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Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873.

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4. Lieferung.Berlin, 9. April 1873.1. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


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Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring, Dresdener-
straße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Herausgegeben und redigirt
von
W. Hasenclever und W. Hasselmann.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig in Zwischenräumen
von 32 Tagen und kosten pro Quartal
7 1 / 2 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


[Beginn Spaltensatz]
Der Staat und die Gesellschaft.

Der Staat bildet die Gemeinschaft der Personen,
welche auf einem bestimmt abgegrenzten Terrain wohnen
und durch gleiche Sitten und Gebräuche und gleiche Sprache
verbunden sind. Diese Personen geben sich die Gesetze,
nach welchen ihre Verhältnisse zu einander geregelt werden.

Da nun aber die Staaten meist schon älteren Datums
sind, so hat das heutige Geschlecht die Gesetze und die Re-
geln, das erwählte Oberhaupt oder dasjenige, welches sich
mit Gewalt aufgedrängt hatte, überhaupt die Staatsform
übernehmen müssen und kann nur an derselben ändern und
flicken, soweit die Gesammtheit den einzelnen, durch die
Tradition festgestellten Gewalten gegenüber Macht erhält,
resp. diese sich erzwingt.

Daß aber bei der Bildung der Staaten die Machtver-
hältnisse die bestimmenden Faktoren der Staatsform so-
wohl, als der Staatseinrichtungen sind, das liegt wohl auf
der Hand. Und so ist auch die Erscheinung zu erklären,
daß einzelne Staaten sofort die Formen eines absoluten
Königthums annahmen, während andere in der Nähe lie-
gende Staaten die republikanische Form zuerst erhielten.
Jn dem einen war bei der Staatenbildung ein körperlich
und geistig über die Masse hervorragender Mensch die Ur-
sache des absoluten Staates, in dem anderen herrschte grö-
ßere Gleichheit in Kraft und Wissen unter den Staatsan-
gehörigen, so daß hiernach auch die Form des Staates
gewählt wurde, welche zwar später in den meisten Fällen
durch das Emporschwingen einzelner Egoisten oder durch
die Berührung mit den Nachbarstaaten verloren ging.

Wenn nun bei der Bildung der Staaten die Macht
die Entscheidung auf Form und Wesen derselben ausübte,
so ist ganz dasselbe der Fall bei der weiteren Entwicklung
der Staaten.

[Spaltenumbruch]

Jn denjenigen Staaten hielt sich der Absolutismus
länger, wo es dem Einzelnen nicht vergönnt war, sich Reich-
thümer anzusammeln, besonders in Form von Grund und
Boden; also bei den Nomadenvölkern. Hier konnte sich
keine Kaste bilden, die ihren Willen dem Absolutismus ent-
gegensetzte. Jn einem solchen Staate ernannte der absolute
Herr seine Feldherren und Offiziere, deren jeder seine beson-
deren Funktionen hatte, aber vollständig abhängig von
dem Willen des Herrschers war. Es entstanden in diesen
Staaten allerdings hin und wieder Militärrevolutionen, sie
änderten aber an den Verhältnissen, an der Gesetzgebung
gewöhnlich nichts, sondern setzten einen anderen absoluten
Herrn an Stelle des Gestürzten. -- Zwar kann man bei
den Nomadenvölkern um dessentwillen nicht von einem
Staate in moderner Weise sprechen, da es bei ihnen an bestimm-
ten dauernden Staatsgrenzen fehlte; doch muß man sich
auch wiederum hüten, die Völker als fortwährend umher-
schweifende zu betrachten, da sie meist doch nur innerhalb
eines bestimmten Gebietes die Weideplätze vertauschten.

Jn einem Staate aber, der auf dem Ackerbau haupt-
sächlich beruhte, bildete sich bald eine Klasse Herren, die
Klasse der Besitzenden, im Alterthum die Aristokratie,
im Mittelalter der Adel und das Priesterthum.

Und diese besitzenden Klassen wußten es bald so weit
zu bringen durch die Macht der realen Verhältnisse, daß
der absolute König ihrem Willen gehorchte, daß die Rath-
geber, welche den König bestimmten, nur aus ihrer Klasse
ernannt wurden, daß sie, ohne einen bestimmten gesetzgeben-
den Körper zu bilden, dennoch die gesammte Staatsgesetz-
gebung in Händen hielten.

Wohl merkten dies Verhältniß die intelligenteren Herr-
scher, aber meistentheils mußten sie sich der Macht der
Großen beugen; und dort, wo Adel und Geistlichkeit zu-
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Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


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wird bei den Zeitungsspediteuren und
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Der Staat und die Gesellschaft.

Der Staat bildet die Gemeinschaft der Personen,
welche auf einem bestimmt abgegrenzten Terrain wohnen
und durch gleiche Sitten und Gebräuche und gleiche Sprache
verbunden sind. Diese Personen geben sich die Gesetze,
nach welchen ihre Verhältnisse zu einander geregelt werden.

Da nun aber die Staaten meist schon älteren Datums
sind, so hat das heutige Geschlecht die Gesetze und die Re-
geln, das erwählte Oberhaupt oder dasjenige, welches sich
mit Gewalt aufgedrängt hatte, überhaupt die Staatsform
übernehmen müssen und kann nur an derselben ändern und
flicken, soweit die Gesammtheit den einzelnen, durch die
Tradition festgestellten Gewalten gegenüber Macht erhält,
resp. diese sich erzwingt.

Daß aber bei der Bildung der Staaten die Machtver-
hältnisse die bestimmenden Faktoren der Staatsform so-
wohl, als der Staatseinrichtungen sind, das liegt wohl auf
der Hand. Und so ist auch die Erscheinung zu erklären,
daß einzelne Staaten sofort die Formen eines absoluten
Königthums annahmen, während andere in der Nähe lie-
gende Staaten die republikanische Form zuerst erhielten.
Jn dem einen war bei der Staatenbildung ein körperlich
und geistig über die Masse hervorragender Mensch die Ur-
sache des absoluten Staates, in dem anderen herrschte grö-
ßere Gleichheit in Kraft und Wissen unter den Staatsan-
gehörigen, so daß hiernach auch die Form des Staates
gewählt wurde, welche zwar später in den meisten Fällen
durch das Emporschwingen einzelner Egoisten oder durch
die Berührung mit den Nachbarstaaten verloren ging.

Wenn nun bei der Bildung der Staaten die Macht
die Entscheidung auf Form und Wesen derselben ausübte,
so ist ganz dasselbe der Fall bei der weiteren Entwicklung
der Staaten.

[Spaltenumbruch]

Jn denjenigen Staaten hielt sich der Absolutismus
länger, wo es dem Einzelnen nicht vergönnt war, sich Reich-
thümer anzusammeln, besonders in Form von Grund und
Boden; also bei den Nomadenvölkern. Hier konnte sich
keine Kaste bilden, die ihren Willen dem Absolutismus ent-
gegensetzte. Jn einem solchen Staate ernannte der absolute
Herr seine Feldherren und Offiziere, deren jeder seine beson-
deren Funktionen hatte, aber vollständig abhängig von
dem Willen des Herrschers war. Es entstanden in diesen
Staaten allerdings hin und wieder Militärrevolutionen, sie
änderten aber an den Verhältnissen, an der Gesetzgebung
gewöhnlich nichts, sondern setzten einen anderen absoluten
Herrn an Stelle des Gestürzten. — Zwar kann man bei
den Nomadenvölkern um dessentwillen nicht von einem
Staate in moderner Weise sprechen, da es bei ihnen an bestimm-
ten dauernden Staatsgrenzen fehlte; doch muß man sich
auch wiederum hüten, die Völker als fortwährend umher-
schweifende zu betrachten, da sie meist doch nur innerhalb
eines bestimmten Gebietes die Weideplätze vertauschten.

Jn einem Staate aber, der auf dem Ackerbau haupt-
sächlich beruhte, bildete sich bald eine Klasse Herren, die
Klasse der Besitzenden, im Alterthum die Aristokratie,
im Mittelalter der Adel und das Priesterthum.

Und diese besitzenden Klassen wußten es bald so weit
zu bringen durch die Macht der realen Verhältnisse, daß
der absolute König ihrem Willen gehorchte, daß die Rath-
geber, welche den König bestimmten, nur aus ihrer Klasse
ernannt wurden, daß sie, ohne einen bestimmten gesetzgeben-
den Körper zu bilden, dennoch die gesammte Staatsgesetz-
gebung in Händen hielten.

Wohl merkten dies Verhältniß die intelligenteren Herr-
scher, aber meistentheils mußten sie sich der Macht der
Großen beugen; und dort, wo Adel und Geistlichkeit zu-
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[[73]/0001] 4. Lieferung.Berlin, 9. April 1873.1. Jahrgang. Social-politische Blätter zur Unterhaltung u Belehrung für die deutschen Arbeiter Bestellungen nehmen alle Postanstalten an; in Berlin wird bei den Zeitungsspediteuren und dem Verleger, C. Jhring, Dresdener- straße 84, abonnirt. Herausgegeben und redigirt von W. Hasenclever und W. Hasselmann. Diese Blätter erscheinen regelmäßig in Zwischenräumen von 32 Tagen und kosten pro Quartal 7 1 / 2 Sgr. Der Staat und die Gesellschaft. Der Staat bildet die Gemeinschaft der Personen, welche auf einem bestimmt abgegrenzten Terrain wohnen und durch gleiche Sitten und Gebräuche und gleiche Sprache verbunden sind. Diese Personen geben sich die Gesetze, nach welchen ihre Verhältnisse zu einander geregelt werden. Da nun aber die Staaten meist schon älteren Datums sind, so hat das heutige Geschlecht die Gesetze und die Re- geln, das erwählte Oberhaupt oder dasjenige, welches sich mit Gewalt aufgedrängt hatte, überhaupt die Staatsform übernehmen müssen und kann nur an derselben ändern und flicken, soweit die Gesammtheit den einzelnen, durch die Tradition festgestellten Gewalten gegenüber Macht erhält, resp. diese sich erzwingt. Daß aber bei der Bildung der Staaten die Machtver- hältnisse die bestimmenden Faktoren der Staatsform so- wohl, als der Staatseinrichtungen sind, das liegt wohl auf der Hand. Und so ist auch die Erscheinung zu erklären, daß einzelne Staaten sofort die Formen eines absoluten Königthums annahmen, während andere in der Nähe lie- gende Staaten die republikanische Form zuerst erhielten. Jn dem einen war bei der Staatenbildung ein körperlich und geistig über die Masse hervorragender Mensch die Ur- sache des absoluten Staates, in dem anderen herrschte grö- ßere Gleichheit in Kraft und Wissen unter den Staatsan- gehörigen, so daß hiernach auch die Form des Staates gewählt wurde, welche zwar später in den meisten Fällen durch das Emporschwingen einzelner Egoisten oder durch die Berührung mit den Nachbarstaaten verloren ging. Wenn nun bei der Bildung der Staaten die Macht die Entscheidung auf Form und Wesen derselben ausübte, so ist ganz dasselbe der Fall bei der weiteren Entwicklung der Staaten. Jn denjenigen Staaten hielt sich der Absolutismus länger, wo es dem Einzelnen nicht vergönnt war, sich Reich- thümer anzusammeln, besonders in Form von Grund und Boden; also bei den Nomadenvölkern. Hier konnte sich keine Kaste bilden, die ihren Willen dem Absolutismus ent- gegensetzte. Jn einem solchen Staate ernannte der absolute Herr seine Feldherren und Offiziere, deren jeder seine beson- deren Funktionen hatte, aber vollständig abhängig von dem Willen des Herrschers war. Es entstanden in diesen Staaten allerdings hin und wieder Militärrevolutionen, sie änderten aber an den Verhältnissen, an der Gesetzgebung gewöhnlich nichts, sondern setzten einen anderen absoluten Herrn an Stelle des Gestürzten. — Zwar kann man bei den Nomadenvölkern um dessentwillen nicht von einem Staate in moderner Weise sprechen, da es bei ihnen an bestimm- ten dauernden Staatsgrenzen fehlte; doch muß man sich auch wiederum hüten, die Völker als fortwährend umher- schweifende zu betrachten, da sie meist doch nur innerhalb eines bestimmten Gebietes die Weideplätze vertauschten. Jn einem Staate aber, der auf dem Ackerbau haupt- sächlich beruhte, bildete sich bald eine Klasse Herren, die Klasse der Besitzenden, im Alterthum die Aristokratie, im Mittelalter der Adel und das Priesterthum. Und diese besitzenden Klassen wußten es bald so weit zu bringen durch die Macht der realen Verhältnisse, daß der absolute König ihrem Willen gehorchte, daß die Rath- geber, welche den König bestimmten, nur aus ihrer Klasse ernannt wurden, daß sie, ohne einen bestimmten gesetzgeben- den Körper zu bilden, dennoch die gesammte Staatsgesetz- gebung in Händen hielten. Wohl merkten dies Verhältniß die intelligenteren Herr- scher, aber meistentheils mußten sie sich der Macht der Großen beugen; und dort, wo Adel und Geistlichkeit zu-

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 4. Lieferung. Berlin, 9. April 1873, S. [73]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social04_1873/1>, abgerufen am 21.11.2024.