herzens-Ami“. Es dauert nicht lange, ſo erhält Ami Geſellſchaft. Das Spitzhündchen der Sängerin F. iſt in aller Morgen- frühe echappirt; dasſelbe liebt es, einen Spaziergang zu machen, und da ſeine Herrin es nicht liebt, den Puffi allein herumlaufen zu laſſen, ſo benützt er jeden Augenblick, um ins Freie zu kommen. Puffi kennt Ami ſchon ſeit längerer Zeit und er hat ſich ſchon recht befreundet mit mit dem lieben Pintſcherl der Frau Hofräthin. Puffi ſpringt auf den Wieſen- plan und erſieht ſeinen Freund: „Guten Morgen Ami, auch ſchon hier in aller Früh?“ Aber Ami ſieht ſtolz von den Höhen des Fortſchrittes auf den ſimplen Spitz hinab, der ſeine Zeit nicht erkannt hat und ſich nicht ſchämt, im bloßen Fell herumzulaufen! Ami weiß, was ſich für den anſtändigen Hund ſchickt, und er geht von dem Standpunkte aus: „Wie der Hund, ſo der Herr!“ Er ſteht auf der Höhe ſeiner Zeit und da der Sohn der Frau Hofräthin ein libe- raler Abgeordneter iſt, ſo ſchwärmt auch Ami für „Freiſinn und Fortſchritt.“ Freiſinnig iſt ſeine Herrſchaft, das hat ſie dadurch bewieſen, daß ſie ſofort die geniale Idee ergriff und dem lieben Ami die modernſte Decke anſertigen ließ. Puffi aber ſteht im Verdachte, ein Antiſe mit zu ſein, da er der Flora, der ſchwarzen Hündin des Börſecomptoir Inhabers N. Blüthenzweig, ſtets ſchroff begegnet und nicht wie andere um ihre Freundſchaft buhlt. Flora kommt immer auf den Burgplatz und erzählt von den guten Biſſen, die ſie erhält von den fetten, koſcheren Gansbeinen, die ſie faſt ausſchließlich zur Nahrung bekommt. Puffi ſieht das ablehnende Verhalten Ami’s und in Gedanken ſchleicht er davon, er weiß nicht, was Ami plötzlich ſo ſtolz gemacht. Der Arme! Er hat keine Ahnung, welchen Funken eine wohlſituirte, ahnungsloſe Actiengeſellſchaft in die beſſergeſtellte Hundewelt geworfen hat. Im Gefühl ſeiner Erhabenheit ſchreitet Ami langſam im feuchten Graſe weiter, als der luſtige „Greißler-Schipſl einhergallopirt kommt. Er iſt ſo recht der Proletarier in der Hundegeſell- ſchaft, und da er keinen Stolz und keinen Hochmuth kennt, iſt er Puffi’s Intimus. Auch er kann die „jüdiſche“. Flora nicht leiden, ebenſowenig wie den „freiheitlichen“ Ami. Schipſl hat auch dem Freiheits- hund der Hofräthin einen Spitznamen gegeben: den „Vormärzler“. Ami hatte nämlich früher die Gewohnheit, der Geſellſchaft ſtets Vorträge zu halten, die er von ſeinem Herrn, dem verſtorbenen Hofrath, gehört hatte. Dieſe Vorträge handelten ſtets vom Vormärz und Ami erklärte den Zuhörern, wie das doch im Vormärz ſo ſchlecht war, keine Preß-, keine Gedankenfreiheit, keine Conſtitution u. ſ. w. Dann lobte er die jetzigen Verhältniſſe, bis ihn einmal Schipſl unterbrach: „Wenn ’s auf mich ankemmet, ſo wär’s mir gleich lieber, wir hätten den Vormärz, denn was nützt uns Preßfreiheit und Gedankenfreiheit, wenn wir Maulkorv- und Steuerzwang haben.“ Alle gaben ihm Recht, nur Ami brummte „Reactionär“. Schipsl eilte alſo luſtig zu Puffi hin: „Servus Puffi biſt a ſchon da?“ Puffi brummte ſein „Guten Morgen“ und wollte weiter gehen, aber Schipsl hielt ihn zurück: „Na was iſt denn das für a Manier? Was fehlt denn Dir heut?“ Puffi machte nun ſeinem Herzen Luft und erzählte das ſchnöde Benehmen des „liberalen“ Ami. „Der dalkerte Pintſch, der glaubt er is waß Gott wer, ſo g’ſpreizt thut er. Unſeraner is g’wiß a ſoviel wie der verhätſchelte Dalk, der muaß rein glauben er ſtammt vom berühmten trojaniſchen Hector ab!“ Zornig ſtieß Puffi dieſe Worte heraus und wer weiß, was geſchehen wäre, wenn nicht eine weiſe Obrigkeit einige Jahre vorher die Hundecontumaz ver- hängt hätte, der zu Folge jeder Hund mit einem vor- ſchrifsmäßigen Beißkorb verſehen ſein muß, widrigen- falls der „Meiſter des Waſens“ kommt und der Schlinge ihren Lauf läßt. Unterdeſſen war ein kurzbeiniger Dackel gekommen, der ſeiner Geſinnung und der ſeines Herrn, eines kleinen Großgrundbeſitzers gemäß, conſervativ war. Dackel war aber ein kluger Hund, wußte daß der Parteiſtandpunkt oft die beſten Freunde entzweit, und deshalb betonte er ſo wenig als möglich ſeine Ge- ſinnnung. Er war auch ſehr beliebt als der Clown der Hundegeſellſchaft. Beſondere Fähigkeit zeigte er, wenn es galt, Ami zu reizen, und eben wollte er daran gehen „Herrn Ami“ ein wenig ſteigen zu laſſen, als ihn Puffi belehrte, daß mit dem „Tellerlecker der Hofrathskuchel“ nichts anzufangen ſei. Dackel wollte es

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 6, Wien, 08.01.1895, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost006_1895/1>, abgerufen am 29.03.2024.