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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874.

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8. Lief. Nr. 2.Berlin, 8. August 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


[Beginn Spaltensatz]

Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


[Beginn Spaltensatz]
Der Staatsbegriff.

Der Staatsbegriff, den die Liberalen festhalten, unter-
scheidet sich wesentlich von dem Staatsbegriff, den die
Arbeiterklasse aufstellt.

Die Liberalen, in allen ihren Schattirungen, vom zahm-
sten Liberalismus bis zur äußersten bürgerlichen Demo-
kratie, fassen den Staat als blos abwehrende Macht auf.
Die Social=Demokratie ihrerseits will in dem Staat eine
schöpferische, aufbauende Macht haben.

Der Staat soll nicht blos Schlimmes verhindern, son-
dern auch Gutes schaffen.

Woraus erklärt sich denn der Staatsbegriff der Liberalen?

Die Liberalen, im Bewußtsein des Umstandes, daß sie
im Besitz des Capitals sind, und daß dieses ihnen in allen
socialen Beziehungen die Herrschaft sichert, trennen das
Politische vom Socialen, indem sie zwar den Fortschritt
auf ersterem Gebiet verlangen, zugleich aber im Socialen
jede ernstliche Verbesserung zu Gunsten der Unbemittelten
von sich weisen. Sie verlangen Freiheit auf dem politi-
schen Feld und innerhalb des bestehenden ökonomischen
Systems, innerhalb der bestehenden Produktionsweise, weil
sie wissen, daß das Kapital, welches mächtiger ist als die
kapitallose Arbeitskraft, die Arbeitskraft um so sicherer be-
herrscht, je freier es ist. Wenn man einem Bewaffneten
und einem Unbewaffneten gleichmäßig Freiheit giebt, so ist
sehr bald der Unbewaffnete thatsächlich unterjocht. Jm so-
cialen Kampf aber ist der Kapitalist der Bewaffnete, der
Arbeiter der Unbewaffnete. Die Freiheit kann nur dann
eine dauernde für Alle sein, wenn in den socialen Ver-
hältnissen eine gleichmäßige Grundlage für Alle besteht.
Jst aber eine Partei vorhanden, welche durch die Macht
[Spaltenumbruch] der thatsächlichen Verhältnisse, durch das in ihrem Besitz
befindliche Kapital, die große Masse des Volkes zwingen
kann, in ihrem Jnteresse statt im eigenen zu arbeiten, so ist
alle sogenannte Freiheit nur ein leerer Schein für das Volk.

Das Kapital nun steht sich gut bei dieser falschen
Freiheit. Daher die Forderung, daß der Staat in keiner
Weise schöpferisch und ordnend eingreife, sondern sich ledig-
lich abwehrend zu verhalten habe, das heißt, daß er sich
darauf beschränken müsse, etwaige Störungen der äußeren
Ordnung und Sicherheit, sei es, daß dieselben von außen
her von anderen Staaten kommen, sei es, daß dieselben
aus dem Jnnern des Staats herrühren, zu verhindern
oder gar zu beseitigen. Der Staat soll, wie Lassalle es
ausdrückt, nur Nachtwächterdienste thun. Die Staatsidee
der Liberalen ist eine Nachtwächter=Jdee.

Jm Gegensatze hierzu erkennt die Social=Demokratie,
daß nur dann allgemeine Volkswohlfahrt möglich ist, wenn
durch die vereinte, organisirte Kraft Aller, durch den Staat
diejenigen Grundlagen geschaffen und forterhalten werden,
welche nicht nur alle auf Gesetzen beruhende, sondern auch
alle thatsächliche Ausbeutung unmöglich machen, so daß die
politische und sociale Freiheit Jnhalt und Wirklichkeit be-
kommen. Demgemäß muß eine neue Grundlage der Pro-
duktion und somit aller socialen Veziehungen im Sinne der
Gleichberechtigung und der Gerechtigkeit geschaffen und er-
halten werden.

Dazu gehört eine organisatorische Thätigkeit des
Staates, also ein social=demokratischer Staat.

Der Staatsbegriff, den die Social=Demokratie auf-
stellt, ist also dieser: daß der Staat das positive plan-
mäßige Zusammenwirken Aller für Alle zu seiner Auf-
gabe habe.

[Ende Spaltensatz]

8. Lief. Nr. 2.Berlin, 8. August 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


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Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

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erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

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Der Staatsbegriff.

Der Staatsbegriff, den die Liberalen festhalten, unter-
scheidet sich wesentlich von dem Staatsbegriff, den die
Arbeiterklasse aufstellt.

Die Liberalen, in allen ihren Schattirungen, vom zahm-
sten Liberalismus bis zur äußersten bürgerlichen Demo-
kratie, fassen den Staat als blos abwehrende Macht auf.
Die Social=Demokratie ihrerseits will in dem Staat eine
schöpferische, aufbauende Macht haben.

Der Staat soll nicht blos Schlimmes verhindern, son-
dern auch Gutes schaffen.

Woraus erklärt sich denn der Staatsbegriff der Liberalen?

Die Liberalen, im Bewußtsein des Umstandes, daß sie
im Besitz des Capitals sind, und daß dieses ihnen in allen
socialen Beziehungen die Herrschaft sichert, trennen das
Politische vom Socialen, indem sie zwar den Fortschritt
auf ersterem Gebiet verlangen, zugleich aber im Socialen
jede ernstliche Verbesserung zu Gunsten der Unbemittelten
von sich weisen. Sie verlangen Freiheit auf dem politi-
schen Feld und innerhalb des bestehenden ökonomischen
Systems, innerhalb der bestehenden Produktionsweise, weil
sie wissen, daß das Kapital, welches mächtiger ist als die
kapitallose Arbeitskraft, die Arbeitskraft um so sicherer be-
herrscht, je freier es ist. Wenn man einem Bewaffneten
und einem Unbewaffneten gleichmäßig Freiheit giebt, so ist
sehr bald der Unbewaffnete thatsächlich unterjocht. Jm so-
cialen Kampf aber ist der Kapitalist der Bewaffnete, der
Arbeiter der Unbewaffnete. Die Freiheit kann nur dann
eine dauernde für Alle sein, wenn in den socialen Ver-
hältnissen eine gleichmäßige Grundlage für Alle besteht.
Jst aber eine Partei vorhanden, welche durch die Macht
[Spaltenumbruch] der thatsächlichen Verhältnisse, durch das in ihrem Besitz
befindliche Kapital, die große Masse des Volkes zwingen
kann, in ihrem Jnteresse statt im eigenen zu arbeiten, so ist
alle sogenannte Freiheit nur ein leerer Schein für das Volk.

Das Kapital nun steht sich gut bei dieser falschen
Freiheit. Daher die Forderung, daß der Staat in keiner
Weise schöpferisch und ordnend eingreife, sondern sich ledig-
lich abwehrend zu verhalten habe, das heißt, daß er sich
darauf beschränken müsse, etwaige Störungen der äußeren
Ordnung und Sicherheit, sei es, daß dieselben von außen
her von anderen Staaten kommen, sei es, daß dieselben
aus dem Jnnern des Staats herrühren, zu verhindern
oder gar zu beseitigen. Der Staat soll, wie Lassalle es
ausdrückt, nur Nachtwächterdienste thun. Die Staatsidee
der Liberalen ist eine Nachtwächter=Jdee.

Jm Gegensatze hierzu erkennt die Social=Demokratie,
daß nur dann allgemeine Volkswohlfahrt möglich ist, wenn
durch die vereinte, organisirte Kraft Aller, durch den Staat
diejenigen Grundlagen geschaffen und forterhalten werden,
welche nicht nur alle auf Gesetzen beruhende, sondern auch
alle thatsächliche Ausbeutung unmöglich machen, so daß die
politische und sociale Freiheit Jnhalt und Wirklichkeit be-
kommen. Demgemäß muß eine neue Grundlage der Pro-
duktion und somit aller socialen Veziehungen im Sinne der
Gleichberechtigung und der Gerechtigkeit geschaffen und er-
halten werden.

Dazu gehört eine organisatorische Thätigkeit des
Staates, also ein social=demokratischer Staat.

Der Staatsbegriff, den die Social=Demokratie auf-
stellt, ist also dieser: daß der Staat das positive plan-
mäßige Zusammenwirken Aller für Alle zu seiner Auf-
gabe habe.

[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874, S. [189]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0802_1874/1>, abgerufen am 21.11.2024.