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Sonntags-Blatt. Nr. 4. Berlin, 26. Januar 1868.

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[Beginn Spaltensatz] wurde, daß er nur mit äußerster Anstrengung der Führer zurück-
gebracht werden konnte.

Die Versuche einzelner Menschen, längere Zeit in den oberen Re-
gionen des ewigen Schnee's zu verweilen, scheiterten immer an den
[Spaltenumbruch] feindlichen Höheneinflüssen, und so wird das Gebiet, dessen Bewohner
wir flüchtig betrachtet haben, für den Menschen immer ein Ort blei-
ben, den er nur auf kurze Zeit besuchen darf, um unter Gefahren
aller Art seinem Wissensdrange Genüge zu leisten.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Jn dieser Zeit der Stürme, von deren Verwüstungen uns die Zeitun-
gen täglich grauenerregende Berichte bringen, dürfte eine Schilderung des
"Taifun" von einigem Jnteresse sein. Wir entlehnen dieselbe der interessan-
ten Reisebeschreibung, welche von E. Kossak nach den Mittheilungen
Eduard Hildebrandts verfaßt und kürzlich erschienen ist. Hilde-
brandt
erzählt: "Es war vier Uhr Nachmittags, als der Himmel plötzlich
sich trübte. Sein gesättigtes Blau, das nach anhaltenden Regengüssen von
ungewöhnlicher Jntensität war, schien wie eine klare Flüssigkeit, in welche
der Chemiker ein Reagens träufelt, zu gerinnen; die edle Farbe, die süßeste
Labung jeder empfindenden Seele, begann zu opalisiren. Der wechselnde
Schimmer erlosch, aus den Höhen und Tiefen brach ein fremdartiges
Dunkel herein. Noch herrschte vollkommene Windstille, aber wie von un-
erklärlichen Aengsten ergriffen, erhob sich der Ocean in fieberhaften Wallun-
gen. Beklommen aufathmend schwoll die weite Fläche zu einer lebenden
Wölbung und sank dann ohnmächtig zurück. Der Horizont war ringsum
durch einen fast schwarzgrauen Vorhang verdunkelt. Jch griff nach meinem
Krückstock und wankte hinaus. Der Ausbruch des Unwetters ließ noch auf
sich warten, aber am Hafen und in den Straßen herrschte schon ein
grausenerregender Tumult. Die Schornsteine aller Dampfer rauchten;
denn es wurde geheizt, um im schlimmsten Falle sich durch die Maschinen-
kraft zu retten. Die Kauffahrer warfen alle ihre Anker aus, nahmen die
Raaen ein und verkürzten die Masten. Aus der chinesischen Stadt drang
das Jammergeschrei der Bevölkerung zu uns herüber. Ganz verwirrt
starrte ich in die dunkle Ferne der Wasser, die, wie auf Rollen geschoben,
langsam heranzurücken schienen, als mit einem Donner wie von hundert zu-
gleich abgefeuerten Batterien ich einen Luftstoß erhielt, der mich gegen
die Mauer und den Boden warf. Es war der erste Athemzug des
Taifun. Jch wage keine Beschreibung, so deutlich ich den furchtbaren,
zugleich löwenartig ächzenden Laut noch heut höre. Meine Schwäche ge-
stattete mir kaum, nach Hause zurückzukehren. Mehrmals stieß mich der
Orkan zu Boden; er gab sich immer in einem unwiderstehlichen Anprall
kund, der über See und Festland wegfegte, als sollte alle denkende,
athmende und vegetirende Kreatur von der Oberfläche des [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]Planen ver-
tilgt und in das Nichts geweht werden. Vor der unbändigen Gewalt des
Taifun zerstäubten die obersten Schichten des Oceans; ein dichtes Schnee-
gestöber von Wasserflocken verbreitete sich über Hafen und Stadt. Erst
um acht Uhr Abends verstummte der Orkan. Dank der beobachteten Vorsicht
waren die Schäden und Verluste im Hafen und auf der Rhede geringer,
als man erwartet; desto größere Verheerungen hatte das Naturereigniß
unter den Chinesen angerichtet. Eine Menge der stets überdachten Fa-
milienboote, die nicht rechtzeitig auf den Strand gezogen worden waren,
hatte gleich der erste Anprall umgestoßen und in die Tiefe versenkt oder
durch die haushohen Wogen zerschmettert. Und dennoch konnte selbst die
drohende Gefahr die verblendeten Chinesen nicht davon abbringen, statt
Hand an ihre Rettung zu legen, dem Drachen der Tiefe zu ihrer Rettung
Opfer darzubringen. Der Besitzer eines kleinen Bootes, welches sammt
den darin Sitzenden der nächste Wellensturz zu begraben drohte, brannte
mit betenden Händen noch einen Schwärmer ab, um dann unter dem
heranrollenden Wasserberge mit den Seinigen zu verschwinden."



" Nahrungs- und Genußmittel" nennt sich ein neues Buch von Karl
Ruß, welches den I. Theil einer Waarenkunde für die Frauen-
welt
bildet und das ( ebenso wie die beiden übrigen später erscheinenden
Theile, "Hauswirthschaftsgegenstände" und " Arznei=, Farbenwaaren und
Schönheitsmittel" ) als ein für sich bestehendes Buch zu kaufen ist. Diese
Frauenbücher von Ruß haben sich von Anfang an der besten Aufnahme zu
erfreuen gehabt, und dies ist wohl erklärlich, da sie mit wissenschaftlich
zuverlässiger und zugleich anregend unterhaltender Bearbeitung die ge-
schmackvollste Ausstattung und den billigen Preis von nur je 1 Thlr. ver-
binden. Die vorliegenden "Nahrungs= und Genußmittel" seien allen den
Frauen bestens empfohlen, welche über die Gegenstände, mit denen sie
fortwährend zu schaffen haben, sich nach allen Seiten hin unterrichten
wollen, um sich einerseits vor Schaden und Nachtheilen zu bewahren, und
andererseits am vortheilhaftesten einzukaufen. Das Buch richtet vorzugs-
weise auch auf die Verfälschungen und Verunreinigungen der Nahrungs-
stoffe die eingehendste Aufmerksamkeit.



M. Das Haus mit den Hühnerfedern in Peking, " Kimao-foe ", eine
Herberge für arme Leute, besteht aus einem großen Saal, der mit einer
[Spaltenumbruch] fußhohen Schicht von Hühnerfedern bedeckt ist. Dieser Saal wird von
Bettlern und Vagabunden beiderlei Geschlechts als Schlafstelle benutzt, und
Jeder macht sich hier ein Nest in Federn, so gut es eben geht. Eine
riesige, mit vielen kopfgroßen Oeffnungen versehene Filzdecke, die über den
ganzen Schlafsaal reicht, wird des Abends, wenn Alles sich zurecht ge-
bettet, herabgelassen, und Jeder sucht nun ein passendes Loch, durch das er
den Kopf steckt. So schlafen hier die nächtlichen Gäste gegen eine geringe
Entschädigung so gut, als es ihr Gewissen oder sonstige kleine Unannehm-
lichkeiten des menschlichen Lebens ihnen gestatten.



R. Großartige Bernsteingewinnung. Jenes geheimnißvoll wunderbare
Kleinod, welches vorzugsweise die Ostsee und ihre Umgebung uns spendet
-- gleichsam als ein verkörpertes "Märchen aus alten Zeiten" -- be-
hält, auch abgesehen von seinem mannichfaltigen Gebrauch zum Schmuck
und zu andern Zwecken, immerhin einen eigenthümlichen Reiz für jedes
sinnige Gemüth. Seine Gewinnung tief aus dem Wasser oder der Erde
Schooß hervor, seine Verarbeitung zu Kunstgegenständen, sein Verbrauch
für chemisch=technische Zwecke -- Lack, Räucherwerk, Volksarzneien --
das Alles bürgt eine Fülle des Jnteressanten und Anregenden. Wir dürfen
daher wohl glauben, daß die nachstehende kleine Bemerkung über die neueste
großartige Bernsteingewinnung in Ostpreußen die Aufmerksamkeit der Leser
verdienen werde.



Vor einigen Monaten begannen in der Gegend von Schwarzort
am kurischen Haf etwa dreihundert Arbeiter bedeutende Bernstein-
gräbereien, zugleich mit etwa hundert anderen Arbeitern, welche um die
Brüsteorter Landspitze her in circa fünfzig Böten in Holzflößen damit be-
schäftigt sind, die in der See befindlichen großen Steine zu heben und den
meistens darunter angehäuften Bernstein zu fischen. An beiden Orten
herrscht ein überaus reges Leben. Die Erdarbeiten erstrecken sich zugleich
auf die Schüttung neuer Uferdämme, damit die Umgebung des Brüsteorter
Leuchtthurms nicht etwa durch die in Folge der Gräbereien entstehenden
Erdstürze gefährdet werde. Die Gräbereien sind außerordentlich kostspielig,
was man daraus annähernd ersehen kann, daß der Morgen des Privaten
gehörenden Terrains bis zu achthundert Thaler bezahlt wird, und daß die
Schicht des im Seeufer bei Rosenort liegenden Bernsteins aus der Tiefe
von 120 Fuß heraufgeholt werden muß. Jn Betreff der Ausbeute haben
zuverlässige Angaben 5000 Pfund Bernstein und darüber in der Woche,
also etwa 250,000 Pfund im Jahre, als Durchschnittsertrag festgestellt.



M. Der Kanonenkugelbaum. Jn den dichten Wäldern von Cayenne
findet sich ein fünfzig bis sechszig Fuß hoher Baum von über zwei Fuß
im Durchmesser vor. Sein Holz ist weich, die weit ausgebreiteten Zweige
haben eine glatte Schale und lanzenförmige, acht bis zehn Zoll lange
Blätter. Die Blüthen dieses Baumes, welche an verschiedenen Theilen
des Stammes zum Vorschein kommen, sind von außerordentlich glänzender
Farbe und besitzen einen höchst angenehmen Geruch. Obgleich in einem
einzigen Büschel fünfzig bis hundert solcher Blüthen beisammen stehen, so
kommen doch höchstens nur zwei runde Früchte von röthlicher Farbe daran
zum Vorschein, die von ihrer Gestalt und Größe dem Baum den Namen
gegeben haben. Die herabgefallenen Fruchthüllen, welche den Boden unter
diesen Bäumen bedecken, haben so viel Aehnlichkeit mit Bombenschalen,
daß man beim ersten Anblick glauben möchte, eine Artillerie=Kompagnie
habe hier bivouakirt. Das Fleisch der Frucht mit den erbsgroßen Samen-
körnern ist zuckerreich und säuerlich, giebt einen erfrischenden Trank und
hat einen so starken weinartigen Geruch, daß man ihn selbst bei Früchten,
die längere Zeit in Rum gelegen, noch immer unerträglich findet. Die
Schale wird in Südamerika als Schüssel und Trinkgefäß benutzt. Jn
Europa hat man bis jetzt nicht ein einziges lebendes Exemplar dieses
Baumes angetroffen, während er in Cayenne zu jeder Jahreszeit blüht.



Briefkasten.

R. St. in M.: Jst bereits expedirt. -- A. L. in Coeslin: No. I.
ist zu lang für den Raum unseres Blattes; die drei anderen nicht recht
geeignet. -- J. B. in St. J.: Mit Dank erhalten. Soll zum größten
Theil benutzt werden. v. K. in Berlin: Erhalten. Entscheidung in den
nächsten Tagen. -- F. F. in B.: Besten Dank.

[Ende Spaltensatz]

Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] wurde, daß er nur mit äußerster Anstrengung der Führer zurück-
gebracht werden konnte.

Die Versuche einzelner Menschen, längere Zeit in den oberen Re-
gionen des ewigen Schnee's zu verweilen, scheiterten immer an den
[Spaltenumbruch] feindlichen Höheneinflüssen, und so wird das Gebiet, dessen Bewohner
wir flüchtig betrachtet haben, für den Menschen immer ein Ort blei-
ben, den er nur auf kurze Zeit besuchen darf, um unter Gefahren
aller Art seinem Wissensdrange Genüge zu leisten.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Jn dieser Zeit der Stürme, von deren Verwüstungen uns die Zeitun-
gen täglich grauenerregende Berichte bringen, dürfte eine Schilderung des
„Taifun“ von einigem Jnteresse sein. Wir entlehnen dieselbe der interessan-
ten Reisebeschreibung, welche von E. Kossak nach den Mittheilungen
Eduard Hildebrandts verfaßt und kürzlich erschienen ist. Hilde-
brandt
erzählt: „Es war vier Uhr Nachmittags, als der Himmel plötzlich
sich trübte. Sein gesättigtes Blau, das nach anhaltenden Regengüssen von
ungewöhnlicher Jntensität war, schien wie eine klare Flüssigkeit, in welche
der Chemiker ein Reagens träufelt, zu gerinnen; die edle Farbe, die süßeste
Labung jeder empfindenden Seele, begann zu opalisiren. Der wechselnde
Schimmer erlosch, aus den Höhen und Tiefen brach ein fremdartiges
Dunkel herein. Noch herrschte vollkommene Windstille, aber wie von un-
erklärlichen Aengsten ergriffen, erhob sich der Ocean in fieberhaften Wallun-
gen. Beklommen aufathmend schwoll die weite Fläche zu einer lebenden
Wölbung und sank dann ohnmächtig zurück. Der Horizont war ringsum
durch einen fast schwarzgrauen Vorhang verdunkelt. Jch griff nach meinem
Krückstock und wankte hinaus. Der Ausbruch des Unwetters ließ noch auf
sich warten, aber am Hafen und in den Straßen herrschte schon ein
grausenerregender Tumult. Die Schornsteine aller Dampfer rauchten;
denn es wurde geheizt, um im schlimmsten Falle sich durch die Maschinen-
kraft zu retten. Die Kauffahrer warfen alle ihre Anker aus, nahmen die
Raaen ein und verkürzten die Masten. Aus der chinesischen Stadt drang
das Jammergeschrei der Bevölkerung zu uns herüber. Ganz verwirrt
starrte ich in die dunkle Ferne der Wasser, die, wie auf Rollen geschoben,
langsam heranzurücken schienen, als mit einem Donner wie von hundert zu-
gleich abgefeuerten Batterien ich einen Luftstoß erhielt, der mich gegen
die Mauer und den Boden warf. Es war der erste Athemzug des
Taifun. Jch wage keine Beschreibung, so deutlich ich den furchtbaren,
zugleich löwenartig ächzenden Laut noch heut höre. Meine Schwäche ge-
stattete mir kaum, nach Hause zurückzukehren. Mehrmals stieß mich der
Orkan zu Boden; er gab sich immer in einem unwiderstehlichen Anprall
kund, der über See und Festland wegfegte, als sollte alle denkende,
athmende und vegetirende Kreatur von der Oberfläche des [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]Planen ver-
tilgt und in das Nichts geweht werden. Vor der unbändigen Gewalt des
Taifun zerstäubten die obersten Schichten des Oceans; ein dichtes Schnee-
gestöber von Wasserflocken verbreitete sich über Hafen und Stadt. Erst
um acht Uhr Abends verstummte der Orkan. Dank der beobachteten Vorsicht
waren die Schäden und Verluste im Hafen und auf der Rhede geringer,
als man erwartet; desto größere Verheerungen hatte das Naturereigniß
unter den Chinesen angerichtet. Eine Menge der stets überdachten Fa-
milienboote, die nicht rechtzeitig auf den Strand gezogen worden waren,
hatte gleich der erste Anprall umgestoßen und in die Tiefe versenkt oder
durch die haushohen Wogen zerschmettert. Und dennoch konnte selbst die
drohende Gefahr die verblendeten Chinesen nicht davon abbringen, statt
Hand an ihre Rettung zu legen, dem Drachen der Tiefe zu ihrer Rettung
Opfer darzubringen. Der Besitzer eines kleinen Bootes, welches sammt
den darin Sitzenden der nächste Wellensturz zu begraben drohte, brannte
mit betenden Händen noch einen Schwärmer ab, um dann unter dem
heranrollenden Wasserberge mit den Seinigen zu verschwinden.“



Nahrungs- und Genußmittel“ nennt sich ein neues Buch von Karl
Ruß, welches den I. Theil einer Waarenkunde für die Frauen-
welt
bildet und das ( ebenso wie die beiden übrigen später erscheinenden
Theile, „Hauswirthschaftsgegenstände“ und „ Arznei=, Farbenwaaren und
Schönheitsmittel“ ) als ein für sich bestehendes Buch zu kaufen ist. Diese
Frauenbücher von Ruß haben sich von Anfang an der besten Aufnahme zu
erfreuen gehabt, und dies ist wohl erklärlich, da sie mit wissenschaftlich
zuverlässiger und zugleich anregend unterhaltender Bearbeitung die ge-
schmackvollste Ausstattung und den billigen Preis von nur je 1 Thlr. ver-
binden. Die vorliegenden „Nahrungs= und Genußmittel“ seien allen den
Frauen bestens empfohlen, welche über die Gegenstände, mit denen sie
fortwährend zu schaffen haben, sich nach allen Seiten hin unterrichten
wollen, um sich einerseits vor Schaden und Nachtheilen zu bewahren, und
andererseits am vortheilhaftesten einzukaufen. Das Buch richtet vorzugs-
weise auch auf die Verfälschungen und Verunreinigungen der Nahrungs-
stoffe die eingehendste Aufmerksamkeit.



M. Das Haus mit den Hühnerfedern in Peking, „ Kimao-foe “, eine
Herberge für arme Leute, besteht aus einem großen Saal, der mit einer
[Spaltenumbruch] fußhohen Schicht von Hühnerfedern bedeckt ist. Dieser Saal wird von
Bettlern und Vagabunden beiderlei Geschlechts als Schlafstelle benutzt, und
Jeder macht sich hier ein Nest in Federn, so gut es eben geht. Eine
riesige, mit vielen kopfgroßen Oeffnungen versehene Filzdecke, die über den
ganzen Schlafsaal reicht, wird des Abends, wenn Alles sich zurecht ge-
bettet, herabgelassen, und Jeder sucht nun ein passendes Loch, durch das er
den Kopf steckt. So schlafen hier die nächtlichen Gäste gegen eine geringe
Entschädigung so gut, als es ihr Gewissen oder sonstige kleine Unannehm-
lichkeiten des menschlichen Lebens ihnen gestatten.



R. Großartige Bernsteingewinnung. Jenes geheimnißvoll wunderbare
Kleinod, welches vorzugsweise die Ostsee und ihre Umgebung uns spendet
— gleichsam als ein verkörpertes „Märchen aus alten Zeiten“ — be-
hält, auch abgesehen von seinem mannichfaltigen Gebrauch zum Schmuck
und zu andern Zwecken, immerhin einen eigenthümlichen Reiz für jedes
sinnige Gemüth. Seine Gewinnung tief aus dem Wasser oder der Erde
Schooß hervor, seine Verarbeitung zu Kunstgegenständen, sein Verbrauch
für chemisch=technische Zwecke — Lack, Räucherwerk, Volksarzneien
das Alles bürgt eine Fülle des Jnteressanten und Anregenden. Wir dürfen
daher wohl glauben, daß die nachstehende kleine Bemerkung über die neueste
großartige Bernsteingewinnung in Ostpreußen die Aufmerksamkeit der Leser
verdienen werde.



Vor einigen Monaten begannen in der Gegend von Schwarzort
am kurischen Haf etwa dreihundert Arbeiter bedeutende Bernstein-
gräbereien, zugleich mit etwa hundert anderen Arbeitern, welche um die
Brüsteorter Landspitze her in circa fünfzig Böten in Holzflößen damit be-
schäftigt sind, die in der See befindlichen großen Steine zu heben und den
meistens darunter angehäuften Bernstein zu fischen. An beiden Orten
herrscht ein überaus reges Leben. Die Erdarbeiten erstrecken sich zugleich
auf die Schüttung neuer Uferdämme, damit die Umgebung des Brüsteorter
Leuchtthurms nicht etwa durch die in Folge der Gräbereien entstehenden
Erdstürze gefährdet werde. Die Gräbereien sind außerordentlich kostspielig,
was man daraus annähernd ersehen kann, daß der Morgen des Privaten
gehörenden Terrains bis zu achthundert Thaler bezahlt wird, und daß die
Schicht des im Seeufer bei Rosenort liegenden Bernsteins aus der Tiefe
von 120 Fuß heraufgeholt werden muß. Jn Betreff der Ausbeute haben
zuverlässige Angaben 5000 Pfund Bernstein und darüber in der Woche,
also etwa 250,000 Pfund im Jahre, als Durchschnittsertrag festgestellt.



M. Der Kanonenkugelbaum. Jn den dichten Wäldern von Cayenne
findet sich ein fünfzig bis sechszig Fuß hoher Baum von über zwei Fuß
im Durchmesser vor. Sein Holz ist weich, die weit ausgebreiteten Zweige
haben eine glatte Schale und lanzenförmige, acht bis zehn Zoll lange
Blätter. Die Blüthen dieses Baumes, welche an verschiedenen Theilen
des Stammes zum Vorschein kommen, sind von außerordentlich glänzender
Farbe und besitzen einen höchst angenehmen Geruch. Obgleich in einem
einzigen Büschel fünfzig bis hundert solcher Blüthen beisammen stehen, so
kommen doch höchstens nur zwei runde Früchte von röthlicher Farbe daran
zum Vorschein, die von ihrer Gestalt und Größe dem Baum den Namen
gegeben haben. Die herabgefallenen Fruchthüllen, welche den Boden unter
diesen Bäumen bedecken, haben so viel Aehnlichkeit mit Bombenschalen,
daß man beim ersten Anblick glauben möchte, eine Artillerie=Kompagnie
habe hier bivouakirt. Das Fleisch der Frucht mit den erbsgroßen Samen-
körnern ist zuckerreich und säuerlich, giebt einen erfrischenden Trank und
hat einen so starken weinartigen Geruch, daß man ihn selbst bei Früchten,
die längere Zeit in Rum gelegen, noch immer unerträglich findet. Die
Schale wird in Südamerika als Schüssel und Trinkgefäß benutzt. Jn
Europa hat man bis jetzt nicht ein einziges lebendes Exemplar dieses
Baumes angetroffen, während er in Cayenne zu jeder Jahreszeit blüht.



Briefkasten.

R. St. in M.: Jst bereits expedirt. — A. L. in Coeslin: No. I.
ist zu lang für den Raum unseres Blattes; die drei anderen nicht recht
geeignet. — J. B. in St. J.: Mit Dank erhalten. Soll zum größten
Theil benutzt werden. v. K. in Berlin: Erhalten. Entscheidung in den
nächsten Tagen. — F. F. in B.: Besten Dank.

[Ende Spaltensatz]

☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[32/0008] 32 wurde, daß er nur mit äußerster Anstrengung der Führer zurück- gebracht werden konnte. Die Versuche einzelner Menschen, längere Zeit in den oberen Re- gionen des ewigen Schnee's zu verweilen, scheiterten immer an den feindlichen Höheneinflüssen, und so wird das Gebiet, dessen Bewohner wir flüchtig betrachtet haben, für den Menschen immer ein Ort blei- ben, den er nur auf kurze Zeit besuchen darf, um unter Gefahren aller Art seinem Wissensdrange Genüge zu leisten. Lose Blätter. Jn dieser Zeit der Stürme, von deren Verwüstungen uns die Zeitun- gen täglich grauenerregende Berichte bringen, dürfte eine Schilderung des „Taifun“ von einigem Jnteresse sein. Wir entlehnen dieselbe der interessan- ten Reisebeschreibung, welche von E. Kossak nach den Mittheilungen Eduard Hildebrandts verfaßt und kürzlich erschienen ist. Hilde- brandt erzählt: „Es war vier Uhr Nachmittags, als der Himmel plötzlich sich trübte. Sein gesättigtes Blau, das nach anhaltenden Regengüssen von ungewöhnlicher Jntensität war, schien wie eine klare Flüssigkeit, in welche der Chemiker ein Reagens träufelt, zu gerinnen; die edle Farbe, die süßeste Labung jeder empfindenden Seele, begann zu opalisiren. Der wechselnde Schimmer erlosch, aus den Höhen und Tiefen brach ein fremdartiges Dunkel herein. Noch herrschte vollkommene Windstille, aber wie von un- erklärlichen Aengsten ergriffen, erhob sich der Ocean in fieberhaften Wallun- gen. Beklommen aufathmend schwoll die weite Fläche zu einer lebenden Wölbung und sank dann ohnmächtig zurück. Der Horizont war ringsum durch einen fast schwarzgrauen Vorhang verdunkelt. Jch griff nach meinem Krückstock und wankte hinaus. Der Ausbruch des Unwetters ließ noch auf sich warten, aber am Hafen und in den Straßen herrschte schon ein grausenerregender Tumult. Die Schornsteine aller Dampfer rauchten; denn es wurde geheizt, um im schlimmsten Falle sich durch die Maschinen- kraft zu retten. Die Kauffahrer warfen alle ihre Anker aus, nahmen die Raaen ein und verkürzten die Masten. Aus der chinesischen Stadt drang das Jammergeschrei der Bevölkerung zu uns herüber. Ganz verwirrt starrte ich in die dunkle Ferne der Wasser, die, wie auf Rollen geschoben, langsam heranzurücken schienen, als mit einem Donner wie von hundert zu- gleich abgefeuerten Batterien ich einen Luftstoß erhielt, der mich gegen die Mauer und den Boden warf. Es war der erste Athemzug des Taifun. Jch wage keine Beschreibung, so deutlich ich den furchtbaren, zugleich löwenartig ächzenden Laut noch heut höre. Meine Schwäche ge- stattete mir kaum, nach Hause zurückzukehren. Mehrmals stieß mich der Orkan zu Boden; er gab sich immer in einem unwiderstehlichen Anprall kund, der über See und Festland wegfegte, als sollte alle denkende, athmende und vegetirende Kreatur von der Oberfläche des ______Planen ver- tilgt und in das Nichts geweht werden. Vor der unbändigen Gewalt des Taifun zerstäubten die obersten Schichten des Oceans; ein dichtes Schnee- gestöber von Wasserflocken verbreitete sich über Hafen und Stadt. Erst um acht Uhr Abends verstummte der Orkan. Dank der beobachteten Vorsicht waren die Schäden und Verluste im Hafen und auf der Rhede geringer, als man erwartet; desto größere Verheerungen hatte das Naturereigniß unter den Chinesen angerichtet. Eine Menge der stets überdachten Fa- milienboote, die nicht rechtzeitig auf den Strand gezogen worden waren, hatte gleich der erste Anprall umgestoßen und in die Tiefe versenkt oder durch die haushohen Wogen zerschmettert. Und dennoch konnte selbst die drohende Gefahr die verblendeten Chinesen nicht davon abbringen, statt Hand an ihre Rettung zu legen, dem Drachen der Tiefe zu ihrer Rettung Opfer darzubringen. Der Besitzer eines kleinen Bootes, welches sammt den darin Sitzenden der nächste Wellensturz zu begraben drohte, brannte mit betenden Händen noch einen Schwärmer ab, um dann unter dem heranrollenden Wasserberge mit den Seinigen zu verschwinden.“ „ Nahrungs- und Genußmittel“ nennt sich ein neues Buch von Karl Ruß, welches den I. Theil einer Waarenkunde für die Frauen- welt bildet und das ( ebenso wie die beiden übrigen später erscheinenden Theile, „Hauswirthschaftsgegenstände“ und „ Arznei=, Farbenwaaren und Schönheitsmittel“ ) als ein für sich bestehendes Buch zu kaufen ist. Diese Frauenbücher von Ruß haben sich von Anfang an der besten Aufnahme zu erfreuen gehabt, und dies ist wohl erklärlich, da sie mit wissenschaftlich zuverlässiger und zugleich anregend unterhaltender Bearbeitung die ge- schmackvollste Ausstattung und den billigen Preis von nur je 1 Thlr. ver- binden. Die vorliegenden „Nahrungs= und Genußmittel“ seien allen den Frauen bestens empfohlen, welche über die Gegenstände, mit denen sie fortwährend zu schaffen haben, sich nach allen Seiten hin unterrichten wollen, um sich einerseits vor Schaden und Nachtheilen zu bewahren, und andererseits am vortheilhaftesten einzukaufen. Das Buch richtet vorzugs- weise auch auf die Verfälschungen und Verunreinigungen der Nahrungs- stoffe die eingehendste Aufmerksamkeit. M. Das Haus mit den Hühnerfedern in Peking, „ Kimao-foe “, eine Herberge für arme Leute, besteht aus einem großen Saal, der mit einer fußhohen Schicht von Hühnerfedern bedeckt ist. Dieser Saal wird von Bettlern und Vagabunden beiderlei Geschlechts als Schlafstelle benutzt, und Jeder macht sich hier ein Nest in Federn, so gut es eben geht. Eine riesige, mit vielen kopfgroßen Oeffnungen versehene Filzdecke, die über den ganzen Schlafsaal reicht, wird des Abends, wenn Alles sich zurecht ge- bettet, herabgelassen, und Jeder sucht nun ein passendes Loch, durch das er den Kopf steckt. So schlafen hier die nächtlichen Gäste gegen eine geringe Entschädigung so gut, als es ihr Gewissen oder sonstige kleine Unannehm- lichkeiten des menschlichen Lebens ihnen gestatten. R. Großartige Bernsteingewinnung. Jenes geheimnißvoll wunderbare Kleinod, welches vorzugsweise die Ostsee und ihre Umgebung uns spendet — gleichsam als ein verkörpertes „Märchen aus alten Zeiten“ — be- hält, auch abgesehen von seinem mannichfaltigen Gebrauch zum Schmuck und zu andern Zwecken, immerhin einen eigenthümlichen Reiz für jedes sinnige Gemüth. Seine Gewinnung tief aus dem Wasser oder der Erde Schooß hervor, seine Verarbeitung zu Kunstgegenständen, sein Verbrauch für chemisch=technische Zwecke — Lack, Räucherwerk, Volksarzneien — das Alles bürgt eine Fülle des Jnteressanten und Anregenden. Wir dürfen daher wohl glauben, daß die nachstehende kleine Bemerkung über die neueste großartige Bernsteingewinnung in Ostpreußen die Aufmerksamkeit der Leser verdienen werde. Vor einigen Monaten begannen in der Gegend von Schwarzort am kurischen Haf etwa dreihundert Arbeiter bedeutende Bernstein- gräbereien, zugleich mit etwa hundert anderen Arbeitern, welche um die Brüsteorter Landspitze her in circa fünfzig Böten in Holzflößen damit be- schäftigt sind, die in der See befindlichen großen Steine zu heben und den meistens darunter angehäuften Bernstein zu fischen. An beiden Orten herrscht ein überaus reges Leben. Die Erdarbeiten erstrecken sich zugleich auf die Schüttung neuer Uferdämme, damit die Umgebung des Brüsteorter Leuchtthurms nicht etwa durch die in Folge der Gräbereien entstehenden Erdstürze gefährdet werde. Die Gräbereien sind außerordentlich kostspielig, was man daraus annähernd ersehen kann, daß der Morgen des Privaten gehörenden Terrains bis zu achthundert Thaler bezahlt wird, und daß die Schicht des im Seeufer bei Rosenort liegenden Bernsteins aus der Tiefe von 120 Fuß heraufgeholt werden muß. Jn Betreff der Ausbeute haben zuverlässige Angaben 5000 Pfund Bernstein und darüber in der Woche, also etwa 250,000 Pfund im Jahre, als Durchschnittsertrag festgestellt. M. Der Kanonenkugelbaum. Jn den dichten Wäldern von Cayenne findet sich ein fünfzig bis sechszig Fuß hoher Baum von über zwei Fuß im Durchmesser vor. Sein Holz ist weich, die weit ausgebreiteten Zweige haben eine glatte Schale und lanzenförmige, acht bis zehn Zoll lange Blätter. Die Blüthen dieses Baumes, welche an verschiedenen Theilen des Stammes zum Vorschein kommen, sind von außerordentlich glänzender Farbe und besitzen einen höchst angenehmen Geruch. Obgleich in einem einzigen Büschel fünfzig bis hundert solcher Blüthen beisammen stehen, so kommen doch höchstens nur zwei runde Früchte von röthlicher Farbe daran zum Vorschein, die von ihrer Gestalt und Größe dem Baum den Namen gegeben haben. Die herabgefallenen Fruchthüllen, welche den Boden unter diesen Bäumen bedecken, haben so viel Aehnlichkeit mit Bombenschalen, daß man beim ersten Anblick glauben möchte, eine Artillerie=Kompagnie habe hier bivouakirt. Das Fleisch der Frucht mit den erbsgroßen Samen- körnern ist zuckerreich und säuerlich, giebt einen erfrischenden Trank und hat einen so starken weinartigen Geruch, daß man ihn selbst bei Früchten, die längere Zeit in Rum gelegen, noch immer unerträglich findet. Die Schale wird in Südamerika als Schüssel und Trinkgefäß benutzt. Jn Europa hat man bis jetzt nicht ein einziges lebendes Exemplar dieses Baumes angetroffen, während er in Cayenne zu jeder Jahreszeit blüht. Briefkasten. R. St. in M.: Jst bereits expedirt. — A. L. in Coeslin: No. I. ist zu lang für den Raum unseres Blattes; die drei anderen nicht recht geeignet. — J. B. in St. J.: Mit Dank erhalten. Soll zum größten Theil benutzt werden. v. K. in Berlin: Erhalten. Entscheidung in den nächsten Tagen. — F. F. in B.: Besten Dank. ☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von 12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 4. Berlin, 26. Januar 1868, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt04_1868/8>, abgerufen am 16.06.2024.