Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 12. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 5. Dezember 1874.

Bild:
erste Seite
12. Lief. Nr. 1.Berlin, 5. December 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


[Beginn Spaltensatz]

Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


[Beginn Spaltensatz]
Christoph Columbus.
( Fortsetzung. )

Unter solchen Studien, Erfahrungen und Einflüssen
reifte nun jener folgenreiche Gedanke in Columbus, den er
schon 1474 an den Mathematiker Toscanelli in Florenz
schrieb, daß man nämlich nach Jndien ( Asien ) gelangen
müsse, wenn man gerade westlich steure, und daß dort noch
unbekanntes Land liege. Die bestimmtesten Nachrichten des
Alterthums sowohl als die westlich vom Meere angetriebe-
nen Bäume, ohne Eisen bearbeitete Hölzer, ja sogar zwei
der Race nach ganz abweichende Menschen, haben diese
Gedanken in Columbus genährt, weniger der allgemeine
Glaube, daß man von Madeira und anderen Jnseln weit
westlich bei klarem Himmel deutlich ein Gebirgsland
erkenne. Columbus hatte dies zwar oft und immer in
gleicher Gestalt selbst gesehen, aber richtig darin nur eine
optische Täuschung erkannt. Der eigentliche Grund seiner
Ahnung und seines späteren felsenfesten Glaubens lag aber
in der mathematischen Geographie. Diese war damals
noch in der Kindheit und lehrte, daß von den Azoren bis
zu den östlichen bekannten Orten Asiens ( Thinä ) zwei
Dritttheile des Erdumfangs wäre. Ferner war es herr-
schende Ansicht, daß Asien noch viel weiter nach Osten
hineinreiche, als bekannt war, daß seine östlichen Küsten
folglich bis nahe an die westlichen Afrika's und Europa's
hinanreichen müßten. Um so kleiner, meinte man, müsse
diese Distanz sein, je kleiner der Umfang der Erde über-
haupt wäre, denn dieser war damals noch nicht sicher be-
kannt. Zwei Jrrthümer also, die Meinung, daß die alte
Welt viel ausgedehnter, und der Erdumfang viel kleiner
sei, als beide wirklich sind, wurden Ursache der Entdeckung
Amerika's. Columbus schloß aus seinen Daten, er müsse
[Spaltenumbruch] westwärts Jndien, d. h. Asien, finden -- und er blieb bis
zu seinem Tode auch der Meinung, daß, was er gefunden,
Asien ( Jndien ) sei.

Hierzu kommt der Einfluß Marco Polo's. Dieser
merkwürdige Reisende kannte Jndien, China und Japan,
und schrieb im glanzvollsten Stil ein Reisewerk über jene
Länder, dessen wesentliche Nachrichten sich nachmals bestätig-
ten. Aber die Auffassung war poetisch übertrieben und
geeignet, die gespannteste Sehnsucht nach diesen städtereichen
Paradiesen zu erwecken. Columbus beruft sich viel auf
dieses Werk und suchte später in Westindien die gelobten
Länder Marco Polo's mit der sichersten Zuversicht.

Persönlicher Muth, abenteuerliches Jugendleben, glän-
zende Hoffnungen, glückliche Unternehmungen Anderer, der
Strom des Zeitgeistes, wissenschaftliche Ueberzeugung, er-
hitzte Phantasie, Alles vereinte sich in Columbus zu der
großen That, ja Alles, und dies Alles stand unter der
Oberhoheit des religiösen Glaubens, der ihn schwärmen
ließ für den Gedanken, das Christenthum in neue Länder
zu tragen und neue Völker dem "Heiland" zuzuführen; er
sah sich an als das "Werkzeug Gottes," durch welches die
Zeit näher gerückt würde, wo "alle Zungen bekennen, daß
Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters."

Jndessen war Columbus ohne Mittel für seinen Zweck
und die politischen Verhältnisse gestalteten sich ungünstig.
Da bestieg Johann II. 1481 den Thron und belebte die
Nautik wieder mit dem Geiste seines Onkels, des Prinzen
Heinrich. Seine Physiker und unter ihnen Behaim, der
berühmte Nürnberger, wurden aufgemuntert und ihr Be-
mühen hatte einen glänzenden Erfolg durch die Anwendung
des Astrolabiums auf die Seefahrt. Während man näm-
lich durch den Compaß wohl über die Himmelsgegenden
sich orientiren konnte, lernte man durch jenes Jnstrument,
das jetzt durch den Sextanten ersetzt ist, die Sonnenhöhe
[Ende Spaltensatz]

12. Lief. Nr. 1.Berlin, 5. December 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


[Beginn Spaltensatz]

Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


[Beginn Spaltensatz]
Christoph Columbus.
( Fortsetzung. )

Unter solchen Studien, Erfahrungen und Einflüssen
reifte nun jener folgenreiche Gedanke in Columbus, den er
schon 1474 an den Mathematiker Toscanelli in Florenz
schrieb, daß man nämlich nach Jndien ( Asien ) gelangen
müsse, wenn man gerade westlich steure, und daß dort noch
unbekanntes Land liege. Die bestimmtesten Nachrichten des
Alterthums sowohl als die westlich vom Meere angetriebe-
nen Bäume, ohne Eisen bearbeitete Hölzer, ja sogar zwei
der Race nach ganz abweichende Menschen, haben diese
Gedanken in Columbus genährt, weniger der allgemeine
Glaube, daß man von Madeira und anderen Jnseln weit
westlich bei klarem Himmel deutlich ein Gebirgsland
erkenne. Columbus hatte dies zwar oft und immer in
gleicher Gestalt selbst gesehen, aber richtig darin nur eine
optische Täuschung erkannt. Der eigentliche Grund seiner
Ahnung und seines späteren felsenfesten Glaubens lag aber
in der mathematischen Geographie. Diese war damals
noch in der Kindheit und lehrte, daß von den Azoren bis
zu den östlichen bekannten Orten Asiens ( Thinä ) zwei
Dritttheile des Erdumfangs wäre. Ferner war es herr-
schende Ansicht, daß Asien noch viel weiter nach Osten
hineinreiche, als bekannt war, daß seine östlichen Küsten
folglich bis nahe an die westlichen Afrika's und Europa's
hinanreichen müßten. Um so kleiner, meinte man, müsse
diese Distanz sein, je kleiner der Umfang der Erde über-
haupt wäre, denn dieser war damals noch nicht sicher be-
kannt. Zwei Jrrthümer also, die Meinung, daß die alte
Welt viel ausgedehnter, und der Erdumfang viel kleiner
sei, als beide wirklich sind, wurden Ursache der Entdeckung
Amerika's. Columbus schloß aus seinen Daten, er müsse
[Spaltenumbruch] westwärts Jndien, d. h. Asien, finden — und er blieb bis
zu seinem Tode auch der Meinung, daß, was er gefunden,
Asien ( Jndien ) sei.

Hierzu kommt der Einfluß Marco Polo's. Dieser
merkwürdige Reisende kannte Jndien, China und Japan,
und schrieb im glanzvollsten Stil ein Reisewerk über jene
Länder, dessen wesentliche Nachrichten sich nachmals bestätig-
ten. Aber die Auffassung war poetisch übertrieben und
geeignet, die gespannteste Sehnsucht nach diesen städtereichen
Paradiesen zu erwecken. Columbus beruft sich viel auf
dieses Werk und suchte später in Westindien die gelobten
Länder Marco Polo's mit der sichersten Zuversicht.

Persönlicher Muth, abenteuerliches Jugendleben, glän-
zende Hoffnungen, glückliche Unternehmungen Anderer, der
Strom des Zeitgeistes, wissenschaftliche Ueberzeugung, er-
hitzte Phantasie, Alles vereinte sich in Columbus zu der
großen That, ja Alles, und dies Alles stand unter der
Oberhoheit des religiösen Glaubens, der ihn schwärmen
ließ für den Gedanken, das Christenthum in neue Länder
zu tragen und neue Völker dem „Heiland“ zuzuführen; er
sah sich an als das „Werkzeug Gottes,“ durch welches die
Zeit näher gerückt würde, wo „alle Zungen bekennen, daß
Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters.“

Jndessen war Columbus ohne Mittel für seinen Zweck
und die politischen Verhältnisse gestalteten sich ungünstig.
Da bestieg Johann II. 1481 den Thron und belebte die
Nautik wieder mit dem Geiste seines Onkels, des Prinzen
Heinrich. Seine Physiker und unter ihnen Behaim, der
berühmte Nürnberger, wurden aufgemuntert und ihr Be-
mühen hatte einen glänzenden Erfolg durch die Anwendung
des Astrolabiums auf die Seefahrt. Während man näm-
lich durch den Compaß wohl über die Himmelsgegenden
sich orientiren konnte, lernte man durch jenes Jnstrument,
das jetzt durch den Sextanten ersetzt ist, die Sonnenhöhe
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001" n="[325]"/>
      <titlePage type="heading">
        <docImprint>12. Lief. Nr. 1.<docDate><hi rendition="#c">Berlin, 5. December 1874.</hi></docDate><hi rendition="#right">2. Jahrgang.</hi></docImprint><lb/>
        <docTitle>
          <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #fr #larger">Social-politische Blätter</hi><lb/> <hi rendition="#c #smaller">zur</hi><lb/> <hi rendition="#c #fr">Unterhaltung u Belehrung</hi><lb/> <hi rendition="#c #smaller">für</hi><lb/> <hi rendition="#c #fr">die deutschen Arbeiter</hi> </titlePart>
        </docTitle>
      </titlePage><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="start"/>
      <div type="jExpedition">
        <p>Bestellungen<lb/>
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin<lb/>
wird bei den Zeitungsspediteuren und<lb/>
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-<lb/>
denerstraße 84, abonnirt.</p>
      </div><lb/>
      <cb n="2"/>
      <div type="jEditorialStaff">
        <p> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Eigenthum der Lassalleaner</hi>.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <cb n="3"/>
      <div type="jExpedition">
        <p>Diese Blätter<lb/>
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend<lb/>
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-<lb/>
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-<lb/>
portage bezogen 4 Sgr.</p>
        <cb type="end"/>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </front>
    <body>
      <cb type="start"/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Christoph Columbus.</hi><lb/>
( Fortsetzung. )</head><lb/>
        <p>Unter solchen Studien, Erfahrungen und Einflüssen<lb/>
reifte nun jener folgenreiche Gedanke in Columbus, den er<lb/>
schon 1474 an den Mathematiker Toscanelli in Florenz<lb/>
schrieb, daß man nämlich nach Jndien ( Asien ) gelangen<lb/>
müsse, wenn man gerade westlich steure, und daß dort noch<lb/>
unbekanntes Land liege. Die bestimmtesten Nachrichten des<lb/>
Alterthums sowohl als die westlich vom Meere angetriebe-<lb/>
nen Bäume, ohne Eisen bearbeitete Hölzer, ja sogar zwei<lb/>
der Race nach ganz abweichende Menschen, haben diese<lb/>
Gedanken in Columbus genährt, weniger der allgemeine<lb/>
Glaube, daß man von Madeira und anderen Jnseln weit<lb/>
westlich bei klarem Himmel deutlich ein Gebirgsland<lb/>
erkenne. Columbus hatte dies zwar oft und immer in<lb/>
gleicher Gestalt selbst gesehen, aber richtig darin nur eine<lb/>
optische Täuschung erkannt. Der eigentliche Grund seiner<lb/>
Ahnung und seines späteren felsenfesten Glaubens lag aber<lb/>
in der mathematischen Geographie. Diese war damals<lb/>
noch in der Kindheit und lehrte, daß von den Azoren bis<lb/>
zu den östlichen bekannten Orten Asiens ( Thinä ) zwei<lb/>
Dritttheile des Erdumfangs wäre. Ferner war es herr-<lb/>
schende Ansicht, daß Asien noch viel weiter nach Osten<lb/>
hineinreiche, als bekannt war, daß seine östlichen Küsten<lb/>
folglich bis nahe an die westlichen Afrika's und Europa's<lb/>
hinanreichen müßten. Um so kleiner, meinte man, müsse<lb/>
diese Distanz sein, je kleiner der Umfang der Erde über-<lb/>
haupt wäre, denn dieser war damals noch nicht sicher be-<lb/>
kannt. Zwei Jrrthümer also, die Meinung, daß die alte<lb/>
Welt viel ausgedehnter, und der Erdumfang viel kleiner<lb/>
sei, als beide wirklich sind, wurden Ursache der Entdeckung<lb/>
Amerika's. Columbus schloß aus seinen Daten, er müsse<lb/><cb n="2"/>
westwärts Jndien, d. h. Asien, finden &#x2014; und er blieb bis<lb/>
zu seinem Tode auch der Meinung, daß, was er gefunden,<lb/>
Asien ( Jndien ) sei.</p><lb/>
        <p>Hierzu kommt der Einfluß Marco Polo's. Dieser<lb/>
merkwürdige Reisende kannte Jndien, China und Japan,<lb/>
und schrieb im glanzvollsten Stil ein Reisewerk über jene<lb/>
Länder, dessen wesentliche Nachrichten sich nachmals bestätig-<lb/>
ten. Aber die Auffassung war poetisch übertrieben und<lb/>
geeignet, die gespannteste Sehnsucht nach diesen städtereichen<lb/>
Paradiesen zu erwecken. Columbus beruft sich viel auf<lb/>
dieses Werk und suchte später in Westindien die gelobten<lb/>
Länder Marco Polo's mit der sichersten Zuversicht.</p><lb/>
        <p>Persönlicher Muth, abenteuerliches Jugendleben, glän-<lb/>
zende Hoffnungen, glückliche Unternehmungen Anderer, der<lb/>
Strom des Zeitgeistes, wissenschaftliche Ueberzeugung, er-<lb/>
hitzte Phantasie, Alles vereinte sich in Columbus zu der<lb/>
großen That, ja Alles, und dies Alles stand unter der<lb/>
Oberhoheit des religiösen Glaubens, der ihn schwärmen<lb/>
ließ für den Gedanken, das Christenthum in neue Länder<lb/>
zu tragen und neue Völker dem &#x201E;Heiland&#x201C; zuzuführen; er<lb/>
sah sich an als das &#x201E;Werkzeug Gottes,&#x201C; durch welches die<lb/>
Zeit näher gerückt würde, wo &#x201E;alle Zungen bekennen, daß<lb/>
Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Jndessen war Columbus ohne Mittel für seinen Zweck<lb/>
und die politischen Verhältnisse gestalteten sich ungünstig.<lb/>
Da bestieg Johann <hi rendition="#aq">II</hi>. 1481 den Thron und belebte die<lb/>
Nautik wieder mit dem Geiste seines Onkels, des Prinzen<lb/>
Heinrich. Seine Physiker und unter ihnen Behaim, der<lb/>
berühmte Nürnberger, wurden aufgemuntert und ihr Be-<lb/>
mühen hatte einen glänzenden Erfolg durch die Anwendung<lb/>
des Astrolabiums auf die Seefahrt. Während man näm-<lb/>
lich durch den Compaß wohl über die Himmelsgegenden<lb/>
sich orientiren konnte, lernte man durch jenes Jnstrument,<lb/>
das jetzt durch den Sextanten ersetzt ist, die Sonnenhöhe<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[325]/0001] 12. Lief. Nr. 1.Berlin, 5. December 1874.2. Jahrgang. Social-politische Blätter zur Unterhaltung u Belehrung für die deutschen Arbeiter Bestellungen nehmen alle Postanstalten an; in Berlin wird bei den Zeitungsspediteuren und dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres- denerstraße 84, abonnirt. Eigenthum der Lassalleaner. Diese Blätter erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend und kosten auf der Post bestellt pro Quar- tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col- portage bezogen 4 Sgr. Christoph Columbus. ( Fortsetzung. ) Unter solchen Studien, Erfahrungen und Einflüssen reifte nun jener folgenreiche Gedanke in Columbus, den er schon 1474 an den Mathematiker Toscanelli in Florenz schrieb, daß man nämlich nach Jndien ( Asien ) gelangen müsse, wenn man gerade westlich steure, und daß dort noch unbekanntes Land liege. Die bestimmtesten Nachrichten des Alterthums sowohl als die westlich vom Meere angetriebe- nen Bäume, ohne Eisen bearbeitete Hölzer, ja sogar zwei der Race nach ganz abweichende Menschen, haben diese Gedanken in Columbus genährt, weniger der allgemeine Glaube, daß man von Madeira und anderen Jnseln weit westlich bei klarem Himmel deutlich ein Gebirgsland erkenne. Columbus hatte dies zwar oft und immer in gleicher Gestalt selbst gesehen, aber richtig darin nur eine optische Täuschung erkannt. Der eigentliche Grund seiner Ahnung und seines späteren felsenfesten Glaubens lag aber in der mathematischen Geographie. Diese war damals noch in der Kindheit und lehrte, daß von den Azoren bis zu den östlichen bekannten Orten Asiens ( Thinä ) zwei Dritttheile des Erdumfangs wäre. Ferner war es herr- schende Ansicht, daß Asien noch viel weiter nach Osten hineinreiche, als bekannt war, daß seine östlichen Küsten folglich bis nahe an die westlichen Afrika's und Europa's hinanreichen müßten. Um so kleiner, meinte man, müsse diese Distanz sein, je kleiner der Umfang der Erde über- haupt wäre, denn dieser war damals noch nicht sicher be- kannt. Zwei Jrrthümer also, die Meinung, daß die alte Welt viel ausgedehnter, und der Erdumfang viel kleiner sei, als beide wirklich sind, wurden Ursache der Entdeckung Amerika's. Columbus schloß aus seinen Daten, er müsse westwärts Jndien, d. h. Asien, finden — und er blieb bis zu seinem Tode auch der Meinung, daß, was er gefunden, Asien ( Jndien ) sei. Hierzu kommt der Einfluß Marco Polo's. Dieser merkwürdige Reisende kannte Jndien, China und Japan, und schrieb im glanzvollsten Stil ein Reisewerk über jene Länder, dessen wesentliche Nachrichten sich nachmals bestätig- ten. Aber die Auffassung war poetisch übertrieben und geeignet, die gespannteste Sehnsucht nach diesen städtereichen Paradiesen zu erwecken. Columbus beruft sich viel auf dieses Werk und suchte später in Westindien die gelobten Länder Marco Polo's mit der sichersten Zuversicht. Persönlicher Muth, abenteuerliches Jugendleben, glän- zende Hoffnungen, glückliche Unternehmungen Anderer, der Strom des Zeitgeistes, wissenschaftliche Ueberzeugung, er- hitzte Phantasie, Alles vereinte sich in Columbus zu der großen That, ja Alles, und dies Alles stand unter der Oberhoheit des religiösen Glaubens, der ihn schwärmen ließ für den Gedanken, das Christenthum in neue Länder zu tragen und neue Völker dem „Heiland“ zuzuführen; er sah sich an als das „Werkzeug Gottes,“ durch welches die Zeit näher gerückt würde, wo „alle Zungen bekennen, daß Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters.“ Jndessen war Columbus ohne Mittel für seinen Zweck und die politischen Verhältnisse gestalteten sich ungünstig. Da bestieg Johann II. 1481 den Thron und belebte die Nautik wieder mit dem Geiste seines Onkels, des Prinzen Heinrich. Seine Physiker und unter ihnen Behaim, der berühmte Nürnberger, wurden aufgemuntert und ihr Be- mühen hatte einen glänzenden Erfolg durch die Anwendung des Astrolabiums auf die Seefahrt. Während man näm- lich durch den Compaß wohl über die Himmelsgegenden sich orientiren konnte, lernte man durch jenes Jnstrument, das jetzt durch den Sextanten ersetzt ist, die Sonnenhöhe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1201_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1201_1874/1
Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 12. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 5. Dezember 1874, S. [325]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1201_1874/1>, abgerufen am 15.05.2024.