Reichspost. Nr. 233, Wien, 12.10.1897.Wien, Dienstag Reichspost 12. October 1897 233 [Spaltenumbruch] 120.) Der Postillon. Ein Roman aus verklungener Zeit. Den gemeinschastlichen Bemühungen des Postillons Plötzlich ertönte das Hallali der Jäger. Lichter Die Lichter, Laternen, von Männern getragen, Der Gefesselte wandte jetzt seinen Kopf, ein Aber auch der Gefesselte hatte ihn erkannt und "Jetzt -- hat a Räuber den andern g'fangt," Der Postillon stand bleich und keines Wortes Er starrte immer nur auf einen Punkt, und in Jetzt bewillkommte jeder einzelne der Jäger den [Spaltenumbruch] Der Postillon hatte diesen Herrn schon früher be- Langsam war derselbe auf den Peterl zugegangen, "Gnade, Herr Postmeister, Gnade!" mehr brachte Die Zunge klebte ihm schier am Gaumen, die "Unglückseliger, Sie auch hier? Wo kommen Sie Der Postmeister wollte noch weiter sprechen, doch "Sie wollen, Herr Postmeister, wissen, woher der Der Postmeister vermochte vor Aufregung nicht zu "Wissen Sie, Herr Graf, wer Ihr Retter ist", "Allerdings kommt mir die Stimme noch etwas "Der Postillon ist's, der so schön blasen kann." "Nicht möglich, Herr Postmeister!" "Und doch er ist's; ich könnte mir um diesen Der Graf schüttelte das Haupt und blickte mit- "Georges!" rief er. Der Bediente trat aus dem Hintergrunde hervor "Hast Du Herrn Bittermann geseh'n?" [Spaltenumbruch] "Der Herr, den Euer Gnaden mitgenommen, nicht "Ja, derselbe; wo ist er?" "Er ist bei der anderen Partie, die auf der ent- "Hat man mit denen keinen Anschluß?" "Es liegt der Mühlgraben dazwischen, Euer "Ist gut, nimm die Hunde mit Dir und das Dann wandte er sich wieder an den Postmeister. "Herr, Sie sind ein charmanter, edler Mann, wie "Ich bedauere nur seine arme alte Mutter," warf "Auch eine gute Pflaze artet manchmal aus," "O nein, Herr Graf, der Postillon ist ein Ge- (Fortsetzung folgt.) [irrelevantes Material] Druck, Heransgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. -- Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikisch, Wien. Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. October 1897 233 [Spaltenumbruch] 120.) Der Poſtillon. Ein Roman aus verklungener Zeit. Den gemeinſchaſtlichen Bemühungen des Poſtillons Plötzlich ertönte das Hallali der Jäger. Lichter Die Lichter, Laternen, von Männern getragen, Der Gefeſſelte wandte jetzt ſeinen Kopf, ein Aber auch der Gefeſſelte hatte ihn erkannt und „Jetzt — hat a Räuber den andern g’fangt,“ Der Poſtillon ſtand bleich und keines Wortes Er ſtarrte immer nur auf einen Punkt, und in Jetzt bewillkommte jeder einzelne der Jäger den [Spaltenumbruch] Der Poſtillon hatte dieſen Herrn ſchon früher be- Langſam war derſelbe auf den Peterl zugegangen, „Gnade, Herr Poſtmeiſter, Gnade!“ mehr brachte Die Zunge klebte ihm ſchier am Gaumen, die „Unglückſeliger, Sie auch hier? Wo kommen Sie Der Poſtmeiſter wollte noch weiter ſprechen, doch „Sie wollen, Herr Poſtmeiſter, wiſſen, woher der Der Poſtmeiſter vermochte vor Aufregung nicht zu „Wiſſen Sie, Herr Graf, wer Ihr Retter iſt“, „Allerdings kommt mir die Stimme noch etwas „Der Poſtillon iſt’s, der ſo ſchön blaſen kann.“ „Nicht möglich, Herr Poſtmeiſter!“ „Und doch er iſt’s; ich könnte mir um dieſen Der Graf ſchüttelte das Haupt und blickte mit- „Georges!“ rief er. Der Bediente trat aus dem Hintergrunde hervor „Haſt Du Herrn Bittermann geſeh’n?“ [Spaltenumbruch] „Der Herr, den Euer Gnaden mitgenommen, nicht „Ja, derſelbe; wo iſt er?“ „Er iſt bei der anderen Partie, die auf der ent- „Hat man mit denen keinen Anſchluß?“ „Es liegt der Mühlgraben dazwiſchen, Euer „Iſt gut, nimm die Hunde mit Dir und das Dann wandte er ſich wieder an den Poſtmeiſter. „Herr, Sie ſind ein charmanter, edler Mann, wie „Ich bedauere nur ſeine arme alte Mutter,“ warf „Auch eine gute Pflaze artet manchmal aus,“ „O nein, Herr Graf, der Poſtillon iſt ein Ge- (Fortſetzung folgt.) [irrelevantes Material] Druck, Heransgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. — Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien. <TEI> <text> <body> <div type="jLocal" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0010" n="10"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. 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Er iſt’s auch, der den<lb/> berüchtigten Räuber dingfeſt gemacht hat; Schade um<lb/> den Menſchen, aus dem wäre eine tüchtiger und braver<lb/> Soldat geworden.“</p><lb/> <p>„Ich bedauere nur ſeine arme alte Mutter,“ warf<lb/> der Poſtmeiſter ein; „die alte Frau hat ihren Sohn<lb/> vergöttert; er hat ihr zwar auch immer nur Liebes<lb/> und Gutes gethan, das muß man ihm zur Ehre nach-<lb/> ſagen, und doch — nein, ’s iſt unbegreiflich!“</p><lb/> <p>„Auch eine gute Pflaze artet manchmal aus,“<lb/> bemerkte der Graf; „iſt das ſeine rechte Mutter?“</p><lb/> <p>„O nein, Herr Graf, der Poſtillon iſt ein Ge-<lb/> meindekind, nach dem Jahre 1859 haben ihn ein paar<lb/> Bauern aus der Umgebung als kleinen Jung’ mitge-<lb/> bracht und der eine hat ihn eine Zeit lang bei ſich<lb/> behalten, dann iſt er ihm läſtig geworden und eines<lb/> ſchönen Tages hat man den armen fünfjährigen Buben<lb/> halb nackt und halb verhungert mitten im Spätherbſt<lb/> auf der Gaſſe gefunden; da haben ihn ein paar mit-<lb/> leidige Leut’ auf die Gemeindeſtube gebracht und die<lb/> alte Bäbel aus dem ſogenannten Holzhackerdörfel hat<lb/> ſich um das Buberl angenommen.“</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> <div type="imprint"> <p>Druck, Heransgabe und Verlag Ambr. 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Wien, Dienſtag Reichspoſt 12. October 1897 233
120.)
Der Poſtillon.
Ein Roman aus verklungener Zeit.
von Carl Theodor Fockt.
Den gemeinſchaſtlichen Bemühungen des Poſtillons
und des Fremden gelang es, den auf der Erde ſich
Wehrenden feſtzumachen.
Plötzlich ertönte das Hallali der Jäger. Lichter
wurden im Hintergrunde ſichtbar, Hundegebell und
Laute kräſtiger Männerſtimmen vermiſchten ſich mit
dem Klange der Hörner.
Die Lichter, Laternen, von Männern getragen,
kamen allgemach näher, die Scene belebte ſich und in
einem Nu wimmelte der Platz von Jägern und Trei-
bern, welche jetzt ganz die Scene betrachteten, bis einer
der Jäger näher und auf den glücklich Befreiten, deſſen
abgeſchoſſenes Gewehr auf der Erde lag, zuſchritt und
ihn freundlich bewillkommte.
Der Gefeſſelte wandte jetzt ſeinen Kopf, ein
Lichtſtrahl fiel auf ſein verwildertes gebräuntes Ge-
ſicht, welches dem Poſtillon einen Aufſchrei entlockte:
„Der Rankl!“
Aber auch der Gefeſſelte hatte ihn erkannt und
knirſchte mit den Zähnen.
„Jetzt — hat a Räuber den andern g’fangt,“
ſtieß er höhniſch hervor und lachte, trotzdem er ſich
kaum bewegen konnte, auf eine Art, daß die ſämmt-
lichen Jäger, die anfänglich noch nicht recht wußten,
um was es ſich hier handle, auf den auf der Erde
Liegenden aufmerkſam wurden.
Der Poſtillon ſtand bleich und keines Wortes
mächtig da.
Er ſtarrte immer nur auf einen Punkt, und in
dieſem concentrirten ſich alle ſeine Empfindungen und
Gefühle.
Jetzt bewillkommte jeder einzelne der Jäger den
Geretteten; aber einer unter ihnen, ein behäbiger, dicker
alter Herr, trat beim Laternenſchein näher, um ſich den
couragirten Burſchen anzuſehen und ihm das Lob zu-
zuerkennen, das ihm gebühre dafür, daß er den Rankl
dingfeſt gemacht.
Der Poſtillon hatte dieſen Herrn ſchon früher be-
obachtet, dieſer eben war jener vorhin erwähnte Gegen-
ſtand, auf den er hinſtarrte.
Langſam war derſelbe auf den Peterl zugegangen,
noch ſtanden ſich die Beiden etwa drei Schritte ent-
fernt, da ſtürzte der Poſtillon auf die Knie zu deſſen
Füßen.
„Gnade, Herr Poſtmeiſter, Gnade!“ mehr brachte
der Peterl nicht heraus.
Die Zunge klebte ihm ſchier am Gaumen, die
Rede blieb ihm im Halſe ſtecken.
„Unglückſeliger, Sie auch hier? Wo kommen Sie
auf einmal daher? Sie haben Verbrechen auf Ver-
brechen gehäuft!“
Der Poſtmeiſter wollte noch weiter ſprechen, doch
der auf der Erde liegende Rankl unterbrach ihn.
„Sie wollen, Herr Poſtmeiſter, wiſſen, woher der
Peterl kommt; das kann ich Ihnen beſſer ſagen: der
kommt juſtament directe vom Ranklbuab’n ſeiner Banda.“
Der Poſtmeiſter vermochte vor Aufregung nicht zu
ſprechen, er wandte ſich an einen der anweſenden Förſter
mit dem Erſuchen, denſelben feſtzunehmen, da dies der
entlaufene Poſtdieb ſei, dann wandte er dem Peterl den
Rücken und trat zu dem Geretteten.
„Wiſſen Sie, Herr Graf, wer Ihr Retter iſt“,
flüſterte ihm der Poſtmeiſter zu; „haben Sie ihn nicht
erkannt, haben Sie ſich dieſen Unglücksmenſchen noch
nicht betrachtet?“
„Allerdings kommt mir die Stimme noch etwas
bekannt vor, doch weiß ich mich factiſch nicht mehr zu
erinnern, von wo,“ erwiederte der Gefragte.
„Der Poſtillon iſt’s, der ſo ſchön blaſen kann.“
„Nicht möglich, Herr Poſtmeiſter!“
„Und doch er iſt’s; ich könnte mir um dieſen
Menſchen die Haare ausraufen.“
Der Graf ſchüttelte das Haupt und blickte mit-
leidsvoll auf den Poſtillon: dann wandte er ſich zu
dem Jäger.
„Georges!“ rief er.
Der Bediente trat aus dem Hintergrunde hervor
zu ſeinem Herrn hin.
„Haſt Du Herrn Bittermann geſeh’n?“
„Der Herr, den Euer Gnaden mitgenommen, nicht
wahr?“
„Ja, derſelbe; wo iſt er?“
„Er iſt bei der anderen Partie, die auf der ent-
gegengeſetzten Seite ſtreift.“
„Hat man mit denen keinen Anſchluß?“
„Es liegt der Mühlgraben dazwiſchen, Euer
Gnaden!“
„Iſt gut, nimm die Hunde mit Dir und das
Reſervegewehr und geh’ nach Hauſe.“
Dann wandte er ſich wieder an den Poſtmeiſter.
„Herr, Sie ſind ein charmanter, edler Mann, wie
ich Sie doch ſchon durch Jahre die Ehre zu kennen
habe, erweiſen Sie mir, wenn Sie in die Lage kommen
ſollten, über das Betragen des Poſtillons bei dieſer
Lebensrettungsaffaire gefragt zu werden, die Freund-
ſchaft und rühmen Sie die Unerſchrockenheit, den Muth
und das an den Tag gelegte wackere Benehmen des
jungen Menſchen, es wird vielleicht zur Milderung
ſeiner Strafe etwas beitragen. Er iſt’s auch, der den
berüchtigten Räuber dingfeſt gemacht hat; Schade um
den Menſchen, aus dem wäre eine tüchtiger und braver
Soldat geworden.“
„Ich bedauere nur ſeine arme alte Mutter,“ warf
der Poſtmeiſter ein; „die alte Frau hat ihren Sohn
vergöttert; er hat ihr zwar auch immer nur Liebes
und Gutes gethan, das muß man ihm zur Ehre nach-
ſagen, und doch — nein, ’s iſt unbegreiflich!“
„Auch eine gute Pflaze artet manchmal aus,“
bemerkte der Graf; „iſt das ſeine rechte Mutter?“
„O nein, Herr Graf, der Poſtillon iſt ein Ge-
meindekind, nach dem Jahre 1859 haben ihn ein paar
Bauern aus der Umgebung als kleinen Jung’ mitge-
bracht und der eine hat ihn eine Zeit lang bei ſich
behalten, dann iſt er ihm läſtig geworden und eines
ſchönen Tages hat man den armen fünfjährigen Buben
halb nackt und halb verhungert mitten im Spätherbſt
auf der Gaſſe gefunden; da haben ihn ein paar mit-
leidige Leut’ auf die Gemeindeſtube gebracht und die
alte Bäbel aus dem ſogenannten Holzhackerdörfel hat
ſich um das Buberl angenommen.“
(Fortſetzung folgt.)
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Druck, Heransgabe und Verlag Ambr. Opitz, Wien. — Verantwortlicher Redacteur Hermann Hikiſch, Wien.
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