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Reichspost. Nr. 78, Wien, 06.04.1897.

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Reichspost Wien, Dienstag, 6. April 1897 78

[Spaltenumbruch] die Resultate ihres Wirkens an die Oeffentlichkeit
bringen werde. Nachdem sie sich so feierlich als "modern-
wissenschaftlich" proclamirt, wird sie doch wohl nicht
den alten Unterschied von Esoterikern und Exoterikern
cultiviren wollen; darin wird sie die freimaurerische
Art wohl verleugnen müssen. Wissenschaftlichkeit und
Geheimnißthuerei vertragen sich nicht miteinander. Also
frei heraus mit dieser neugearteten "Metaphysik"!

Der Deutsche Hausschatz

widmet sein 9. Heft dem
heil. Osterfest, sowie dem Erwachen des Frühlings; herrliche
Illustrationen und innig empfundene Gedichte erinnern an
die erhabenen Ereignisse der Charwoche. Der Text des
Heftes ist, wie wir es schon gewöhnt sind, mannigfaltig und
interessant. Verlag F. Pustet, Regensburg.

Friedl's Zeitungs- und Kalender-Katalog,

zum
ersten Male unvermischt die christlich-sociale, antisemitische
und katholische Presse der ganzen Welt umfassend, befindet
sich im Druck. Um diesen Katalog der Inserenten-Welt
möglichst vollständig vorlegen zu können, ersucht die Firma
alle Zeitungseigenthümer und Kalenderverleger, insoweit es
nicht schon geschehen ist, Daten über Ihre Editionen nebst
einem Exemplar zur Ansicht an das Annoncen-Bureau
Hubert Friedl, Wien V/1, einzusenden. Die Aufnahme der
Daten erfolgt kostenfrei auf "Frage-Zetteln",
welche auf Wunsch sofort gesendet werden.

Dur und Moll.

Inhalt des soeben erschienenen
sechsten Heftes: Musik: Der kurze Frühling. Lied von
P. A. von Westrheene. -- Unterm Lindenbaum. Von A.
Winterberger. -- Gute Nacht, geliebtes Leben. Lied von
[Spaltenumbruch] Ernst Kraus. -- Spielmanns Lied. Von Nautilus. -- Zum
Gedenken. Für Clavier von Ludwig Neuhoff. -- Romanze.
Für Clavier. Von H. Sauerland. -- Mazurka. Für
Clavier. Von Jos Gauby. -- Drei Clavierstücke. Von Fritz
Kirchner. -- Null Walzer für Solo, Quartett und Clavier
(aus der ,Skat-Cantate') von F. John. -- Adagio für
Violine mit Clavierbegleitung. Von Jos. Haydn. Text:
Pauker Schmollingers Eheglück. Eine musikalische Novellette
von A. Ruthardt. Mit sieben Illustrationen. -- Henriette
Sontag. Mit vier Illustrationen und einem Briefe. --
Berühmte Clavier-Virtuosen. Mit 6 Porträts. -- Dr. Felix
Kraus, mit Porträts. -- Musikalisches Preisräthsel. -- Das
ältere und jüngere Hellmesberger-Quartett. Von Hedwig
Abel. Mit zwei Abbildungen. -- Humor in der Musik-
bezeichnung.




Vereinsnachrichten.
§ Verein christliche Familie.

Die Ortsgruppe
Wieden des Vereines christliche Familie hält
Dienstag, den 10. d., 1/28 Uhr, in Ed. Kränzl's Garten-
salon, 4. Bez., Hauptstraße 52, eine Vereinsversammlung
ab. Tagesordnung: 1. Besprechung über Vereinsangelegen-
heiten. 2. Wirthschaftliche Fragen.

§ St. Lanrentius Kirchenbauverein Breitensee.

Dieser Verein hielt am 27. v. M. in Friedrich Schmid's
Restauration zum Ludwigshof seine diesjährige General-
versammlung ab. Nach der Begrüßungsansprache durch den
Obmann Hochw. Ordelt erstattete der Schriftführer
Leopold Blach den Bericht über die Thätigkeit des Ver-
eines, in welcher der feierlichen Grundsteinlegung am
[Spaltenumbruch] 22. Februar zur Kaiser Franz Josef-Jubi-
läums
und St. Laurentius Pfarrkirche gedacht ist. Die
Generalversammlung genehmigte sodann ein von dem Er-
bauer der Kirche, Architekten und Baumeister Gemeinderath
Ludwig Zatzka entworfenes Project für den Pfarrhof,
welcher im Laufe dieses Jahres fertiggestellt wird. Nach
Erstattung des Rechnungsabschlusses durch den Rechnungs-
führer Herrn Josef Weishappel bat Se. Hochw. Herr
Rudolf Mels-Colloredo in einer längeren
sehr beifällig aufgenommenen Rede die Anwesenden nicht
zu ermüden, den Verein nach besten Kräften zu unterstützen,
damit die Bevölkerung das 50jährige Regierungs-Jubiläum
Sr. Majestät des Kaisers in der neuen Kirche zu feiern
vermag.




Verlosungen.

Herzoglich Braunschweiger Lose.

Bei der am
31. März vorgenommenen Prämienverlosung fiel der Haupt-
treffer mit 165.000 Mark auf Serie 8372 Nr. 48, der zweite
Treffer mit 15.000 Mark auf Serie 8410 Nr. 43, der dritte
Treffer mit 9600 Mark auf Serie 3481 Nr. 4, der vierte
Treffer mit 3600 Mark auf Serie 266 Nr. 34. Je 300 Mk.
gewannen Serie 202 Nr. 33, S. 2004 Nr. 47, S. 5118
Nr. 22, S. 5562 Nr. 4, S. 5683 Nr. 33, S. 5894 Nr. 20,
S. 6054 Nr. 19, S. 6225 Nr. 23, S. 7041 Nr. 22, S. 7151
Nr. 30 und S. 7995 Nr. 7. Je 150 Mark gewannen
S. 202 Nr. 46, S. 2004 Nr. 23, S. 3296 Nr. 22, S. 5118
Nr. 27 und S. 5683 Nr. 12. Auf alle übrigen hier nicht
besonders aufgeführten Nummern fällt der kleinste Gewinn
von je 75 Mark.




[irrelevantes Material]



Auf dem Wendenhofe.

(4.) Unbefugter Abdruck wird gerichtlich verfolgt.

"Ich habe nicht erwartet, daß er sich direct um
seine beiden Mündel kümmern würde, da er mit meinen
Eltern aus mir unbekannten Gründen, so lange ich
denken kann keinerlei verwandschaftliche Beziehungen
unterhalten hat. In der Voraussetzung, daß ihm die
Uebertragung der Vormundschaft über meinen Bruder
und mich höchst unangenehm und lästig sein würde,
habe ich ihm bis zu dieser Stunde weder meinen Auf-
enthaltsort angegeben, noch von ihm irgend einen Rath
erbeten. Mit dieser Versicherung beantworte ich gleich-
zeitig Ihre Vorwürfe, Herr Nordheim, welche Sie mir
soeben wegen des Auftretens meines Onkels machten.
Wenn dieser meine sofortige Entlassung fordert, so mag
er dazu seine Gründe haben, auf keinen Fall wird er
sich aber auf mein Einverständniß berufen können. Ich
vermuthe, Sie haben meinen Onkel mißverstanden."

Der Principal blickte erfreut auf. "So werden Sie
also bleiben und mich der unangenehmen Sorge für
Ihren Ersatz überheben?" fragte er schnell.

Noch ehe Johanna antworten konnte, klopfte es
draußen an die Thür, welche sich fast gleichzeitig schnell
öffnete. "Herr Nordheim, die Gräfin von Fernrode
wünscht Sie zu sprechen," rief ein Commis hastig durch
die halbgeöffnete Thür.

Da die genannte Dame zu den besten Kunden des
Geschäfts zählte, so beeilte sich der Chef, dem Wunsche
derselben sofort nachzukommen. "Bleiben Sie, bitte,
hier, Fräulein Marbes, ich werde hoffentlich bald wieder
hier sein können," sagte er im Fortgehen.


[Spaltenumbruch]

II.

Es war dem jungen Mädchen angenehm, daß der
Chef abgerufen wurde. Dadurch gewann sie Zeit, über
das plötzliche Erscheinen ihres Vormunds nachzudenken.
Was mochte den Mann, den sie nur den Namen nach
kannte, nur dazu bewogen haben, zu jetziger schlechter
Jahreszeit die Reise nach Berlin anzutreten und sein
Mündel aufzusuchen, und wer hatte ihm überhaupt
ihre Adresse genannt? Was war ferner der Grund,
weßhalb er von ihrem Chef die sofortige Entbindung
von ihren contractlichen Verpflichtungen verlangte
Diese Forderung konnte er doch nur mit ihrem Ein-
verständniß an den Chef stellen, und zwar erst dann,
wenn er ihr einen passenden Ersatz für die verlorene
Stellung verschafft hatte; denn daß dieser Mann, der
sich in mehr als zwanzig Jahren nicht um ihre
Eltern bekümmert hatte, der es zweifellos unter seiner
Würde hielt, mit der in kleinen Verhältnissen lebenden
Familie einen verwandtschaftlichen Verkehr zu unter-
halten, jetzt plötzlich sich der Waisen der stolz ge-
miedenen Verwandten annehmen und für ihren Unter-
halt sorgen könnte, das durfte nach Lage der Dinge
Niemand erwarten. Das junge Mädchen, welches bis-
lang nur zu oft in seinen Hoffnungen und Erwartungen
getäuscht worden war, gab sich in diesem Punkte auch
keiner Illusion hin, wennschon jener Gedanke einen
Moment sie beschäftigt hatte. Ueberdem würde sie von
dem Vormunde zuletzt ein Almosen annehmen, hatte er
doch im vorigen Jahre auf die Todesanzeige von ihrem
Vater kein Wort des Trostes für die Hinterbliebenen
übrig gehabt und nur eine gedruckte Condolenz-Karte
geschickt und damit nur einer rein gesellschaftlichen Pflicht
[Spaltenumbruch] genügt, wo doch jeder andere Mann sich gesagt haben
würde, daß diese Form die Hinterbliebenen des Verstor-
benen tief verletzen mußte. Johanna war damals em-
pört gewesen über diese Lieblosigkeit des Onkels, und
als ihre Mutter starb, hatte sie es nicht über sich ge-
winnen. können, ihm eine Anzeige von deren Tode zu
machen. Was bedeutete nun dieses plötzliche Erscheinen
des Mannes, und wie kam es, daß derselbe, im Gegen-
satz zu seinem früheren Verhalten, sich mit einem Male
für die Kinder von Verwandten interessirte, die für ihn
bislang gar nicht existirt hatten? Auf all' diese Fragen
vermochte sich Johanna keine Antwort zu geben. Sie
stand hier vor einem Räthsel.

Mitten in ihren Gedanken wurde sie durch das
Anklopfen an die Thür gestört. Auf ihr "Herein!"
öffnete sich die letztere und der Commis von vor-
hin lud mit einem Kratzfuß einen Herrn ein, einzutreten.
Der Fremde, ein großer hagerer Mann, trug einen
grauen Havelok und Schlapphut, er hatte eine Adler-
nase und schwarzen martialischen Schnurrbart, der schon
etwas mit weißen Streifen durchsetzt war. Er trat
langsam über die Schwelle, nahm seinen Hut ab und
blieb stumm an der Thür stehen, bis der Commis die-
selbe von außen wieder schloß. Hatte das große braune
Auge des Mannes beim Erblicken des jungen Mädchens
einen Moment starr und forschend an ihrer Gestalt ge-
haftet, so erglänzte es plötzlich in einem feuchten Schim-
mer, als er schnell einige Schritte vortrat und nur das
eine Wort ausstieß: "Friederike!"

(Fortsetzung folgt.)




Druck, Herausgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikisch, Wien.


Reichspoſt Wien, Dienſtag, 6. April 1897 78

[Spaltenumbruch] die Reſultate ihres Wirkens an die Oeffentlichkeit
bringen werde. Nachdem ſie ſich ſo feierlich als „modern-
wiſſenſchaftlich“ proclamirt, wird ſie doch wohl nicht
den alten Unterſchied von Eſoterikern und Exoterikern
cultiviren wollen; darin wird ſie die freimaureriſche
Art wohl verleugnen müſſen. Wiſſenſchaftlichkeit und
Geheimnißthuerei vertragen ſich nicht miteinander. Alſo
frei heraus mit dieſer neugearteten „Metaphyſik“!

Der Deutſche Hausſchatz

widmet ſein 9. Heft dem
heil. Oſterfeſt, ſowie dem Erwachen des Frühlings; herrliche
Illuſtrationen und innig empfundene Gedichte erinnern an
die erhabenen Ereigniſſe der Charwoche. Der Text des
Heftes iſt, wie wir es ſchon gewöhnt ſind, mannigfaltig und
intereſſant. Verlag F. Puſtet, Regensburg.

Friedl’s Zeitungs- und Kalender-Katalog,

zum
erſten Male unvermiſcht die chriſtlich-ſociale, antiſemitiſche
und katholiſche Preſſe der ganzen Welt umfaſſend, befindet
ſich im Druck. Um dieſen Katalog der Inſerenten-Welt
möglichſt vollſtändig vorlegen zu können, erſucht die Firma
alle Zeitungseigenthümer und Kalenderverleger, inſoweit es
nicht ſchon geſchehen iſt, Daten über Ihre Editionen nebſt
einem Exemplar zur Anſicht an das Annoncen-Bureau
Hubert Friedl, Wien V/1, einzuſenden. Die Aufnahme der
Daten erfolgt koſtenfrei auf „Frage-Zetteln“,
welche auf Wunſch ſofort geſendet werden.

Dur und Moll.

Inhalt des ſoeben erſchienenen
ſechſten Heftes: Muſik: Der kurze Frühling. Lied von
P. A. von Weſtrheene. — Unterm Lindenbaum. Von A.
Winterberger. — Gute Nacht, geliebtes Leben. Lied von
[Spaltenumbruch] Ernſt Kraus. — Spielmanns Lied. Von Nautilus. — Zum
Gedenken. Für Clavier von Ludwig Neuhoff. — Romanze.
Für Clavier. Von H. Sauerland. — Mazurka. Für
Clavier. Von Joſ Gauby. — Drei Clavierſtücke. Von Fritz
Kirchner. — Null Walzer für Solo, Quartett und Clavier
(aus der ‚Skat-Cantate‘) von F. John. — Adagio für
Violine mit Clavierbegleitung. Von Joſ. Haydn. Text:
Pauker Schmollingers Eheglück. Eine muſikaliſche Novellette
von A. Ruthardt. Mit ſieben Illuſtrationen. — Henriette
Sontag. Mit vier Illuſtrationen und einem Briefe. —
Berühmte Clavier-Virtuoſen. Mit 6 Porträts. — Dr. Felix
Kraus, mit Porträts. — Muſikaliſches Preisräthſel. — Das
ältere und jüngere Hellmesberger-Quartett. Von Hedwig
Abel. Mit zwei Abbildungen. — Humor in der Muſik-
bezeichnung.




Vereinsnachrichten.
§ Verein chriſtliche Familie.

Die Ortsgruppe
Wieden des Vereines chriſtliche Familie hält
Dienſtag, den 10. d., ½8 Uhr, in Ed. Kränzl’s Garten-
ſalon, 4. Bez., Hauptſtraße 52, eine Vereinsverſammlung
ab. Tagesordnung: 1. Beſprechung über Vereinsangelegen-
heiten. 2. Wirthſchaftliche Fragen.

§ St. Lanrentius Kirchenbauverein Breitenſee.

Dieſer Verein hielt am 27. v. M. in Friedrich Schmid’s
Reſtauration zum Ludwigshof ſeine diesjährige General-
verſammlung ab. Nach der Begrüßungsanſprache durch den
Obmann Hochw. Ordelt erſtattete der Schriftführer
Leopold Blach den Bericht über die Thätigkeit des Ver-
eines, in welcher der feierlichen Grundſteinlegung am
[Spaltenumbruch] 22. Februar zur Kaiſer Franz Joſef-Jubi-
läums
und St. Laurentius Pfarrkirche gedacht iſt. Die
Generalverſammlung genehmigte ſodann ein von dem Er-
bauer der Kirche, Architekten und Baumeiſter Gemeinderath
Ludwig Zatzka entworfenes Project für den Pfarrhof,
welcher im Laufe dieſes Jahres fertiggeſtellt wird. Nach
Erſtattung des Rechnungsabſchluſſes durch den Rechnungs-
führer Herrn Joſef Weishappel bat Se. Hochw. Herr
Rudolf Mels-Colloredo in einer längeren
ſehr beifällig aufgenommenen Rede die Anweſenden nicht
zu ermüden, den Verein nach beſten Kräften zu unterſtützen,
damit die Bevölkerung das 50jährige Regierungs-Jubiläum
Sr. Majeſtät des Kaiſers in der neuen Kirche zu feiern
vermag.




Verloſungen.

Herzoglich Braunſchweiger Loſe.

Bei der am
31. März vorgenommenen Prämienverloſung fiel der Haupt-
treffer mit 165.000 Mark auf Serie 8372 Nr. 48, der zweite
Treffer mit 15.000 Mark auf Serie 8410 Nr. 43, der dritte
Treffer mit 9600 Mark auf Serie 3481 Nr. 4, der vierte
Treffer mit 3600 Mark auf Serie 266 Nr. 34. Je 300 Mk.
gewannen Serie 202 Nr. 33, S. 2004 Nr. 47, S. 5118
Nr. 22, S. 5562 Nr. 4, S. 5683 Nr. 33, S. 5894 Nr. 20,
S. 6054 Nr. 19, S. 6225 Nr. 23, S. 7041 Nr. 22, S. 7151
Nr. 30 und S. 7995 Nr. 7. Je 150 Mark gewannen
S. 202 Nr. 46, S. 2004 Nr. 23, S. 3296 Nr. 22, S. 5118
Nr. 27 und S. 5683 Nr. 12. Auf alle übrigen hier nicht
beſonders aufgeführten Nummern fällt der kleinſte Gewinn
von je 75 Mark.




[irrelevantes Material]



Auf dem Wendenhofe.

(4.) Unbefugter Abdruck wird gerichtlich verfolgt.

„Ich habe nicht erwartet, daß er ſich direct um
ſeine beiden Mündel kümmern würde, da er mit meinen
Eltern aus mir unbekannten Gründen, ſo lange ich
denken kann keinerlei verwandſchaftliche Beziehungen
unterhalten hat. In der Vorausſetzung, daß ihm die
Uebertragung der Vormundſchaft über meinen Bruder
und mich höchſt unangenehm und läſtig ſein würde,
habe ich ihm bis zu dieſer Stunde weder meinen Auf-
enthaltsort angegeben, noch von ihm irgend einen Rath
erbeten. Mit dieſer Verſicherung beantworte ich gleich-
zeitig Ihre Vorwürfe, Herr Nordheim, welche Sie mir
ſoeben wegen des Auftretens meines Onkels machten.
Wenn dieſer meine ſofortige Entlaſſung fordert, ſo mag
er dazu ſeine Gründe haben, auf keinen Fall wird er
ſich aber auf mein Einverſtändniß berufen können. Ich
vermuthe, Sie haben meinen Onkel mißverſtanden.“

Der Principal blickte erfreut auf. „So werden Sie
alſo bleiben und mich der unangenehmen Sorge für
Ihren Erſatz überheben?“ fragte er ſchnell.

Noch ehe Johanna antworten konnte, klopfte es
draußen an die Thür, welche ſich faſt gleichzeitig ſchnell
öffnete. „Herr Nordheim, die Gräfin von Fernrode
wünſcht Sie zu ſprechen,“ rief ein Commis haſtig durch
die halbgeöffnete Thür.

Da die genannte Dame zu den beſten Kunden des
Geſchäfts zählte, ſo beeilte ſich der Chef, dem Wunſche
derſelben ſofort nachzukommen. „Bleiben Sie, bitte,
hier, Fräulein Marbes, ich werde hoffentlich bald wieder
hier ſein können,“ ſagte er im Fortgehen.


[Spaltenumbruch]

II.

Es war dem jungen Mädchen angenehm, daß der
Chef abgerufen wurde. Dadurch gewann ſie Zeit, über
das plötzliche Erſcheinen ihres Vormunds nachzudenken.
Was mochte den Mann, den ſie nur den Namen nach
kannte, nur dazu bewogen haben, zu jetziger ſchlechter
Jahreszeit die Reiſe nach Berlin anzutreten und ſein
Mündel aufzuſuchen, und wer hatte ihm überhaupt
ihre Adreſſe genannt? Was war ferner der Grund,
weßhalb er von ihrem Chef die ſofortige Entbindung
von ihren contractlichen Verpflichtungen verlangte
Dieſe Forderung konnte er doch nur mit ihrem Ein-
verſtändniß an den Chef ſtellen, und zwar erſt dann,
wenn er ihr einen paſſenden Erſatz für die verlorene
Stellung verſchafft hatte; denn daß dieſer Mann, der
ſich in mehr als zwanzig Jahren nicht um ihre
Eltern bekümmert hatte, der es zweifellos unter ſeiner
Würde hielt, mit der in kleinen Verhältniſſen lebenden
Familie einen verwandtſchaftlichen Verkehr zu unter-
halten, jetzt plötzlich ſich der Waiſen der ſtolz ge-
miedenen Verwandten annehmen und für ihren Unter-
halt ſorgen könnte, das durfte nach Lage der Dinge
Niemand erwarten. Das junge Mädchen, welches bis-
lang nur zu oft in ſeinen Hoffnungen und Erwartungen
getäuſcht worden war, gab ſich in dieſem Punkte auch
keiner Illuſion hin, wennſchon jener Gedanke einen
Moment ſie beſchäftigt hatte. Ueberdem würde ſie von
dem Vormunde zuletzt ein Almoſen annehmen, hatte er
doch im vorigen Jahre auf die Todesanzeige von ihrem
Vater kein Wort des Troſtes für die Hinterbliebenen
übrig gehabt und nur eine gedruckte Condolenz-Karte
geſchickt und damit nur einer rein geſellſchaftlichen Pflicht
[Spaltenumbruch] genügt, wo doch jeder andere Mann ſich geſagt haben
würde, daß dieſe Form die Hinterbliebenen des Verſtor-
benen tief verletzen mußte. Johanna war damals em-
pört geweſen über dieſe Liebloſigkeit des Onkels, und
als ihre Mutter ſtarb, hatte ſie es nicht über ſich ge-
winnen. können, ihm eine Anzeige von deren Tode zu
machen. Was bedeutete nun dieſes plötzliche Erſcheinen
des Mannes, und wie kam es, daß derſelbe, im Gegen-
ſatz zu ſeinem früheren Verhalten, ſich mit einem Male
für die Kinder von Verwandten intereſſirte, die für ihn
bislang gar nicht exiſtirt hatten? Auf all’ dieſe Fragen
vermochte ſich Johanna keine Antwort zu geben. Sie
ſtand hier vor einem Räthſel.

Mitten in ihren Gedanken wurde ſie durch das
Anklopfen an die Thür geſtört. Auf ihr „Herein!“
öffnete ſich die letztere und der Commis von vor-
hin lud mit einem Kratzfuß einen Herrn ein, einzutreten.
Der Fremde, ein großer hagerer Mann, trug einen
grauen Havelok und Schlapphut, er hatte eine Adler-
naſe und ſchwarzen martialiſchen Schnurrbart, der ſchon
etwas mit weißen Streifen durchſetzt war. Er trat
langſam über die Schwelle, nahm ſeinen Hut ab und
blieb ſtumm an der Thür ſtehen, bis der Commis die-
ſelbe von außen wieder ſchloß. Hatte das große braune
Auge des Mannes beim Erblicken des jungen Mädchens
einen Moment ſtarr und forſchend an ihrer Geſtalt ge-
haftet, ſo erglänzte es plötzlich in einem feuchten Schim-
mer, als er ſchnell einige Schritte vortrat und nur das
eine Wort ausſtieß: „Friederike!“

(Fortſetzung folgt.)




Druck, Herausgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.


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[10/0010] Reichspoſt Wien, Dienſtag, 6. April 1897 78 die Reſultate ihres Wirkens an die Oeffentlichkeit bringen werde. Nachdem ſie ſich ſo feierlich als „modern- wiſſenſchaftlich“ proclamirt, wird ſie doch wohl nicht den alten Unterſchied von Eſoterikern und Exoterikern cultiviren wollen; darin wird ſie die freimaureriſche Art wohl verleugnen müſſen. Wiſſenſchaftlichkeit und Geheimnißthuerei vertragen ſich nicht miteinander. Alſo frei heraus mit dieſer neugearteten „Metaphyſik“! Der Deutſche Hausſchatz widmet ſein 9. Heft dem heil. Oſterfeſt, ſowie dem Erwachen des Frühlings; herrliche Illuſtrationen und innig empfundene Gedichte erinnern an die erhabenen Ereigniſſe der Charwoche. Der Text des Heftes iſt, wie wir es ſchon gewöhnt ſind, mannigfaltig und intereſſant. Verlag F. Puſtet, Regensburg. Friedl’s Zeitungs- und Kalender-Katalog, zum erſten Male unvermiſcht die chriſtlich-ſociale, antiſemitiſche und katholiſche Preſſe der ganzen Welt umfaſſend, befindet ſich im Druck. Um dieſen Katalog der Inſerenten-Welt möglichſt vollſtändig vorlegen zu können, erſucht die Firma alle Zeitungseigenthümer und Kalenderverleger, inſoweit es nicht ſchon geſchehen iſt, Daten über Ihre Editionen nebſt einem Exemplar zur Anſicht an das Annoncen-Bureau Hubert Friedl, Wien V/1, einzuſenden. Die Aufnahme der Daten erfolgt koſtenfrei auf „Frage-Zetteln“, welche auf Wunſch ſofort geſendet werden. Dur und Moll. Inhalt des ſoeben erſchienenen ſechſten Heftes: Muſik: Der kurze Frühling. Lied von P. A. von Weſtrheene. — Unterm Lindenbaum. Von A. Winterberger. — Gute Nacht, geliebtes Leben. Lied von Ernſt Kraus. — Spielmanns Lied. Von Nautilus. — Zum Gedenken. Für Clavier von Ludwig Neuhoff. — Romanze. Für Clavier. Von H. Sauerland. — Mazurka. Für Clavier. Von Joſ Gauby. — Drei Clavierſtücke. Von Fritz Kirchner. — Null Walzer für Solo, Quartett und Clavier (aus der ‚Skat-Cantate‘) von F. John. — Adagio für Violine mit Clavierbegleitung. Von Joſ. Haydn. Text: Pauker Schmollingers Eheglück. Eine muſikaliſche Novellette von A. Ruthardt. Mit ſieben Illuſtrationen. — Henriette Sontag. Mit vier Illuſtrationen und einem Briefe. — Berühmte Clavier-Virtuoſen. Mit 6 Porträts. — Dr. Felix Kraus, mit Porträts. — Muſikaliſches Preisräthſel. — Das ältere und jüngere Hellmesberger-Quartett. Von Hedwig Abel. Mit zwei Abbildungen. — Humor in der Muſik- bezeichnung. Vereinsnachrichten. § Verein chriſtliche Familie. Die Ortsgruppe Wieden des Vereines chriſtliche Familie hält Dienſtag, den 10. d., ½8 Uhr, in Ed. Kränzl’s Garten- ſalon, 4. Bez., Hauptſtraße 52, eine Vereinsverſammlung ab. Tagesordnung: 1. Beſprechung über Vereinsangelegen- heiten. 2. Wirthſchaftliche Fragen. § St. Lanrentius Kirchenbauverein Breitenſee. Dieſer Verein hielt am 27. v. M. in Friedrich Schmid’s Reſtauration zum Ludwigshof ſeine diesjährige General- verſammlung ab. Nach der Begrüßungsanſprache durch den Obmann Hochw. Ordelt erſtattete der Schriftführer Leopold Blach den Bericht über die Thätigkeit des Ver- eines, in welcher der feierlichen Grundſteinlegung am 22. Februar zur Kaiſer Franz Joſef-Jubi- läums und St. Laurentius Pfarrkirche gedacht iſt. Die Generalverſammlung genehmigte ſodann ein von dem Er- bauer der Kirche, Architekten und Baumeiſter Gemeinderath Ludwig Zatzka entworfenes Project für den Pfarrhof, welcher im Laufe dieſes Jahres fertiggeſtellt wird. Nach Erſtattung des Rechnungsabſchluſſes durch den Rechnungs- führer Herrn Joſef Weishappel bat Se. Hochw. Herr Rudolf Mels-Colloredo in einer längeren ſehr beifällig aufgenommenen Rede die Anweſenden nicht zu ermüden, den Verein nach beſten Kräften zu unterſtützen, damit die Bevölkerung das 50jährige Regierungs-Jubiläum Sr. Majeſtät des Kaiſers in der neuen Kirche zu feiern vermag. Verloſungen. Herzoglich Braunſchweiger Loſe. Bei der am 31. März vorgenommenen Prämienverloſung fiel der Haupt- treffer mit 165.000 Mark auf Serie 8372 Nr. 48, der zweite Treffer mit 15.000 Mark auf Serie 8410 Nr. 43, der dritte Treffer mit 9600 Mark auf Serie 3481 Nr. 4, der vierte Treffer mit 3600 Mark auf Serie 266 Nr. 34. Je 300 Mk. gewannen Serie 202 Nr. 33, S. 2004 Nr. 47, S. 5118 Nr. 22, S. 5562 Nr. 4, S. 5683 Nr. 33, S. 5894 Nr. 20, S. 6054 Nr. 19, S. 6225 Nr. 23, S. 7041 Nr. 22, S. 7151 Nr. 30 und S. 7995 Nr. 7. Je 150 Mark gewannen S. 202 Nr. 46, S. 2004 Nr. 23, S. 3296 Nr. 22, S. 5118 Nr. 27 und S. 5683 Nr. 12. Auf alle übrigen hier nicht beſonders aufgeführten Nummern fällt der kleinſte Gewinn von je 75 Mark. _ Auf dem Wendenhofe. Original-Novelle von Th. Schmidt. (4.) Unbefugter Abdruck wird gerichtlich verfolgt. „Ich habe nicht erwartet, daß er ſich direct um ſeine beiden Mündel kümmern würde, da er mit meinen Eltern aus mir unbekannten Gründen, ſo lange ich denken kann keinerlei verwandſchaftliche Beziehungen unterhalten hat. In der Vorausſetzung, daß ihm die Uebertragung der Vormundſchaft über meinen Bruder und mich höchſt unangenehm und läſtig ſein würde, habe ich ihm bis zu dieſer Stunde weder meinen Auf- enthaltsort angegeben, noch von ihm irgend einen Rath erbeten. Mit dieſer Verſicherung beantworte ich gleich- zeitig Ihre Vorwürfe, Herr Nordheim, welche Sie mir ſoeben wegen des Auftretens meines Onkels machten. Wenn dieſer meine ſofortige Entlaſſung fordert, ſo mag er dazu ſeine Gründe haben, auf keinen Fall wird er ſich aber auf mein Einverſtändniß berufen können. Ich vermuthe, Sie haben meinen Onkel mißverſtanden.“ Der Principal blickte erfreut auf. „So werden Sie alſo bleiben und mich der unangenehmen Sorge für Ihren Erſatz überheben?“ fragte er ſchnell. Noch ehe Johanna antworten konnte, klopfte es draußen an die Thür, welche ſich faſt gleichzeitig ſchnell öffnete. „Herr Nordheim, die Gräfin von Fernrode wünſcht Sie zu ſprechen,“ rief ein Commis haſtig durch die halbgeöffnete Thür. Da die genannte Dame zu den beſten Kunden des Geſchäfts zählte, ſo beeilte ſich der Chef, dem Wunſche derſelben ſofort nachzukommen. „Bleiben Sie, bitte, hier, Fräulein Marbes, ich werde hoffentlich bald wieder hier ſein können,“ ſagte er im Fortgehen. II. Es war dem jungen Mädchen angenehm, daß der Chef abgerufen wurde. Dadurch gewann ſie Zeit, über das plötzliche Erſcheinen ihres Vormunds nachzudenken. Was mochte den Mann, den ſie nur den Namen nach kannte, nur dazu bewogen haben, zu jetziger ſchlechter Jahreszeit die Reiſe nach Berlin anzutreten und ſein Mündel aufzuſuchen, und wer hatte ihm überhaupt ihre Adreſſe genannt? 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Ueberdem würde ſie von dem Vormunde zuletzt ein Almoſen annehmen, hatte er doch im vorigen Jahre auf die Todesanzeige von ihrem Vater kein Wort des Troſtes für die Hinterbliebenen übrig gehabt und nur eine gedruckte Condolenz-Karte geſchickt und damit nur einer rein geſellſchaftlichen Pflicht genügt, wo doch jeder andere Mann ſich geſagt haben würde, daß dieſe Form die Hinterbliebenen des Verſtor- benen tief verletzen mußte. Johanna war damals em- pört geweſen über dieſe Liebloſigkeit des Onkels, und als ihre Mutter ſtarb, hatte ſie es nicht über ſich ge- winnen. können, ihm eine Anzeige von deren Tode zu machen. Was bedeutete nun dieſes plötzliche Erſcheinen des Mannes, und wie kam es, daß derſelbe, im Gegen- ſatz zu ſeinem früheren Verhalten, ſich mit einem Male für die Kinder von Verwandten intereſſirte, die für ihn bislang gar nicht exiſtirt hatten? Auf all’ dieſe Fragen vermochte ſich Johanna keine Antwort zu geben. Sie ſtand hier vor einem Räthſel. Mitten in ihren Gedanken wurde ſie durch das Anklopfen an die Thür geſtört. Auf ihr „Herein!“ öffnete ſich die letztere und der Commis von vor- hin lud mit einem Kratzfuß einen Herrn ein, einzutreten. Der Fremde, ein großer hagerer Mann, trug einen grauen Havelok und Schlapphut, er hatte eine Adler- naſe und ſchwarzen martialiſchen Schnurrbart, der ſchon etwas mit weißen Streifen durchſetzt war. Er trat langſam über die Schwelle, nahm ſeinen Hut ab und blieb ſtumm an der Thür ſtehen, bis der Commis die- ſelbe von außen wieder ſchloß. Hatte das große braune Auge des Mannes beim Erblicken des jungen Mädchens einen Moment ſtarr und forſchend an ihrer Geſtalt ge- haftet, ſo erglänzte es plötzlich in einem feuchten Schim- mer, als er ſchnell einige Schritte vortrat und nur das eine Wort ausſtieß: „Friederike!“ (Fortſetzung folgt.) Druck, Herausgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 78, Wien, 06.04.1897, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost078_1897/10>, abgerufen am 21.11.2024.