Reichspost. Nr. 105, Wien, 08.05.1894.[Spaltenumbruch]
1. Jahrg. Redaction, Administration, Stadtexpedition I. Schulerstraße, [Un]frankierte Briefe werden nicht ange- Ankündigungs-Bureau: Abonnements werden angenommen Erscheint täglich 6 Uhr abends [Spaltenumbruch] Wien, Dienstag 8. Mai 1894. Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreichs. [Spaltenumbruch] Nr. 105. Bezugspreise: Einzelne Nummern 4 kr., Bei [A]bholung in unserer Admini- Für Österreich-Ungarn Telephon 1828. [Spaltenumbruch] Die Geheimnisse eines Baukets. (Specialbericht der "Reichspost".) Am Samstag versammelten sich bei reichbesetzter Zwischen Suppe und Lachs erhob sich Bürgermeister Matzenauer erhebt sich als zweiter Redner. Richter (in sichtlicher Erregung). Meine Noske: M. H. Ich komme auf einen höchst [Spaltenumbruch] Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns Dr. Scholz stürzt athemlos herein. Entschul- Frauenberger: Ich bringe mein Glas Es folgten noch mehrere Toaste, doch bei der zu- Wettkriechen. Aus Baden bei Wien, 4. Mai, wird dem "Wiener "In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver- Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Die internationale Kunstausstellung in Wien. Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die Nr. 1. "Vor Anker" von A. Mayeur ist eine, Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel "Cu- Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus Der Natur des Gegenstandes noch viel weniger Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausstellung) (Fortsetzung folgt.) [Spaltenumbruch]
1. Jahrg. Redaction, Adminiſtration, Stadtexpedition I. Schulerſtraße, [Un]frankierte Briefe werden nicht ange- Ankündigungs-Bureau: Abonnements werden angenommen Erſcheint täglich 6 Uhr abends [Spaltenumbruch] Wien, Dienſtag 8. Mai 1894. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreichs. [Spaltenumbruch] Nr. 105. Bezugspreiſe: Einzelne Nummern 4 kr., Bei [A]bholung in unſerer Admini- Für Öſterreich-Ungarn Telephon 1828. [Spaltenumbruch] Die Geheimniſſe eines Baukets. (Specialbericht der „Reichspoſt“.) Am Samſtag verſammelten ſich bei reichbeſetzter Zwiſchen Suppe und Lachs erhob ſich Bürgermeiſter Matzenauer erhebt ſich als zweiter Redner. Richter (in ſichtlicher Erregung). Meine Noske: M. H. Ich komme auf einen höchſt [Spaltenumbruch] Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns Dr. Scholz ſtürzt athemlos herein. Entſchul- Frauenberger: Ich bringe mein Glas Es folgten noch mehrere Toaſte, doch bei der zu- Wettkriechen. Aus Baden bei Wien, 4. Mai, wird dem „Wiener „In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver- Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus- [Spaltenumbruch] Feuilleton. Die internationale Kunſtausſtellung in Wien. Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die Nr. 1. „Vor Anker“ von A. Mayeur iſt eine, Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel „Cu- Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus Der Natur des Gegenſtandes noch viel weniger Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausſtellung) (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">1. 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Schon die Thatſache,<lb/> daß von den 76 Mitgliedern des fortſchrittlichen Partei-<lb/> verbandes nur 49 Mitglieder ſich an der Tafel be-<lb/> theiligten, war geeignet, berechtigtes Befremden hervor-<lb/> zurufen. Nicht minder bezeichnend war die weitere<lb/> Thatſache, daß die gemeinderäthlichen Arrangenre des<lb/> Bankets ein beſonderes Gewicht darauf legten, die<lb/> Tafel <hi rendition="#g">bei geſchloſſenen Thüren</hi> abzu-<lb/> halten. Dieſe letztere Thatſache war durch die Beſorg-<lb/> niß zu erklären, daß vielleicht manche Tiſchreden in die<lb/> Oeffentlichkeit gelangen und vertrauliche Bemerkungen<lb/> harmloſen Tafelſcherzes in den liberalen Wählerkreiſen<lb/> eine Mißdeutung erfahren könnten. Dennoch iſt es<lb/> Ihrem Berichterſtatter gelungen, durch die geſchloſſenen<lb/> Thüren zu dringen und die Geheimniſſe des Bankets<lb/> abzulauſchen. Hier mein Bericht.</p><lb/> <p>Zwiſchen Suppe und Lachs erhob ſich Bürgermeiſter<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Grübl,</hi> um auf den Kaiſer zu toaſtiren. In<lb/> der Einleitung dazu ſprach er von der Friedensmiſſion,<lb/> die er ſich ſelbſt geſtellt, und von der er ein eclatantes<lb/> Beiſpiel dadurch gab, daß er einem Antiſemiten<lb/> ein Stadtrathsmandat verleihen wollte. (Frauenberger<lb/> ruft dazwiſchen: „Da thun wir nicht mit.“) „Es thut<lb/> mir das ſehr leid; denn ſo werden Sie als die Unver-<lb/> ſönlichen gelten.“ (Frauenberger: Macht nichts!)<lb/> „Ihnen mag’s nichts machen. Aber unſere Partei wird<lb/> discreditirt nach oben, nachdem ich mich verbindlich ge-<lb/> macht, den Frieden im Gemeinderathe wiederherzuſtellen.“<lb/> (Eiſiges <hi rendition="#g">Schweigen.</hi>) Folgt der Toaſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Matzenauer</hi> erhebt ſich als zweiter Redner.<lb/> (Bravo bei einem Theile der Tafelrunde, Räuspern<lb/> und Huſten bei einem andern). Meine Freunde!<lb/> (Stimmen aus der Ferne: Oho!) Ich dächte doch,<lb/> meine Herren, daß wir hier alle als Freunde ver-<lb/> ſammelt ſind, wenn auch einige von uns mit der Wahl<lb/> meiner Perſon zum Vicebürgermeiſter nicht einver-<lb/> ſtanden waren. In dem Augenblicke, wo es ſich um die<lb/> Wiedereroberung Wiens handelt, ſollte doch aller<lb/><cb/> Zwiſt unter uns ſelbſt ſchweigen. Sie kennen doch meine<lb/> perſönliche Beſcheidenheit, die auf tiefſter Bildung<lb/> beruht, obſchon damals die achtjährige Schulpflicht<lb/> noch nicht beſtand. (Heiterkeit.) Sie brauchen das nicht<lb/> als einen Hohn auf das Volksſchulgeſetz aufzufaſſen,<lb/> das ich mit begeiſtertem Herzen demnächſt mit Ihnen<lb/> im Dreherparke feiern werde, wenn ich auch nicht die<lb/> Wohlthaten desſelben zu genießen in der Lage war.<lb/> (Bravo!) Meine Freunde, ich werde nichts von unſeren<lb/> Parteigrundſätzen aufgeben. Das habe ich bei Ueber-<lb/> nahme meines Amtes verſprochen und ich <hi rendition="#g">ſchwöre</hi> es<lb/> Ihnen in dieſem feierlichen Momente noch einmal zu.<lb/> (<hi rendition="#g">Richter</hi> zuckt auffällig zuſammen. Er meldet ſich<lb/> zum Wort.) Dieſer mein Schwur ſollte doch genügen,<lb/> Sie alle mit mir zu verſöhnen, umſomehr da ich bei<lb/> der Wahl von Stadträthen mein Ernennungsrecht dem-<lb/> nächſt ebenſo wahren werde, wie bei der Wahl von<lb/> Reichsraths- und Landtagsabgeordneten der inneren<lb/> Stadt. (Sehr gut! Noske erhebt ſich dankend.)</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Richter</hi> (in ſichtlicher Erregung). Meine<lb/> Herren! Nur ein Wort! Ich bin der Meinung, daß<lb/> bei einer Zuſammenkunft von Parteifreunden jede un-<lb/> liebſame <hi rendition="#g">Anſpielung</hi> vermieden werden ſollte,<lb/> überlaſſe man das doch der „Reichspoſt“. (Zwiſchenruf:<lb/> „Das Blatt nicht nennen)!“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Noske:</hi> M. H. Ich komme auf einen höchſt<lb/> actuellen Punkt zu ſprechen: die Affaire <hi rendition="#g">Roth-<lb/> berger!</hi> (Ruf im Hintergrunde: „Z’widere G’ſchicht!<lb/> Schweigen wir davon!“) Warum ſchweigen, m. H.?<lb/> Haben wir etwa Grund, uns der Sache zu ſchämen?<lb/> Hat die Gemeinde nicht die Pflicht, aufſtrebende arme<lb/> Geſchäftsleute zu unterſtützen? Läßt ſich nicht die<lb/> liberale Partei ſtets die Sorge für den kleinen Mann,<lb/> auch wenn er in alten Kleidern handelt, angelegen<lb/> ſein? Wenn dem ſo iſt, ſo iſt es auch unſer Recht, ja<lb/> unſere Pflicht, einem ſolchen armen Mann wie Roth-<lb/> berger durch Ueberlaſſung eines billigen Baugrundes,<lb/> wie der am Stephansplatze, unter die Arme zu greifen,<lb/> zumal wenn es ſich darum handelt, die in den Staats-<lb/> grundſätzen verbürgte Gleichberechtigung aller Staats-<lb/> bürger ohne Unterſchied der Confeſſion in einem recht<lb/> eclatanten Falle zum Ausdruck zu bringen! Die<lb/> Chriſten haben vor 500 Jahren die Gründe am<lb/> Stephansplatz auch nicht theurer bezahlt! (Bravo!)<lb/> Und jetzt ſollen die armen Juden ihr „ſauer erworbenes<lb/> Vermögen“ für theuere Gründe ausgeben! Deshalb<lb/> hat auch der Richter ſo entſchieden. (Richter: „Woher<lb/> wiſſen Sie, daß <hi rendition="#g">ich</hi> es war? Ich habe doch den<lb/> Namen verſchwiegen“. Peinliche Pauſe.)</p><lb/> <cb/> <p>Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns<lb/> als durchaus mit den liberalen Grundſätzen in Ein-<lb/> klang ſtehend hinlänglich aufgeklärt zu haben.</p><lb/> <p>Dr. <hi rendition="#g">Scholz</hi> ſtürzt athemlos herein. Entſchul-<lb/> digen Sie, meine Herren, mein Zuſpätkommen; ein<lb/> ſchwerer Diphtheritisfall hielt mich zurück; die Zeug-<lb/> niſſe habe ich in dieſem Falle aber gleich mitgebracht<lb/> (zeigt ſie) und die Kleider ſchon unterwegs gewechſelt.<lb/> (Heiterkeit.)</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Frauenberger:</hi> Ich bringe mein Glas<lb/> der glücklich wiedergeleimten Coalition! Mein Hoch<lb/> dem abgeklärten Greis! Mein Hoch Plener! (Stür-<lb/> miſcher Beifall.) Ich halte mich zu dieſem Toaſte be-<lb/> rechtigt, obſchon ich noch nicht Stadtrath bin; denn,<lb/> ohne mein bisheriges Wirken rühmen zu wollen, kann<lb/> ich kühn behaupten, daß ohne mich und meine Ge-<lb/> meinderathsthätigkeit Plener heute noch nicht Miniſter<lb/> wäre. Redner kommt nun auf ſeine wirklichen Ver-<lb/> dienſte um die Säuberung Wiens zu ſprechen, wird<lb/> aber am Weiterreden gehindert, weil das Comite für<lb/> das Prix-Denkmal lebhaften Wiederſpruch erhebt.</p><lb/> <p>Es folgten noch mehrere Toaſte, doch bei der zu-<lb/> fälligen Erwähnung der künftig zu beſetzenden Stadt-<lb/> rathsſtellen entſtand ein ſo heftiger Disput zwiſchen<lb/> den zahlreich anweſenden Candidaten, daß ich die<lb/> Redner nicht mehr verſtehen und mich ungeſehcn durch<lb/> die geſchloſſenen Thüren drücken konnte. Nur unbe-<lb/> ſtimmte Töne: „Hoch der Liberalismus!“ „Hoch die<lb/> Coalition!“ „Hoch die Judenknechte!“ drangen draußen<lb/> noch an mein Ohr.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="wettkriechen1" next="#wettkriechen2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wettkriechen.</hi> </head><lb/> <dateline>Aus Baden bei Wien, 4. Mai,</dateline> <p>wird dem „Wiener<lb/> Tagblatt“ geſchrieben:</p><lb/> <p>„In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver-<lb/> ſammlung hatte der Wiener Bürgerſchullehrer und Ge-<lb/> meinderath <hi rendition="#g">Tomola</hi> eine Hetzrede gegen die Juden ge-<lb/> halten. Der Gemeindeausſchuß von Baden hat in ſeiner<lb/> heutigen Sitzung über Antrag des Ausſchuſſes Director<lb/> Winkler mit 18 gegen 7 Stimmen folgende Reſolution be-<lb/> ſchloſſen: „Der Gemeindeausſchuß Baden ſpricht ſeine Miß-<lb/> billigung darüber aus, daß in einer, auf dem Boden dieſer<lb/> Stadt abgehaltenen, öffentlichen Wählerverſammlung von<lb/> Seite eines Redners gegen die jüdiſchen Bewohner und<lb/> Curgäſte eine Beſchimpfung unfläthigſter Art erfolgt iſt, und<lb/> verwahrt ſich gegen verhetzende Reden fremder Elemente.“</p><lb/> <p>Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus-<lb/> ſchuſſes ließen alſo die Badener Gemeindepotentaten<lb/> nicht ſchlafen und ſo veranſtalteten auch ſie ein anti-anti-</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die internationale Kunſtausſtellung<lb/> in Wien.</hi> </head><lb/> <p>Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die<lb/> Malerei Belgiens ein.</p><lb/> <p>Nr. 1. „Vor Anker“ von A. <hi rendition="#g">Mayeur</hi> iſt eine,<lb/> im Ton ſehr feine, flüchtig gemalte Marine. Nr. 5<lb/> läßt uns an einer, in guter Freilichtmalerei vor-<lb/> geführten „Rückkehr von der Proceſſion“ theilnehmen<lb/> und hat F. <hi rendition="#g">Van Leemputen</hi> zum Autor; die<lb/> bunten belgiſchen Volkstypen und der heitere Ton ge-<lb/> ſtalten den Vorgang zu einem friſchen, angenehmen<lb/> Bilde.</p><lb/> <p>Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von<lb/> J. von <hi rendition="#g">Beers</hi> iſt ein kleines, in einer Ecke ver-<lb/> ſtecktes Meiſterwerk und führt uns den ſeinerzeitigen<lb/> Redacteur der „Lanterne“ an ſeinem Schreibtiſche<lb/> ſitzend vor, wie er das Wort an den Beſchauer zu<lb/> richten ſcheint. Der Kopf, ganz im Halbdunkel, könnte<lb/> ohne zu verlieren, Hans Holbein an die Seite geſetzt<lb/> werden. Desſelben Künſtlers (Nr. 28) „Auf leichter<lb/> Welle“ iſt eine kleine Novelle, ſehr gut gezeichnet und<lb/> gemalt. Faſt möchte man dem Titel die Worte „Leichte<lb/> Waare“ vorſetzen, aber das unſchuldsvolle Geſichtchen<lb/> des Mädchens überzeugt uns eines Beſſeren, und<lb/> Canotiers genießen eben das Privilegium, trotz ihres<lb/> leichten Coſtümes junge Damen herumrudern zu<lb/> dürfen. Im Gegenſatze zu dieſer Darſtellung, an der<lb/> man ein wenig ſein <hi rendition="#aq">fin de siecle</hi> ſpürt, bringt Belgien<lb/> mehrere Bilder, welche ihre Sujets aus der mittel-<lb/> alterlichen Vergangenheit holen, ein Genre, welches einſt<lb/> eifrig gepflegt, heute von den meiſten Künſtlern ge-<lb/> mieden wird. Hierher gehören J. de <hi rendition="#g">Vriends’</hi><lb/> (Nr. 2) „Kaufherr Wannemaker“, der einem nach<lb/> Antwerpen mitgebrachten Negerſclaven die Freiheit<lb/><cb/> gibt. <hi rendition="#g">Van Oudera</hi>’s Nr. 19 „Die Gallerien des<lb/> Juweelspand“ ein anziehendes ganz vorzügliches Bild,<lb/> welches ein fröhliches, ſonnenbeſchienenes Treiben zeigt,<lb/> ferner A. de Vriendts Nr. 21 „Carl <hi rendition="#aq">VI.</hi> und Odette“,<lb/> das uns den wahnſinnigen König vorführt, wie er an<lb/> der Seite Odettes de Champsdivers, die einen be-<lb/> ruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte, mit<lb/> ſeinem Narren Karten ſpielt, endlich Th. <hi rendition="#g">Liebhaerts</hi><lb/> (Nr. 25) „heilige Eliſabeth von Ungarn“ mit ihren<lb/> Damen in einer Capelle betend“, beide Bilder von<lb/> großer Tüchtigkeit, obwohl bei dem letzteren die<lb/> Coſtüme und ſonſtiges Nebenwerk wohl die Hauptrolle<lb/> ſpielen. P. <hi rendition="#g">Verhaerts</hi> (Nr. 16), „Teſtament des<lb/> Chriſtoph Columbus“ iſt eines der wenigen Bilder<lb/> eigentlich hiſtoriſchen Inhalts, welche ſich in<lb/> der Ausſtellung vorfinden und verdient Beachtung.</p><lb/> <p>Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel „Cu-<lb/> pido auf der Jagd“ von K. <hi rendition="#g">Ooms,</hi> „Birkenwald im<lb/> Herbſt“ (Nr. 10) von T. <hi rendition="#g">Verſtraſte</hi> mögen noch<lb/> genannt werden.</p><lb/> <p>Mit dem Saale Nr. <hi rendition="#aq">II</hi> betreten wir die Aus<lb/> ſtellung des jungen Königreichs Italien. Er enthält<lb/> eine Menge von mehr oder minder guten Aquarell-<lb/> und Paſtellzeichnungen, darunter die hervorſtechenden<lb/> „Kugelſpieler“ (Nr. 21) von G. <hi rendition="#g">Simoni.</hi> <hi rendition="#aq">»Paradiso<lb/> terrestre«</hi> von D. <hi rendition="#g">Ferri,</hi> welche ſehr realiſtiſche<lb/> Darſtellung einen Begriff von der italieniſchen Auf-<lb/> faſſung irdiſcher Glückſeligkeit gibt; ferner einige gute<lb/> Portraits, darunter eine Büſte und endlich einige<lb/> Leiſtungen erſten Ranges, von denen eine ganz beſon-<lb/> ders unſere Aufmerkſamkeit verdient. Es iſt dies G.<lb/><hi rendition="#g">Chiericis</hi> (Nr. 30) „Opfer des Weihnachtsfeſtes“.<lb/> Wenn wir auch an dem Vorwurfe gerade kein Wohl-<lb/> gefallen haben und wenn auch dieſes Bild wie alle<lb/> Gemälde des fleißigen Künſtlers einen etwas ſchweren<lb/> Ton zeigt, ſo iſt doch die Detailausführung eine an’s<lb/> Wunderbare grenzende und Chierici ſteht darin den<lb/> holländiſchen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts nicht<lb/><cb/> nach. Dabei iſt ſeinen Werken eine natürliche und, wie<lb/> geſagt, gutmüthige Komik eigen, die, ſelbſt im gegen-<lb/> wärtigen Falle, wirklich nichts Verletzendes an ſich<lb/> hat. Es dürfte ſchwer ſein, einen ausgeſprocheneren<lb/> Antipoden der Freilichtmalerei, des Impreſſionismus,<lb/> und wie alle die heutigen Richtungen der Malerei ge-<lb/> nannt werden mögen — zu finden.</p><lb/> <p>Der Natur des Gegenſtandes noch viel weniger<lb/> entſprechend, aber von ähnlicher Gediegenheit ſind die<lb/> Architekturſtücke L. <hi rendition="#g">Bazzanis.</hi> (Nr. 18, 22, 23,)<lb/> die, mit photographiſcher Treue, Ueberreſte des antiken<lb/> Rom darſtellen: den „Triumphbogen des Septimus<lb/> Severus“, den „Aufſtieg zum Capitol“ und den „Fuß<lb/> der mit Basreliefs bedeckten“ Trajansſäule.</p><lb/> <p>Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausſtellung)<lb/> unterhält uns A. <hi rendition="#g">Cagnoni</hi>’s (Nr. 8) „Ein unan-<lb/> genehmes Ereigniß“, indem es uns die Beſtürzung einer<lb/> Dame mitfühlen läßt, die ſich, bei einem Atelierbeſuch,<lb/> unvorſichtig auf des Künſtlers Palette geſetzt hat. In<lb/> ein Atelier anderer Art bringt uns S. <hi rendition="#g">Marcheſi</hi><lb/> mit einem Bilde (Nr. 4), welches das goldige Innere<lb/> der Cappella Palatina, in Palermo, uns öffnet, in<lb/> der wir einen Mönch gewahren, der eifrig mit der<lb/> Ausbeſſerung der ſchadhaften Moſaiken beſchäftigt iſt.<lb/> Nr. 27 von G. <hi rendition="#g">Belloni,</hi> Nr. 31 von F. <hi rendition="#g">Petiti,</hi><lb/> ſind ſehr verdienſtvolle Landſchaften, welche einen, bei<lb/> den Söhnen Italiens nicht allzuhäufig vorkommenden,<lb/> feinen Sinn für landwirthſchaftlichen Reiz, für die<lb/> Poeſie des Waldes und ſeine ſtille Einſamkeit bekunden,<lb/> während in (Nr. 10) G. <hi rendition="#g">Ciardi</hi> der ſonnigen und<lb/> cultivirten Ebene getreu bleibt und ihre Anmuth, dem<lb/> Nordländer weniger verſtändlich, zu interpretiren ſucht.<lb/> Nicht das <hi rendition="#g">„Wo?“</hi> iſt übrigens heute in der Landſchaft<lb/> maßgebend, ſondern das <hi rendition="#g">„Wie“</hi> und darin iſt dieſer<lb/> Künſtler einer der beſten Italiens.</p> <byline> <hi rendition="#aq">R.</hi> </byline><lb/> <note> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
1. Jahrg.
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Wien, Dienſtag 8. Mai 1894.
Reichspoſt.
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Nr. 105.
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Für Wien mit Zuſtellung ins Hauſ
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Länder des Weltpoſtvereines
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Telephon 1828.
Die Geheimniſſe eines Baukets.
(Specialbericht der „Reichspoſt“.)
Am Samſtag verſammelten ſich bei reichbeſetzter
Tafel und bei ſchäumendem Champagner die Mitglieder
des fortſchrittlichen Parteiverbandes, um das neu con-
ſtituirte Präſidium zu ehren. Man muß ſich zwar
wundern, daß unter den beſtehenden triſten Verhält-
niſſen in der Gemeindeſtube Veranlaſſung genommen
wurde, ein Banket zu veranſtalten, bei dem kaum eine
Feſtſtimmung vorherrſchen konnte. Schon die Thatſache,
daß von den 76 Mitgliedern des fortſchrittlichen Partei-
verbandes nur 49 Mitglieder ſich an der Tafel be-
theiligten, war geeignet, berechtigtes Befremden hervor-
zurufen. Nicht minder bezeichnend war die weitere
Thatſache, daß die gemeinderäthlichen Arrangenre des
Bankets ein beſonderes Gewicht darauf legten, die
Tafel bei geſchloſſenen Thüren abzu-
halten. Dieſe letztere Thatſache war durch die Beſorg-
niß zu erklären, daß vielleicht manche Tiſchreden in die
Oeffentlichkeit gelangen und vertrauliche Bemerkungen
harmloſen Tafelſcherzes in den liberalen Wählerkreiſen
eine Mißdeutung erfahren könnten. Dennoch iſt es
Ihrem Berichterſtatter gelungen, durch die geſchloſſenen
Thüren zu dringen und die Geheimniſſe des Bankets
abzulauſchen. Hier mein Bericht.
Zwiſchen Suppe und Lachs erhob ſich Bürgermeiſter
Dr. Grübl, um auf den Kaiſer zu toaſtiren. In
der Einleitung dazu ſprach er von der Friedensmiſſion,
die er ſich ſelbſt geſtellt, und von der er ein eclatantes
Beiſpiel dadurch gab, daß er einem Antiſemiten
ein Stadtrathsmandat verleihen wollte. (Frauenberger
ruft dazwiſchen: „Da thun wir nicht mit.“) „Es thut
mir das ſehr leid; denn ſo werden Sie als die Unver-
ſönlichen gelten.“ (Frauenberger: Macht nichts!)
„Ihnen mag’s nichts machen. Aber unſere Partei wird
discreditirt nach oben, nachdem ich mich verbindlich ge-
macht, den Frieden im Gemeinderathe wiederherzuſtellen.“
(Eiſiges Schweigen.) Folgt der Toaſt.
Matzenauer erhebt ſich als zweiter Redner.
(Bravo bei einem Theile der Tafelrunde, Räuspern
und Huſten bei einem andern). Meine Freunde!
(Stimmen aus der Ferne: Oho!) Ich dächte doch,
meine Herren, daß wir hier alle als Freunde ver-
ſammelt ſind, wenn auch einige von uns mit der Wahl
meiner Perſon zum Vicebürgermeiſter nicht einver-
ſtanden waren. In dem Augenblicke, wo es ſich um die
Wiedereroberung Wiens handelt, ſollte doch aller
Zwiſt unter uns ſelbſt ſchweigen. Sie kennen doch meine
perſönliche Beſcheidenheit, die auf tiefſter Bildung
beruht, obſchon damals die achtjährige Schulpflicht
noch nicht beſtand. (Heiterkeit.) Sie brauchen das nicht
als einen Hohn auf das Volksſchulgeſetz aufzufaſſen,
das ich mit begeiſtertem Herzen demnächſt mit Ihnen
im Dreherparke feiern werde, wenn ich auch nicht die
Wohlthaten desſelben zu genießen in der Lage war.
(Bravo!) Meine Freunde, ich werde nichts von unſeren
Parteigrundſätzen aufgeben. Das habe ich bei Ueber-
nahme meines Amtes verſprochen und ich ſchwöre es
Ihnen in dieſem feierlichen Momente noch einmal zu.
(Richter zuckt auffällig zuſammen. Er meldet ſich
zum Wort.) Dieſer mein Schwur ſollte doch genügen,
Sie alle mit mir zu verſöhnen, umſomehr da ich bei
der Wahl von Stadträthen mein Ernennungsrecht dem-
nächſt ebenſo wahren werde, wie bei der Wahl von
Reichsraths- und Landtagsabgeordneten der inneren
Stadt. (Sehr gut! Noske erhebt ſich dankend.)
Richter (in ſichtlicher Erregung). Meine
Herren! Nur ein Wort! Ich bin der Meinung, daß
bei einer Zuſammenkunft von Parteifreunden jede un-
liebſame Anſpielung vermieden werden ſollte,
überlaſſe man das doch der „Reichspoſt“. (Zwiſchenruf:
„Das Blatt nicht nennen)!“
Noske: M. H. Ich komme auf einen höchſt
actuellen Punkt zu ſprechen: die Affaire Roth-
berger! (Ruf im Hintergrunde: „Z’widere G’ſchicht!
Schweigen wir davon!“) Warum ſchweigen, m. H.?
Haben wir etwa Grund, uns der Sache zu ſchämen?
Hat die Gemeinde nicht die Pflicht, aufſtrebende arme
Geſchäftsleute zu unterſtützen? Läßt ſich nicht die
liberale Partei ſtets die Sorge für den kleinen Mann,
auch wenn er in alten Kleidern handelt, angelegen
ſein? Wenn dem ſo iſt, ſo iſt es auch unſer Recht, ja
unſere Pflicht, einem ſolchen armen Mann wie Roth-
berger durch Ueberlaſſung eines billigen Baugrundes,
wie der am Stephansplatze, unter die Arme zu greifen,
zumal wenn es ſich darum handelt, die in den Staats-
grundſätzen verbürgte Gleichberechtigung aller Staats-
bürger ohne Unterſchied der Confeſſion in einem recht
eclatanten Falle zum Ausdruck zu bringen! Die
Chriſten haben vor 500 Jahren die Gründe am
Stephansplatz auch nicht theurer bezahlt! (Bravo!)
Und jetzt ſollen die armen Juden ihr „ſauer erworbenes
Vermögen“ für theuere Gründe ausgeben! Deshalb
hat auch der Richter ſo entſchieden. (Richter: „Woher
wiſſen Sie, daß ich es war? Ich habe doch den
Namen verſchwiegen“. Peinliche Pauſe.)
Damit glaube ich die Affaire Rothberger für uns
als durchaus mit den liberalen Grundſätzen in Ein-
klang ſtehend hinlänglich aufgeklärt zu haben.
Dr. Scholz ſtürzt athemlos herein. Entſchul-
digen Sie, meine Herren, mein Zuſpätkommen; ein
ſchwerer Diphtheritisfall hielt mich zurück; die Zeug-
niſſe habe ich in dieſem Falle aber gleich mitgebracht
(zeigt ſie) und die Kleider ſchon unterwegs gewechſelt.
(Heiterkeit.)
Frauenberger: Ich bringe mein Glas
der glücklich wiedergeleimten Coalition! Mein Hoch
dem abgeklärten Greis! Mein Hoch Plener! (Stür-
miſcher Beifall.) Ich halte mich zu dieſem Toaſte be-
rechtigt, obſchon ich noch nicht Stadtrath bin; denn,
ohne mein bisheriges Wirken rühmen zu wollen, kann
ich kühn behaupten, daß ohne mich und meine Ge-
meinderathsthätigkeit Plener heute noch nicht Miniſter
wäre. Redner kommt nun auf ſeine wirklichen Ver-
dienſte um die Säuberung Wiens zu ſprechen, wird
aber am Weiterreden gehindert, weil das Comite für
das Prix-Denkmal lebhaften Wiederſpruch erhebt.
Es folgten noch mehrere Toaſte, doch bei der zu-
fälligen Erwähnung der künftig zu beſetzenden Stadt-
rathsſtellen entſtand ein ſo heftiger Disput zwiſchen
den zahlreich anweſenden Candidaten, daß ich die
Redner nicht mehr verſtehen und mich ungeſehcn durch
die geſchloſſenen Thüren drücken konnte. Nur unbe-
ſtimmte Töne: „Hoch der Liberalismus!“ „Hoch die
Coalition!“ „Hoch die Judenknechte!“ drangen draußen
noch an mein Ohr.
Wettkriechen.
Aus Baden bei Wien, 4. Mai, wird dem „Wiener
Tagblatt“ geſchrieben:
„In einer am letzten Sonntag hier abgehaltenen Ver-
ſammlung hatte der Wiener Bürgerſchullehrer und Ge-
meinderath Tomola eine Hetzrede gegen die Juden ge-
halten. Der Gemeindeausſchuß von Baden hat in ſeiner
heutigen Sitzung über Antrag des Ausſchuſſes Director
Winkler mit 18 gegen 7 Stimmen folgende Reſolution be-
ſchloſſen: „Der Gemeindeausſchuß Baden ſpricht ſeine Miß-
billigung darüber aus, daß in einer, auf dem Boden dieſer
Stadt abgehaltenen, öffentlichen Wählerverſammlung von
Seite eines Redners gegen die jüdiſchen Bewohner und
Curgäſte eine Beſchimpfung unfläthigſter Art erfolgt iſt, und
verwahrt ſich gegen verhetzende Reden fremder Elemente.“
Die Lorbeeren des Perchtolsdorfer Gemeindeaus-
ſchuſſes ließen alſo die Badener Gemeindepotentaten
nicht ſchlafen und ſo veranſtalteten auch ſie ein anti-anti-
Feuilleton.
Die internationale Kunſtausſtellung
in Wien.
Die Seitenräume des Saales Nr. 1 nimmt die
Malerei Belgiens ein.
Nr. 1. „Vor Anker“ von A. Mayeur iſt eine,
im Ton ſehr feine, flüchtig gemalte Marine. Nr. 5
läßt uns an einer, in guter Freilichtmalerei vor-
geführten „Rückkehr von der Proceſſion“ theilnehmen
und hat F. Van Leemputen zum Autor; die
bunten belgiſchen Volkstypen und der heitere Ton ge-
ſtalten den Vorgang zu einem friſchen, angenehmen
Bilde.
Nr. 27. Ein Portrait Henri Rocheforts von
J. von Beers iſt ein kleines, in einer Ecke ver-
ſtecktes Meiſterwerk und führt uns den ſeinerzeitigen
Redacteur der „Lanterne“ an ſeinem Schreibtiſche
ſitzend vor, wie er das Wort an den Beſchauer zu
richten ſcheint. Der Kopf, ganz im Halbdunkel, könnte
ohne zu verlieren, Hans Holbein an die Seite geſetzt
werden. Desſelben Künſtlers (Nr. 28) „Auf leichter
Welle“ iſt eine kleine Novelle, ſehr gut gezeichnet und
gemalt. Faſt möchte man dem Titel die Worte „Leichte
Waare“ vorſetzen, aber das unſchuldsvolle Geſichtchen
des Mädchens überzeugt uns eines Beſſeren, und
Canotiers genießen eben das Privilegium, trotz ihres
leichten Coſtümes junge Damen herumrudern zu
dürfen. Im Gegenſatze zu dieſer Darſtellung, an der
man ein wenig ſein fin de siecle ſpürt, bringt Belgien
mehrere Bilder, welche ihre Sujets aus der mittel-
alterlichen Vergangenheit holen, ein Genre, welches einſt
eifrig gepflegt, heute von den meiſten Künſtlern ge-
mieden wird. Hierher gehören J. de Vriends’
(Nr. 2) „Kaufherr Wannemaker“, der einem nach
Antwerpen mitgebrachten Negerſclaven die Freiheit
gibt. Van Oudera’s Nr. 19 „Die Gallerien des
Juweelspand“ ein anziehendes ganz vorzügliches Bild,
welches ein fröhliches, ſonnenbeſchienenes Treiben zeigt,
ferner A. de Vriendts Nr. 21 „Carl VI. und Odette“,
das uns den wahnſinnigen König vorführt, wie er an
der Seite Odettes de Champsdivers, die einen be-
ruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben vermochte, mit
ſeinem Narren Karten ſpielt, endlich Th. Liebhaerts
(Nr. 25) „heilige Eliſabeth von Ungarn“ mit ihren
Damen in einer Capelle betend“, beide Bilder von
großer Tüchtigkeit, obwohl bei dem letzteren die
Coſtüme und ſonſtiges Nebenwerk wohl die Hauptrolle
ſpielen. P. Verhaerts (Nr. 16), „Teſtament des
Chriſtoph Columbus“ iſt eines der wenigen Bilder
eigentlich hiſtoriſchen Inhalts, welche ſich in
der Ausſtellung vorfinden und verdient Beachtung.
Badende Mädchen (Nr. 7) unter dem Titel „Cu-
pido auf der Jagd“ von K. Ooms, „Birkenwald im
Herbſt“ (Nr. 10) von T. Verſtraſte mögen noch
genannt werden.
Mit dem Saale Nr. II betreten wir die Aus
ſtellung des jungen Königreichs Italien. Er enthält
eine Menge von mehr oder minder guten Aquarell-
und Paſtellzeichnungen, darunter die hervorſtechenden
„Kugelſpieler“ (Nr. 21) von G. Simoni. »Paradiso
terrestre« von D. Ferri, welche ſehr realiſtiſche
Darſtellung einen Begriff von der italieniſchen Auf-
faſſung irdiſcher Glückſeligkeit gibt; ferner einige gute
Portraits, darunter eine Büſte und endlich einige
Leiſtungen erſten Ranges, von denen eine ganz beſon-
ders unſere Aufmerkſamkeit verdient. Es iſt dies G.
Chiericis (Nr. 30) „Opfer des Weihnachtsfeſtes“.
Wenn wir auch an dem Vorwurfe gerade kein Wohl-
gefallen haben und wenn auch dieſes Bild wie alle
Gemälde des fleißigen Künſtlers einen etwas ſchweren
Ton zeigt, ſo iſt doch die Detailausführung eine an’s
Wunderbare grenzende und Chierici ſteht darin den
holländiſchen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts nicht
nach. Dabei iſt ſeinen Werken eine natürliche und, wie
geſagt, gutmüthige Komik eigen, die, ſelbſt im gegen-
wärtigen Falle, wirklich nichts Verletzendes an ſich
hat. Es dürfte ſchwer ſein, einen ausgeſprocheneren
Antipoden der Freilichtmalerei, des Impreſſionismus,
und wie alle die heutigen Richtungen der Malerei ge-
nannt werden mögen — zu finden.
Der Natur des Gegenſtandes noch viel weniger
entſprechend, aber von ähnlicher Gediegenheit ſind die
Architekturſtücke L. Bazzanis. (Nr. 18, 22, 23,)
die, mit photographiſcher Treue, Ueberreſte des antiken
Rom darſtellen: den „Triumphbogen des Septimus
Severus“, den „Aufſtieg zum Capitol“ und den „Fuß
der mit Basreliefs bedeckten“ Trajansſäule.
Im Saale 3 (dem zweiten der ital. Ausſtellung)
unterhält uns A. Cagnoni’s (Nr. 8) „Ein unan-
genehmes Ereigniß“, indem es uns die Beſtürzung einer
Dame mitfühlen läßt, die ſich, bei einem Atelierbeſuch,
unvorſichtig auf des Künſtlers Palette geſetzt hat. In
ein Atelier anderer Art bringt uns S. Marcheſi
mit einem Bilde (Nr. 4), welches das goldige Innere
der Cappella Palatina, in Palermo, uns öffnet, in
der wir einen Mönch gewahren, der eifrig mit der
Ausbeſſerung der ſchadhaften Moſaiken beſchäftigt iſt.
Nr. 27 von G. Belloni, Nr. 31 von F. Petiti,
ſind ſehr verdienſtvolle Landſchaften, welche einen, bei
den Söhnen Italiens nicht allzuhäufig vorkommenden,
feinen Sinn für landwirthſchaftlichen Reiz, für die
Poeſie des Waldes und ſeine ſtille Einſamkeit bekunden,
während in (Nr. 10) G. Ciardi der ſonnigen und
cultivirten Ebene getreu bleibt und ihre Anmuth, dem
Nordländer weniger verſtändlich, zu interpretiren ſucht.
Nicht das „Wo?“ iſt übrigens heute in der Landſchaft
maßgebend, ſondern das „Wie“ und darin iſt dieſer
Künſtler einer der beſten Italiens.
R.
(Fortſetzung folgt.)
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