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Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904.

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Wien, Dienstag Reichspost 21. Juni 1904 140

[Spaltenumbruch]
Der Krieg in Ostasien
Das Wladiwostok-Geschwader

wurde
vom Admiral Kamimura verfolgt. Es sollte von
Wladiwostok abgeschnitten werden, ja die Berliner
Montagsblätter wollten wissen, daß sie schon ab-
schnitten sei. Allein soeben trifft nachfolgende
Depesche ein:

Admiral Kamimura
ist gestern nach seinem Operationsstützpunkt zurück-
gekehrt, ohne die russischen Schiffe gesehen zu haben.

Das Wladiwostok-Geschwader ist also den
Japanern entwischt und wahrscheinlich schon wieder
in Wladiwostok. In Japan herrscht große Miß-
stimmung gegen Kamimura wegen seiner Miß-
erfolge in der Korea-Straße, wie folgendes Tele-
gramm beweist:

(Reuter-Meldung.) Das Wla-
diwostok-Geschwader verschwand gestern auf der Höhe
von Henaschisak[i] und fuhr nordwärts. Man weiß
nicht, ob ein Teil der Flotte des Admirals Kamimura
auf der Höhe von Wladiwostok auf der Lauer ist.
Admiral Kamimura hatte hinlänglich Zeit, dorthin zu
gelangen, obwohl der herrschende Nebel dieser Aktion
hinderlich war. An dem Tage, an welchem die
Transportschiffe angegriffen wurden, befanden sich
13 japanische Truppentransportschiffe in der Straße
von Korea. Die Tatsache, daß es dem russischen
Geschwader gelang, zu entkommen, hat zu heftigen
Angriffen auf den Admiral Kamimura Veranlassung
gegeben. Man meint sogar, daß der Admiral, wenn
es den Russen gelingen sollte, nach Wladiwostok zu
gelangen, zurücktreten oder Selbstmord begehen
müßte. In der Bevölkerung macht sich eine lebhafte
Bewegung für die Ersetzung des Admirals durch
eine andere Persönlichkeit geltend.

Der russische Bericht über diesen Erfolg des
Wladiwostok-Geschwaders lautet wie folgt:

(Offiziell.) Ein vom
heutigen datiertes Telegramm des Vizeadmirals
Skrydlow an Kaiser Nikolaus besagt: Am 15. d. M.
begegnete unsere Kreuzerdivision in der Koreastraße
dem japanischen Transportdampfer "Isumimaru",
der Truppen an Bord hatte und von Süden her der
bereits sichtbaren japanischen Küste zusteuerte. Nach
Ablauf der der Besatzung für die Herablassung von
Booten und für das Verlassen des Schiffes gestellten
Frist, wovon ein Teil der Besatzung Gebrauch
machte, wurde der Dampfer durch das Feuer unserer
Kanonen in den Grund gebohrt. Bald darauf wurden
von Südosten her zwei andere japanische Transport-
dampfer, die "Hitachimaru" und die "Sadomaru",
entdeckt, an deren Bord sich Truppen, beziehungsweise
Pferde und Materialien für den Eisenbahnbau
befanden. Da sich die beiden Dampfer weigerten, sich
zu ergeben, wurden sie, nachdem die für die Ein-
schiffung der Soldaten in Boote gestellte Frist ab-
gelaufen war, durch Torpedos zum Sinken gebracht.
Die Japaner verloren somit drei Transportdampfer
von zusammen etwa 15.000 Tonnengehalt, einen
Teil der an Bord derselben befindlichen Soldaten
und Bemannung sowie ein bedeutendes Kriegs- und
Bahnbaumaterial.

Am 16. d. M. begegnete die Kreuzerdivision dem
englischen Dampfer "Allante", welcher eine
aus dem Hafen Mororan auf der Insel Hokkaido
stammende Kohlenladung von mehr als 6000 Tonnen
an Bord hatte und sich auf der Fahrt nach dem
Süden befand. Da mit Rücksicht auf die Unklarheit
der Papiere und die unregelmäßige Führung des
Schiffsjournals Zweifel an der Neutralität der Ladung
bestanden, wurde der Dampfer mit einer Eskorte
unter dem Kommando des Leutnants Petrow nach
Wladiwostok gebracht, wo seine Papiere durch das
Prisengericht geprüft werden.

Port Arthur.

Während die russischen Berichte Port Arthur
noch immer als uneinnehmbar bezeichnen, melden
japanische Nachrichten, Port Arthur könne sich
höchstens noch vier Monate halten.

Der Korrespondent der Russischen Tele-
graphenagentur in Liaojang telegraphiert: Unsere
Flotte in Port Arthur ist unversehrt und voll-
ständig wieder hergestellt. Der Geist der Garnison
und der Einwohner ist ein ausgezeichneter. Die
Soldaten harren sehnsüchtig des Kampfes. Man
gibt sich allgemein der vollen Sicherheit hin, daß
keine noch so große Macht im Stande wäre, Port
Arthur zu bezwingen. Die Mehrzahl der Ein-
wohner ist in die Reihen der Freiwilligen einge-
treten. Sechshundert Frauen in Port Arthur teilten
dem Festungskommandanten mit, daß sie bereit
sind, für die Sache des Krieges Dienste zu leisten.
In der Stadt und der Festung herrscht voll-
ständige Ordnung. Handel und Verkehr nehmen
ihren regelmäßigen Fortgang. Port Arthur ist
für sechs Monate vollständig mit Lebensmitteln
versehen, eventuell für ein Jahr, wenn man mit
den Vorräten sparsam umgeht. Trotzdem in den letzten
Tagen die Belagerung eine vollständige war, ge-
[Spaltenumbruch] lang es, eine sehr große Menge Vieh einzuführen.
Der Preis eines Pfund Fleisches beträgt
25 Kopeken, einer Flasche Bier 60 Kopeken und
einer Flasche Champagner 8 Rubel. Die japanischen
Vorposten stehen 24 Werst von Port Arthur
jenseits der Station Intschensa und 3 Werst von den
russischen Vorposten. Hie und da ist es zu Schar-
mützeln gekommen. Russische Offiziere erklären,
den Japanern würde gehörig heimgeleuchtet
werden, wenn sie den Versuch machen sollten,
Port Arthur anzugreifen, das für uneinnehm-
bar gilt.

Eine russische Freiwilligen-Abteilung soll am
12. d. M. die Japaner aus ihren Stellungen
östlich vom Tale des Lunvantian vertrieben haben.
Am 13. d. M. rückten die Japaner in der Stärke
von drei Bataillonen von Saobinmao gegen die
Bucht von Lunvantian vor, wurden jedoch von
zwei Freiwilligen-Abteilungen und einer zur Hilfe-
leistung herbeigeeilten Grenzwache am Marsche
aufgehalten. Der Kreuzer "Nowik", unterstützt
von Torpedobooten, feuerte auf die feindlichen
Torpedoboote und zwang die feindliche Infanterie,
sich nach einigen Schüssen schleunigst zurück-
zuziehen.

Auch nach chinesischen Meldungen wurden alle
japanischen Angriffe auf Port Arthur bisher mit
großen Verlusten zurückgeschlagen. Auch sollen die
russischen Vorposten die Versuche des Feindes,
Port Arthur von der Landseite anzugreifen, ver-
eiteln.

Dem "Daily Mail" zufolge sollen die
russischen Kriegsschiffe von Port Arthur abge-
schnitten sein.

Angehaltenes amerikanisches Schiff.

"Daily Mail" meldet aus
Hakodate: Der Kapitän eines aus Schanghai einge-
troffenen amerikanischen Dampfers gibt an, daß am
18. d. M. russische Kreuzer sein Schiff am westlichen
Eingang der Tsugarustraße angehalten und durchsucht
hätten. Nach zweistündigem Aufenthalte durfte er
weiterfahren.

Besetzung von Hsinkaiting.

Wie die "Daily Mail"
meldet, haben die Japaner am 16. d. M. Hsinkaiting,
23 Meilen westlich von Föngtwantschöng besetzt.

Die Schlacht von Wafangton.

Noch immer neue Berichte über diese wichtige
Schlacht, bei der die Russen unter Stackelberg
eine vielleicht verhängnisvolle Niederlage erlitten
haben, werden veröffentlicht. Einzelne Details
sind noch von Interesse. Recht genau und lebhaft
schildert die Schlacht das Reutersche Bureau wie
folgt:

Dem Reuterschen Bureau
wird gemeldet: General Oku trat seinen Vormarsch
am 13. Juni in drei Kolonnen mit Kavallerie an.
Der Kampf begann am 14. Juni um 3 Uhr nach-
mittags mit einem Artilleriegefecht. Die Russen
hatten 98 Geschütze und erwiderten bis zum Abend
in lebhafter Weise das Feuer. Während der Nacht
bemächtigten sich die Japaner eines Hügels bei
Wengschiatun und eines Hügels westlich von
Tayungkan. Ein Teil der mittleren Kolonne der
Japaner rückte längs des Futschau-Flusses vor und
litt stark unter dem russischen Feuer. Eine Abteilung
Infanterie und Artillerie wurde schleunigst zur Hilfe
gesendet, worauf die vereinigte Streitmacht
die Russen bei Tafantschön vertrieb, trotz
des anhaltenden Geschützfeuers der Russen sich auch
der dortigen Höhen bemächtigte und dadurch den
Sieg entschied. Inzwischen war der rechte japanische
Flügel stark bedrängt. General Oku mußte zweimal
Infanteriereserven eingreifen lassen. Die Russen
machten wiederholt verzweifelte Gegenangriffe, aber
in einem sehr kritischen Moment umging die
japanische Kavallerie die russische Stellung und griff
dieselbe in der linken Flanke an. Die Russen zogen
Verstärkungen heran und leisteten hartnäckigen
Widerstand, bis sie von beiden Seiten eingeschlossen
waren. Als sie den Rückzug antraten, versuchte die
japanische Kavallerie, sie zu verfolgen, mußte aber
infolge der Schwierigkeiten des Terrains davon
abstehen. Dem linken Flügel der Japaner gelang es,
900 Mann russischer Infanterie, welche zurückgingen,
abzufangen. Die Verluste der Japaner betrugen
900 Mann, darunter 8 Offiziere tot und 14 ver-
wundet.

Dasselbe Bureau Reuter meldet aus Liaojang:
Besonders die Wirkung der japanischen Shrapnels
war schrecklich. Die Schlacht wurde von der Artillerie
entschieden. Die moralische Haltung der Russen war
ausgezeichnet. General Kuropatkin hat in einem
Armeebefehl die Truppen aufgefordert, ihr Vertranen
zu bewahren. Die vor Port Arthur befindlichen
Japaner schaffen Belagerungsgeschütze heran. Der
Rückzug der Russen vor der überlegenen Macht der
Gegner bei Wafangtien und der Vormarsch der
Japaner östlich und nordöstlich von der russischen
Stellung berechtigen zu der Annahme, daß ein noch
größeres Gefecht in der südöstlichen Gegend bevorstehe.


[Spaltenumbruch]

Dem Reuterschen Bureau wird endlich aus
Tokio noch gemeldet: Die Russen hatten in diesem
Gefecht die bessere Stellung, durch welche die
numerische Uebermacht der Japaner ausgeglichen
wurde. Die Stellung der Russen zog sich vom Osten
nach Westen quer in dem schmalen Tale hin, durch
das die Eisenbahn und der Futschou-Fluß führt.
Der japanische General Oku drängte die Russen von
den hohen Hügeln, die das Tal links und rechts
flankieren, in das Tal hinein, indem er nacheinander
zuerst den rechten und dann den linken Flügel zum
Rückzuge nötigte. Den ganzen Tag über wurde
hartnäckig gekämpft. Die Russen hielten mit zäher
Energie stand und zogen sich erst zurück, als sie
vollständig eingeschlossen waren. Sie ließen 600 Tote
auf dem Schlachtfelde.

Von der Hauptarmee.

Das Reutersche Bureau meldet aus Liaojang
vom 17. d. M.: In Mukden scheinen mili-
tärische Maßnahmen in großem Maß-
stabe getroffen zu werden.

Die "Sunday Times" meldet aus Tokio: Die
Japaner glauben, daß alle großen Schlachten
vor Jahresschluß geschlagen werden, wenngleich der
Kriegszustand vielleicht weiterdauern werde.

Japan und die Friedensvermittelung.

Der in Paris weilende japanische Staatsmann
Baron Snyematsu soll sich darüber folgendermaßen
geäußert haben: "Japan verlangt trotz seiner Erfolge
kein Jota mehr als vor Ausbruch des Krieges
(Räumung der Mandschurei durch die Russen und
Unabhängigkeit Koreas). Für die Regelung des
russischen Anrechtes auf die Mandschurische Eisenbahn
würde sich schon eine Formel finden lassen. Japan
sagt nicht wie Rußland: Vermittlern ist der Zutritt
verboten! Wir halten es mit der Wahrung unserer
nationalen Würde durchaus für unvereinbar, die
Stimme eines beiden Staaten unverdächtigen loyalen
Vermittlers zu vernehmen Müßte dieser Krieg aber
noch jahrelang fortgesetzt werden -- wir sind darauf
vorbereitet!"




Neuestes vom Kriegsschauplatz
Die russischen Toten.

(Reuter-Meldung.) General
Oku berichtet, daß er die am 15. d. auf dem
Schlachtfelde bei Telussu gefallenen Russen be-
erdigen ließ. Außerdem sollen die Russen selbst,
wie Eingeborene melden, viele Tote beerdigt,
verbrannt oder weggebracht haben.




Zur Geschichte des österreichisch-
deutschen Bündnisses.

Die "Grenzboten" sind in der Lage, sehr in-
teressante Aufschlüsse über die Gesinnungen des ersten
Königs von Preußen, den die verdienstlos glückliche
Konstellation und die Staatskunst seines Ministers
Bismarck zum deutschen Kaiser gemacht hatte, gegen
Oesterreich und seine Abneigung gegen ein Bündnis
mit unserer Monarchie zu geben. Die Mitteilungen
sind den Erinnerungen des einstigen preußischen
Kultusministers Bosse entnommen, der in sein
Tagebuch unterm 30. September 1879 eintrug:

Graf Stolberg (Bismarks Stellvertreter) reist
morgen nach Baden-Baden zum Kaiser. Er teilte mir
mit, daß zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler
eine fundamentale Differenz über die in der aus-
wärtigen Politik einzuschlagenden Wege obwaltet.
Bismarck ist soeben in Wien gewesen und hat dort
ohne Zweifel mit Oesterreich einen förmlichen Allianz-
vertrag geschlossen, dessen Spitze unter Umständen
gegen Rußland gerichtet ist. Graf Stolberg nannte mir
den Punkt der Differenz nicht, aber es liegt nahe, daß der
Kaiser das Vorgehen gegen Rußland nicht billigt.
Ist er doch zur Zusammenkunft mit Kaiser Alerander
nach Alexandrowo gegangen. Die Differenz ist so
scharf, daß Bismarck erklärt hat, er könne die Ge-
schäfte nicht weiter führen, wenn der Ka[i]ser ihm
nicht zustimme, da sonst die gesamte Richtung
unserer auswärtigen Politik zum Nachteil des
Landes verschoben werde. Graf Stolberg sagt
mir, er stimme dem Kanzler vollständig zu und
werde eventuell mit ihm abgehen und dann,
wie er glaube, das ganze Ministerium. Der
Kaiser hat erklärt, er könne nicht nachgeben,
aber er wolle, um dem Fürsten Bismarck im
Amte zu erhalten, abdizieren. Auch das hält Bis-
marck für unzulässig, da auch dadurch unsere ganze
politische Stellung nach außen (wohl durch die per-
sönlichen Beziehungen oder Anschauungen des Kron-
prinzen) verschoben werde. Welche Krisis! Niemand
ahnt bis jetzt etwas davon. Graf Stolberg, der
schon vor vierzehn Tagen den Kaiser in einem
anderen Punkte zum Nachgeben gegen Bismarck be-
stimmt hat, soll nun in Baden-Baden versuchen, den
Kaiser umzustimmen."

Am 11. Oktober findet sich dann in lapidarer
Kürze, ohne Kommentar, der Eintrag: "Der Bundes-
vertrag mit Oesterreich ist unterschrieben. Die Presse
weiß noch nichts davon." -- Sie wurde aber bald
durch eine Rede des Kultusministers v. Puttkamer
in Essen aufgeklärt, der einen informierten
Artikel der "Kölnischen Zeitung" förmlich für

Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 140

[Spaltenumbruch]
Der Krieg in Ostasien
Das Wladiwoſtok-Geſchwader

wurde
vom Admiral Kamimura verfolgt. Es ſollte von
Wladiwoſtok abgeſchnitten werden, ja die Berliner
Montagsblätter wollten wiſſen, daß ſie ſchon ab-
ſchnitten ſei. Allein ſoeben trifft nachfolgende
Depeſche ein:

Admiral Kamimura
iſt geſtern nach ſeinem Operationsſtützpunkt zurück-
gekehrt, ohne die ruſſiſchen Schiffe geſehen zu haben.

Das Wladiwoſtok-Geſchwader iſt alſo den
Japanern entwiſcht und wahrſcheinlich ſchon wieder
in Wladiwoſtok. In Japan herrſcht große Miß-
ſtimmung gegen Kamimura wegen ſeiner Miß-
erfolge in der Korea-Straße, wie folgendes Tele-
gramm beweiſt:

(Reuter-Meldung.) Das Wla-
diwoſtok-Geſchwader verſchwand geſtern auf der Höhe
von Henaſchiſak[i] und fuhr nordwärts. Man weiß
nicht, ob ein Teil der Flotte des Admirals Kamimura
auf der Höhe von Wladiwoſtok auf der Lauer iſt.
Admiral Kamimura hatte hinlänglich Zeit, dorthin zu
gelangen, obwohl der herrſchende Nebel dieſer Aktion
hinderlich war. An dem Tage, an welchem die
Transportſchiffe angegriffen wurden, befanden ſich
13 japaniſche Truppentransportſchiffe in der Straße
von Korea. Die Tatſache, daß es dem ruſſiſchen
Geſchwader gelang, zu entkommen, hat zu heftigen
Angriffen auf den Admiral Kamimura Veranlaſſung
gegeben. Man meint ſogar, daß der Admiral, wenn
es den Ruſſen gelingen ſollte, nach Wladiwoſtok zu
gelangen, zurücktreten oder Selbſtmord begehen
müßte. In der Bevölkerung macht ſich eine lebhafte
Bewegung für die Erſetzung des Admirals durch
eine andere Perſönlichkeit geltend.

Der ruſſiſche Bericht über dieſen Erfolg des
Wladiwoſtok-Geſchwaders lautet wie folgt:

(Offiziell.) Ein vom
heutigen datiertes Telegramm des Vizeadmirals
Skrydlow an Kaiſer Nikolaus beſagt: Am 15. d. M.
begegnete unſere Kreuzerdiviſion in der Koreaſtraße
dem japaniſchen Transportdampfer „Iſumimaru“,
der Truppen an Bord hatte und von Süden her der
bereits ſichtbaren japaniſchen Küſte zuſteuerte. Nach
Ablauf der der Beſatzung für die Herablaſſung von
Booten und für das Verlaſſen des Schiffes geſtellten
Friſt, wovon ein Teil der Beſatzung Gebrauch
machte, wurde der Dampfer durch das Feuer unſerer
Kanonen in den Grund gebohrt. Bald darauf wurden
von Südoſten her zwei andere japaniſche Transport-
dampfer, die „Hitachimaru“ und die „Sadomaru“,
entdeckt, an deren Bord ſich Truppen, beziehungsweiſe
Pferde und Materialien für den Eiſenbahnbau
befanden. Da ſich die beiden Dampfer weigerten, ſich
zu ergeben, wurden ſie, nachdem die für die Ein-
ſchiffung der Soldaten in Boote geſtellte Friſt ab-
gelaufen war, durch Torpedos zum Sinken gebracht.
Die Japaner verloren ſomit drei Transportdampfer
von zuſammen etwa 15.000 Tonnengehalt, einen
Teil der an Bord derſelben befindlichen Soldaten
und Bemannung ſowie ein bedeutendes Kriegs- und
Bahnbaumaterial.

Am 16. d. M. begegnete die Kreuzerdiviſion dem
engliſchen Dampfer „Allante“, welcher eine
aus dem Hafen Mororan auf der Inſel Hokkaido
ſtammende Kohlenladung von mehr als 6000 Tonnen
an Bord hatte und ſich auf der Fahrt nach dem
Süden befand. Da mit Rückſicht auf die Unklarheit
der Papiere und die unregelmäßige Führung des
Schiffsjournals Zweifel an der Neutralität der Ladung
beſtanden, wurde der Dampfer mit einer Eskorte
unter dem Kommando des Leutnants Petrow nach
Wladiwoſtok gebracht, wo ſeine Papiere durch das
Priſengericht geprüft werden.

Port Arthur.

Während die ruſſiſchen Berichte Port Arthur
noch immer als uneinnehmbar bezeichnen, melden
japaniſche Nachrichten, Port Arthur könne ſich
höchſtens noch vier Monate halten.

Der Korreſpondent der Ruſſiſchen Tele-
graphenagentur in Liaojang telegraphiert: Unſere
Flotte in Port Arthur iſt unverſehrt und voll-
ſtändig wieder hergeſtellt. Der Geiſt der Garniſon
und der Einwohner iſt ein ausgezeichneter. Die
Soldaten harren ſehnſüchtig des Kampfes. Man
gibt ſich allgemein der vollen Sicherheit hin, daß
keine noch ſo große Macht im Stande wäre, Port
Arthur zu bezwingen. Die Mehrzahl der Ein-
wohner iſt in die Reihen der Freiwilligen einge-
treten. Sechshundert Frauen in Port Arthur teilten
dem Feſtungskommandanten mit, daß ſie bereit
ſind, für die Sache des Krieges Dienſte zu leiſten.
In der Stadt und der Feſtung herrſcht voll-
ſtändige Ordnung. Handel und Verkehr nehmen
ihren regelmäßigen Fortgang. Port Arthur iſt
für ſechs Monate vollſtändig mit Lebensmitteln
verſehen, eventuell für ein Jahr, wenn man mit
den Vorräten ſparſam umgeht. Trotzdem in den letzten
Tagen die Belagerung eine vollſtändige war, ge-
[Spaltenumbruch] lang es, eine ſehr große Menge Vieh einzuführen.
Der Preis eines Pfund Fleiſches beträgt
25 Kopeken, einer Flaſche Bier 60 Kopeken und
einer Flaſche Champagner 8 Rubel. Die japaniſchen
Vorpoſten ſtehen 24 Werſt von Port Arthur
jenſeits der Station Intſchenſa und 3 Werſt von den
ruſſiſchen Vorpoſten. Hie und da iſt es zu Schar-
mützeln gekommen. Ruſſiſche Offiziere erklären,
den Japanern würde gehörig heimgeleuchtet
werden, wenn ſie den Verſuch machen ſollten,
Port Arthur anzugreifen, das für uneinnehm-
bar gilt.

Eine ruſſiſche Freiwilligen-Abteilung ſoll am
12. d. M. die Japaner aus ihren Stellungen
öſtlich vom Tale des Lunvantian vertrieben haben.
Am 13. d. M. rückten die Japaner in der Stärke
von drei Bataillonen von Saobinmao gegen die
Bucht von Lunvantian vor, wurden jedoch von
zwei Freiwilligen-Abteilungen und einer zur Hilfe-
leiſtung herbeigeeilten Grenzwache am Marſche
aufgehalten. Der Kreuzer „Nowik“, unterſtützt
von Torpedobooten, feuerte auf die feindlichen
Torpedoboote und zwang die feindliche Infanterie,
ſich nach einigen Schüſſen ſchleunigſt zurück-
zuziehen.

Auch nach chineſiſchen Meldungen wurden alle
japaniſchen Angriffe auf Port Arthur bisher mit
großen Verluſten zurückgeſchlagen. Auch ſollen die
ruſſiſchen Vorpoſten die Verſuche des Feindes,
Port Arthur von der Landſeite anzugreifen, ver-
eiteln.

Dem „Daily Mail“ zufolge ſollen die
ruſſiſchen Kriegsſchiffe von Port Arthur abge-
ſchnitten ſein.

Angehaltenes amerikaniſches Schiff.

„Daily Mail“ meldet aus
Hakodate: Der Kapitän eines aus Schanghai einge-
troffenen amerikaniſchen Dampfers gibt an, daß am
18. d. M. ruſſiſche Kreuzer ſein Schiff am weſtlichen
Eingang der Tſugaruſtraße angehalten und durchſucht
hätten. Nach zweiſtündigem Aufenthalte durfte er
weiterfahren.

Beſetzung von Hſinkaiting.

Wie die „Daily Mail“
meldet, haben die Japaner am 16. d. M. Hſinkaiting,
23 Meilen weſtlich von Föngtwantſchöng beſetzt.

Die Schlacht von Wafangton.

Noch immer neue Berichte über dieſe wichtige
Schlacht, bei der die Ruſſen unter Stackelberg
eine vielleicht verhängnisvolle Niederlage erlitten
haben, werden veröffentlicht. Einzelne Details
ſind noch von Intereſſè. Recht genau und lebhaft
ſchildert die Schlacht das Reuterſche Bureau wie
folgt:

Dem Reuterſchen Bureau
wird gemeldet: General Oku trat ſeinen Vormarſch
am 13. Juni in drei Kolonnen mit Kavallerie an.
Der Kampf begann am 14. Juni um 3 Uhr nach-
mittags mit einem Artilleriegefecht. Die Ruſſen
hatten 98 Geſchütze und erwiderten bis zum Abend
in lebhafter Weiſe das Feuer. Während der Nacht
bemächtigten ſich die Japaner eines Hügels bei
Wengſchiatun und eines Hügels weſtlich von
Tayungkan. Ein Teil der mittleren Kolonne der
Japaner rückte längs des Futſchau-Fluſſes vor und
litt ſtark unter dem ruſſiſchen Feuer. Eine Abteilung
Infanterie und Artillerie wurde ſchleunigſt zur Hilfe
geſendet, worauf die vereinigte Streitmacht
die Ruſſen bei Tafantſchön vertrieb, trotz
des anhaltenden Geſchützfeuers der Ruſſen ſich auch
der dortigen Höhen bemächtigte und dadurch den
Sieg entſchied. Inzwiſchen war der rechte japaniſche
Flügel ſtark bedrängt. General Oku mußte zweimal
Infanteriereſerven eingreifen laſſen. Die Ruſſen
machten wiederholt verzweifelte Gegenangriffe, aber
in einem ſehr kritiſchen Moment umging die
japaniſche Kavallerie die ruſſiſche Stellung und griff
dieſelbe in der linken Flanke an. Die Ruſſen zogen
Verſtärkungen heran und leiſteten hartnäckigen
Widerſtand, bis ſie von beiden Seiten eingeſchloſſen
waren. Als ſie den Rückzug antraten, verſuchte die
japaniſche Kavallerie, ſie zu verfolgen, mußte aber
infolge der Schwierigkeiten des Terrains davon
abſtehen. Dem linken Flügel der Japaner gelang es,
900 Mann ruſſiſcher Infanterie, welche zurückgingen,
abzufangen. Die Verluſte der Japaner betrugen
900 Mann, darunter 8 Offiziere tot und 14 ver-
wundet.

Dasſelbe Bureau Reuter meldet aus Liaojang:
Beſonders die Wirkung der japaniſchen Shrapnels
war ſchrecklich. Die Schlacht wurde von der Artillerie
entſchieden. Die moraliſche Haltung der Ruſſen war
ausgezeichnet. General Kuropatkin hat in einem
Armeebefehl die Truppen aufgefordert, ihr Vertranen
zu bewahren. Die vor Port Arthur befindlichen
Japaner ſchaffen Belagerungsgeſchütze heran. Der
Rückzug der Ruſſen vor der überlegenen Macht der
Gegner bei Wafangtien und der Vormarſch der
Japaner öſtlich und nordöſtlich von der ruſſiſchen
Stellung berechtigen zu der Annahme, daß ein noch
größeres Gefecht in der ſüdöſtlichen Gegend bevorſtehe.


[Spaltenumbruch]

Dem Reuterſchen Bureau wird endlich aus
Tokio noch gemeldet: Die Ruſſen hatten in dieſem
Gefecht die beſſere Stellung, durch welche die
numeriſche Uebermacht der Japaner ausgeglichen
wurde. Die Stellung der Ruſſen zog ſich vom Oſten
nach Weſten quer in dem ſchmalen Tale hin, durch
das die Eiſenbahn und der Futſchou-Fluß führt.
Der japaniſche General Oku drängte die Ruſſen von
den hohen Hügeln, die das Tal links und rechts
flankieren, in das Tal hinein, indem er nacheinander
zuerſt den rechten und dann den linken Flügel zum
Rückzuge nötigte. Den ganzen Tag über wurde
hartnäckig gekämpft. Die Ruſſen hielten mit zäher
Energie ſtand und zogen ſich erſt zurück, als ſie
vollſtändig eingeſchloſſen waren. Sie ließen 600 Tote
auf dem Schlachtfelde.

Von der Hauptarmee.

Das Reuterſche Bureau meldet aus Liaojang
vom 17. d. M.: In Mukden ſcheinen mili-
täriſche Maßnahmen in großem Maß-
ſtabe getroffen zu werden.

Die „Sunday Times“ meldet aus Tokio: Die
Japaner glauben, daß alle großen Schlachten
vor Jahresſchluß geſchlagen werden, wenngleich der
Kriegszuſtand vielleicht weiterdauern werde.

Japan und die Friedensvermittelung.

Der in Paris weilende japaniſche Staatsmann
Baron Snyematſu ſoll ſich darüber folgendermaßen
geäußert haben: „Japan verlangt trotz ſeiner Erfolge
kein Jota mehr als vor Ausbruch des Krieges
(Räumung der Mandſchurei durch die Ruſſen und
Unabhängigkeit Koreas). Für die Regelung des
ruſſiſchen Anrechtes auf die Mandſchuriſche Eiſenbahn
würde ſich ſchon eine Formel finden laſſen. Japan
ſagt nicht wie Rußland: Vermittlern iſt der Zutritt
verboten! Wir halten es mit der Wahrung unſerer
nationalen Würde durchaus für unvereinbar, die
Stimme eines beiden Staaten unverdächtigen loyalen
Vermittlers zu vernehmen Müßte dieſer Krieg aber
noch jahrelang fortgeſetzt werden — wir ſind darauf
vorbereitet!“




Neueſtes vom Kriegsſchauplatz
Die ruſſiſchen Toten.

(Reuter-Meldung.) General
Oku berichtet, daß er die am 15. d. auf dem
Schlachtfelde bei Teluſſu gefallenen Ruſſen be-
erdigen ließ. Außerdem ſollen die Ruſſen ſelbſt,
wie Eingeborene melden, viele Tote beerdigt,
verbrannt oder weggebracht haben.




Zur Geſchichte des öſterreichiſch-
deutſchen Bündniſſes.

Die „Grenzboten“ ſind in der Lage, ſehr in-
tereſſante Aufſchlüſſe über die Geſinnungen des erſten
Königs von Preußen, den die verdienſtlos glückliche
Konſtellation und die Staatskunſt ſeines Miniſters
Bismarck zum deutſchen Kaiſer gemacht hatte, gegen
Oeſterreich und ſeine Abneigung gegen ein Bündnis
mit unſerer Monarchie zu geben. Die Mitteilungen
ſind den Erinnerungen des einſtigen preußiſchen
Kultusminiſters Boſſe entnommen, der in ſein
Tagebuch unterm 30. September 1879 eintrug:

Graf Stolberg (Bismarks Stellvertreter) reiſt
morgen nach Baden-Baden zum Kaiſer. Er teilte mir
mit, daß zwiſchen dem Kaiſer und dem Reichskanzler
eine fundamentale Differenz über die in der aus-
wärtigen Politik einzuſchlagenden Wege obwaltet.
Bismarck iſt ſoeben in Wien geweſen und hat dort
ohne Zweifel mit Oeſterreich einen förmlichen Allianz-
vertrag geſchloſſen, deſſen Spitze unter Umſtänden
gegen Rußland gerichtet iſt. Graf Stolberg nannte mir
den Punkt der Differenz nicht, aber es liegt nahe, daß der
Kaiſer das Vorgehen gegen Rußland nicht billigt.
Iſt er doch zur Zuſammenkunft mit Kaiſer Alerander
nach Alexandrowo gegangen. Die Differenz iſt ſo
ſcharf, daß Bismarck erklärt hat, er könne die Ge-
ſchäfte nicht weiter führen, wenn der Ka[i]ſer ihm
nicht zuſtimme, da ſonſt die geſamte Richtung
unſerer auswärtigen Politik zum Nachteil des
Landes verſchoben werde. Graf Stolberg ſagt
mir, er ſtimme dem Kanzler vollſtändig zu und
werde eventuell mit ihm abgehen und dann,
wie er glaube, das ganze Miniſterium. Der
Kaiſer hat erklärt, er könne nicht nachgeben,
aber er wolle, um dem Fürſten Bismarck im
Amte zu erhalten, abdizieren. Auch das hält Bis-
marck für unzuläſſig, da auch dadurch unſere ganze
politiſche Stellung nach außen (wohl durch die per-
ſönlichen Beziehungen oder Anſchauungen des Kron-
prinzen) verſchoben werde. Welche Kriſis! Niemand
ahnt bis jetzt etwas davon. Graf Stolberg, der
ſchon vor vierzehn Tagen den Kaiſer in einem
anderen Punkte zum Nachgeben gegen Bismarck be-
ſtimmt hat, ſoll nun in Baden-Baden verſuchen, den
Kaiſer umzuſtimmen.“

Am 11. Oktober findet ſich dann in lapidarer
Kürze, ohne Kommentar, der Eintrag: „Der Bundes-
vertrag mit Oeſterreich iſt unterſchrieben. Die Preſſe
weiß noch nichts davon.“ — Sie wurde aber bald
durch eine Rede des Kultusminiſters v. Puttkamer
in Eſſen aufgeklärt, der einen informierten
Artikel der „Kölniſchen Zeitung“ förmlich für

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[6/0006] Wien, Dienstag Reichspoſt 21. Juni 1904 140 Der Krieg in Ostasien Das Wladiwoſtok-Geſchwader wurde vom Admiral Kamimura verfolgt. Es ſollte von Wladiwoſtok abgeſchnitten werden, ja die Berliner Montagsblätter wollten wiſſen, daß ſie ſchon ab- ſchnitten ſei. Allein ſoeben trifft nachfolgende Depeſche ein: Tokio, 20. Juni, mittags. Admiral Kamimura iſt geſtern nach ſeinem Operationsſtützpunkt zurück- gekehrt, ohne die ruſſiſchen Schiffe geſehen zu haben. Das Wladiwoſtok-Geſchwader iſt alſo den Japanern entwiſcht und wahrſcheinlich ſchon wieder in Wladiwoſtok. In Japan herrſcht große Miß- ſtimmung gegen Kamimura wegen ſeiner Miß- erfolge in der Korea-Straße, wie folgendes Tele- gramm beweiſt: Tokio, 20. Juni. (Reuter-Meldung.) Das Wla- diwoſtok-Geſchwader verſchwand geſtern auf der Höhe von Henaſchiſaki und fuhr nordwärts. Man weiß nicht, ob ein Teil der Flotte des Admirals Kamimura auf der Höhe von Wladiwoſtok auf der Lauer iſt. Admiral Kamimura hatte hinlänglich Zeit, dorthin zu gelangen, obwohl der herrſchende Nebel dieſer Aktion hinderlich war. An dem Tage, an welchem die Transportſchiffe angegriffen wurden, befanden ſich 13 japaniſche Truppentransportſchiffe in der Straße von Korea. Die Tatſache, daß es dem ruſſiſchen Geſchwader gelang, zu entkommen, hat zu heftigen Angriffen auf den Admiral Kamimura Veranlaſſung gegeben. Man meint ſogar, daß der Admiral, wenn es den Ruſſen gelingen ſollte, nach Wladiwoſtok zu gelangen, zurücktreten oder Selbſtmord begehen müßte. In der Bevölkerung macht ſich eine lebhafte Bewegung für die Erſetzung des Admirals durch eine andere Perſönlichkeit geltend. Der ruſſiſche Bericht über dieſen Erfolg des Wladiwoſtok-Geſchwaders lautet wie folgt: Petersburg, 19. Juni. (Offiziell.) Ein vom heutigen datiertes Telegramm des Vizeadmirals Skrydlow an Kaiſer Nikolaus beſagt: Am 15. d. M. begegnete unſere Kreuzerdiviſion in der Koreaſtraße dem japaniſchen Transportdampfer „Iſumimaru“, der Truppen an Bord hatte und von Süden her der bereits ſichtbaren japaniſchen Küſte zuſteuerte. Nach Ablauf der der Beſatzung für die Herablaſſung von Booten und für das Verlaſſen des Schiffes geſtellten Friſt, wovon ein Teil der Beſatzung Gebrauch machte, wurde der Dampfer durch das Feuer unſerer Kanonen in den Grund gebohrt. Bald darauf wurden von Südoſten her zwei andere japaniſche Transport- dampfer, die „Hitachimaru“ und die „Sadomaru“, entdeckt, an deren Bord ſich Truppen, beziehungsweiſe Pferde und Materialien für den Eiſenbahnbau befanden. Da ſich die beiden Dampfer weigerten, ſich zu ergeben, wurden ſie, nachdem die für die Ein- ſchiffung der Soldaten in Boote geſtellte Friſt ab- gelaufen war, durch Torpedos zum Sinken gebracht. Die Japaner verloren ſomit drei Transportdampfer von zuſammen etwa 15.000 Tonnengehalt, einen Teil der an Bord derſelben befindlichen Soldaten und Bemannung ſowie ein bedeutendes Kriegs- und Bahnbaumaterial. Am 16. d. M. begegnete die Kreuzerdiviſion dem engliſchen Dampfer „Allante“, welcher eine aus dem Hafen Mororan auf der Inſel Hokkaido ſtammende Kohlenladung von mehr als 6000 Tonnen an Bord hatte und ſich auf der Fahrt nach dem Süden befand. Da mit Rückſicht auf die Unklarheit der Papiere und die unregelmäßige Führung des Schiffsjournals Zweifel an der Neutralität der Ladung beſtanden, wurde der Dampfer mit einer Eskorte unter dem Kommando des Leutnants Petrow nach Wladiwoſtok gebracht, wo ſeine Papiere durch das Priſengericht geprüft werden. Port Arthur. Während die ruſſiſchen Berichte Port Arthur noch immer als uneinnehmbar bezeichnen, melden japaniſche Nachrichten, Port Arthur könne ſich höchſtens noch vier Monate halten. Der Korreſpondent der Ruſſiſchen Tele- graphenagentur in Liaojang telegraphiert: Unſere Flotte in Port Arthur iſt unverſehrt und voll- ſtändig wieder hergeſtellt. Der Geiſt der Garniſon und der Einwohner iſt ein ausgezeichneter. Die Soldaten harren ſehnſüchtig des Kampfes. Man gibt ſich allgemein der vollen Sicherheit hin, daß keine noch ſo große Macht im Stande wäre, Port Arthur zu bezwingen. Die Mehrzahl der Ein- wohner iſt in die Reihen der Freiwilligen einge- treten. Sechshundert Frauen in Port Arthur teilten dem Feſtungskommandanten mit, daß ſie bereit ſind, für die Sache des Krieges Dienſte zu leiſten. In der Stadt und der Feſtung herrſcht voll- ſtändige Ordnung. Handel und Verkehr nehmen ihren regelmäßigen Fortgang. Port Arthur iſt für ſechs Monate vollſtändig mit Lebensmitteln verſehen, eventuell für ein Jahr, wenn man mit den Vorräten ſparſam umgeht. Trotzdem in den letzten Tagen die Belagerung eine vollſtändige war, ge- lang es, eine ſehr große Menge Vieh einzuführen. Der Preis eines Pfund Fleiſches beträgt 25 Kopeken, einer Flaſche Bier 60 Kopeken und einer Flaſche Champagner 8 Rubel. Die japaniſchen Vorpoſten ſtehen 24 Werſt von Port Arthur jenſeits der Station Intſchenſa und 3 Werſt von den ruſſiſchen Vorpoſten. Hie und da iſt es zu Schar- mützeln gekommen. Ruſſiſche Offiziere erklären, den Japanern würde gehörig heimgeleuchtet werden, wenn ſie den Verſuch machen ſollten, Port Arthur anzugreifen, das für uneinnehm- bar gilt. Eine ruſſiſche Freiwilligen-Abteilung ſoll am 12. d. M. die Japaner aus ihren Stellungen öſtlich vom Tale des Lunvantian vertrieben haben. Am 13. d. M. rückten die Japaner in der Stärke von drei Bataillonen von Saobinmao gegen die Bucht von Lunvantian vor, wurden jedoch von zwei Freiwilligen-Abteilungen und einer zur Hilfe- leiſtung herbeigeeilten Grenzwache am Marſche aufgehalten. Der Kreuzer „Nowik“, unterſtützt von Torpedobooten, feuerte auf die feindlichen Torpedoboote und zwang die feindliche Infanterie, ſich nach einigen Schüſſen ſchleunigſt zurück- zuziehen. Auch nach chineſiſchen Meldungen wurden alle japaniſchen Angriffe auf Port Arthur bisher mit großen Verluſten zurückgeſchlagen. Auch ſollen die ruſſiſchen Vorpoſten die Verſuche des Feindes, Port Arthur von der Landſeite anzugreifen, ver- eiteln. Dem „Daily Mail“ zufolge ſollen die ruſſiſchen Kriegsſchiffe von Port Arthur abge- ſchnitten ſein. Angehaltenes amerikaniſches Schiff. London, 20. Juni. „Daily Mail“ meldet aus Hakodate: Der Kapitän eines aus Schanghai einge- troffenen amerikaniſchen Dampfers gibt an, daß am 18. d. M. ruſſiſche Kreuzer ſein Schiff am weſtlichen Eingang der Tſugaruſtraße angehalten und durchſucht hätten. Nach zweiſtündigem Aufenthalte durfte er weiterfahren. Beſetzung von Hſinkaiting. London, 20. Juni. Wie die „Daily Mail“ meldet, haben die Japaner am 16. d. M. Hſinkaiting, 23 Meilen weſtlich von Föngtwantſchöng beſetzt. Die Schlacht von Wafangton. Noch immer neue Berichte über dieſe wichtige Schlacht, bei der die Ruſſen unter Stackelberg eine vielleicht verhängnisvolle Niederlage erlitten haben, werden veröffentlicht. Einzelne Details ſind noch von Intereſſè. Recht genau und lebhaft ſchildert die Schlacht das Reuterſche Bureau wie folgt: London, 20. Juni. Dem Reuterſchen Bureau wird gemeldet: General Oku trat ſeinen Vormarſch am 13. Juni in drei Kolonnen mit Kavallerie an. Der Kampf begann am 14. Juni um 3 Uhr nach- mittags mit einem Artilleriegefecht. Die Ruſſen hatten 98 Geſchütze und erwiderten bis zum Abend in lebhafter Weiſe das Feuer. Während der Nacht bemächtigten ſich die Japaner eines Hügels bei Wengſchiatun und eines Hügels weſtlich von Tayungkan. Ein Teil der mittleren Kolonne der Japaner rückte längs des Futſchau-Fluſſes vor und litt ſtark unter dem ruſſiſchen Feuer. Eine Abteilung Infanterie und Artillerie wurde ſchleunigſt zur Hilfe geſendet, worauf die vereinigte Streitmacht die Ruſſen bei Tafantſchön vertrieb, trotz des anhaltenden Geſchützfeuers der Ruſſen ſich auch der dortigen Höhen bemächtigte und dadurch den Sieg entſchied. Inzwiſchen war der rechte japaniſche Flügel ſtark bedrängt. General Oku mußte zweimal Infanteriereſerven eingreifen laſſen. Die Ruſſen machten wiederholt verzweifelte Gegenangriffe, aber in einem ſehr kritiſchen Moment umging die japaniſche Kavallerie die ruſſiſche Stellung und griff dieſelbe in der linken Flanke an. Die Ruſſen zogen Verſtärkungen heran und leiſteten hartnäckigen Widerſtand, bis ſie von beiden Seiten eingeſchloſſen waren. Als ſie den Rückzug antraten, verſuchte die japaniſche Kavallerie, ſie zu verfolgen, mußte aber infolge der Schwierigkeiten des Terrains davon abſtehen. Dem linken Flügel der Japaner gelang es, 900 Mann ruſſiſcher Infanterie, welche zurückgingen, abzufangen. Die Verluſte der Japaner betrugen 900 Mann, darunter 8 Offiziere tot und 14 ver- wundet. Dasſelbe Bureau Reuter meldet aus Liaojang: Beſonders die Wirkung der japaniſchen Shrapnels war ſchrecklich. Die Schlacht wurde von der Artillerie entſchieden. Die moraliſche Haltung der Ruſſen war ausgezeichnet. General Kuropatkin hat in einem Armeebefehl die Truppen aufgefordert, ihr Vertranen zu bewahren. Die vor Port Arthur befindlichen Japaner ſchaffen Belagerungsgeſchütze heran. Der Rückzug der Ruſſen vor der überlegenen Macht der Gegner bei Wafangtien und der Vormarſch der Japaner öſtlich und nordöſtlich von der ruſſiſchen Stellung berechtigen zu der Annahme, daß ein noch größeres Gefecht in der ſüdöſtlichen Gegend bevorſtehe. Dem Reuterſchen Bureau wird endlich aus Tokio noch gemeldet: Die Ruſſen hatten in dieſem Gefecht die beſſere Stellung, durch welche die numeriſche Uebermacht der Japaner ausgeglichen wurde. Die Stellung der Ruſſen zog ſich vom Oſten nach Weſten quer in dem ſchmalen Tale hin, durch das die Eiſenbahn und der Futſchou-Fluß führt. Der japaniſche General Oku drängte die Ruſſen von den hohen Hügeln, die das Tal links und rechts flankieren, in das Tal hinein, indem er nacheinander zuerſt den rechten und dann den linken Flügel zum Rückzuge nötigte. Den ganzen Tag über wurde hartnäckig gekämpft. Die Ruſſen hielten mit zäher Energie ſtand und zogen ſich erſt zurück, als ſie vollſtändig eingeſchloſſen waren. Sie ließen 600 Tote auf dem Schlachtfelde. Von der Hauptarmee. Das Reuterſche Bureau meldet aus Liaojang vom 17. d. M.: In Mukden ſcheinen mili- täriſche Maßnahmen in großem Maß- ſtabe getroffen zu werden. Die „Sunday Times“ meldet aus Tokio: Die Japaner glauben, daß alle großen Schlachten vor Jahresſchluß geſchlagen werden, wenngleich der Kriegszuſtand vielleicht weiterdauern werde. Japan und die Friedensvermittelung. Der in Paris weilende japaniſche Staatsmann Baron Snyematſu ſoll ſich darüber folgendermaßen geäußert haben: „Japan verlangt trotz ſeiner Erfolge kein Jota mehr als vor Ausbruch des Krieges (Räumung der Mandſchurei durch die Ruſſen und Unabhängigkeit Koreas). Für die Regelung des ruſſiſchen Anrechtes auf die Mandſchuriſche Eiſenbahn würde ſich ſchon eine Formel finden laſſen. Japan ſagt nicht wie Rußland: Vermittlern iſt der Zutritt verboten! Wir halten es mit der Wahrung unſerer nationalen Würde durchaus für unvereinbar, die Stimme eines beiden Staaten unverdächtigen loyalen Vermittlers zu vernehmen Müßte dieſer Krieg aber noch jahrelang fortgeſetzt werden — wir ſind darauf vorbereitet!“ Neueſtes vom Kriegsſchauplatz Die ruſſiſchen Toten. Tokio, 20. Juni. (Reuter-Meldung.) General Oku berichtet, daß er die am 15. d. auf dem Schlachtfelde bei Teluſſu gefallenen Ruſſen be- erdigen ließ. Außerdem ſollen die Ruſſen ſelbſt, wie Eingeborene melden, viele Tote beerdigt, verbrannt oder weggebracht haben. Zur Geſchichte des öſterreichiſch- deutſchen Bündniſſes. Die „Grenzboten“ ſind in der Lage, ſehr in- tereſſante Aufſchlüſſe über die Geſinnungen des erſten Königs von Preußen, den die verdienſtlos glückliche Konſtellation und die Staatskunſt ſeines Miniſters Bismarck zum deutſchen Kaiſer gemacht hatte, gegen Oeſterreich und ſeine Abneigung gegen ein Bündnis mit unſerer Monarchie zu geben. Die Mitteilungen ſind den Erinnerungen des einſtigen preußiſchen Kultusminiſters Boſſe entnommen, der in ſein Tagebuch unterm 30. September 1879 eintrug: Graf Stolberg (Bismarks Stellvertreter) reiſt morgen nach Baden-Baden zum Kaiſer. Er teilte mir mit, daß zwiſchen dem Kaiſer und dem Reichskanzler eine fundamentale Differenz über die in der aus- wärtigen Politik einzuſchlagenden Wege obwaltet. Bismarck iſt ſoeben in Wien geweſen und hat dort ohne Zweifel mit Oeſterreich einen förmlichen Allianz- vertrag geſchloſſen, deſſen Spitze unter Umſtänden gegen Rußland gerichtet iſt. Graf Stolberg nannte mir den Punkt der Differenz nicht, aber es liegt nahe, daß der Kaiſer das Vorgehen gegen Rußland nicht billigt. Iſt er doch zur Zuſammenkunft mit Kaiſer Alerander nach Alexandrowo gegangen. Die Differenz iſt ſo ſcharf, daß Bismarck erklärt hat, er könne die Ge- ſchäfte nicht weiter führen, wenn der Kaiſer ihm nicht zuſtimme, da ſonſt die geſamte Richtung unſerer auswärtigen Politik zum Nachteil des Landes verſchoben werde. Graf Stolberg ſagt mir, er ſtimme dem Kanzler vollſtändig zu und werde eventuell mit ihm abgehen und dann, wie er glaube, das ganze Miniſterium. Der Kaiſer hat erklärt, er könne nicht nachgeben, aber er wolle, um dem Fürſten Bismarck im Amte zu erhalten, abdizieren. Auch das hält Bis- marck für unzuläſſig, da auch dadurch unſere ganze politiſche Stellung nach außen (wohl durch die per- ſönlichen Beziehungen oder Anſchauungen des Kron- prinzen) verſchoben werde. Welche Kriſis! Niemand ahnt bis jetzt etwas davon. Graf Stolberg, der ſchon vor vierzehn Tagen den Kaiſer in einem anderen Punkte zum Nachgeben gegen Bismarck be- ſtimmt hat, ſoll nun in Baden-Baden verſuchen, den Kaiſer umzuſtimmen.“ Am 11. Oktober findet ſich dann in lapidarer Kürze, ohne Kommentar, der Eintrag: „Der Bundes- vertrag mit Oeſterreich iſt unterſchrieben. Die Preſſe weiß noch nichts davon.“ — Sie wurde aber bald durch eine Rede des Kultusminiſters v. Puttkamer in Eſſen aufgeklärt, der einen informierten Artikel der „Kölniſchen Zeitung“ förmlich für

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 140, Wien, 21.06.1904, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost140_1904/6>, abgerufen am 21.11.2024.