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Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz] wo fast jeder gebildete Mann auch Schriftsteller oder Dichter war,
zum guten Ton. Verschiedene Baderäume zu warmen und kalten Bä-
dern, mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet, waren vorhanden.
Die Fußböden bestanden aus herrlichen Mosaikarbeiten, welche histo-
rische Tableaus oder mythologische Scenen darstellten; die Wände
waren mit polirtem Marmor getäfelt, Marmorsäulen stützten die
Decken, die in Gold und Farbe prangten -- des statuarischen und an-
deren bildlichen Schmuckes gar nicht zu gedenken. Die Erwärmung
der Zimmer geschah auf sinnreiche Weise durch erhitzte Luft. Stuben-
öfen hatte man damals noch nicht, wie sie sich ja auch im heutigen
Jtalien noch selten finden, und man half sich dafür dadurch, daß man
im Souterrain einen feuersicheren Raum anlegte, in dem man Kohlen
entzündete, deren entwickelte Wärme man in einem darüber befindlichen
Gemach auffing, von wo aus dieselbe durch in den Wänden liegende
Röhren geleitet und durch angebrachte Ventile moderirt werden konnte.

Diese großartigen Bauten waren von eben so großartigen Garten-
und Parkanlagen umgeben. Der Redner Hortensius, ein Zeitgenosse
Cicero's, hatte auf einem seiner Landgüter einen Park von fünfzig
Morgen Umfang. Man richtete derartige Anlagen auch zu Wild-
gärten ein und verband sie mitunter mit benachbarten Wäldern, so
daß der Jagdliebhaber seine waidmännischen Gelüste vollauf befrie-
[Spaltenumbruch] friedigen konnte, und nach dem Wildpret zur Tafel nicht erst lange
gepirscht zu werden brauchte. Zur Belebung der Gartenanlagen
waren Vogelhäuser mit den verschiedensten geflügelten Bewohnern
aufgestellt; in großen Fischteichen wurden die Fische zu den luxuriösen
Mählern gefüttert; Springbrunnen und künstliche Wasserfälle über-
raschten den Blick aufs angenehmste. Terrassen, mit Schlingpflanzen
überzogen, stiegen am Abhang empor, dunkle Laubgänge nahmen am
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auf; mit würzigem Duft füllten die Blumen auf den mit Buxbaum
eingefaßten Beeten die Luft. Namentlich wurde die Rose, die Königin
des Gartens, gepflegt; man bezog edlere Sorten derselben weit her,
aus Aegypten und Neu=Karthago, und suchte sie möglichst das ganze
Jahr hindurch blühend zu erhalten. Dazu überwinterte man sie und
andere Blumen in Glashäusern, so daß man gleich eine Art Winter-
garten hatte. Auch Treibhäuser zur frühzeitigen Zucht von Früchten
hatte man; denn auf wohlbesetzter Tafel durfte zum Dessert auch im
Winter die prangende Traube nicht fehlen, und von den Gärtnern
des Kaisers Tiberius heißt es, daß sie das ganze Jahr hindurch
Gurken und Melonen geliefert hätten.

( Schluß folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Das Flachdrücken des Schädels. Bei den Wallamet=Jndianern
sind ovale Köpfe ein Gräuel. Bei ihnen muß der Schädel ganz flach
gedrückt sein, obwohl diese Operation äußerst schmerzlich und lebens-
gefährlich ist. Sie bedienen sich hierzu eines eigenthümlichen Tisches, der
mit einem Ausschnitt für den Hinterkopf versehen ist. Das neugeborene
Kind wird eingeschnürt, und ein Brett mit ledernen Hängen, welches
schräg auf die Stirn gepreßt werden muß, mit Riemen befestigt. Dieses
Brett bleibt mehrere Monate auf die Stirn drückend, bis die Näthe des
Schädels sich völlig schließen und die gequetschte Gestalt des Kopfes über
der harten Verknöcherung als permanent zu betrachten ist. Der englische
Reisende Townshend sah ein solches Kind, das eben "aus der Klemme"
kam; die Stirn desselben war ganz flach, das Gehirn nach dem Hinterkopf
zurückgedrängt, die Augen fast einen Zoll hervorragend, entzündet und
verfärbt; wenn das arme Wesen lächelte, war es schrecklich anzuschauen.
Jm Uebrigen aber ist es seltsam, daß kein Jndianerstamm so schlau, ver-
schlagen und in gewisser Hinsicht so verständig ist, als der genannte, wo
diese grausame Sitte der Verstümmelung herrscht.



M. Schneider=Heroismus. Der Volkswitz handelt undankbar und
ungerecht an den Schneidern, wenn er ihnen Feigheit vorwirft. Jn der
Regel finden sich gerade unter ihnen nicht allein die dem Vaterlande
ergebensten Bürger, sondern auch Leute von großem moralischem Muth.
Als Straßburg, die "wunderschöne Stadt", von Kaiser und Reich auf
das schmählichste verlassen, endlich Ludwig XIV. preisgegeben war, als
ein französisches Heer vor seinen Thoren stand, während im Jnnern Feig-
heit und Verrath Hand in Hand gingen, willigte die Bürgerschaft, unter
dem Vorsitz des Raths, in die Uebergabe der Stadt an den König. Nur
die Schneider=Jnnung verwarf jenen Vertrag mit Frankreich; sie wollte
deutsch verbleiben, Straßburg reichsunmittelbar behaupten und ihre Rechte
bis in den Tod vertheidigen.



M. Ein sonderbarer Gebrauch herrscht bei den Bauern im Himalaya,
ihre Kinder einzuschläfern. Ein Reisender sah das schlafende Kind, dessen
Mutter Getreide in einem Mörser stieß, auf einer aus Weiden geflochtenen
Matte am Rasenabhange liegen, auf dem oben eine kleine Quelle vorüber-
rieselte. Ein Stück aufgerollte Baumrinde, am Saum der Quelle an-
gelegt, leitete einen dünnen Wasserfaden hinab, der in der Höhe von etwa
sechs Zoll auf den Schädel des Kindes fiel. Der kleine Hindu lag unter
seinem Gießbach im tiefsten Schlaf. Die Bauern halten diese Art, ihre
Kinder einzuschläfern, sehr zuträglich für die Gesundheit derselben und be-
haupten, daß unter dieser Begießung baumstarke Burschen heranwüchsen.
Allerdings mag der Schädel dadurch an Härte gewinnen; ob aber die
geistige Fähigkeit dabei nicht ein wenig zu verknöchert werde, ist eine andere
Frage, die der Verstand der dortigen Bauern nicht sehr zu ihrem Vortheil
beantwortet.



M. Neuerungen in alter Zeit. Hollinshed, ein zur Zeit der Königin
Elisabeth von England lebender Schriftsteller, wunderte sich sehr, daß man
damals begann, so viele Schornsteine zu bauen. Als er jung gewesen,
habe man den Rauch durch Thüren und Fenster abziehen lassen, wodurch
[Spaltenumbruch] das Holzwerk dauerhafter und die Gesundheit der Menschen befestigt
worden. Weiteren Anstoß gab ihm das Ueberhandnehmen der Betten, der
Kopfkissen und Polster. Wer damals ein mit Wolle gestopftes Kissen
besaß, tauschte mit keinem Lord. Federpfühle hielt man nur für Wöch-
nerinnen passend; das Dienstpersonal war froh, wenn es auf Stroh und
unter einer Decke lag. Hollinshed schüttelte auch den Kopf darüber, daß
die Bürger zu jener Zeit anfingen, die Holzlöffel abzuschaffen und Zinn-
oder gar Silbergeschirr zu kaufen. Wenn der Mann jetzt lebte!



M. Der graue Oberrock Napoleons I. Gegen Ende September 1805
reiste der Kaiser, aus dem Lager von Boulogne kommend, durch Paris,
um sich nach dem Rhein zu begeben. Er ließ seinen Leibschneider kommen.

"Herr Leger", sagte der Kaiser, "ich trete jetzt einen Feldzug an und
möchte ein warmes, solides Kleidungsstück haben, das weniger genirt, als
ein Mantel -- etwa wie der Oberrock, den Sie da tragen."

"Ganz wohl, Sire, ich werde einen Oberrock anfertigen; nur handelt
es sich noch um die Farbe. Jch möchte für Grün stimmen, aber ein
dunkleres Grün, als das des Uniformrocks."

"Nein, nein", entgegnete Napoleon, "das Grün schmutzt zu stark;
nehmen Sie Grau, man sieht darauf den Staub nicht."

Während der Nacht, welche der Schlacht von Austerlitz vorausging,
erschien Napoleon zum ersten Mal in dem berühmt gewordenen grauen
Oberrock.



M. Das Vaterland des Kanarienvogels sind bekanntlich die Kana-
rischen und einige andere Jnseln in der Nähe Afrika's. Auf der kleinen
Jnsel Monte Clara, nordwärts von Lancelotte, sollen sich die meisten und
schönsten dieser Vögel aufhalten. Daß sie in ihrer Heimath nicht singen,
wie man angenommen, wird von den Reisenden widerlegt; namentlich fand
Bory de St. Vincent den Schlag des Kanarienvogels dort noch angeneh-
mer, als den der Nachtigall. Schon zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
wurden die ersten Kanarienvögel nach Europa gebracht; späterhin nahm
der Handel solche Dimensionen an, daß die spanische Regierung das Verbot
ergehen ließ, Hähne von den Kanarischen Jnseln auszuführen. Nunmehr
legten die Jtaliener, Tyroler und Schweizer Hecken an und zogen eine
große Menge solcher Vögel.



Berichtigung.

Durch ein Versehen der Redaktion ist bei dem in Nr. 19 des
"Sonntagsblattes" enthaltenen Artikel: "Eine Reise=Erinnerung aus
Nord=Friesland", Herr Hugo Meyer als Verfasser genannt worden,
während der Autor desselben Herr Otto Glagau ist. Wir bitten sowohl
unsere verehrten Leser wie den Herrn Verfasser, diesen unsern Jrrthum
freundlichst entschuldigen zu wollen.

    Die Redaktion.

[Ende Spaltensatz]

Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] wo fast jeder gebildete Mann auch Schriftsteller oder Dichter war,
zum guten Ton. Verschiedene Baderäume zu warmen und kalten Bä-
dern, mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet, waren vorhanden.
Die Fußböden bestanden aus herrlichen Mosaikarbeiten, welche histo-
rische Tableaus oder mythologische Scenen darstellten; die Wände
waren mit polirtem Marmor getäfelt, Marmorsäulen stützten die
Decken, die in Gold und Farbe prangten — des statuarischen und an-
deren bildlichen Schmuckes gar nicht zu gedenken. Die Erwärmung
der Zimmer geschah auf sinnreiche Weise durch erhitzte Luft. Stuben-
öfen hatte man damals noch nicht, wie sie sich ja auch im heutigen
Jtalien noch selten finden, und man half sich dafür dadurch, daß man
im Souterrain einen feuersicheren Raum anlegte, in dem man Kohlen
entzündete, deren entwickelte Wärme man in einem darüber befindlichen
Gemach auffing, von wo aus dieselbe durch in den Wänden liegende
Röhren geleitet und durch angebrachte Ventile moderirt werden konnte.

Diese großartigen Bauten waren von eben so großartigen Garten-
und Parkanlagen umgeben. Der Redner Hortensius, ein Zeitgenosse
Cicero's, hatte auf einem seiner Landgüter einen Park von fünfzig
Morgen Umfang. Man richtete derartige Anlagen auch zu Wild-
gärten ein und verband sie mitunter mit benachbarten Wäldern, so
daß der Jagdliebhaber seine waidmännischen Gelüste vollauf befrie-
[Spaltenumbruch] friedigen konnte, und nach dem Wildpret zur Tafel nicht erst lange
gepirscht zu werden brauchte. Zur Belebung der Gartenanlagen
waren Vogelhäuser mit den verschiedensten geflügelten Bewohnern
aufgestellt; in großen Fischteichen wurden die Fische zu den luxuriösen
Mählern gefüttert; Springbrunnen und künstliche Wasserfälle über-
raschten den Blick aufs angenehmste. Terrassen, mit Schlingpflanzen
überzogen, stiegen am Abhang empor, dunkle Laubgänge nahmen am
warmen Tage den Lustwandelnden in ihren erquickenden Schatten
auf; mit würzigem Duft füllten die Blumen auf den mit Buxbaum
eingefaßten Beeten die Luft. Namentlich wurde die Rose, die Königin
des Gartens, gepflegt; man bezog edlere Sorten derselben weit her,
aus Aegypten und Neu=Karthago, und suchte sie möglichst das ganze
Jahr hindurch blühend zu erhalten. Dazu überwinterte man sie und
andere Blumen in Glashäusern, so daß man gleich eine Art Winter-
garten hatte. Auch Treibhäuser zur frühzeitigen Zucht von Früchten
hatte man; denn auf wohlbesetzter Tafel durfte zum Dessert auch im
Winter die prangende Traube nicht fehlen, und von den Gärtnern
des Kaisers Tiberius heißt es, daß sie das ganze Jahr hindurch
Gurken und Melonen geliefert hätten.

( Schluß folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Das Flachdrücken des Schädels. Bei den Wallamet=Jndianern
sind ovale Köpfe ein Gräuel. Bei ihnen muß der Schädel ganz flach
gedrückt sein, obwohl diese Operation äußerst schmerzlich und lebens-
gefährlich ist. Sie bedienen sich hierzu eines eigenthümlichen Tisches, der
mit einem Ausschnitt für den Hinterkopf versehen ist. Das neugeborene
Kind wird eingeschnürt, und ein Brett mit ledernen Hängen, welches
schräg auf die Stirn gepreßt werden muß, mit Riemen befestigt. Dieses
Brett bleibt mehrere Monate auf die Stirn drückend, bis die Näthe des
Schädels sich völlig schließen und die gequetschte Gestalt des Kopfes über
der harten Verknöcherung als permanent zu betrachten ist. Der englische
Reisende Townshend sah ein solches Kind, das eben „aus der Klemme“
kam; die Stirn desselben war ganz flach, das Gehirn nach dem Hinterkopf
zurückgedrängt, die Augen fast einen Zoll hervorragend, entzündet und
verfärbt; wenn das arme Wesen lächelte, war es schrecklich anzuschauen.
Jm Uebrigen aber ist es seltsam, daß kein Jndianerstamm so schlau, ver-
schlagen und in gewisser Hinsicht so verständig ist, als der genannte, wo
diese grausame Sitte der Verstümmelung herrscht.



M. Schneider=Heroismus. Der Volkswitz handelt undankbar und
ungerecht an den Schneidern, wenn er ihnen Feigheit vorwirft. Jn der
Regel finden sich gerade unter ihnen nicht allein die dem Vaterlande
ergebensten Bürger, sondern auch Leute von großem moralischem Muth.
Als Straßburg, die „wunderschöne Stadt“, von Kaiser und Reich auf
das schmählichste verlassen, endlich Ludwig XIV. preisgegeben war, als
ein französisches Heer vor seinen Thoren stand, während im Jnnern Feig-
heit und Verrath Hand in Hand gingen, willigte die Bürgerschaft, unter
dem Vorsitz des Raths, in die Uebergabe der Stadt an den König. Nur
die Schneider=Jnnung verwarf jenen Vertrag mit Frankreich; sie wollte
deutsch verbleiben, Straßburg reichsunmittelbar behaupten und ihre Rechte
bis in den Tod vertheidigen.



M. Ein sonderbarer Gebrauch herrscht bei den Bauern im Himalaya,
ihre Kinder einzuschläfern. Ein Reisender sah das schlafende Kind, dessen
Mutter Getreide in einem Mörser stieß, auf einer aus Weiden geflochtenen
Matte am Rasenabhange liegen, auf dem oben eine kleine Quelle vorüber-
rieselte. Ein Stück aufgerollte Baumrinde, am Saum der Quelle an-
gelegt, leitete einen dünnen Wasserfaden hinab, der in der Höhe von etwa
sechs Zoll auf den Schädel des Kindes fiel. Der kleine Hindu lag unter
seinem Gießbach im tiefsten Schlaf. Die Bauern halten diese Art, ihre
Kinder einzuschläfern, sehr zuträglich für die Gesundheit derselben und be-
haupten, daß unter dieser Begießung baumstarke Burschen heranwüchsen.
Allerdings mag der Schädel dadurch an Härte gewinnen; ob aber die
geistige Fähigkeit dabei nicht ein wenig zu verknöchert werde, ist eine andere
Frage, die der Verstand der dortigen Bauern nicht sehr zu ihrem Vortheil
beantwortet.



M. Neuerungen in alter Zeit. Hollinshed, ein zur Zeit der Königin
Elisabeth von England lebender Schriftsteller, wunderte sich sehr, daß man
damals begann, so viele Schornsteine zu bauen. Als er jung gewesen,
habe man den Rauch durch Thüren und Fenster abziehen lassen, wodurch
[Spaltenumbruch] das Holzwerk dauerhafter und die Gesundheit der Menschen befestigt
worden. Weiteren Anstoß gab ihm das Ueberhandnehmen der Betten, der
Kopfkissen und Polster. Wer damals ein mit Wolle gestopftes Kissen
besaß, tauschte mit keinem Lord. Federpfühle hielt man nur für Wöch-
nerinnen passend; das Dienstpersonal war froh, wenn es auf Stroh und
unter einer Decke lag. Hollinshed schüttelte auch den Kopf darüber, daß
die Bürger zu jener Zeit anfingen, die Holzlöffel abzuschaffen und Zinn-
oder gar Silbergeschirr zu kaufen. Wenn der Mann jetzt lebte!



M. Der graue Oberrock Napoleons I. Gegen Ende September 1805
reiste der Kaiser, aus dem Lager von Boulogne kommend, durch Paris,
um sich nach dem Rhein zu begeben. Er ließ seinen Leibschneider kommen.

„Herr Leger“, sagte der Kaiser, „ich trete jetzt einen Feldzug an und
möchte ein warmes, solides Kleidungsstück haben, das weniger genirt, als
ein Mantel — etwa wie der Oberrock, den Sie da tragen.“

„Ganz wohl, Sire, ich werde einen Oberrock anfertigen; nur handelt
es sich noch um die Farbe. Jch möchte für Grün stimmen, aber ein
dunkleres Grün, als das des Uniformrocks.“

„Nein, nein“, entgegnete Napoleon, „das Grün schmutzt zu stark;
nehmen Sie Grau, man sieht darauf den Staub nicht.“

Während der Nacht, welche der Schlacht von Austerlitz vorausging,
erschien Napoleon zum ersten Mal in dem berühmt gewordenen grauen
Oberrock.



M. Das Vaterland des Kanarienvogels sind bekanntlich die Kana-
rischen und einige andere Jnseln in der Nähe Afrika's. Auf der kleinen
Jnsel Monte Clara, nordwärts von Lancelotte, sollen sich die meisten und
schönsten dieser Vögel aufhalten. Daß sie in ihrer Heimath nicht singen,
wie man angenommen, wird von den Reisenden widerlegt; namentlich fand
Bory de St. Vincent den Schlag des Kanarienvogels dort noch angeneh-
mer, als den der Nachtigall. Schon zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
wurden die ersten Kanarienvögel nach Europa gebracht; späterhin nahm
der Handel solche Dimensionen an, daß die spanische Regierung das Verbot
ergehen ließ, Hähne von den Kanarischen Jnseln auszuführen. Nunmehr
legten die Jtaliener, Tyroler und Schweizer Hecken an und zogen eine
große Menge solcher Vögel.



Berichtigung.

Durch ein Versehen der Redaktion ist bei dem in Nr. 19 des
„Sonntagsblattes“ enthaltenen Artikel: „Eine Reise=Erinnerung aus
Nord=Friesland“, Herr Hugo Meyer als Verfasser genannt worden,
während der Autor desselben Herr Otto Glagau ist. Wir bitten sowohl
unsere verehrten Leser wie den Herrn Verfasser, diesen unsern Jrrthum
freundlichst entschuldigen zu wollen.

    Die Redaktion.

[Ende Spaltensatz]

☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[176/0008] 176 wo fast jeder gebildete Mann auch Schriftsteller oder Dichter war, zum guten Ton. Verschiedene Baderäume zu warmen und kalten Bä- dern, mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet, waren vorhanden. Die Fußböden bestanden aus herrlichen Mosaikarbeiten, welche histo- rische Tableaus oder mythologische Scenen darstellten; die Wände waren mit polirtem Marmor getäfelt, Marmorsäulen stützten die Decken, die in Gold und Farbe prangten — des statuarischen und an- deren bildlichen Schmuckes gar nicht zu gedenken. Die Erwärmung der Zimmer geschah auf sinnreiche Weise durch erhitzte Luft. Stuben- öfen hatte man damals noch nicht, wie sie sich ja auch im heutigen Jtalien noch selten finden, und man half sich dafür dadurch, daß man im Souterrain einen feuersicheren Raum anlegte, in dem man Kohlen entzündete, deren entwickelte Wärme man in einem darüber befindlichen Gemach auffing, von wo aus dieselbe durch in den Wänden liegende Röhren geleitet und durch angebrachte Ventile moderirt werden konnte. Diese großartigen Bauten waren von eben so großartigen Garten- und Parkanlagen umgeben. Der Redner Hortensius, ein Zeitgenosse Cicero's, hatte auf einem seiner Landgüter einen Park von fünfzig Morgen Umfang. Man richtete derartige Anlagen auch zu Wild- gärten ein und verband sie mitunter mit benachbarten Wäldern, so daß der Jagdliebhaber seine waidmännischen Gelüste vollauf befrie- friedigen konnte, und nach dem Wildpret zur Tafel nicht erst lange gepirscht zu werden brauchte. Zur Belebung der Gartenanlagen waren Vogelhäuser mit den verschiedensten geflügelten Bewohnern aufgestellt; in großen Fischteichen wurden die Fische zu den luxuriösen Mählern gefüttert; Springbrunnen und künstliche Wasserfälle über- raschten den Blick aufs angenehmste. Terrassen, mit Schlingpflanzen überzogen, stiegen am Abhang empor, dunkle Laubgänge nahmen am warmen Tage den Lustwandelnden in ihren erquickenden Schatten auf; mit würzigem Duft füllten die Blumen auf den mit Buxbaum eingefaßten Beeten die Luft. Namentlich wurde die Rose, die Königin des Gartens, gepflegt; man bezog edlere Sorten derselben weit her, aus Aegypten und Neu=Karthago, und suchte sie möglichst das ganze Jahr hindurch blühend zu erhalten. Dazu überwinterte man sie und andere Blumen in Glashäusern, so daß man gleich eine Art Winter- garten hatte. Auch Treibhäuser zur frühzeitigen Zucht von Früchten hatte man; denn auf wohlbesetzter Tafel durfte zum Dessert auch im Winter die prangende Traube nicht fehlen, und von den Gärtnern des Kaisers Tiberius heißt es, daß sie das ganze Jahr hindurch Gurken und Melonen geliefert hätten. ( Schluß folgt. ) Lose Blätter. M. Das Flachdrücken des Schädels. Bei den Wallamet=Jndianern sind ovale Köpfe ein Gräuel. Bei ihnen muß der Schädel ganz flach gedrückt sein, obwohl diese Operation äußerst schmerzlich und lebens- gefährlich ist. Sie bedienen sich hierzu eines eigenthümlichen Tisches, der mit einem Ausschnitt für den Hinterkopf versehen ist. Das neugeborene Kind wird eingeschnürt, und ein Brett mit ledernen Hängen, welches schräg auf die Stirn gepreßt werden muß, mit Riemen befestigt. Dieses Brett bleibt mehrere Monate auf die Stirn drückend, bis die Näthe des Schädels sich völlig schließen und die gequetschte Gestalt des Kopfes über der harten Verknöcherung als permanent zu betrachten ist. Der englische Reisende Townshend sah ein solches Kind, das eben „aus der Klemme“ kam; die Stirn desselben war ganz flach, das Gehirn nach dem Hinterkopf zurückgedrängt, die Augen fast einen Zoll hervorragend, entzündet und verfärbt; wenn das arme Wesen lächelte, war es schrecklich anzuschauen. Jm Uebrigen aber ist es seltsam, daß kein Jndianerstamm so schlau, ver- schlagen und in gewisser Hinsicht so verständig ist, als der genannte, wo diese grausame Sitte der Verstümmelung herrscht. M. Schneider=Heroismus. Der Volkswitz handelt undankbar und ungerecht an den Schneidern, wenn er ihnen Feigheit vorwirft. Jn der Regel finden sich gerade unter ihnen nicht allein die dem Vaterlande ergebensten Bürger, sondern auch Leute von großem moralischem Muth. Als Straßburg, die „wunderschöne Stadt“, von Kaiser und Reich auf das schmählichste verlassen, endlich Ludwig XIV. preisgegeben war, als ein französisches Heer vor seinen Thoren stand, während im Jnnern Feig- heit und Verrath Hand in Hand gingen, willigte die Bürgerschaft, unter dem Vorsitz des Raths, in die Uebergabe der Stadt an den König. Nur die Schneider=Jnnung verwarf jenen Vertrag mit Frankreich; sie wollte deutsch verbleiben, Straßburg reichsunmittelbar behaupten und ihre Rechte bis in den Tod vertheidigen. M. Ein sonderbarer Gebrauch herrscht bei den Bauern im Himalaya, ihre Kinder einzuschläfern. Ein Reisender sah das schlafende Kind, dessen Mutter Getreide in einem Mörser stieß, auf einer aus Weiden geflochtenen Matte am Rasenabhange liegen, auf dem oben eine kleine Quelle vorüber- rieselte. Ein Stück aufgerollte Baumrinde, am Saum der Quelle an- gelegt, leitete einen dünnen Wasserfaden hinab, der in der Höhe von etwa sechs Zoll auf den Schädel des Kindes fiel. Der kleine Hindu lag unter seinem Gießbach im tiefsten Schlaf. Die Bauern halten diese Art, ihre Kinder einzuschläfern, sehr zuträglich für die Gesundheit derselben und be- haupten, daß unter dieser Begießung baumstarke Burschen heranwüchsen. Allerdings mag der Schädel dadurch an Härte gewinnen; ob aber die geistige Fähigkeit dabei nicht ein wenig zu verknöchert werde, ist eine andere Frage, die der Verstand der dortigen Bauern nicht sehr zu ihrem Vortheil beantwortet. M. Neuerungen in alter Zeit. Hollinshed, ein zur Zeit der Königin Elisabeth von England lebender Schriftsteller, wunderte sich sehr, daß man damals begann, so viele Schornsteine zu bauen. Als er jung gewesen, habe man den Rauch durch Thüren und Fenster abziehen lassen, wodurch das Holzwerk dauerhafter und die Gesundheit der Menschen befestigt worden. Weiteren Anstoß gab ihm das Ueberhandnehmen der Betten, der Kopfkissen und Polster. Wer damals ein mit Wolle gestopftes Kissen besaß, tauschte mit keinem Lord. Federpfühle hielt man nur für Wöch- nerinnen passend; das Dienstpersonal war froh, wenn es auf Stroh und unter einer Decke lag. Hollinshed schüttelte auch den Kopf darüber, daß die Bürger zu jener Zeit anfingen, die Holzlöffel abzuschaffen und Zinn- oder gar Silbergeschirr zu kaufen. Wenn der Mann jetzt lebte! M. Der graue Oberrock Napoleons I. Gegen Ende September 1805 reiste der Kaiser, aus dem Lager von Boulogne kommend, durch Paris, um sich nach dem Rhein zu begeben. Er ließ seinen Leibschneider kommen. „Herr Leger“, sagte der Kaiser, „ich trete jetzt einen Feldzug an und möchte ein warmes, solides Kleidungsstück haben, das weniger genirt, als ein Mantel — etwa wie der Oberrock, den Sie da tragen.“ „Ganz wohl, Sire, ich werde einen Oberrock anfertigen; nur handelt es sich noch um die Farbe. Jch möchte für Grün stimmen, aber ein dunkleres Grün, als das des Uniformrocks.“ „Nein, nein“, entgegnete Napoleon, „das Grün schmutzt zu stark; nehmen Sie Grau, man sieht darauf den Staub nicht.“ Während der Nacht, welche der Schlacht von Austerlitz vorausging, erschien Napoleon zum ersten Mal in dem berühmt gewordenen grauen Oberrock. M. Das Vaterland des Kanarienvogels sind bekanntlich die Kana- rischen und einige andere Jnseln in der Nähe Afrika's. Auf der kleinen Jnsel Monte Clara, nordwärts von Lancelotte, sollen sich die meisten und schönsten dieser Vögel aufhalten. Daß sie in ihrer Heimath nicht singen, wie man angenommen, wird von den Reisenden widerlegt; namentlich fand Bory de St. Vincent den Schlag des Kanarienvogels dort noch angeneh- mer, als den der Nachtigall. Schon zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts wurden die ersten Kanarienvögel nach Europa gebracht; späterhin nahm der Handel solche Dimensionen an, daß die spanische Regierung das Verbot ergehen ließ, Hähne von den Kanarischen Jnseln auszuführen. Nunmehr legten die Jtaliener, Tyroler und Schweizer Hecken an und zogen eine große Menge solcher Vögel. Berichtigung. Durch ein Versehen der Redaktion ist bei dem in Nr. 19 des „Sonntagsblattes“ enthaltenen Artikel: „Eine Reise=Erinnerung aus Nord=Friesland“, Herr Hugo Meyer als Verfasser genannt worden, während der Autor desselben Herr Otto Glagau ist. Wir bitten sowohl unsere verehrten Leser wie den Herrn Verfasser, diesen unsern Jrrthum freundlichst entschuldigen zu wollen. Die Redaktion. ☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von 12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt22_1868/8>, abgerufen am 16.07.2024.