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Reichspost. Nr. 179, Wien, 08.08.1905.

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179 Wien, Dienstag Reichspost 8. August 1905

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Eine reichsdeutsche Ehestatistik.

Wir haben kürzlich die Ziffern der Ehe-
schließungen in Wien mitgeteilt, die sich seit
Jahren ziemlich gleichmäßig auf derselben Höhe
halten. In Deutschland ist das Zählungsergebnis
nicht so günstig. Danach ermäßigte sich, während
auf je 1000 Einwohner in den Jahren 1899 und
1900 durchschnittlich 8·5 Eheschließungen entfielen,
dieser Satz in den beiden folgenden Jahren auf
8·2 und 7·92. Im Jahre 1903 war die Zahl
7·91 vom Tausend. Man ist mancherorts geneigt,
für diesen Rückgang der Eheschließungen die
Frauen-Emanzipation verantwortlich zu machen.
Professor Gotthold Schellenberg richtet in Bezug
auf die Emanzipation beherzigenswerte Worte in
der "Straßburger Post" an eine Mutter. Scharf
beleuchtet er den Kampf, den die Frauenrechtle-
rinnen führen, um die Frau in allen Berufen
dem Manne gleichzusetzen. Professor Schellen-
berg ist wohl durchaus kein unbedingter
Gegner des Frauenstudiums, aber er
möchte es nur als Ausnahme gelten lassen. Die
Frau soll gewiß als ein geistig ebenbürtiges
Wesen an der Seite des Mannes stehen; aber so
lange der physiologische Unterschied bestehe, sei
eine praktische Gleichstellung eine Utopie. Die
Frau soll nicht studieren, sondern heiraten. --
Man soll die Frau nicht studieren lassen, damit
sie eventuell einem ebenfalls studierten Manne
gefalle. Denn der würde sie doch nicht ihrer Ge-
lehrsamkeit wegen nehmen, sondern wegen ihrer
sonstigen Eigenschaften. Ganz unrichtig sei die
Auffassung, daß das Studium für die Frau
später einmal als Mutter von Gymnasiasten von
besonderem Vorteil sein könne. "Wer seine
Kinder ohne Latein nicht erziehen kann, der
bringt es auch nicht mit Latein fertig. Wenn
sich einzelne geistig und körperlich günstig
veranlagte Mädchen dem Studium widmen wollen,
so ist nichts dagegen einzuwenden, im allgemeinen
rate ich ab." Und so sollen denn die Töchter in
erster Linie für die Ehe erzogen werden.
Das soll aber nicht heißen, daß sie nun die Zeit
bis zu ihrer Verheiratung mit unnützen Dingen
toischlagen sollen. Gewiß mag sie sich einem
Beruf ergeben, aber nur einen, der ihrer Neigung
entspricht, und der auch der speziell weiblichen
Veranlagung näher kommt. Da ist das
Lehrerinnenseminar, da sind -- wenn Talent vor-
handen ist -- die schönen Künste; und in reiferem
Alter ist auch die Erlernung der Krankenpflege
ratsam. Vor allem aber das Studium des
Haushalts. Man denke nur ja nicht
gering von der Arbeit des Hauses, als
sei sie einer Frau von Geist unwürdig.
[Spaltenumbruch] Auch ein großer Teil des Dienstbotenjammers
habe seinen Grund darin, daß die Frau vielfach
vom Mädchen Dinge verlangt, die sie nicht ver-
steht. Scharf geht Schellenberg gegen die Mütter
vor, die ihre Töchter um jeden Preis an den
Mann bringen wollen: "Zum Heiraten kommt
man am besten durch Vorbereitung zum Nicht-
heiraten. Ihre Tochter soll heiraten, aber nicht
heiraten müssen." Und darum sei es notwendig,
die Erziehung so zu gestalten, daß das Mädchen
einmal auf eigenen Füßen stehen kann. Doch nicht
nur die Töchter sollen für die Ehe erzogen werden,
auch die Söhne. "Am besten erreichen wir das,
indem wir ihnen das Beispiel einer guten
Ehe
vorleben."




Sich auf den Mund geschlagen.

Durch verschiedene deutschvolkliche Blätter
geht jetzt eine tiefweise Betrachtung der Vorgänge
in Traisen. Es heißt da mit Hinweis darauf,
daß Kroaten und Slovaken derzeit den Bestand
der Arbeiter in jener Fabriken ausmachen: "Der
Slave tritt sofort an die Stelle des deutschen
Arbeiters und ringt ihn nieder. Wenn den
türkischen Zuständen im Streikgebiet nicht ein
rasches Ende gemacht wird, so werden sich in
dieser urdeutschen Gegend sehr bald slavische An-
siedler bemerkbar machen, die nie mehr fortzu-
bringen sind. In der Weise wurden in den letzten
Jahrzehnten Tausende von deutschen Orten von
Slaven übervölkert und blühende deutsche Indu-
striebezirke, in denen Eintracht und bürgerlicher
Wohlstand herrschte, in von erbitterten nationalen
Kämpfen umstrittene Gebiete umgewandelt."

Sehr richtig, diese Wahrheit ist unumstößlich.
Merkwürdig ist nur, daß derjenige, der nach
Traisen die slavischen Arbeiter gerufen hat, Herr
Fabrikant Lenz, der Führer der deutschvolklichen
Abfallsbewegung im Traisentale war. Die Anklage
der deutschnationalen Presse ist also gegen einen
ihrer intimen Gesinnungsgenossen gerichtet.




Zur Fleischtenerung.
Die Aktion der Kommune.

Die Bevölkerung von Wien hat nach der Er-
höhung der Fleischpreise eine Aktion der Kommune
erwartet und sie ist nicht enttäuscht worden. Der
unserem Bürgermeister eigenen Raschheit und
kräftigen Initiative ist es zu danken, daß bereits
ein energischer Schritt gegen die Verteuerer unter-
nommen wird. Vorläufig wenigstens ist ihnen ein
"Bisherund nicht weiter" zugerufen. Allerdings konnte
eine momentane Herabsetzung der Fleischpreise
durch die Kommune nicht durchgeführt werden,
allein es läßt sich die Hoffnung aussprechen, daß
eine Herabsetzung erfolgen und eine abermalige
[Spaltenumbruch] Preissteigerung -- wie sie von den Fleischhauern
bereits angedroht worden ist -- unmöglich ge-
macht wird.

Die kommunale Aktion besteht laut Stadt-
ratsbeschluß in der Errichtung von Detail-
ver kaufsständen
der Großschlächterei-Aktien-
gesellschaft; ferner wird mit jenen Fleischhauern,
die auf Gemeindegründen ihre Stände be-
treiben, verhandelt werden und schließlich ein
Verzeichnis jener Fleischhauer angelegt werden,
die in ungerechtfertigter Weise die Preise hinauf-
geschraubt haben. Die Beschlüsse lauten:

1. Die Großschlächterei-Aktiengesellschaft wird
aufgefordert, mit der Errichtung von Detail-
fleischverkaufsständen
in den einzelnen
Bezirken, in erster Linie im 10., 16. und 20. Be-
zirke, ehestens vorzugehen und wird die Gemeinde
die erforderlichen Plätze gegen den üblichen Pacht-
zins zur Verfügung stellen.

2. Der Magistrat wird beauftragt, mit jenen
Fleischhauern und Fleischverschleißern, welche ihre
Stände auf Gemeindegründen betreiben,
zu verhandeln, damit keine ungerechtfertigten
Preiserhöhungen von denselben vorgenom-
men werden, und über das Ergebnis an den
Magistrat zu berichten.

3. Der Magistrat wird beauftragt, nach den
einzelnen Bezirken namentliche Verzeich-
nisse
der Fleischhauer und Fleischverschleißer
anzulegen und bei jedem anzugeben, ob eine
ungerechtfertigte Preiserhöhung des Fleisches in
seinem Verkaufsstande vorgenommen wurde oder
ob die Preise konstant geblieben sind.

Im großen und ganzen war der Haupt-
grund, der diese Beschlüsse schuf, die Erkenntnis
des Mangels der Berechtigung der Fleisch-
hauer, neuerlich, nach den Steigerungen im April,
Mai und Juni, die Preise zu erhöhen. Im April
und Mai wer der Preis für das Kilogramm
Rindfleisch um fünf Heller an einzelnen Ständen
erhöht worden. Im Juni waren 196 Verkaufs-
stellen diesem Beispiele gefolgt und hatten wohl
als "Entschädigung" dafür, daß sie nicht schon
im April ihren Kunden höhere Preise vorge-
schrieben hatten, die Preise um acht bis zehn Heller
erhöht. Und nun im Angust ließen weitere 226
Fleischhauer, beziehungsweise Fleischverschleißer
eine Preiserhöhung eintreten, die sich mit 20, 30,
sogar 40 Heller per Kilogramm beziffert. Diese
Steigerung ist nun nach Angaben der Vertreter
der Aktien-Großschlächterei nicht gerechtfertigt,
denn sie wäre zu vermeiden gewesen,
wenn die Fleischhauer ihren Bedarf
bei der Großschlächterei decken
wollten.
Aber das wollen sie nicht und sie haben sich auf
diese Weise eine Rechnung zusammengestellt, die
von der Bevölkerung bezahlt werden soll. Das




[Spaltenumbruch]
Kleines Feuilleton.



Eine Hüttenwirtin.

Am 4. d. ist die
Wirtin der "Göstingerhütte" bei Graz hochbetagt
gestorben. Von ihr erzählt ein Tourist in der
"G. Tp." einige nicht üble Anekdoten: Zur Zeit,
als das Stubenberghaus auf dem Schöckel noch
nicht eröffnet war, pflegten manche Touristen
eine sogenannte "Krainerwurst", mitzunehmen, um
sie sich in der "Göstingerhütte", die sehr be-
scheidene Unterkunft bot, wärmen zu lassen. Einst
saßen einige Gäste in der niedrigen Stube, denen
sich bald ein weiterer zugesellte. Der zuletzt Ge-
kommene entnahm seinem Rucksack eine geselchte
Wurst und bat die alte Frau, sie ihm heiß zu
machen. "Gebn S' nur her, i hab eh grad a
Teewasser aufgestellt!" So bekamen die einen ihren
"geselchten" Tee, in dem die Fettaugen herum-
schwammen, der andere eine "Teewurst". Es soll
ihnen aber nicht geschadet haben. -- Einst erklomm
ein Berliner die Alm. Er hätte gern etwas zu
essen bestellt, wußte aber als Fremder nicht recht,
was er begehren sollte. Da sah er, wie sich ein
anderer Bergsteiger Schwarzbrot mit Butter
schmecken ließ. "Sie jute Frau, jeben Se mir och
mal so' ne Butterstulle!" sprach er die Alte an.
Die Göstingermutter rührte sich nicht. "Nanu,
haben Se nich jehört? Ick möchte och mal sone
Butterstulle haben!" Die Angeredete blickte den
Berliner groß an, schüttelte den Kopf und strickte
weiter. "Jetzt möchte ick doch wissen, ob ick sone
Butterstulle kriejen kann oder nich!" Nun kam
Leben in die Alte. "Sö, wann S' auf die Olm
gengan, müaßn S' deutsch reden. Ihna Kaudawelsch
vasteh i net!"

* Der Kongreß der Zauberer.

Aus
London wird uns berichtet: Man liest bisweilen
[Spaltenumbruch] in Märchen, daß die Zauberer sich an irgend
einem unterirdischen Ort oder auf der Höhe eines
nie betretenen Berges versammeln, um über die
Geschicke der armen Menschenkinder Gericht zu
halten. Diese Phantasie der Märchen wird jetzt in
London zur Wahrheit. Zauberer kommen von
Westen, von Süden, aus allen Teilen der Welt
und schließen sich zu einer Gesellschaft zusammen,
die der Nachwelt unter dem Namen "Der Magier-
kreis von Großbritannien" bekannt sein wird.
Freilich sind diese Zauberer nur "Professoren der
Geheimkünste", Taschenspieler und Jongleure, die,
wie es in ihrem Programme heißt, "eine Ver-
einigung der Magier aus allen Ländern erstreben,
um ihre Kunst zu vervollkommen und sie auf die
Höhe einer der ernsten Wissenschaft zu heben". Die
Gesellschaft wird ihre wöchentlichen Zusammen-
künfte haben, in der die Zauberer, fern von
profanen Augen, ihre neuen Tricks bereden, ihre
Geschicklichkeit gegenseitig bewundern und ihre gemein-
samen Interessen vertreten. Dieser Tage fand die
Hauptversammlung statt. Ein großer Saal war
angefüllt mit den berühmtesten Beschwörern,
Magiern und Illusionskünstlern, die man heut-
zutage bewundert, mit Leuten, die Papierblumen
aus dem Nichts hervorblühen lassen, Goldstücke
und Meerschweinchen aus der Luft herunterholen,
eine Dame verschwinden lassen und durch einen
Schuß mit der Pistole die Besucher der Galerie
in schauernde Ehrfurcht versetzen. Trotzdem verlief
der Kongreß in völlig ruhiger und sachgemäßer
Weise, von keinem außergewöhnlichen und zauber-
haften Ereignis unterbrochen. Weder Meer-
schweinchen noch Goldstücke fielen herunter. Der
Vorsitzende äußerte sich dahin, daß der Haupt-
zweck der Versammlung sei, den häufig auftreten-
den Versuchen entgegenzusteuern, die das Publikum
mit den Methoden der Zauberkunst bekannt zu
machen suchen. Es wurde folgende Resolution an-
[Spaltenumbruch] genommen: "Jedes Mitglied des ,Magierkreises',
das einen Zaubertrick dem Publikum in irgend
einer Weise enthüllt, soll ausgestoßen werden".

Aus dem russischen Hofleben.

Frau
M. Eagar, welche sechs Jahre die Stelle einer
Gouvernante am gegenwärtigen russischen Hofe
einnahm, erzählt in der englischen Monatsschrift
"The leisure hour" ("Müßige Stunden) eine
Reihe außerordentlich interessanter Erinnerungen.
Einen großen Teil der Erinnerungen nimmt
ganz selbstverständlich das Leben der kaiserlichen
Kinder und deren Spielgenossen ein. Aber auch
an anderen Episoden aus dem russischen Hof-
leben ist die Veröffentlichung der Frau Eagar
reich genug. So erzählt die Dame beispiels-
weise folgendes von einer großen Hoffestlichkeit:
"Die Saison des Jahres 1903 war außerordent-
lich glänzend. Ihr größtes Ereignis war
der berühmte Kostümball, welcher zuerst
in dem alten Teil des Winterpalastes
gegeben, und dann auf Wunsch verschiedener Ge-
sandtschaften im neuen Teil des Palastes wieder-
holt wurde. Alle Anwesenden trugen Kostüme wie
sie zur Zeit des Kaisers Alexis, des Vaters
Peters des Großen getragen wurden. Die Kaiserin
hatte sich wie Alexis erste Frau gekleidet und
ihre Hofdamen hatten ihre Trachten auf Grund
alter Gemälde und Kostüme anfertigen lassen, die
zu jener Zeit am Hofe getragen wurden. Das
Kleid der Kaiserin war geradezu wundervoll. Es
war mit Gold und echten Perlen garniert, die
ganze Vorderseite war mit kostbaren Steinen
geschmückt und zwei starke Perlenschnüre hingen
von jeder Seite herab. Kleid und Juwelen hatten
zusammen einen Wert von über eine Million
Rubel.

Die Theaternamen.

Eine sehr berechtigte
Kritik knüpft die "Nordd. Allgem. Ztg." an die
Vorliebe mancher Bühnenkünstlexinnen für merk-


179 Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905

[Spaltenumbruch]
Streiflichter.
Eine reichsdeutſche Eheſtatiſtik.

Wir haben kürzlich die Ziffern der Ehe-
ſchließungen in Wien mitgeteilt, die ſich ſeit
Jahren ziemlich gleichmäßig auf derſelben Höhe
halten. In Deutſchland iſt das Zählungsergebnis
nicht ſo günſtig. Danach ermäßigte ſich, während
auf je 1000 Einwohner in den Jahren 1899 und
1900 durchſchnittlich 8·5 Eheſchließungen entfielen,
dieſer Satz in den beiden folgenden Jahren auf
8·2 und 7·92. Im Jahre 1903 war die Zahl
7·91 vom Tauſend. Man iſt mancherorts geneigt,
für dieſen Rückgang der Eheſchließungen die
Frauen-Emanzipation verantwortlich zu machen.
Profeſſor Gotthold Schellenberg richtet in Bezug
auf die Emanzipation beherzigenswerte Worte in
der „Straßburger Poſt“ an eine Mutter. Scharf
beleuchtet er den Kampf, den die Frauenrechtle-
rinnen führen, um die Frau in allen Berufen
dem Manne gleichzuſetzen. Profeſſor Schellen-
berg iſt wohl durchaus kein unbedingter
Gegner des Frauenſtudiums, aber er
möchte es nur als Ausnahme gelten laſſen. Die
Frau ſoll gewiß als ein geiſtig ebenbürtiges
Weſen an der Seite des Mannes ſtehen; aber ſo
lange der phyſiologiſche Unterſchied beſtehe, ſei
eine praktiſche Gleichſtellung eine Utopie. Die
Frau ſoll nicht ſtudieren, ſondern heiraten. —
Man ſoll die Frau nicht ſtudieren laſſen, damit
ſie eventuell einem ebenfalls ſtudierten Manne
gefalle. Denn der würde ſie doch nicht ihrer Ge-
lehrſamkeit wegen nehmen, ſondern wegen ihrer
ſonſtigen Eigenſchaften. Ganz unrichtig ſei die
Auffaſſung, daß das Studium für die Frau
ſpäter einmal als Mutter von Gymnaſiaſten von
beſonderem Vorteil ſein könne. „Wer ſeine
Kinder ohne Latein nicht erziehen kann, der
bringt es auch nicht mit Latein fertig. Wenn
ſich einzelne geiſtig und körperlich günſtig
veranlagte Mädchen dem Studium widmen wollen,
ſo iſt nichts dagegen einzuwenden, im allgemeinen
rate ich ab.“ Und ſo ſollen denn die Töchter in
erſter Linie für die Ehe erzogen werden.
Das ſoll aber nicht heißen, daß ſie nun die Zeit
bis zu ihrer Verheiratung mit unnützen Dingen
toiſchlagen ſollen. Gewiß mag ſie ſich einem
Beruf ergeben, aber nur einen, der ihrer Neigung
entſpricht, und der auch der ſpeziell weiblichen
Veranlagung näher kommt. Da iſt das
Lehrerinnenſeminar, da ſind — wenn Talent vor-
handen iſt — die ſchönen Künſte; und in reiferem
Alter iſt auch die Erlernung der Krankenpflege
ratſam. Vor allem aber das Studium des
Haushalts. Man denke nur ja nicht
gering von der Arbeit des Hauſes, als
ſei ſie einer Frau von Geiſt unwürdig.
[Spaltenumbruch] Auch ein großer Teil des Dienſtbotenjammers
habe ſeinen Grund darin, daß die Frau vielfach
vom Mädchen Dinge verlangt, die ſie nicht ver-
ſteht. Scharf geht Schellenberg gegen die Mütter
vor, die ihre Töchter um jeden Preis an den
Mann bringen wollen: „Zum Heiraten kommt
man am beſten durch Vorbereitung zum Nicht-
heiraten. Ihre Tochter ſoll heiraten, aber nicht
heiraten müſſen.“ Und darum ſei es notwendig,
die Erziehung ſo zu geſtalten, daß das Mädchen
einmal auf eigenen Füßen ſtehen kann. Doch nicht
nur die Töchter ſollen für die Ehe erzogen werden,
auch die Söhne. „Am beſten erreichen wir das,
indem wir ihnen das Beiſpiel einer guten
Ehe
vorleben.“




Sich auf den Mund geſchlagen.

Durch verſchiedene deutſchvolkliche Blätter
geht jetzt eine tiefweiſe Betrachtung der Vorgänge
in Traiſen. Es heißt da mit Hinweis darauf,
daß Kroaten und Slovaken derzeit den Beſtand
der Arbeiter in jener Fabriken ausmachen: „Der
Slave tritt ſofort an die Stelle des deutſchen
Arbeiters und ringt ihn nieder. Wenn den
türkiſchen Zuſtänden im Streikgebiet nicht ein
raſches Ende gemacht wird, ſo werden ſich in
dieſer urdeutſchen Gegend ſehr bald ſlaviſche An-
ſiedler bemerkbar machen, die nie mehr fortzu-
bringen ſind. In der Weiſe wurden in den letzten
Jahrzehnten Tauſende von deutſchen Orten von
Slaven übervölkert und blühende deutſche Indu-
ſtriebezirke, in denen Eintracht und bürgerlicher
Wohlſtand herrſchte, in von erbitterten nationalen
Kämpfen umſtrittene Gebiete umgewandelt.“

Sehr richtig, dieſe Wahrheit iſt unumſtößlich.
Merkwürdig iſt nur, daß derjenige, der nach
Traiſen die ſlaviſchen Arbeiter gerufen hat, Herr
Fabrikant Lenz, der Führer der deutſchvolklichen
Abfallsbewegung im Traiſentale war. Die Anklage
der deutſchnationalen Preſſe iſt alſo gegen einen
ihrer intimen Geſinnungsgenoſſen gerichtet.




Zur Fleiſchtenerung.
Die Aktion der Kommune.

Die Bevölkerung von Wien hat nach der Er-
höhung der Fleiſchpreiſe eine Aktion der Kommune
erwartet und ſie iſt nicht enttäuſcht worden. Der
unſerem Bürgermeiſter eigenen Raſchheit und
kräftigen Initiative iſt es zu danken, daß bereits
ein energiſcher Schritt gegen die Verteuerer unter-
nommen wird. Vorläufig wenigſtens iſt ihnen ein
„Bisherund nicht weiter“ zugerufen. Allerdings konnte
eine momentane Herabſetzung der Fleiſchpreiſe
durch die Kommune nicht durchgeführt werden,
allein es läßt ſich die Hoffnung ausſprechen, daß
eine Herabſetzung erfolgen und eine abermalige
[Spaltenumbruch] Preisſteigerung — wie ſie von den Fleiſchhauern
bereits angedroht worden iſt — unmöglich ge-
macht wird.

Die kommunale Aktion beſteht laut Stadt-
ratsbeſchluß in der Errichtung von Detail-
ver kaufsſtänden
der Großſchlächterei-Aktien-
geſellſchaft; ferner wird mit jenen Fleiſchhauern,
die auf Gemeindegründen ihre Stände be-
treiben, verhandelt werden und ſchließlich ein
Verzeichnis jener Fleiſchhauer angelegt werden,
die in ungerechtfertigter Weiſe die Preiſe hinauf-
geſchraubt haben. Die Beſchlüſſe lauten:

1. Die Großſchlächterei-Aktiengeſellſchaft wird
aufgefordert, mit der Errichtung von Detail-
fleiſchverkaufsſtänden
in den einzelnen
Bezirken, in erſter Linie im 10., 16. und 20. Be-
zirke, eheſtens vorzugehen und wird die Gemeinde
die erforderlichen Plätze gegen den üblichen Pacht-
zins zur Verfügung ſtellen.

2. Der Magiſtrat wird beauftragt, mit jenen
Fleiſchhauern und Fleiſchverſchleißern, welche ihre
Stände auf Gemeindegründen betreiben,
zu verhandeln, damit keine ungerechtfertigten
Preiserhöhungen von denſelben vorgenom-
men werden, und über das Ergebnis an den
Magiſtrat zu berichten.

3. Der Magiſtrat wird beauftragt, nach den
einzelnen Bezirken namentliche Verzeich-
niſſe
der Fleiſchhauer und Fleiſchverſchleißer
anzulegen und bei jedem anzugeben, ob eine
ungerechtfertigte Preiserhöhung des Fleiſches in
ſeinem Verkaufsſtande vorgenommen wurde oder
ob die Preiſe konſtant geblieben ſind.

Im großen und ganzen war der Haupt-
grund, der dieſe Beſchlüſſe ſchuf, die Erkenntnis
des Mangels der Berechtigung der Fleiſch-
hauer, neuerlich, nach den Steigerungen im April,
Mai und Juni, die Preiſe zu erhöhen. Im April
und Mai wer der Preis für das Kilogramm
Rindfleiſch um fünf Heller an einzelnen Ständen
erhöht worden. Im Juni waren 196 Verkaufs-
ſtellen dieſem Beiſpiele gefolgt und hatten wohl
als „Entſchädigung“ dafür, daß ſie nicht ſchon
im April ihren Kunden höhere Preiſe vorge-
ſchrieben hatten, die Preiſe um acht bis zehn Heller
erhöht. Und nun im Anguſt ließen weitere 226
Fleiſchhauer, beziehungsweiſe Fleiſchverſchleißer
eine Preiserhöhung eintreten, die ſich mit 20, 30,
ſogar 40 Heller per Kilogramm beziffert. Dieſe
Steigerung iſt nun nach Angaben der Vertreter
der Aktien-Großſchlächterei nicht gerechtfertigt,
denn ſie wäre zu vermeiden geweſen,
wenn die Fleiſchhauer ihren Bedarf
bei der Großſchlächterei decken
wollten.
Aber das wollen ſie nicht und ſie haben ſich auf
dieſe Weiſe eine Rechnung zuſammengeſtellt, die
von der Bevölkerung bezahlt werden ſoll. Das




[Spaltenumbruch]
Kleines Feuilleton.



Eine Hüttenwirtin.

Am 4. d. iſt die
Wirtin der „Göſtingerhütte“ bei Graz hochbetagt
geſtorben. Von ihr erzählt ein Touriſt in der
„G. Tp.“ einige nicht üble Anekdoten: Zur Zeit,
als das Stubenberghaus auf dem Schöckel noch
nicht eröffnet war, pflegten manche Touriſten
eine ſogenannte „Krainerwurſt“, mitzunehmen, um
ſie ſich in der „Göſtingerhütte“, die ſehr be-
ſcheidene Unterkunft bot, wärmen zu laſſen. Einſt
ſaßen einige Gäſte in der niedrigen Stube, denen
ſich bald ein weiterer zugeſellte. Der zuletzt Ge-
kommene entnahm ſeinem Ruckſack eine geſelchte
Wurſt und bat die alte Frau, ſie ihm heiß zu
machen. „Gebn S’ nur her, i hab eh grad a
Teewaſſer aufgeſtellt!“ So bekamen die einen ihren
„geſelchten“ Tee, in dem die Fettaugen herum-
ſchwammen, der andere eine „Teewurſt“. Es ſoll
ihnen aber nicht geſchadet haben. — Einſt erklomm
ein Berliner die Alm. Er hätte gern etwas zu
eſſen beſtellt, wußte aber als Fremder nicht recht,
was er begehren ſollte. Da ſah er, wie ſich ein
anderer Bergſteiger Schwarzbrot mit Butter
ſchmecken ließ. „Sie jute Frau, jeben Se mir och
mal ſo’ ne Butterſtulle!“ ſprach er die Alte an.
Die Göſtingermutter rührte ſich nicht. „Nanu,
haben Se nich jehört? Ick möchte och mal ſone
Butterſtulle haben!“ Die Angeredete blickte den
Berliner groß an, ſchüttelte den Kopf und ſtrickte
weiter. „Jetzt möchte ick doch wiſſen, ob ick ſone
Butterſtulle kriejen kann oder nich!“ Nun kam
Leben in die Alte. „Sö, wann S’ auf die Olm
gengan, müaßn S’ deutſch reden. Ihna Kaudawelſch
vaſteh i net!“

* Der Kongreß der Zauberer.

Aus
London wird uns berichtet: Man lieſt bisweilen
[Spaltenumbruch] in Märchen, daß die Zauberer ſich an irgend
einem unterirdiſchen Ort oder auf der Höhe eines
nie betretenen Berges verſammeln, um über die
Geſchicke der armen Menſchenkinder Gericht zu
halten. Dieſe Phantaſie der Märchen wird jetzt in
London zur Wahrheit. Zauberer kommen von
Weſten, von Süden, aus allen Teilen der Welt
und ſchließen ſich zu einer Geſellſchaft zuſammen,
die der Nachwelt unter dem Namen „Der Magier-
kreis von Großbritannien“ bekannt ſein wird.
Freilich ſind dieſe Zauberer nur „Profeſſoren der
Geheimkünſte“, Taſchenſpieler und Jongleure, die,
wie es in ihrem Programme heißt, „eine Ver-
einigung der Magier aus allen Ländern erſtreben,
um ihre Kunſt zu vervollkommen und ſie auf die
Höhe einer der ernſten Wiſſenſchaft zu heben“. Die
Geſellſchaft wird ihre wöchentlichen Zuſammen-
künfte haben, in der die Zauberer, fern von
profanen Augen, ihre neuen Tricks bereden, ihre
Geſchicklichkeit gegenſeitig bewundern und ihre gemein-
ſamen Intereſſen vertreten. Dieſer Tage fand die
Hauptverſammlung ſtatt. Ein großer Saal war
angefüllt mit den berühmteſten Beſchwörern,
Magiern und Illuſionskünſtlern, die man heut-
zutage bewundert, mit Leuten, die Papierblumen
aus dem Nichts hervorblühen laſſen, Goldſtücke
und Meerſchweinchen aus der Luft herunterholen,
eine Dame verſchwinden laſſen und durch einen
Schuß mit der Piſtole die Beſucher der Galerie
in ſchauernde Ehrfurcht verſetzen. Trotzdem verlief
der Kongreß in völlig ruhiger und ſachgemäßer
Weiſe, von keinem außergewöhnlichen und zauber-
haften Ereignis unterbrochen. Weder Meer-
ſchweinchen noch Goldſtücke fielen herunter. Der
Vorſitzende äußerte ſich dahin, daß der Haupt-
zweck der Verſammlung ſei, den häufig auftreten-
den Verſuchen entgegenzuſteuern, die das Publikum
mit den Methoden der Zauberkunſt bekannt zu
machen ſuchen. Es wurde folgende Reſolution an-
[Spaltenumbruch] genommen: „Jedes Mitglied des ‚Magierkreiſes‘,
das einen Zaubertrick dem Publikum in irgend
einer Weiſe enthüllt, ſoll ausgeſtoßen werden“.

Aus dem ruſſiſchen Hofleben.

Frau
M. Eagar, welche ſechs Jahre die Stelle einer
Gouvernante am gegenwärtigen ruſſiſchen Hofe
einnahm, erzählt in der engliſchen Monatsſchrift
„The leisure hour“ („Müßige Stunden) eine
Reihe außerordentlich intereſſanter Erinnerungen.
Einen großen Teil der Erinnerungen nimmt
ganz ſelbſtverſtändlich das Leben der kaiſerlichen
Kinder und deren Spielgenoſſen ein. Aber auch
an anderen Epiſoden aus dem ruſſiſchen Hof-
leben iſt die Veröffentlichung der Frau Eagar
reich genug. So erzählt die Dame beiſpiels-
weiſe folgendes von einer großen Hoffeſtlichkeit:
„Die Saiſon des Jahres 1903 war außerordent-
lich glänzend. Ihr größtes Ereignis war
der berühmte Koſtümball, welcher zuerſt
in dem alten Teil des Winterpalaſtes
gegeben, und dann auf Wunſch verſchiedener Ge-
ſandtſchaften im neuen Teil des Palaſtes wieder-
holt wurde. Alle Anweſenden trugen Koſtüme wie
ſie zur Zeit des Kaiſers Alexis, des Vaters
Peters des Großen getragen wurden. Die Kaiſerin
hatte ſich wie Alexis erſte Frau gekleidet und
ihre Hofdamen hatten ihre Trachten auf Grund
alter Gemälde und Koſtüme anfertigen laſſen, die
zu jener Zeit am Hofe getragen wurden. Das
Kleid der Kaiſerin war geradezu wundervoll. Es
war mit Gold und echten Perlen garniert, die
ganze Vorderſeite war mit koſtbaren Steinen
geſchmückt und zwei ſtarke Perlenſchnüre hingen
von jeder Seite herab. Kleid und Juwelen hatten
zuſammen einen Wert von über eine Million
Rubel.

Die Theaternamen.

Eine ſehr berechtigte
Kritik knüpft die „Nordd. Allgem. Ztg.“ an die
Vorliebe mancher Bühnenkünſtlexinnen für merk-


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[9/0009] 179 Wien, Dienstag Reichspoſt 8. Auguſt 1905 Streiflichter. Eine reichsdeutſche Eheſtatiſtik. Wir haben kürzlich die Ziffern der Ehe- ſchließungen in Wien mitgeteilt, die ſich ſeit Jahren ziemlich gleichmäßig auf derſelben Höhe halten. In Deutſchland iſt das Zählungsergebnis nicht ſo günſtig. Danach ermäßigte ſich, während auf je 1000 Einwohner in den Jahren 1899 und 1900 durchſchnittlich 8·5 Eheſchließungen entfielen, dieſer Satz in den beiden folgenden Jahren auf 8·2 und 7·92. Im Jahre 1903 war die Zahl 7·91 vom Tauſend. Man iſt mancherorts geneigt, für dieſen Rückgang der Eheſchließungen die Frauen-Emanzipation verantwortlich zu machen. Profeſſor Gotthold Schellenberg richtet in Bezug auf die Emanzipation beherzigenswerte Worte in der „Straßburger Poſt“ an eine Mutter. Scharf beleuchtet er den Kampf, den die Frauenrechtle- rinnen führen, um die Frau in allen Berufen dem Manne gleichzuſetzen. Profeſſor Schellen- berg iſt wohl durchaus kein unbedingter Gegner des Frauenſtudiums, aber er möchte es nur als Ausnahme gelten laſſen. Die Frau ſoll gewiß als ein geiſtig ebenbürtiges Weſen an der Seite des Mannes ſtehen; aber ſo lange der phyſiologiſche Unterſchied beſtehe, ſei eine praktiſche Gleichſtellung eine Utopie. Die Frau ſoll nicht ſtudieren, ſondern heiraten. — Man ſoll die Frau nicht ſtudieren laſſen, damit ſie eventuell einem ebenfalls ſtudierten Manne gefalle. Denn der würde ſie doch nicht ihrer Ge- lehrſamkeit wegen nehmen, ſondern wegen ihrer ſonſtigen Eigenſchaften. Ganz unrichtig ſei die Auffaſſung, daß das Studium für die Frau ſpäter einmal als Mutter von Gymnaſiaſten von beſonderem Vorteil ſein könne. „Wer ſeine Kinder ohne Latein nicht erziehen kann, der bringt es auch nicht mit Latein fertig. Wenn ſich einzelne geiſtig und körperlich günſtig veranlagte Mädchen dem Studium widmen wollen, ſo iſt nichts dagegen einzuwenden, im allgemeinen rate ich ab.“ Und ſo ſollen denn die Töchter in erſter Linie für die Ehe erzogen werden. Das ſoll aber nicht heißen, daß ſie nun die Zeit bis zu ihrer Verheiratung mit unnützen Dingen toiſchlagen ſollen. Gewiß mag ſie ſich einem Beruf ergeben, aber nur einen, der ihrer Neigung entſpricht, und der auch der ſpeziell weiblichen Veranlagung näher kommt. Da iſt das Lehrerinnenſeminar, da ſind — wenn Talent vor- handen iſt — die ſchönen Künſte; und in reiferem Alter iſt auch die Erlernung der Krankenpflege ratſam. Vor allem aber das Studium des Haushalts. Man denke nur ja nicht gering von der Arbeit des Hauſes, als ſei ſie einer Frau von Geiſt unwürdig. Auch ein großer Teil des Dienſtbotenjammers habe ſeinen Grund darin, daß die Frau vielfach vom Mädchen Dinge verlangt, die ſie nicht ver- ſteht. Scharf geht Schellenberg gegen die Mütter vor, die ihre Töchter um jeden Preis an den Mann bringen wollen: „Zum Heiraten kommt man am beſten durch Vorbereitung zum Nicht- heiraten. Ihre Tochter ſoll heiraten, aber nicht heiraten müſſen.“ Und darum ſei es notwendig, die Erziehung ſo zu geſtalten, daß das Mädchen einmal auf eigenen Füßen ſtehen kann. Doch nicht nur die Töchter ſollen für die Ehe erzogen werden, auch die Söhne. „Am beſten erreichen wir das, indem wir ihnen das Beiſpiel einer guten Ehe vorleben.“ Sich auf den Mund geſchlagen. Durch verſchiedene deutſchvolkliche Blätter geht jetzt eine tiefweiſe Betrachtung der Vorgänge in Traiſen. Es heißt da mit Hinweis darauf, daß Kroaten und Slovaken derzeit den Beſtand der Arbeiter in jener Fabriken ausmachen: „Der Slave tritt ſofort an die Stelle des deutſchen Arbeiters und ringt ihn nieder. Wenn den türkiſchen Zuſtänden im Streikgebiet nicht ein raſches Ende gemacht wird, ſo werden ſich in dieſer urdeutſchen Gegend ſehr bald ſlaviſche An- ſiedler bemerkbar machen, die nie mehr fortzu- bringen ſind. In der Weiſe wurden in den letzten Jahrzehnten Tauſende von deutſchen Orten von Slaven übervölkert und blühende deutſche Indu- ſtriebezirke, in denen Eintracht und bürgerlicher Wohlſtand herrſchte, in von erbitterten nationalen Kämpfen umſtrittene Gebiete umgewandelt.“ Sehr richtig, dieſe Wahrheit iſt unumſtößlich. Merkwürdig iſt nur, daß derjenige, der nach Traiſen die ſlaviſchen Arbeiter gerufen hat, Herr Fabrikant Lenz, der Führer der deutſchvolklichen Abfallsbewegung im Traiſentale war. Die Anklage der deutſchnationalen Preſſe iſt alſo gegen einen ihrer intimen Geſinnungsgenoſſen gerichtet. Zur Fleiſchtenerung. Die Aktion der Kommune. Die Bevölkerung von Wien hat nach der Er- höhung der Fleiſchpreiſe eine Aktion der Kommune erwartet und ſie iſt nicht enttäuſcht worden. Der unſerem Bürgermeiſter eigenen Raſchheit und kräftigen Initiative iſt es zu danken, daß bereits ein energiſcher Schritt gegen die Verteuerer unter- nommen wird. Vorläufig wenigſtens iſt ihnen ein „Bisherund nicht weiter“ zugerufen. Allerdings konnte eine momentane Herabſetzung der Fleiſchpreiſe durch die Kommune nicht durchgeführt werden, allein es läßt ſich die Hoffnung ausſprechen, daß eine Herabſetzung erfolgen und eine abermalige Preisſteigerung — wie ſie von den Fleiſchhauern bereits angedroht worden iſt — unmöglich ge- macht wird. Die kommunale Aktion beſteht laut Stadt- ratsbeſchluß in der Errichtung von Detail- ver kaufsſtänden der Großſchlächterei-Aktien- geſellſchaft; ferner wird mit jenen Fleiſchhauern, die auf Gemeindegründen ihre Stände be- treiben, verhandelt werden und ſchließlich ein Verzeichnis jener Fleiſchhauer angelegt werden, die in ungerechtfertigter Weiſe die Preiſe hinauf- geſchraubt haben. Die Beſchlüſſe lauten: 1. Die Großſchlächterei-Aktiengeſellſchaft wird aufgefordert, mit der Errichtung von Detail- fleiſchverkaufsſtänden in den einzelnen Bezirken, in erſter Linie im 10., 16. und 20. Be- zirke, eheſtens vorzugehen und wird die Gemeinde die erforderlichen Plätze gegen den üblichen Pacht- zins zur Verfügung ſtellen. 2. Der Magiſtrat wird beauftragt, mit jenen Fleiſchhauern und Fleiſchverſchleißern, welche ihre Stände auf Gemeindegründen betreiben, zu verhandeln, damit keine ungerechtfertigten Preiserhöhungen von denſelben vorgenom- men werden, und über das Ergebnis an den Magiſtrat zu berichten. 3. Der Magiſtrat wird beauftragt, nach den einzelnen Bezirken namentliche Verzeich- niſſe der Fleiſchhauer und Fleiſchverſchleißer anzulegen und bei jedem anzugeben, ob eine ungerechtfertigte Preiserhöhung des Fleiſches in ſeinem Verkaufsſtande vorgenommen wurde oder ob die Preiſe konſtant geblieben ſind. Im großen und ganzen war der Haupt- grund, der dieſe Beſchlüſſe ſchuf, die Erkenntnis des Mangels der Berechtigung der Fleiſch- hauer, neuerlich, nach den Steigerungen im April, Mai und Juni, die Preiſe zu erhöhen. Im April und Mai wer der Preis für das Kilogramm Rindfleiſch um fünf Heller an einzelnen Ständen erhöht worden. Im Juni waren 196 Verkaufs- ſtellen dieſem Beiſpiele gefolgt und hatten wohl als „Entſchädigung“ dafür, daß ſie nicht ſchon im April ihren Kunden höhere Preiſe vorge- ſchrieben hatten, die Preiſe um acht bis zehn Heller erhöht. Und nun im Anguſt ließen weitere 226 Fleiſchhauer, beziehungsweiſe Fleiſchverſchleißer eine Preiserhöhung eintreten, die ſich mit 20, 30, ſogar 40 Heller per Kilogramm beziffert. Dieſe Steigerung iſt nun nach Angaben der Vertreter der Aktien-Großſchlächterei nicht gerechtfertigt, denn ſie wäre zu vermeiden geweſen, wenn die Fleiſchhauer ihren Bedarf bei der Großſchlächterei decken wollten. Aber das wollen ſie nicht und ſie haben ſich auf dieſe Weiſe eine Rechnung zuſammengeſtellt, die von der Bevölkerung bezahlt werden ſoll. Das Kleines Feuilleton. Eine Hüttenwirtin. Am 4. d. iſt die Wirtin der „Göſtingerhütte“ bei Graz hochbetagt geſtorben. Von ihr erzählt ein Touriſt in der „G. Tp.“ einige nicht üble Anekdoten: Zur Zeit, als das Stubenberghaus auf dem Schöckel noch nicht eröffnet war, pflegten manche Touriſten eine ſogenannte „Krainerwurſt“, mitzunehmen, um ſie ſich in der „Göſtingerhütte“, die ſehr be- ſcheidene Unterkunft bot, wärmen zu laſſen. Einſt ſaßen einige Gäſte in der niedrigen Stube, denen ſich bald ein weiterer zugeſellte. Der zuletzt Ge- kommene entnahm ſeinem Ruckſack eine geſelchte Wurſt und bat die alte Frau, ſie ihm heiß zu machen. „Gebn S’ nur her, i hab eh grad a Teewaſſer aufgeſtellt!“ So bekamen die einen ihren „geſelchten“ Tee, in dem die Fettaugen herum- ſchwammen, der andere eine „Teewurſt“. Es ſoll ihnen aber nicht geſchadet haben. — Einſt erklomm ein Berliner die Alm. Er hätte gern etwas zu eſſen beſtellt, wußte aber als Fremder nicht recht, was er begehren ſollte. Da ſah er, wie ſich ein anderer Bergſteiger Schwarzbrot mit Butter ſchmecken ließ. „Sie jute Frau, jeben Se mir och mal ſo’ ne Butterſtulle!“ ſprach er die Alte an. Die Göſtingermutter rührte ſich nicht. „Nanu, haben Se nich jehört? Ick möchte och mal ſone Butterſtulle haben!“ Die Angeredete blickte den Berliner groß an, ſchüttelte den Kopf und ſtrickte weiter. „Jetzt möchte ick doch wiſſen, ob ick ſone Butterſtulle kriejen kann oder nich!“ Nun kam Leben in die Alte. „Sö, wann S’ auf die Olm gengan, müaßn S’ deutſch reden. Ihna Kaudawelſch vaſteh i net!“ * Der Kongreß der Zauberer. Aus London wird uns berichtet: Man lieſt bisweilen in Märchen, daß die Zauberer ſich an irgend einem unterirdiſchen Ort oder auf der Höhe eines nie betretenen Berges verſammeln, um über die Geſchicke der armen Menſchenkinder Gericht zu halten. Dieſe Phantaſie der Märchen wird jetzt in London zur Wahrheit. Zauberer kommen von Weſten, von Süden, aus allen Teilen der Welt und ſchließen ſich zu einer Geſellſchaft zuſammen, die der Nachwelt unter dem Namen „Der Magier- kreis von Großbritannien“ bekannt ſein wird. Freilich ſind dieſe Zauberer nur „Profeſſoren der Geheimkünſte“, Taſchenſpieler und Jongleure, die, wie es in ihrem Programme heißt, „eine Ver- einigung der Magier aus allen Ländern erſtreben, um ihre Kunſt zu vervollkommen und ſie auf die Höhe einer der ernſten Wiſſenſchaft zu heben“. Die Geſellſchaft wird ihre wöchentlichen Zuſammen- künfte haben, in der die Zauberer, fern von profanen Augen, ihre neuen Tricks bereden, ihre Geſchicklichkeit gegenſeitig bewundern und ihre gemein- ſamen Intereſſen vertreten. Dieſer Tage fand die Hauptverſammlung ſtatt. Ein großer Saal war angefüllt mit den berühmteſten Beſchwörern, Magiern und Illuſionskünſtlern, die man heut- zutage bewundert, mit Leuten, die Papierblumen aus dem Nichts hervorblühen laſſen, Goldſtücke und Meerſchweinchen aus der Luft herunterholen, eine Dame verſchwinden laſſen und durch einen Schuß mit der Piſtole die Beſucher der Galerie in ſchauernde Ehrfurcht verſetzen. Trotzdem verlief der Kongreß in völlig ruhiger und ſachgemäßer Weiſe, von keinem außergewöhnlichen und zauber- haften Ereignis unterbrochen. Weder Meer- ſchweinchen noch Goldſtücke fielen herunter. Der Vorſitzende äußerte ſich dahin, daß der Haupt- zweck der Verſammlung ſei, den häufig auftreten- den Verſuchen entgegenzuſteuern, die das Publikum mit den Methoden der Zauberkunſt bekannt zu machen ſuchen. Es wurde folgende Reſolution an- genommen: „Jedes Mitglied des ‚Magierkreiſes‘, das einen Zaubertrick dem Publikum in irgend einer Weiſe enthüllt, ſoll ausgeſtoßen werden“. Aus dem ruſſiſchen Hofleben. Frau M. Eagar, welche ſechs Jahre die Stelle einer Gouvernante am gegenwärtigen ruſſiſchen Hofe einnahm, erzählt in der engliſchen Monatsſchrift „The leisure hour“ („Müßige Stunden) eine Reihe außerordentlich intereſſanter Erinnerungen. Einen großen Teil der Erinnerungen nimmt ganz ſelbſtverſtändlich das Leben der kaiſerlichen Kinder und deren Spielgenoſſen ein. Aber auch an anderen Epiſoden aus dem ruſſiſchen Hof- leben iſt die Veröffentlichung der Frau Eagar reich genug. So erzählt die Dame beiſpiels- weiſe folgendes von einer großen Hoffeſtlichkeit: „Die Saiſon des Jahres 1903 war außerordent- lich glänzend. Ihr größtes Ereignis war der berühmte Koſtümball, welcher zuerſt in dem alten Teil des Winterpalaſtes gegeben, und dann auf Wunſch verſchiedener Ge- ſandtſchaften im neuen Teil des Palaſtes wieder- holt wurde. Alle Anweſenden trugen Koſtüme wie ſie zur Zeit des Kaiſers Alexis, des Vaters Peters des Großen getragen wurden. Die Kaiſerin hatte ſich wie Alexis erſte Frau gekleidet und ihre Hofdamen hatten ihre Trachten auf Grund alter Gemälde und Koſtüme anfertigen laſſen, die zu jener Zeit am Hofe getragen wurden. Das Kleid der Kaiſerin war geradezu wundervoll. Es war mit Gold und echten Perlen garniert, die ganze Vorderſeite war mit koſtbaren Steinen geſchmückt und zwei ſtarke Perlenſchnüre hingen von jeder Seite herab. Kleid und Juwelen hatten zuſammen einen Wert von über eine Million Rubel. Die Theaternamen. Eine ſehr berechtigte Kritik knüpft die „Nordd. Allgem. Ztg.“ an die Vorliebe mancher Bühnenkünſtlexinnen für merk-

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Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 179, Wien, 08.08.1905, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost179_1905/9>, abgerufen am 23.11.2024.