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Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 59
[Beginn Spaltensatz]

-- Noch einen Augenblick.. was willst Du thun?

-- Das Licht ausblasen.

-- So meine ich es nicht..

Und Olaf, der seinen Schnurrbart strich, warf seinen Leuten
nochmals einen ironischen Blick zu.

-- Herr, wie soll ich mein Licht auslöschen?

-- Laß es zwischen Deinen Knieen ausbrennen.

Die Krieger lachten laut auf, als sie diesen komischen Ein-
fall des Ritters hörten. Der alte Leibeigene zitterte an allen
Gliedern, sah den Ritter flehendlich an und flüsterte:

-- Herr, meine Kniee sind blos, und die Flamme ist heiß.

-- Aber dummes Vieh, glaubst Du denn, ich würde Dir
befehlen, das Licht zwischen Deinen Knieen auszulöschen, wenn
sie mit Eisen bedeckt wären?

-- Herr, mein guter Herr.. es wäre für mich ein großer
Schmerz; habe Erbarmen und lege mir diese Pein nicht auf.

-- Ach was, Deine Kniee sind ja nichts als Knochen.

Und wieder lachte die ganze Gesellschaft wiehernd.

-- Ja wohl, ich habe nur Haut und Knochen, sagte der
Alte, indem er auch zu lächeln versuchte, um seinen Herrn mit-
leidig zu stimmen. Jch bin sehr ärmlich, verschone mich also mit
diesem Leid, mein guter Herr..

-- Wenn Du nicht augenblicklich das Licht zwischen Deinen
Knieen ausbrennen läßt, lasse ich Dich von meinen Leuten packen
und lösche die Kerze selbst in Deinem Rachen aus.. Wähle
nun und auf der Stelle..

Ein neues lautes Gelächter bewies dem alten Leibeigenen,
daß er von dem Ritter keine Gnade zu erwarten habe. Er sah
weinend auf seine zitternden gekrümmten Beine und sprach in
letzter Hoffnung bittend zu dem Geistlichen:

-- Mein guter Vater in Gott, im Namen der Menschen-
liebe, verwende Dich bei meinem Herrn, dem Ritter.

-- Herr, ich bitte für diesen alten Mann um Gnade.

-- Pfaff, gehört dieser Leibeigene mir oder nicht?

-- Er ist Dein, edeler Herr.

-- Kann ich über den Leibeigenen verfügen, wie ich will und
ihn strafen, wie es mir gefällt?

-- Das ist Dein Recht, edeler Herr.

-- So lasse er schnell das Licht zwischen seinen Knieen aus-
brennen, sonst, ich schwöre es bei dem großen St. Martin, lösche
ich es ihm im Rachen aus.

-- Mein guter Vater in Gott, bitte nochmals für mich.

-- Mein lieber Sohn, man muß sich mit Ergebung in die
Leiden fügen, die uns der Himmel sendet.

-- Wirst Du nun ein Ende machen? schrie der Ritter,
indem er mit dem großen Knüppel auf den Tisch schlug..
Genug der Worte! Entweder an den Knieen oder im Rachen
ausgelöscht! Du zögerst? Auf, packt ihn!

-- Nein, nein mein Herr, ich gehorche schon.

Und es war ein sehr komischer Auftritt für die Krieger. Der
arme Leibeigene, der noch immer weinte, hielt zuerst die bren-
nende Kerze an seine schlotternden Kniee, aber sobald die Flamme
sie berührte, zog er sie rasch zurück; indeß der Ritter, der so stark
gelacht, daß ihm der von Speisen und Wein gefüllte Bauch
wackelte, lachte nicht mehr und schlug mit dem Knüppel mit
schrecklicher Miene nochmals auf den Tisch. Der Leibeigene hielt
von neuem mit zitternder Hand die Kerze an seine Kniee und
wollte mit einemmale der Qual ein Ende machen; er bog die
Kniee etwas auseinander und drückte sie dann zweimal krampfhaft
zusammen, um die Kerze zwischen den Knieen zu zerdrücken und
die Flamme so zu verlöschen, was ihm zwar gelang, aber nur mit
einem Schmerze, der so stark war, daß der alte Mann fast be-
sinnungslos auf den Rücken fiel.

[Spaltenumbruch]

-- Das riecht wie ein gebratener Hund, sagte der Ritter schno-
bernd, und als käme ihm plötzlich ein lustiger Gedanke, fuhr er
fort: meine Tapferen, das Burgverließ ist, wie ich glaube, reich-
lich versehen. Wir haben darin den Landstreicher Siegfried und
den Eremiten, die beide wohl so ziemlich von ihren Wunden
geheilt sein werden; auch meine noch nicht geheilte kleine blonde
Leibeigene, die mir leid thut, denn sie ist wirklich reizend gewor-
den. Wir haben die schöne Nonne, die zwar nicht verwundet,
aber ein Teufelsweib ist. Jch möchte sie zu meiner Beischläferin
machen, aber der Pfaff sagt, wenn ich eine Nonne nähme, könne
es gefährlich für mein Seelenheil sein.

-- Was willst Du mit den verfluchten Landstreichern, mit der
kleinen Leibeigenen und der schlauen Hexe, der Nonne, thun, die
nach dem Kampfe hierher gebracht wurden? fragte einer der An-
wesenden.

-- Habt Jhr damals gesehen, wie mein Gönner, der
Bischof Woldemar, auf den Flügeln der Engel vom Himmel
herabstieg?

-- Wir haben es gesehen, Pfaff, oder doch beinahe.

-- Und das große Wunder hat uns alle mit Staunen und
Bewunderung erfüllt.

-- Habt Jhr auch die Strahlenkrone bemerkt, die das Haupt
meines Gönners umgab, als er aus dem Paradiese zurückkam?
Einige haben sie gesehen und sagen, sie habe ihre Augen geblendet.

-- Jch und mein Freund Snorre haben etwas Aehnliches
gesehen.

-- Jene Landstreicher sind, mit mehreren ihrer Kameraden,
die in dem Verließ seitdem gestorben, weil sie zu schwer verwundet
waren, hierhergebracht.

-- Nach Schleswig müssen sie bald gebracht werden, um
dort gerichtet und hingerichtet zu werden. Sie sind jetzt im
Stande, die Reise und die Folter auszuhalten.

-- Willst Du, Ritter, daß sie hier gerichtet werden und
nicht in Schleswig?

-- Nein, in Schleswig sollen sie gerichtet werden; der
Bischof Woldemar verlangt dabei zu sein. Bei meinen Vorfahren,
die Landstreicher und die beiden Hexen sollen schreckliche Qualen
erleiden, aber darum handelt es sich jetzt nicht. Jch meinte, wir
hätten in dem Verließ einen meiner Hausdiener, der vom Küchen-
knechte des Diebstahls beschuldigt ist; dieser behauptet den Dieb-
stahl, jener läugnet; wer von beiden lügt? Wenn wir nun, um
die Wahrheit zu erfahren, ehe wir uns niederlegten, die beiden
dem Gottesgericht, der Wasser= und Feuerprobe, unterzögen, wie
es unser Gesetz vorschreibt?

-- Du hast Recht, Ritter. Nach dem Trinken ist diese Unter-
haltung so gut wie jede andere.



Das Gericht ist versammelt; der Ritter führt auf seinem
Stuhle den Vorsitz dieses Maals, und sieben seiner Mannen
vertreten die Stelle der Beisitzer. Die kerzenhaltenden Leib-
eigenen stehen hinter den Richtern. Der Saal ist hell erleuchtet,
und nur der Hintergrund desselben, in welchem sich Krieger be-
finden, bleibt in einem gewissen Halbdunkel, in welchem von
Zeit zu Zeit rothe Lichter von einem großen Kohlenfeuer auf-
leuchten, das der Schmied der Burg anschürt. Jn der Gluth
röthen sich neun Pflugscharen. Dem Ofen gegenüber, mit dem
Boden gleich, steht die große mit Wasser gefüllte Kufe. Vor
dem Gerichtssitze steht gebunden der angeklagte Leibeigene, der
noch sehr jung ist und die Richter mit Schrecken ansieht. Der
Ankläger dagegen, ein Mann von reifem Alter, betrachtet den
Gerichtshof mit vertrauensvoller Zuversicht. Um jene düster-
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 59
[Beginn Spaltensatz]

— Noch einen Augenblick.. was willst Du thun?

— Das Licht ausblasen.

— So meine ich es nicht..

Und Olaf, der seinen Schnurrbart strich, warf seinen Leuten
nochmals einen ironischen Blick zu.

— Herr, wie soll ich mein Licht auslöschen?

— Laß es zwischen Deinen Knieen ausbrennen.

Die Krieger lachten laut auf, als sie diesen komischen Ein-
fall des Ritters hörten. Der alte Leibeigene zitterte an allen
Gliedern, sah den Ritter flehendlich an und flüsterte:

— Herr, meine Kniee sind blos, und die Flamme ist heiß.

— Aber dummes Vieh, glaubst Du denn, ich würde Dir
befehlen, das Licht zwischen Deinen Knieen auszulöschen, wenn
sie mit Eisen bedeckt wären?

— Herr, mein guter Herr.. es wäre für mich ein großer
Schmerz; habe Erbarmen und lege mir diese Pein nicht auf.

— Ach was, Deine Kniee sind ja nichts als Knochen.

Und wieder lachte die ganze Gesellschaft wiehernd.

— Ja wohl, ich habe nur Haut und Knochen, sagte der
Alte, indem er auch zu lächeln versuchte, um seinen Herrn mit-
leidig zu stimmen. Jch bin sehr ärmlich, verschone mich also mit
diesem Leid, mein guter Herr..

— Wenn Du nicht augenblicklich das Licht zwischen Deinen
Knieen ausbrennen läßt, lasse ich Dich von meinen Leuten packen
und lösche die Kerze selbst in Deinem Rachen aus.. Wähle
nun und auf der Stelle..

Ein neues lautes Gelächter bewies dem alten Leibeigenen,
daß er von dem Ritter keine Gnade zu erwarten habe. Er sah
weinend auf seine zitternden gekrümmten Beine und sprach in
letzter Hoffnung bittend zu dem Geistlichen:

— Mein guter Vater in Gott, im Namen der Menschen-
liebe, verwende Dich bei meinem Herrn, dem Ritter.

— Herr, ich bitte für diesen alten Mann um Gnade.

— Pfaff, gehört dieser Leibeigene mir oder nicht?

— Er ist Dein, edeler Herr.

— Kann ich über den Leibeigenen verfügen, wie ich will und
ihn strafen, wie es mir gefällt?

— Das ist Dein Recht, edeler Herr.

— So lasse er schnell das Licht zwischen seinen Knieen aus-
brennen, sonst, ich schwöre es bei dem großen St. Martin, lösche
ich es ihm im Rachen aus.

— Mein guter Vater in Gott, bitte nochmals für mich.

— Mein lieber Sohn, man muß sich mit Ergebung in die
Leiden fügen, die uns der Himmel sendet.

— Wirst Du nun ein Ende machen? schrie der Ritter,
indem er mit dem großen Knüppel auf den Tisch schlug..
Genug der Worte! Entweder an den Knieen oder im Rachen
ausgelöscht! Du zögerst? Auf, packt ihn!

— Nein, nein mein Herr, ich gehorche schon.

Und es war ein sehr komischer Auftritt für die Krieger. Der
arme Leibeigene, der noch immer weinte, hielt zuerst die bren-
nende Kerze an seine schlotternden Kniee, aber sobald die Flamme
sie berührte, zog er sie rasch zurück; indeß der Ritter, der so stark
gelacht, daß ihm der von Speisen und Wein gefüllte Bauch
wackelte, lachte nicht mehr und schlug mit dem Knüppel mit
schrecklicher Miene nochmals auf den Tisch. Der Leibeigene hielt
von neuem mit zitternder Hand die Kerze an seine Kniee und
wollte mit einemmale der Qual ein Ende machen; er bog die
Kniee etwas auseinander und drückte sie dann zweimal krampfhaft
zusammen, um die Kerze zwischen den Knieen zu zerdrücken und
die Flamme so zu verlöschen, was ihm zwar gelang, aber nur mit
einem Schmerze, der so stark war, daß der alte Mann fast be-
sinnungslos auf den Rücken fiel.

[Spaltenumbruch]

— Das riecht wie ein gebratener Hund, sagte der Ritter schno-
bernd, und als käme ihm plötzlich ein lustiger Gedanke, fuhr er
fort: meine Tapferen, das Burgverließ ist, wie ich glaube, reich-
lich versehen. Wir haben darin den Landstreicher Siegfried und
den Eremiten, die beide wohl so ziemlich von ihren Wunden
geheilt sein werden; auch meine noch nicht geheilte kleine blonde
Leibeigene, die mir leid thut, denn sie ist wirklich reizend gewor-
den. Wir haben die schöne Nonne, die zwar nicht verwundet,
aber ein Teufelsweib ist. Jch möchte sie zu meiner Beischläferin
machen, aber der Pfaff sagt, wenn ich eine Nonne nähme, könne
es gefährlich für mein Seelenheil sein.

— Was willst Du mit den verfluchten Landstreichern, mit der
kleinen Leibeigenen und der schlauen Hexe, der Nonne, thun, die
nach dem Kampfe hierher gebracht wurden? fragte einer der An-
wesenden.

— Habt Jhr damals gesehen, wie mein Gönner, der
Bischof Woldemar, auf den Flügeln der Engel vom Himmel
herabstieg?

— Wir haben es gesehen, Pfaff, oder doch beinahe.

— Und das große Wunder hat uns alle mit Staunen und
Bewunderung erfüllt.

— Habt Jhr auch die Strahlenkrone bemerkt, die das Haupt
meines Gönners umgab, als er aus dem Paradiese zurückkam?
Einige haben sie gesehen und sagen, sie habe ihre Augen geblendet.

— Jch und mein Freund Snorre haben etwas Aehnliches
gesehen.

— Jene Landstreicher sind, mit mehreren ihrer Kameraden,
die in dem Verließ seitdem gestorben, weil sie zu schwer verwundet
waren, hierhergebracht.

— Nach Schleswig müssen sie bald gebracht werden, um
dort gerichtet und hingerichtet zu werden. Sie sind jetzt im
Stande, die Reise und die Folter auszuhalten.

— Willst Du, Ritter, daß sie hier gerichtet werden und
nicht in Schleswig?

— Nein, in Schleswig sollen sie gerichtet werden; der
Bischof Woldemar verlangt dabei zu sein. Bei meinen Vorfahren,
die Landstreicher und die beiden Hexen sollen schreckliche Qualen
erleiden, aber darum handelt es sich jetzt nicht. Jch meinte, wir
hätten in dem Verließ einen meiner Hausdiener, der vom Küchen-
knechte des Diebstahls beschuldigt ist; dieser behauptet den Dieb-
stahl, jener läugnet; wer von beiden lügt? Wenn wir nun, um
die Wahrheit zu erfahren, ehe wir uns niederlegten, die beiden
dem Gottesgericht, der Wasser= und Feuerprobe, unterzögen, wie
es unser Gesetz vorschreibt?

— Du hast Recht, Ritter. Nach dem Trinken ist diese Unter-
haltung so gut wie jede andere.



Das Gericht ist versammelt; der Ritter führt auf seinem
Stuhle den Vorsitz dieses Maals, und sieben seiner Mannen
vertreten die Stelle der Beisitzer. Die kerzenhaltenden Leib-
eigenen stehen hinter den Richtern. Der Saal ist hell erleuchtet,
und nur der Hintergrund desselben, in welchem sich Krieger be-
finden, bleibt in einem gewissen Halbdunkel, in welchem von
Zeit zu Zeit rothe Lichter von einem großen Kohlenfeuer auf-
leuchten, das der Schmied der Burg anschürt. Jn der Gluth
röthen sich neun Pflugscharen. Dem Ofen gegenüber, mit dem
Boden gleich, steht die große mit Wasser gefüllte Kufe. Vor
dem Gerichtssitze steht gebunden der angeklagte Leibeigene, der
noch sehr jung ist und die Richter mit Schrecken ansieht. Der
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Er sah weinend auf seine zitternden gekrümmten Beine und sprach in letzter Hoffnung bittend zu dem Geistlichen: — Mein guter Vater in Gott, im Namen der Menschen- liebe, verwende Dich bei meinem Herrn, dem Ritter. — Herr, ich bitte für diesen alten Mann um Gnade. — Pfaff, gehört dieser Leibeigene mir oder nicht? — Er ist Dein, edeler Herr. — Kann ich über den Leibeigenen verfügen, wie ich will und ihn strafen, wie es mir gefällt? — Das ist Dein Recht, edeler Herr. — So lasse er schnell das Licht zwischen seinen Knieen aus- brennen, sonst, ich schwöre es bei dem großen St. Martin, lösche ich es ihm im Rachen aus. — Mein guter Vater in Gott, bitte nochmals für mich. — Mein lieber Sohn, man muß sich mit Ergebung in die Leiden fügen, die uns der Himmel sendet. — Wirst Du nun ein Ende machen? schrie der Ritter, indem er mit dem großen Knüppel auf den Tisch schlug.. Genug der Worte! Entweder an den Knieen oder im Rachen ausgelöscht! Du zögerst? Auf, packt ihn! — Nein, nein mein Herr, ich gehorche schon. Und es war ein sehr komischer Auftritt für die Krieger. Der arme Leibeigene, der noch immer weinte, hielt zuerst die bren- nende Kerze an seine schlotternden Kniee, aber sobald die Flamme sie berührte, zog er sie rasch zurück; indeß der Ritter, der so stark gelacht, daß ihm der von Speisen und Wein gefüllte Bauch wackelte, lachte nicht mehr und schlug mit dem Knüppel mit schrecklicher Miene nochmals auf den Tisch. Der Leibeigene hielt von neuem mit zitternder Hand die Kerze an seine Kniee und wollte mit einemmale der Qual ein Ende machen; er bog die Kniee etwas auseinander und drückte sie dann zweimal krampfhaft zusammen, um die Kerze zwischen den Knieen zu zerdrücken und die Flamme so zu verlöschen, was ihm zwar gelang, aber nur mit einem Schmerze, der so stark war, daß der alte Mann fast be- sinnungslos auf den Rücken fiel. — Das riecht wie ein gebratener Hund, sagte der Ritter schno- bernd, und als käme ihm plötzlich ein lustiger Gedanke, fuhr er fort: meine Tapferen, das Burgverließ ist, wie ich glaube, reich- lich versehen. Wir haben darin den Landstreicher Siegfried und den Eremiten, die beide wohl so ziemlich von ihren Wunden geheilt sein werden; auch meine noch nicht geheilte kleine blonde Leibeigene, die mir leid thut, denn sie ist wirklich reizend gewor- den. Wir haben die schöne Nonne, die zwar nicht verwundet, aber ein Teufelsweib ist. Jch möchte sie zu meiner Beischläferin machen, aber der Pfaff sagt, wenn ich eine Nonne nähme, könne es gefährlich für mein Seelenheil sein. — Was willst Du mit den verfluchten Landstreichern, mit der kleinen Leibeigenen und der schlauen Hexe, der Nonne, thun, die nach dem Kampfe hierher gebracht wurden? fragte einer der An- wesenden. — Habt Jhr damals gesehen, wie mein Gönner, der Bischof Woldemar, auf den Flügeln der Engel vom Himmel herabstieg? — Wir haben es gesehen, Pfaff, oder doch beinahe. — Und das große Wunder hat uns alle mit Staunen und Bewunderung erfüllt. — Habt Jhr auch die Strahlenkrone bemerkt, die das Haupt meines Gönners umgab, als er aus dem Paradiese zurückkam? Einige haben sie gesehen und sagen, sie habe ihre Augen geblendet. — Jch und mein Freund Snorre haben etwas Aehnliches gesehen. — Jene Landstreicher sind, mit mehreren ihrer Kameraden, die in dem Verließ seitdem gestorben, weil sie zu schwer verwundet waren, hierhergebracht. — Nach Schleswig müssen sie bald gebracht werden, um dort gerichtet und hingerichtet zu werden. Sie sind jetzt im Stande, die Reise und die Folter auszuhalten. — Willst Du, Ritter, daß sie hier gerichtet werden und nicht in Schleswig? — Nein, in Schleswig sollen sie gerichtet werden; der Bischof Woldemar verlangt dabei zu sein. Bei meinen Vorfahren, die Landstreicher und die beiden Hexen sollen schreckliche Qualen erleiden, aber darum handelt es sich jetzt nicht. Jch meinte, wir hätten in dem Verließ einen meiner Hausdiener, der vom Küchen- knechte des Diebstahls beschuldigt ist; dieser behauptet den Dieb- stahl, jener läugnet; wer von beiden lügt? Wenn wir nun, um die Wahrheit zu erfahren, ehe wir uns niederlegten, die beiden dem Gottesgericht, der Wasser= und Feuerprobe, unterzögen, wie es unser Gesetz vorschreibt? — Du hast Recht, Ritter. Nach dem Trinken ist diese Unter- haltung so gut wie jede andere. Das Gericht ist versammelt; der Ritter führt auf seinem Stuhle den Vorsitz dieses Maals, und sieben seiner Mannen vertreten die Stelle der Beisitzer. Die kerzenhaltenden Leib- eigenen stehen hinter den Richtern. Der Saal ist hell erleuchtet, und nur der Hintergrund desselben, in welchem sich Krieger be- finden, bleibt in einem gewissen Halbdunkel, in welchem von Zeit zu Zeit rothe Lichter von einem großen Kohlenfeuer auf- leuchten, das der Schmied der Burg anschürt. Jn der Gluth röthen sich neun Pflugscharen. Dem Ofen gegenüber, mit dem Boden gleich, steht die große mit Wasser gefüllte Kufe. Vor dem Gerichtssitze steht gebunden der angeklagte Leibeigene, der noch sehr jung ist und die Richter mit Schrecken ansieht. Der Ankläger dagegen, ein Mann von reifem Alter, betrachtet den Gerichtshof mit vertrauensvoller Zuversicht. Um jene düster-

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 3. Lieferung. Berlin, 6. März 1873, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social03_1873/11>, abgerufen am 02.06.2024.