Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.Zur Unterhaltung und Belehrung. 12 [Beginn Spaltensatz]
-- Nicht mehr, als zu der Verblendung zurückkehren, wozu -- Jano! Jano! -- Jn Deiner Erklärung erkenne ich, daß Deine Liebe er- -- Meine Liebe, meine Liebe, Jano? rief Wlaska außer -- Während ich einen großen Zweck verfolgte: die Freiheit -- Jano, und Deine Frau konnte verzweifeln! Der Vor- -- Genug, rief der junge Mann in schmerzlicher Fassung, Jano trat seiner regungslosen Gattin näher, küßte ihr, die ( Schluß folgt. ) [Beginn Spaltensatz] Der Kulihandel. Herr von Holtzendorf hat eine höchst interessante Schilderung Meimen wir nicht, der Sclaverei sei mit dem Siege der Das Aufkommen des Kulihandels steht mit der Abschaffung Das Verfahren in der Hauptsache ist bekannt. Der wichtigste Je weniger das Schicksal chinesischer Auswanderer in der Zur Unterhaltung und Belehrung. 12 [Beginn Spaltensatz]
— Nicht mehr, als zu der Verblendung zurückkehren, wozu — Jano! Jano! — Jn Deiner Erklärung erkenne ich, daß Deine Liebe er- — Meine Liebe, meine Liebe, Jano? rief Wlaska außer — Während ich einen großen Zweck verfolgte: die Freiheit — Jano, und Deine Frau konnte verzweifeln! Der Vor- — Genug, rief der junge Mann in schmerzlicher Fassung, Jano trat seiner regungslosen Gattin näher, küßte ihr, die ( Schluß folgt. ) [Beginn Spaltensatz] Der Kulihandel. Herr von Holtzendorf hat eine höchst interessante Schilderung Meimen wir nicht, der Sclaverei sei mit dem Siege der Das Aufkommen des Kulihandels steht mit der Abschaffung Das Verfahren in der Hauptsache ist bekannt. Der wichtigste Je weniger das Schicksal chinesischer Auswanderer in der <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0012" n="12"/> <fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 12</fw> <cb type="start"/> <p>— Nicht mehr, als zu der Verblendung zurückkehren, wozu<lb/> Du mich aufforderst! </p><lb/> <p>— Jano! Jano! </p><lb/> <p>— Jn Deiner Erklärung erkenne ich, daß Deine Liebe er-<lb/> loschen ist! </p><lb/> <p>— Meine Liebe, meine Liebe, Jano? rief Wlaska außer<lb/> sich. Himmel, wie kannst Du diese Behauptung auszusprechen<lb/> wagen! Jch saß stets allein mit meinem Kummer und wußte oft<lb/> nicht, wo mein Mann sich befand. Jch war der Verzweiflung<lb/> preisgegeben, während Du — —</p><lb/> <p>— Während ich einen großen Zweck verfolgte: die Freiheit<lb/> des Geistes meiner Mitmenschen und meiner Familie. 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Es wird Dir nicht gelingen, denn<lb/> mein Vorsatz steht fest, wie die Ansicht von der verwerflichen<lb/> Lehre des Papstes. Eine Lehre, die zu ihrer Verbreitung solcher<lb/> Mittel bedarf, die den Samen der Zwietracht in die Familien<lb/> streut, die in schwachen Frauen Gewissensscrupel erweckt, Tod<lb/> und ewige Verdammniß droht, so wenig duldsam gegen die Frei-<lb/> heit ist, selbst die Waffen halb wahnsinniger Menschen nicht ver-<lb/> schmäht und heimlich, offen, listig und ränkesüchtig um Anhänger<lb/> wirbt — einer solchen Lehre, kann ich mein Herz nicht öffnen.<lb/> Jch verlasse Dich jetzt, damit Du nachdenken kannst; ja, Wlaska,<lb/> ich nehme den festen Glauben mit mir, daß Du mehr Vertrauen<lb/> zu Deinem Manne hegst, als zu jenen Gleißnern, die als Wölfe<lb/> in Schafskleidern uns zu verlocken suchen. Wahre das Haus,<lb/> und empfange mich bei meiner Rückkehr als eine Gattin, deren<lb/> Liebe selbst die schlauesten Ränke nicht zu erschüttern vermögen.<lb/> Dann wird der Segen bei uns wieder einkehren, dann können<lb/> wir mit Zuversicht einer glücklichen Zukunft entgegensehen. Wlaska,<lb/> sorge, daß ich mich in Dir nicht täusche!</p><lb/> <p>Jano trat seiner regungslosen Gattin näher, küßte ihr, die<lb/> es schweigend duldete, die Stirn und verließ hastig das Zimmer.<lb/> Draußen schwang er sich auf das Roß und sprengte aus dem<lb/> Thore der Stadt, um seinen gefahrvollen Auftrag auszuführen</p><lb/> <cb type="end"/> <p> <hi rendition="#c">( Schluß folgt. )</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="start"/> <div type="jArticle" n="1"> <head>Der Kulihandel.</head><lb/> <p>Herr von Holtzendorf hat eine höchst interessante Schilderung<lb/> über diesen Schandflecken des neunzehnten Jahrhunderts gebracht,<lb/> der wir folgende Scizze entnehmen:</p><lb/> <p>Meimen wir nicht, der Sclaverei sei mit dem Siege der<lb/> nordamerikanischen Union endlich ihre Grabesstätte bereitet wor-<lb/> den? Kaum verschwindet an den Gestaden des atlantischen<lb/> Oceans der Negerhandel, da verpestet die Ufer des stillen Meeres<lb/> der nichtswürdigste Menschenschacher. Wir sind Zeuge eines<lb/> Rückfalles in die Sclaverei, deren Opfer der asiatische Kuli ist.</p><lb/> <p>Das Aufkommen des Kulihandels steht mit der Abschaffung<lb/> der Negersclaverei in einem unläugbaren Zusammenhange. Sobald<lb/> die afrikanische Bezugsquelle spärlicher floß, wendete der Scharf-<lb/> blick des menschlichen Eigennutzes sich anderen Himmelsgegenden<lb/> zu. Spanische Ansiedler des sechszehnten Jahrhunderts waren<lb/> die ersten, welche Negersclaven nach ihren indischen Besitzungen<lb/> brachten. Republikanische Abkömmlinge dieser Spanier in Peru<lb/> waren auch die ersten, welche Kuli's ( das heißt Handarbeiter nie-<lb/> deren Ranges ) nach dem östlichen Gestade des stillen Oceans<lb/> schleppten. Aeußerlich wirkten hierbei zwei Thatsachen zusammen:<lb/> die im Anfange des vierten Jahrzehntes dieses Jahrhunderts erfolgte<lb/> Freigebung der bis dahin gehemmten chinesischen Auswanderung<lb/> und die Abschaffung der Negersclaverei in Peru unter Castilla's<lb/> Präsidentschaft. Allmählich verbreitete sich, einer Seuche gleich,<lb/> das von Peru gegebene Beispiel über andere tropische und sub-<lb/> tropische Länder, insbesondere die Antillen, Centralamerika,<lb/> Guyana, Australien. Unter dem Namen der Auswanderung<lb/> chinesischer Arbeiter auf Grund von Passagevorschuß und Dienst-<lb/> vertrag bildete sich nach und nach ein in allen Einzelnheiten sorg-<lb/> fältig ausgebildetes System des Menschenfanges, bei welchem alle<lb/> Erfahrungen der geschicktesten kaufmännischen Technik und des<lb/> Rhedereigewerbes mit Betrug, Hinterlist, Gewaltthätigkeit, Raub<lb/> und Mord so innig zusammengewoben sind, daß die Opfer der<lb/> Gewinnsucht gleichsam in den Schlingen der Gesetzesparagraphen<lb/> selbst erdrosselt werden.</p><lb/> <p>Das Verfahren in der Hauptsache ist bekannt. Der wichtigste<lb/> Stapelplatz für den Handel mit frischem Menschenfleische ist die<lb/> an der Mündung des Cantonflusses gelegene altportugiesische Be-<lb/> sitzung von Macao, der Freihafen aller denkbaren Nichtswürdig-<lb/> keiten. Seit 1847, wo die ersten Auswanderungsschiffe von dort<lb/> ausliefen, ist das Geschäft in fortwährendem Aufblühen zu kaum<lb/> glaublicher Ausdehnung emporgeschwollen. Das alte Muster des<lb/> Auswanderungs=Contractes war in der Kürze dieses: freie Ueber-<lb/><cb n="2"/> fahrt nach den amerikanischen Arbeitsmärkten; als Gegenleistung<lb/> die Verpflichtung, 8 Jahre lang gegen einen geringen Lohn<lb/> ( monatlich nicht ganz 6 Thaler ) zu arbeiten; Ueberlassung der<lb/> Auswanderer nach der Ankunft in Amerika an den Meistbietenden.<lb/> Mit anderen Worten: der Auswanderer verpflichtet sich nicht einem<lb/> bestimmten Herrn und Arbeitgeber, sondern degradirt sich selbst<lb/> in allen Formen eines Vertrages zu einer Sache, die auf den<lb/> Markt gebracht und etwa wie ein Ballen Rinderhäute, je nach<lb/> der Conjunktur, theurer oder billiger versteigert wird. Das<lb/> schlimmste Schicksal traf Diejenigen, welche auf den peruviani-<lb/> schen Chinchas=Jnseln mit der Gewinnung des Guano zu Tode<lb/> gepeinigt wurden. Bereis 1860 rechnete man, daß von 4000 auf<lb/> den <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="12"/>Guano=Jnseln gelandeten Arbeitern nicht ein einziger am<lb/> Leben geblieben war.</p><lb/> <p>Je weniger das Schicksal chinesischer Auswanderer in der<lb/> Gegenwart verborgen bleibt, je weniger es zur Nachahmung im<lb/> Reiche der Mitte ermuthigen konnte, desto planmäßiger mußten<lb/> die Mittel des Menschenfanges in Macao ausgebildet werden.<lb/> Der Reihe nach entstanden jene zahlreichen „Barrakuns“ oder<lb/> Sclaven=Depots, in denen die chinesischen Kuli's in der Zwischen-<lb/> zeit zwischen ihrer Anwerbung und ihrer Einschiffung wie in<lb/> einer Vorrathskammer aufgespeichert wurden. Sobald der Kuli<lb/> das sorgfältig bewachte und vergitterte Eingangsthor passirt hat,<lb/> öffnet es sich nur noch einmal für ihn, wenn er an Bord des<lb/> Schiffes in die Heerde seiner Leidensgefährten getrieben wird.<lb/> Nach allen Regeln anderer Arbeitstheilung betrieben, zerfällt der<lb/> Kulihandel in mehrere eng ineinander greifende Geschäftszweige.<lb/> Der erste in der Reihe der Gauner ist der chinesische Auswande-<lb/> rungs=Agent, welcher seine Kopfgelder für jedes „Stück“ empfängt.<lb/> Unter ihm arbeiten, von ihm angewiesen und angelernt, Men-<lb/> schen, die man den Abschaum der chinesischen Betrüger nennen<lb/> kann. Sie benutzen in öffentlichen Lokalen die Uebereilung des<lb/> verzweifelnden Glückspielers, den sie zur Rettung des Verlorenen<lb/> anspornen, seinen Leib gegen eine Summe Geldes auszuwürfeln.<lb/> Der Leichtsinnige, der von ihnen zur Ausschweifung und zum<lb/> Trunke verlockt wurde, bezahlt die Schulden einer einzigen Nacht<lb/> mit der Unterschrift, die ihm seine Freiheit, sein Leben kosten<lb/> wird. Nichts ahnende Handwerker oder Bauern werden unter<lb/> betrügerischen Vorspiegelungen eingefangen, öfter auch durch unter-<lb/> nehmende Seeräuberzüge geraubt und fortgeschleppt. Niemand<lb/> in den südchinesischen Küstengegenden ist gegen solche Gewaltthat<lb/> geschützt. Selbst der Verrath spielt seine Rolle, indem er per-<lb/> sönliche Feinde dem Menschenhändler überliefert. Alle diese<lb/> Frevelthaten, obwohl in jenem Himmelsstriche weltbekannt, ge-<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 12
— Nicht mehr, als zu der Verblendung zurückkehren, wozu
Du mich aufforderst!
— Jano! Jano!
— Jn Deiner Erklärung erkenne ich, daß Deine Liebe er-
loschen ist!
— Meine Liebe, meine Liebe, Jano? rief Wlaska außer
sich. Himmel, wie kannst Du diese Behauptung auszusprechen
wagen! Jch saß stets allein mit meinem Kummer und wußte oft
nicht, wo mein Mann sich befand. Jch war der Verzweiflung
preisgegeben, während Du — —
— Während ich einen großen Zweck verfolgte: die Freiheit
des Geistes meiner Mitmenschen und meiner Familie. Jch
schmiedete Waffen, um den fürchterlichsten aller Feinde zu be-
kämpfen, einen Feind, der nicht nur das Wohl des Körpers, son-
dern auch das der Seele vernichtet.
— Jano, und Deine Frau konnte verzweifeln! Der Vor-
wurf, den Du mir gemacht, trifft Dich! Auch Deine Frau be-
sitzt ein Recht, und mit diesem Rechte fordere ich Dich auf, den
Bannfluch des heiligen Vaters von uns abzuwenden, der schwer
auf unserm Hause lastet. Jch glaube an kein Glück, so lange
Du die Segnungen der wahren Religion verschmähst! Und wenn
Du mich liebst — —
— Genug, rief der junge Mann in schmerzlicher Fassung,
genug! Du hast wahrlich den passendsten Augenblick gewählt,
um der Partei, die Dich beredet, einen wirksamen Dienst zu leisten!
Bekenne es nur, Du willst mich von dem abhalten, was ich aus-
zuführen im Begriff stehe. Es wird Dir nicht gelingen, denn
mein Vorsatz steht fest, wie die Ansicht von der verwerflichen
Lehre des Papstes. Eine Lehre, die zu ihrer Verbreitung solcher
Mittel bedarf, die den Samen der Zwietracht in die Familien
streut, die in schwachen Frauen Gewissensscrupel erweckt, Tod
und ewige Verdammniß droht, so wenig duldsam gegen die Frei-
heit ist, selbst die Waffen halb wahnsinniger Menschen nicht ver-
schmäht und heimlich, offen, listig und ränkesüchtig um Anhänger
wirbt — einer solchen Lehre, kann ich mein Herz nicht öffnen.
Jch verlasse Dich jetzt, damit Du nachdenken kannst; ja, Wlaska,
ich nehme den festen Glauben mit mir, daß Du mehr Vertrauen
zu Deinem Manne hegst, als zu jenen Gleißnern, die als Wölfe
in Schafskleidern uns zu verlocken suchen. Wahre das Haus,
und empfange mich bei meiner Rückkehr als eine Gattin, deren
Liebe selbst die schlauesten Ränke nicht zu erschüttern vermögen.
Dann wird der Segen bei uns wieder einkehren, dann können
wir mit Zuversicht einer glücklichen Zukunft entgegensehen. Wlaska,
sorge, daß ich mich in Dir nicht täusche!
Jano trat seiner regungslosen Gattin näher, küßte ihr, die
es schweigend duldete, die Stirn und verließ hastig das Zimmer.
Draußen schwang er sich auf das Roß und sprengte aus dem
Thore der Stadt, um seinen gefahrvollen Auftrag auszuführen
( Schluß folgt. )
Der Kulihandel.
Herr von Holtzendorf hat eine höchst interessante Schilderung
über diesen Schandflecken des neunzehnten Jahrhunderts gebracht,
der wir folgende Scizze entnehmen:
Meimen wir nicht, der Sclaverei sei mit dem Siege der
nordamerikanischen Union endlich ihre Grabesstätte bereitet wor-
den? Kaum verschwindet an den Gestaden des atlantischen
Oceans der Negerhandel, da verpestet die Ufer des stillen Meeres
der nichtswürdigste Menschenschacher. Wir sind Zeuge eines
Rückfalles in die Sclaverei, deren Opfer der asiatische Kuli ist.
Das Aufkommen des Kulihandels steht mit der Abschaffung
der Negersclaverei in einem unläugbaren Zusammenhange. Sobald
die afrikanische Bezugsquelle spärlicher floß, wendete der Scharf-
blick des menschlichen Eigennutzes sich anderen Himmelsgegenden
zu. Spanische Ansiedler des sechszehnten Jahrhunderts waren
die ersten, welche Negersclaven nach ihren indischen Besitzungen
brachten. Republikanische Abkömmlinge dieser Spanier in Peru
waren auch die ersten, welche Kuli's ( das heißt Handarbeiter nie-
deren Ranges ) nach dem östlichen Gestade des stillen Oceans
schleppten. Aeußerlich wirkten hierbei zwei Thatsachen zusammen:
die im Anfange des vierten Jahrzehntes dieses Jahrhunderts erfolgte
Freigebung der bis dahin gehemmten chinesischen Auswanderung
und die Abschaffung der Negersclaverei in Peru unter Castilla's
Präsidentschaft. Allmählich verbreitete sich, einer Seuche gleich,
das von Peru gegebene Beispiel über andere tropische und sub-
tropische Länder, insbesondere die Antillen, Centralamerika,
Guyana, Australien. Unter dem Namen der Auswanderung
chinesischer Arbeiter auf Grund von Passagevorschuß und Dienst-
vertrag bildete sich nach und nach ein in allen Einzelnheiten sorg-
fältig ausgebildetes System des Menschenfanges, bei welchem alle
Erfahrungen der geschicktesten kaufmännischen Technik und des
Rhedereigewerbes mit Betrug, Hinterlist, Gewaltthätigkeit, Raub
und Mord so innig zusammengewoben sind, daß die Opfer der
Gewinnsucht gleichsam in den Schlingen der Gesetzesparagraphen
selbst erdrosselt werden.
Das Verfahren in der Hauptsache ist bekannt. Der wichtigste
Stapelplatz für den Handel mit frischem Menschenfleische ist die
an der Mündung des Cantonflusses gelegene altportugiesische Be-
sitzung von Macao, der Freihafen aller denkbaren Nichtswürdig-
keiten. Seit 1847, wo die ersten Auswanderungsschiffe von dort
ausliefen, ist das Geschäft in fortwährendem Aufblühen zu kaum
glaublicher Ausdehnung emporgeschwollen. Das alte Muster des
Auswanderungs=Contractes war in der Kürze dieses: freie Ueber-
fahrt nach den amerikanischen Arbeitsmärkten; als Gegenleistung
die Verpflichtung, 8 Jahre lang gegen einen geringen Lohn
( monatlich nicht ganz 6 Thaler ) zu arbeiten; Ueberlassung der
Auswanderer nach der Ankunft in Amerika an den Meistbietenden.
Mit anderen Worten: der Auswanderer verpflichtet sich nicht einem
bestimmten Herrn und Arbeitgeber, sondern degradirt sich selbst
in allen Formen eines Vertrages zu einer Sache, die auf den
Markt gebracht und etwa wie ein Ballen Rinderhäute, je nach
der Conjunktur, theurer oder billiger versteigert wird. Das
schlimmste Schicksal traf Diejenigen, welche auf den peruviani-
schen Chinchas=Jnseln mit der Gewinnung des Guano zu Tode
gepeinigt wurden. Bereis 1860 rechnete man, daß von 4000 auf
den ____________Guano=Jnseln gelandeten Arbeitern nicht ein einziger am
Leben geblieben war.
Je weniger das Schicksal chinesischer Auswanderer in der
Gegenwart verborgen bleibt, je weniger es zur Nachahmung im
Reiche der Mitte ermuthigen konnte, desto planmäßiger mußten
die Mittel des Menschenfanges in Macao ausgebildet werden.
Der Reihe nach entstanden jene zahlreichen „Barrakuns“ oder
Sclaven=Depots, in denen die chinesischen Kuli's in der Zwischen-
zeit zwischen ihrer Anwerbung und ihrer Einschiffung wie in
einer Vorrathskammer aufgespeichert wurden. Sobald der Kuli
das sorgfältig bewachte und vergitterte Eingangsthor passirt hat,
öffnet es sich nur noch einmal für ihn, wenn er an Bord des
Schiffes in die Heerde seiner Leidensgefährten getrieben wird.
Nach allen Regeln anderer Arbeitstheilung betrieben, zerfällt der
Kulihandel in mehrere eng ineinander greifende Geschäftszweige.
Der erste in der Reihe der Gauner ist der chinesische Auswande-
rungs=Agent, welcher seine Kopfgelder für jedes „Stück“ empfängt.
Unter ihm arbeiten, von ihm angewiesen und angelernt, Men-
schen, die man den Abschaum der chinesischen Betrüger nennen
kann. Sie benutzen in öffentlichen Lokalen die Uebereilung des
verzweifelnden Glückspielers, den sie zur Rettung des Verlorenen
anspornen, seinen Leib gegen eine Summe Geldes auszuwürfeln.
Der Leichtsinnige, der von ihnen zur Ausschweifung und zum
Trunke verlockt wurde, bezahlt die Schulden einer einzigen Nacht
mit der Unterschrift, die ihm seine Freiheit, sein Leben kosten
wird. Nichts ahnende Handwerker oder Bauern werden unter
betrügerischen Vorspiegelungen eingefangen, öfter auch durch unter-
nehmende Seeräuberzüge geraubt und fortgeschleppt. Niemand
in den südchinesischen Küstengegenden ist gegen solche Gewaltthat
geschützt. Selbst der Verrath spielt seine Rolle, indem er per-
sönliche Feinde dem Menschenhändler überliefert. Alle diese
Frevelthaten, obwohl in jenem Himmelsstriche weltbekannt, ge-
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