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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 12. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 5. Dezember 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 327
[Beginn Spaltensatz] und sein Geist flammte strahlender, indem er die Verhei-
ßungen der Bibel auf seine Mission deutend, die religiösen
Triumphe darlegte, die "das Reich des Heilandes" durch
diese seine Unternehmung feiern müsse.

Columbus in Salamanca ist eines der anziehendsten
Geschichtsbilder, voll Schönheit und geistig = dramatischem
Effect: wir wundern uns, daß noch kein Maler unserer
[Spaltenumbruch] Zeit diesen Gegenstand zu künstlerischer Darstellung ge-
wählt hat. Unter allen scheint Diego de Deza, ein ge-
lehrter Dominikanermönch, nachmaliger Erzbischof von Se-
villa, der Einzige gewesen zu sein, der aus Verständniß
ein eifriger Vertheidiger des Columbus wurde und dadurch
den Zorn der Collegen mäßigte.

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]
Zweinnddreißigstes Kapitel.

Eifersucht und Geisteskrankheit. -- Wiedererwachen der Vernunft.

Jch habe seit zwei Tagen schon keinen von ihnen gesehen;
heute Abend ( 24. Mai ) soll ich reisen, und kann ihr nicht das
Unglück, das sie mir angerichtet hat, anzeigen!

Aber Walmor will ich schreiben; einfach schreiben, daß ich
auf einige Tage mich bei den Seinigen entschuldigen lasse.
Späterhin schreibe ich, vom Wege aus, sie möchten mich entschul-
digen, daß ich selbst das Land verließe, ohne Abschied genommen
zu haben.

Wüßten diese edlen Menschen, was mich drückt, wahrlich,
Sie würden mich herzlichst beklagen.

Jch hatte in der That den Brief an Walmor begonnen.
Allein er bekam mir schlecht.

Mitten im Schreiben ward mir sonderbar zu Muthe; es
sauste mir wie Herbstwind in den Ohren, und das Blut brauste
und schäumte mir in den Adern; ich fühlte es wie siedendes Blei
durch meine Nerven rinnen, und dazwischen wie schrecklich kalte
Eiszapfen in's Gehirn und in die Herzkammer fahren; die
Schädeldecke wollte mir schier abspringen, so toll klopfte es und
pochte es darunter! Die Zähne biß ich klappernd zusammen,
der Blick ward in Dunkel gehüllt, und die Feder entsank meinen
Fingern, ich weiß nicht, was darnach geschah...

Krankheit; erstes Genesen.

Welch böser Schlaf war das? und wie lange quälte ich
mich, um nur einzuschlafen! Nacht und Verwirrung sind schlimme
Dinge. Schwarze Wirbel flatterten vor mir, ich starrte immer
hinein, und konnte nicht klug daraus werden.

Eugen, sind Sie's? So lange waren Sie bei uns? Dina
hat geweint; warum? und wo ist Dina?

Oh, welche beschwerliche lange Reise! die Knochen sind mir
wie zerknickt; -- aber mein Himmel, wo bin ich denn?

Bei einem treuen Freunde, sagte Eugen, und drückte mir
die Hand; nur ruhig, lieber William, schlafen Sie wo möglich.

Jch versuchte es; seine Worte hatten mich erquickt. Aber
es dauerte nicht lang, so fiel ich wieder in den schlimmen Zu-
stand zurück.

Allmählig erholte ich mich; Eugen sagte mir, ich sei sehr
krank geworden, und jetzt im Hospital, nicht aber, wie ich mir
einbildete, in England, sondern in Jkaria. Jch durfte noch nicht
reden.

Eugen kam täglich und benahm sich musterhaft behutsam.
Jch war acht Tage laug in Geistesabwesenheit gewesen; Korilla
hatte oft bei mir gesessen und geweint; ich hatte sie für Dina
[Spaltenumbruch] gehalten. Eugen gestand mir, ich habe oft Dina's Namen aus-
gerufen, und Walmor, der auch anfangs dabei gewesen, sei plötz-
lich aufgestanden und nicht mehr wiedergekommen. Warum be-
sucht mich aber Dinaros nicht! Eugen wollte oder konnte nicht
Bescheid geben; Korilla aber ließ täglich nach meinem Befinden
erkundigen. Jch sah mich im Spiegel und fand, mein schwarzes
Haar war hier und da grau! Jch ward indessen nachgerade
munter und konnte den Brief lesen, den Korilla mir durch Eugen
schickte.

" Endlich, bester William," schrieb sie, "sind Sie auf der
Besserung! Ach wenn Sie wüßten, wieviel Thränen um Sie
in zwei Familien geflossen, die Sie so freundlich aufnahmen!
Jch bin aber froh, daß es mit Jhnen besser geht. Sie haben
Dinaros und der armen Dina viel Kummer gemacht..."

Wie so? Dina? Eugen, sagen Sie mir die Wahrheit,
Eugen, reden Sie, was macht Dina?

Dina ist besser.

War die auch krank? warum? erzählen Sie...

Freund William, beruhigen Sie sich, sonst erzähle ich nichts;
Korilla und Dina waren beisammen, als Dinaros kam und
sagte, Sie seien erkrankt. Korilla ward dadurch sehr ergriffen,
Dina schien gleichgültig. Aber Tags darauf erzählte Walmor,
Sie nennten im Fieber oft den Namen Miß Henriette; und da
ist Dina plötzlich wie vom Blitz getroffen, in Nervenzuckung ge-
fallen.

Dina liebt mich! rief ich und fiel in Ohnmacht. Als ich
mich erholt, wollte ich mehr wissen; Eugen sagte, sie sei seit
einigen Tagen wieder bei ihrer Mutter, nachdem sie lange im
Hospital auch sehr krank gewesen; Walmor sei nicht mehr wieder-
gekommen.

Eugen! sagte ich, mag dem Allen sein, wie ihm wolle, wir
beide müssen fort; unseres Bleibens ist in diesem gesegneten
Lande nicht; wir machen sonst noch mehr Unheil; das Eine er-
freut mich, daß sie mich liebt! Aber abreisen will ich doch.

Nach einiger Zeit las ich den Brief aus:

" Ja, William, Sie haben der guten Dina ihre Ruhe ge-
kostet, deren Mutter noch obenein mir vorwirft, Sie in die Fa-
milie eingeführt zu haben; Dinaros weiß auch nicht Sie zu ver-
theidigen; eine meiner Tanten, auch deren Gatte ist geradehin
auf Sie böse: Sie sein schuld! Walmor ist fast wahnsinnig vor
Verzweiflung. Jch allein habe mich nicht in Bezug auf unsere
Freundschaft, William, geändert; ich weiß, wer Sie sind, und
vertheidige Sie immer, bis die Andern Jhnen wieder gewogen
werden. Das wird auch geschehen; ich habe mir Mühe gegeben,
und gebe sie mir noch stündlich. Also Muth, William, Muth;
es wird besser werden; die Meinigen fangen schon an, ihre Ge-
sinnung betreffs Jhrer zu mildern, und es ist Hoffnung, daß
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 327
[Beginn Spaltensatz] und sein Geist flammte strahlender, indem er die Verhei-
ßungen der Bibel auf seine Mission deutend, die religiösen
Triumphe darlegte, die „das Reich des Heilandes“ durch
diese seine Unternehmung feiern müsse.

Columbus in Salamanca ist eines der anziehendsten
Geschichtsbilder, voll Schönheit und geistig = dramatischem
Effect: wir wundern uns, daß noch kein Maler unserer
[Spaltenumbruch] Zeit diesen Gegenstand zu künstlerischer Darstellung ge-
wählt hat. Unter allen scheint Diego de Deza, ein ge-
lehrter Dominikanermönch, nachmaliger Erzbischof von Se-
villa, der Einzige gewesen zu sein, der aus Verständniß
ein eifriger Vertheidiger des Columbus wurde und dadurch
den Zorn der Collegen mäßigte.

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. )
[Beginn Spaltensatz]
Zweinnddreißigstes Kapitel.

Eifersucht und Geisteskrankheit. — Wiedererwachen der Vernunft.

Jch habe seit zwei Tagen schon keinen von ihnen gesehen;
heute Abend ( 24. Mai ) soll ich reisen, und kann ihr nicht das
Unglück, das sie mir angerichtet hat, anzeigen!

Aber Walmor will ich schreiben; einfach schreiben, daß ich
auf einige Tage mich bei den Seinigen entschuldigen lasse.
Späterhin schreibe ich, vom Wege aus, sie möchten mich entschul-
digen, daß ich selbst das Land verließe, ohne Abschied genommen
zu haben.

Wüßten diese edlen Menschen, was mich drückt, wahrlich,
Sie würden mich herzlichst beklagen.

Jch hatte in der That den Brief an Walmor begonnen.
Allein er bekam mir schlecht.

Mitten im Schreiben ward mir sonderbar zu Muthe; es
sauste mir wie Herbstwind in den Ohren, und das Blut brauste
und schäumte mir in den Adern; ich fühlte es wie siedendes Blei
durch meine Nerven rinnen, und dazwischen wie schrecklich kalte
Eiszapfen in's Gehirn und in die Herzkammer fahren; die
Schädeldecke wollte mir schier abspringen, so toll klopfte es und
pochte es darunter! Die Zähne biß ich klappernd zusammen,
der Blick ward in Dunkel gehüllt, und die Feder entsank meinen
Fingern, ich weiß nicht, was darnach geschah...

Krankheit; erstes Genesen.

Welch böser Schlaf war das? und wie lange quälte ich
mich, um nur einzuschlafen! Nacht und Verwirrung sind schlimme
Dinge. Schwarze Wirbel flatterten vor mir, ich starrte immer
hinein, und konnte nicht klug daraus werden.

Eugen, sind Sie's? So lange waren Sie bei uns? Dina
hat geweint; warum? und wo ist Dina?

Oh, welche beschwerliche lange Reise! die Knochen sind mir
wie zerknickt; — aber mein Himmel, wo bin ich denn?

Bei einem treuen Freunde, sagte Eugen, und drückte mir
die Hand; nur ruhig, lieber William, schlafen Sie wo möglich.

Jch versuchte es; seine Worte hatten mich erquickt. Aber
es dauerte nicht lang, so fiel ich wieder in den schlimmen Zu-
stand zurück.

Allmählig erholte ich mich; Eugen sagte mir, ich sei sehr
krank geworden, und jetzt im Hospital, nicht aber, wie ich mir
einbildete, in England, sondern in Jkaria. Jch durfte noch nicht
reden.

Eugen kam täglich und benahm sich musterhaft behutsam.
Jch war acht Tage laug in Geistesabwesenheit gewesen; Korilla
hatte oft bei mir gesessen und geweint; ich hatte sie für Dina
[Spaltenumbruch] gehalten. Eugen gestand mir, ich habe oft Dina's Namen aus-
gerufen, und Walmor, der auch anfangs dabei gewesen, sei plötz-
lich aufgestanden und nicht mehr wiedergekommen. Warum be-
sucht mich aber Dinaros nicht! Eugen wollte oder konnte nicht
Bescheid geben; Korilla aber ließ täglich nach meinem Befinden
erkundigen. Jch sah mich im Spiegel und fand, mein schwarzes
Haar war hier und da grau! Jch ward indessen nachgerade
munter und konnte den Brief lesen, den Korilla mir durch Eugen
schickte.

„ Endlich, bester William,“ schrieb sie, „sind Sie auf der
Besserung! Ach wenn Sie wüßten, wieviel Thränen um Sie
in zwei Familien geflossen, die Sie so freundlich aufnahmen!
Jch bin aber froh, daß es mit Jhnen besser geht. Sie haben
Dinaros und der armen Dina viel Kummer gemacht...“

Wie so? Dina? Eugen, sagen Sie mir die Wahrheit,
Eugen, reden Sie, was macht Dina?

Dina ist besser.

War die auch krank? warum? erzählen Sie...

Freund William, beruhigen Sie sich, sonst erzähle ich nichts;
Korilla und Dina waren beisammen, als Dinaros kam und
sagte, Sie seien erkrankt. Korilla ward dadurch sehr ergriffen,
Dina schien gleichgültig. Aber Tags darauf erzählte Walmor,
Sie nennten im Fieber oft den Namen Miß Henriette; und da
ist Dina plötzlich wie vom Blitz getroffen, in Nervenzuckung ge-
fallen.

Dina liebt mich! rief ich und fiel in Ohnmacht. Als ich
mich erholt, wollte ich mehr wissen; Eugen sagte, sie sei seit
einigen Tagen wieder bei ihrer Mutter, nachdem sie lange im
Hospital auch sehr krank gewesen; Walmor sei nicht mehr wieder-
gekommen.

Eugen! sagte ich, mag dem Allen sein, wie ihm wolle, wir
beide müssen fort; unseres Bleibens ist in diesem gesegneten
Lande nicht; wir machen sonst noch mehr Unheil; das Eine er-
freut mich, daß sie mich liebt! Aber abreisen will ich doch.

Nach einiger Zeit las ich den Brief aus:

„ Ja, William, Sie haben der guten Dina ihre Ruhe ge-
kostet, deren Mutter noch obenein mir vorwirft, Sie in die Fa-
milie eingeführt zu haben; Dinaros weiß auch nicht Sie zu ver-
theidigen; eine meiner Tanten, auch deren Gatte ist geradehin
auf Sie böse: Sie sein schuld! Walmor ist fast wahnsinnig vor
Verzweiflung. Jch allein habe mich nicht in Bezug auf unsere
Freundschaft, William, geändert; ich weiß, wer Sie sind, und
vertheidige Sie immer, bis die Andern Jhnen wieder gewogen
werden. Das wird auch geschehen; ich habe mir Mühe gegeben,
und gebe sie mir noch stündlich. Also Muth, William, Muth;
es wird besser werden; die Meinigen fangen schon an, ihre Ge-
sinnung betreffs Jhrer zu mildern, und es ist Hoffnung, daß
[Ende Spaltensatz]

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[327/0003] Zur Unterhaltung und Belehrung. 327 und sein Geist flammte strahlender, indem er die Verhei- ßungen der Bibel auf seine Mission deutend, die religiösen Triumphe darlegte, die „das Reich des Heilandes“ durch diese seine Unternehmung feiern müsse. Columbus in Salamanca ist eines der anziehendsten Geschichtsbilder, voll Schönheit und geistig = dramatischem Effect: wir wundern uns, daß noch kein Maler unserer Zeit diesen Gegenstand zu künstlerischer Darstellung ge- wählt hat. Unter allen scheint Diego de Deza, ein ge- lehrter Dominikanermönch, nachmaliger Erzbischof von Se- villa, der Einzige gewesen zu sein, der aus Verständniß ein eifriger Vertheidiger des Columbus wurde und dadurch den Zorn der Collegen mäßigte. ( Fortsetzung folgt. ) Reise nach Jkarien von Cabet. ( Fortsetzung. ) Zweinnddreißigstes Kapitel. Eifersucht und Geisteskrankheit. — Wiedererwachen der Vernunft. Jch habe seit zwei Tagen schon keinen von ihnen gesehen; heute Abend ( 24. 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Ach wenn Sie wüßten, wieviel Thränen um Sie in zwei Familien geflossen, die Sie so freundlich aufnahmen! Jch bin aber froh, daß es mit Jhnen besser geht. Sie haben Dinaros und der armen Dina viel Kummer gemacht...“ Wie so? Dina? Eugen, sagen Sie mir die Wahrheit, Eugen, reden Sie, was macht Dina? Dina ist besser. War die auch krank? warum? erzählen Sie... Freund William, beruhigen Sie sich, sonst erzähle ich nichts; Korilla und Dina waren beisammen, als Dinaros kam und sagte, Sie seien erkrankt. Korilla ward dadurch sehr ergriffen, Dina schien gleichgültig. Aber Tags darauf erzählte Walmor, Sie nennten im Fieber oft den Namen Miß Henriette; und da ist Dina plötzlich wie vom Blitz getroffen, in Nervenzuckung ge- fallen. Dina liebt mich! rief ich und fiel in Ohnmacht. Als ich mich erholt, wollte ich mehr wissen; Eugen sagte, sie sei seit einigen Tagen wieder bei ihrer Mutter, nachdem sie lange im Hospital auch sehr krank gewesen; Walmor sei nicht mehr wieder- gekommen. Eugen! sagte ich, mag dem Allen sein, wie ihm wolle, wir beide müssen fort; unseres Bleibens ist in diesem gesegneten Lande nicht; wir machen sonst noch mehr Unheil; das Eine er- freut mich, daß sie mich liebt! Aber abreisen will ich doch. Nach einiger Zeit las ich den Brief aus: „ Ja, William, Sie haben der guten Dina ihre Ruhe ge- kostet, deren Mutter noch obenein mir vorwirft, Sie in die Fa- milie eingeführt zu haben; Dinaros weiß auch nicht Sie zu ver- theidigen; eine meiner Tanten, auch deren Gatte ist geradehin auf Sie böse: Sie sein schuld! Walmor ist fast wahnsinnig vor Verzweiflung. Jch allein habe mich nicht in Bezug auf unsere Freundschaft, William, geändert; ich weiß, wer Sie sind, und vertheidige Sie immer, bis die Andern Jhnen wieder gewogen werden. Das wird auch geschehen; ich habe mir Mühe gegeben, und gebe sie mir noch stündlich. Also Muth, William, Muth; es wird besser werden; die Meinigen fangen schon an, ihre Ge- sinnung betreffs Jhrer zu mildern, und es ist Hoffnung, daß

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 12. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 5. Dezember 1874, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1201_1874/3>, abgerufen am 16.07.2024.