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Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868.

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[Beginn Spaltensatz] ermüden, wollten wir diesen Brief so durchgehen wie den vorigen,
da doch im Ganzen und Großen dieselben Räumlichkeiten, wenn auch
vielleicht in etwas vermehrter Zahl, aufgeführt werden; wir wollen
deßhalb unser Augenmerk nur auf einzelne Anlagen richten, die der
andern Villa fehlten.

Die Lage dieser mag nicht minder reizend gewesen sein, als die
der laurentinischen; die Berge, mit uraltem, wildreichem Hochwald be-
krönt, erhoben sich wie ein riesiges Amphitheater um das Landgut.
An den Abhängen reifte in den Weinpflanzungen die Traube; durch
blumige Auen schlängelte sich der Tiberfluß, der in wasserreicher
Jahreszeit die Erzeugnisse des Landes auf seinem Rücken nach der
Stadt trug. An einem murmelnden Bach, den der Besitzer im Lau-
rentinum leider vermißte, fehlte es im Tuskum nicht; eben so hatte
dieses eine Rennbahn, die wir in der vorigen Beschreibung nicht fin-
den. Ferner wird hier unter der Bezeichnung Stibadium einer An-
lage gedacht, die so originell wie hübsch ist und wieder einmal zeigt,
wie erfinderisch die Alten waren, wenn es sich darum handelte, nicht
allein gut, sondern auch angenehm zu speisen. Dieses Stibadium,
eigentlich ein halbkreisrundes Speisesopha, war so eingerichtet, daß die
Bänke von drei Seiten ein viereckiges Bassin umgaben, in welches
sich aus drei Röhren unter den Bänken hervor das Wasser ergoß,
so daß es gleichsam durch die Last der auf den Kissen liegenden
Gäste herausgepreßt zu werden schien. Vor dem Ueberlaufen schützten
verborgene Abzugsröhren. Vier an den Ecken stehende zierliche Säulen
trugen eine Decke, welche ein Weinstock mit schattigem Grün durch-
wob. Hatte der Herr einmal Lust, mit seinen Gästen im Freien zu
speisen, so wurden die leichteren Schüsseln in Form eines Schiffchens
[Spaltenumbruch] oder eines Vogels auf das Wasser gesetzt und schwammen im Kreise
herum, an den Essenden vorbei. Das Tuskum war seinem Besitzer
wegen der größeren Einsamkeit und ländlichen Ruhe lieber, als seine
Landhäuser bei Laurentum, Tuskulum, Tibur und Präneste; er
brauchte sich hier in keiner Weise zu geniren, hatte keine Staatsvisiten
zu machen und zu empfangen; er konnte, mit einem Wort, im Kreise
der Seinen ein angenehmes Landleben führen und die reine, Leib und
Seele kräftigende Bergluft ohne vergifteten gesellschaftlichen Hauch
einathmen.

Es liegt sehr nahe, daß sich Archäologen und Architekten, die sich
mit Forschungen auf dem Felde ihrer Kunst befassen, angezogen fühlen
müssen, nach diesen Beschreibungen Restaurationspläne der Landhäuser
des Plinius zu entwerfen, und so sind denn in der That in neuerer
Zeit mehrfache Versuche, diese Aufgabe zu lösen, mit größerem oder
geringerem Erfolge gemacht worden. Die dabei obwaltenden Schwie-
rigkeiten, aus einer losen Aufzählung einzelner Räume einen künstlerisch
durchgebildeten Bauplan zu entwerfen, leuchten wohl Jedem ein;
wenn es gelungen, so bleibt es noch immer fraglich, ob das Wahre
gefunden, und so können selbst die scheinbar vollendetsten Restaura-
tionsentwürfe in archäologischer Hinsicht keinen andern Werth haben,
als den einer Konjektur, abgesehen von dem etwaigen Nutzen, den
diese Arbeiten, je nach dem künstlerischen Talent des Restaurators,
in einzelnen Stücken für die moderne Kunstthätigkeit haben mögen.

Von den vorhandenen Entwürfen seien hier nur die Skizzen
Schinkels erwähnt, die, wie manches seiner ausgeführten Werke,
glänzend bekunden, wie herrlich sich die Antike dem hohen Sinn des
Meisters offenbart hat.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Bewohner der Nuka=Hiva=Jnseln kennen die Eifersucht,
jene in dem heißen Klima so allgewöhnliche und schreckliche Leidenschaft,
nicht einmal dem Namen nach. Der Name Gatte und Geliebter scheint
daselbst nur ein Ehrentitel zu sein, der ohne jede Verbindlichkeit ist.
Stirbt der Mann, so zerkratzt die Wittwe sich ein wenig das Gesicht resp.
die kleinen Schönpflästerchen, welche die dortigen Frauen tragen. Jhr
Gram schwindet sehr bald, und da sie keine Kleider tragen, brauchen sie
auch nicht zu trauern. Die Frauen von Nuka=Hiva sollen übrigens die
schönsten unter allen Jnsulanerinnen in der ganzen Südsee sein, und
sogar einen Vergleich mit den liebenswürdigen Europäerinnen nicht zu
scheuen brauchen.



M. Eine Theaterscene in New=York. Als vor dreißig Jahren der
englische Mime Booth in jener Stadt als Richard III. auftrat, war das
Schauspielhaus dermaßen gefüllt, daß ein Theil der Zuschauer aus dem
Orchester auf die Bühne drang. Booth ließ sich indeß dadurch nicht irre
machen, selbst nicht, als einige Jnsassen des "hohen Olymps" sich das
Vergnügen bereiteten, kleine Münzen auf die Bühne zu werfen, wodurch
unter den mitwirkenden Gassenjungen ein Gebalge entstand. Jn der
Zeltscene traten einige neugierige Zuschauer näher, nahmen die Krone in
Augenschein und prüften das gewaltige Schlachtschwert. Am buntesten
ging es indessen bei der Schlacht her; die Zuschauer mischten sich unter
die Kämpfenden und schlossen während des Gefechts zwischen Richard und
Richmond einen Kreis um Beide -- nicht etwa um Unfug zu treiben,
sondern damit Alles richtig und ehrlich zugehe.



M. Es beißt nicht immer. Der König von Dänemark angelte einst
mit einem seiner Kammerherren, dessen Sohn als Garde=Offizier diente
und fortwährend Schulden machte, die der König auf Fürbitte des Kam-
merherrn schon mehrmals bezahlt hatte. Jener war eben guter Laune, und
der Vater benutzte den günstigen Augenblick, um aufs Neue für seinen
Sohn zu bitten. Der König zog nach einer kurzen Pause die leere Angel-
schnur herauf und sagte lakonisch:

"Mein Lieber, es beißt heut nicht!"



M. Die Eitelkeit der Schotten, selbst derjenigen der dienenden Klasse,
übersteigt alle Begriffe. Als Beweis dafür diene eine Mittheilung des
berühmten Schauspielers Garrick. Derselbe übernachtete eines Abends in
einem Gasthause unweit Edinburgh und hörte die anwesenden dienstbaren
Geister sich untereinander folgendermaßen anreden:

"Herr Graf, führen Sie das Pferd in den Stall!"

"Frau Gräfin, decken Sie den Tisch!"

"Wann werden Sie die Suppe auftragen, Herr Baron?"

"Machen Sie doch Feuer an, Frau Marquise!"

"Herr Marquis, putzen Sie die Stiefel!"



[Spaltenumbruch]

M. Die Arsenikesser im Nieder=Oesterreichischen, in Steyermark und
an der ungarischen Grenze, welche die Gewohnheit des Giftgebrauchs
durch Generationen hindurch vererbt haben, erfreuen sich eines anscheinend
gesunden Lebens. Das Arsenikmehl wird systematisch fast an jedem Tage
zu einem doppelten Zweck verspeist, einmal zur Erzeugung von Körper-
fülle, namentlich bei den jungen Mädchen, sodann aber auch, um die Lun-
gen für das Bergbesteigen zu kräftigen und das Athmen zu erleichtern.
Beides soll denn auch vollständig erreicht werden und die Arsenikesser sich
durch eine volle, runde Gestalt, durch eine reine, rosige Haut auszeichnen,
während die Bauern zur Erreichung des andern Zwecks ein Stückchen
Arsenik in den Mund nehmen, dessen Wirkung ebenfalls erstaunlich
sein soll.

Sobald jedoch ein an Arsenik gewöhnter Mensch den Genuß desselben
aufgiebt, treten alle Zeichen der Arsenikvergiftung ein, und es giebt keinen
andern Schutz gegen den qualvollen Tod, als -- wieder zum Arsenik zu
greifen. Doch kann durch unvorsichtigen Gebrauch -- das höchste Quan-
tum, welches anfänglich genommen wird, ist ein halber Gran -- der Tod
ebenfalls herbeigeführt werden.

Herr von Tschuldi berichtet über einen derartigen Fall: Eine gesunde,
aber magere und blasse Bauerndirne hatte einen Geliebten, den sie durch
ein hübsches Aeußere mehr zu fesseln wünschte; sie nahm daher ihre Zu-
flucht zu dem wohlbekannten Schönheitsmittel und verzehrte die vorschrifts-
mäßige Quantität Arsenik. Jn kurzer Zeit ward sie rosenwangig, frisch
und stark, kurz, sie besaß Alles, was der Geliebte nur wünschen konnte.
Um des Erfolges noch sicherer zu sein, nahm sie unvorsichtiger Weise
einige Gran mehr und starb, als ein Opfer der Eitelkeit, einen qualvollen
Tod. Und leider wiederholen sich solche Fälle sehr häufig.

Eine gleiche Wirkung bringt das Arsenik auf die Thiere, namentlich
auf Pferde hervor; es verleiht ihnen einen geschmeidigen Körper, eine
glänzende Haut, und erzeugt den Schaum vor dem Maul, der als ein
Zeichen von Adel und Feuer gilt. Deßhalb bringen die Pferdehändler und
Kutscher in Wien und auch in anderen Gegenden das Arsenik sehr häufig
in Anwendung.



M. Wenige Magen sind fähig, großes Glück zu verdauen, sagte
Philipp II. von Spanien -- und eine schlechte Nahrung bringt im Körper
nicht so viel Verderben hervor, als Ehrenbezeugungen in bösartigen
Gemüthern.



Briefkasten.

H. H--n. hier. Nicht geeignet. -- v. N. in B.: Die Angelegenheit
des Herrn Pastors Knak ist kein geeigneter Stoff für unser Blatt.
Uebrigens ist es ja bekannt: mit -- manchen Pfaffen kämpfen Götter
selbst vergebens!

[Ende Spaltensatz]

Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] ermüden, wollten wir diesen Brief so durchgehen wie den vorigen,
da doch im Ganzen und Großen dieselben Räumlichkeiten, wenn auch
vielleicht in etwas vermehrter Zahl, aufgeführt werden; wir wollen
deßhalb unser Augenmerk nur auf einzelne Anlagen richten, die der
andern Villa fehlten.

Die Lage dieser mag nicht minder reizend gewesen sein, als die
der laurentinischen; die Berge, mit uraltem, wildreichem Hochwald be-
krönt, erhoben sich wie ein riesiges Amphitheater um das Landgut.
An den Abhängen reifte in den Weinpflanzungen die Traube; durch
blumige Auen schlängelte sich der Tiberfluß, der in wasserreicher
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Stadt trug. An einem murmelnden Bach, den der Besitzer im Lau-
rentinum leider vermißte, fehlte es im Tuskum nicht; eben so hatte
dieses eine Rennbahn, die wir in der vorigen Beschreibung nicht fin-
den. Ferner wird hier unter der Bezeichnung Stibadium einer An-
lage gedacht, die so originell wie hübsch ist und wieder einmal zeigt,
wie erfinderisch die Alten waren, wenn es sich darum handelte, nicht
allein gut, sondern auch angenehm zu speisen. Dieses Stibadium,
eigentlich ein halbkreisrundes Speisesopha, war so eingerichtet, daß die
Bänke von drei Seiten ein viereckiges Bassin umgaben, in welches
sich aus drei Röhren unter den Bänken hervor das Wasser ergoß,
so daß es gleichsam durch die Last der auf den Kissen liegenden
Gäste herausgepreßt zu werden schien. Vor dem Ueberlaufen schützten
verborgene Abzugsröhren. Vier an den Ecken stehende zierliche Säulen
trugen eine Decke, welche ein Weinstock mit schattigem Grün durch-
wob. Hatte der Herr einmal Lust, mit seinen Gästen im Freien zu
speisen, so wurden die leichteren Schüsseln in Form eines Schiffchens
[Spaltenumbruch] oder eines Vogels auf das Wasser gesetzt und schwammen im Kreise
herum, an den Essenden vorbei. Das Tuskum war seinem Besitzer
wegen der größeren Einsamkeit und ländlichen Ruhe lieber, als seine
Landhäuser bei Laurentum, Tuskulum, Tibur und Präneste; er
brauchte sich hier in keiner Weise zu geniren, hatte keine Staatsvisiten
zu machen und zu empfangen; er konnte, mit einem Wort, im Kreise
der Seinen ein angenehmes Landleben führen und die reine, Leib und
Seele kräftigende Bergluft ohne vergifteten gesellschaftlichen Hauch
einathmen.

Es liegt sehr nahe, daß sich Archäologen und Architekten, die sich
mit Forschungen auf dem Felde ihrer Kunst befassen, angezogen fühlen
müssen, nach diesen Beschreibungen Restaurationspläne der Landhäuser
des Plinius zu entwerfen, und so sind denn in der That in neuerer
Zeit mehrfache Versuche, diese Aufgabe zu lösen, mit größerem oder
geringerem Erfolge gemacht worden. Die dabei obwaltenden Schwie-
rigkeiten, aus einer losen Aufzählung einzelner Räume einen künstlerisch
durchgebildeten Bauplan zu entwerfen, leuchten wohl Jedem ein;
wenn es gelungen, so bleibt es noch immer fraglich, ob das Wahre
gefunden, und so können selbst die scheinbar vollendetsten Restaura-
tionsentwürfe in archäologischer Hinsicht keinen andern Werth haben,
als den einer Konjektur, abgesehen von dem etwaigen Nutzen, den
diese Arbeiten, je nach dem künstlerischen Talent des Restaurators,
in einzelnen Stücken für die moderne Kunstthätigkeit haben mögen.

Von den vorhandenen Entwürfen seien hier nur die Skizzen
Schinkels erwähnt, die, wie manches seiner ausgeführten Werke,
glänzend bekunden, wie herrlich sich die Antike dem hohen Sinn des
Meisters offenbart hat.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Bewohner der Nuka=Hiva=Jnseln kennen die Eifersucht,
jene in dem heißen Klima so allgewöhnliche und schreckliche Leidenschaft,
nicht einmal dem Namen nach. Der Name Gatte und Geliebter scheint
daselbst nur ein Ehrentitel zu sein, der ohne jede Verbindlichkeit ist.
Stirbt der Mann, so zerkratzt die Wittwe sich ein wenig das Gesicht resp.
die kleinen Schönpflästerchen, welche die dortigen Frauen tragen. Jhr
Gram schwindet sehr bald, und da sie keine Kleider tragen, brauchen sie
auch nicht zu trauern. Die Frauen von Nuka=Hiva sollen übrigens die
schönsten unter allen Jnsulanerinnen in der ganzen Südsee sein, und
sogar einen Vergleich mit den liebenswürdigen Europäerinnen nicht zu
scheuen brauchen.



M. Eine Theaterscene in New=York. Als vor dreißig Jahren der
englische Mime Booth in jener Stadt als Richard III. auftrat, war das
Schauspielhaus dermaßen gefüllt, daß ein Theil der Zuschauer aus dem
Orchester auf die Bühne drang. Booth ließ sich indeß dadurch nicht irre
machen, selbst nicht, als einige Jnsassen des „hohen Olymps“ sich das
Vergnügen bereiteten, kleine Münzen auf die Bühne zu werfen, wodurch
unter den mitwirkenden Gassenjungen ein Gebalge entstand. Jn der
Zeltscene traten einige neugierige Zuschauer näher, nahmen die Krone in
Augenschein und prüften das gewaltige Schlachtschwert. Am buntesten
ging es indessen bei der Schlacht her; die Zuschauer mischten sich unter
die Kämpfenden und schlossen während des Gefechts zwischen Richard und
Richmond einen Kreis um Beide — nicht etwa um Unfug zu treiben,
sondern damit Alles richtig und ehrlich zugehe.



M. Es beißt nicht immer. Der König von Dänemark angelte einst
mit einem seiner Kammerherren, dessen Sohn als Garde=Offizier diente
und fortwährend Schulden machte, die der König auf Fürbitte des Kam-
merherrn schon mehrmals bezahlt hatte. Jener war eben guter Laune, und
der Vater benutzte den günstigen Augenblick, um aufs Neue für seinen
Sohn zu bitten. Der König zog nach einer kurzen Pause die leere Angel-
schnur herauf und sagte lakonisch:

„Mein Lieber, es beißt heut nicht!“



M. Die Eitelkeit der Schotten, selbst derjenigen der dienenden Klasse,
übersteigt alle Begriffe. Als Beweis dafür diene eine Mittheilung des
berühmten Schauspielers Garrick. Derselbe übernachtete eines Abends in
einem Gasthause unweit Edinburgh und hörte die anwesenden dienstbaren
Geister sich untereinander folgendermaßen anreden:

„Herr Graf, führen Sie das Pferd in den Stall!“

„Frau Gräfin, decken Sie den Tisch!“

„Wann werden Sie die Suppe auftragen, Herr Baron?“

„Machen Sie doch Feuer an, Frau Marquise!“

„Herr Marquis, putzen Sie die Stiefel!“



[Spaltenumbruch]

M. Die Arsenikesser im Nieder=Oesterreichischen, in Steyermark und
an der ungarischen Grenze, welche die Gewohnheit des Giftgebrauchs
durch Generationen hindurch vererbt haben, erfreuen sich eines anscheinend
gesunden Lebens. Das Arsenikmehl wird systematisch fast an jedem Tage
zu einem doppelten Zweck verspeist, einmal zur Erzeugung von Körper-
fülle, namentlich bei den jungen Mädchen, sodann aber auch, um die Lun-
gen für das Bergbesteigen zu kräftigen und das Athmen zu erleichtern.
Beides soll denn auch vollständig erreicht werden und die Arsenikesser sich
durch eine volle, runde Gestalt, durch eine reine, rosige Haut auszeichnen,
während die Bauern zur Erreichung des andern Zwecks ein Stückchen
Arsenik in den Mund nehmen, dessen Wirkung ebenfalls erstaunlich
sein soll.

Sobald jedoch ein an Arsenik gewöhnter Mensch den Genuß desselben
aufgiebt, treten alle Zeichen der Arsenikvergiftung ein, und es giebt keinen
andern Schutz gegen den qualvollen Tod, als — wieder zum Arsenik zu
greifen. Doch kann durch unvorsichtigen Gebrauch — das höchste Quan-
tum, welches anfänglich genommen wird, ist ein halber Gran — der Tod
ebenfalls herbeigeführt werden.

Herr von Tschuldi berichtet über einen derartigen Fall: Eine gesunde,
aber magere und blasse Bauerndirne hatte einen Geliebten, den sie durch
ein hübsches Aeußere mehr zu fesseln wünschte; sie nahm daher ihre Zu-
flucht zu dem wohlbekannten Schönheitsmittel und verzehrte die vorschrifts-
mäßige Quantität Arsenik. Jn kurzer Zeit ward sie rosenwangig, frisch
und stark, kurz, sie besaß Alles, was der Geliebte nur wünschen konnte.
Um des Erfolges noch sicherer zu sein, nahm sie unvorsichtiger Weise
einige Gran mehr und starb, als ein Opfer der Eitelkeit, einen qualvollen
Tod. Und leider wiederholen sich solche Fälle sehr häufig.

Eine gleiche Wirkung bringt das Arsenik auf die Thiere, namentlich
auf Pferde hervor; es verleiht ihnen einen geschmeidigen Körper, eine
glänzende Haut, und erzeugt den Schaum vor dem Maul, der als ein
Zeichen von Adel und Feuer gilt. Deßhalb bringen die Pferdehändler und
Kutscher in Wien und auch in anderen Gegenden das Arsenik sehr häufig
in Anwendung.



M. Wenige Magen sind fähig, großes Glück zu verdauen, sagte
Philipp II. von Spanien — und eine schlechte Nahrung bringt im Körper
nicht so viel Verderben hervor, als Ehrenbezeugungen in bösartigen
Gemüthern.



Briefkasten.

H. H—n. hier. Nicht geeignet. — v. N. in B.: Die Angelegenheit
des Herrn Pastors Knak ist kein geeigneter Stoff für unser Blatt.
Uebrigens ist es ja bekannt: mit — manchen Pfaffen kämpfen Götter
selbst vergebens!

[Ende Spaltensatz]

☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[184/0008] 184 ermüden, wollten wir diesen Brief so durchgehen wie den vorigen, da doch im Ganzen und Großen dieselben Räumlichkeiten, wenn auch vielleicht in etwas vermehrter Zahl, aufgeführt werden; wir wollen deßhalb unser Augenmerk nur auf einzelne Anlagen richten, die der andern Villa fehlten. Die Lage dieser mag nicht minder reizend gewesen sein, als die der laurentinischen; die Berge, mit uraltem, wildreichem Hochwald be- krönt, erhoben sich wie ein riesiges Amphitheater um das Landgut. An den Abhängen reifte in den Weinpflanzungen die Traube; durch blumige Auen schlängelte sich der Tiberfluß, der in wasserreicher Jahreszeit die Erzeugnisse des Landes auf seinem Rücken nach der Stadt trug. An einem murmelnden Bach, den der Besitzer im Lau- rentinum leider vermißte, fehlte es im Tuskum nicht; eben so hatte dieses eine Rennbahn, die wir in der vorigen Beschreibung nicht fin- den. Ferner wird hier unter der Bezeichnung Stibadium einer An- lage gedacht, die so originell wie hübsch ist und wieder einmal zeigt, wie erfinderisch die Alten waren, wenn es sich darum handelte, nicht allein gut, sondern auch angenehm zu speisen. Dieses Stibadium, eigentlich ein halbkreisrundes Speisesopha, war so eingerichtet, daß die Bänke von drei Seiten ein viereckiges Bassin umgaben, in welches sich aus drei Röhren unter den Bänken hervor das Wasser ergoß, so daß es gleichsam durch die Last der auf den Kissen liegenden Gäste herausgepreßt zu werden schien. Vor dem Ueberlaufen schützten verborgene Abzugsröhren. Vier an den Ecken stehende zierliche Säulen trugen eine Decke, welche ein Weinstock mit schattigem Grün durch- wob. Hatte der Herr einmal Lust, mit seinen Gästen im Freien zu speisen, so wurden die leichteren Schüsseln in Form eines Schiffchens oder eines Vogels auf das Wasser gesetzt und schwammen im Kreise herum, an den Essenden vorbei. Das Tuskum war seinem Besitzer wegen der größeren Einsamkeit und ländlichen Ruhe lieber, als seine Landhäuser bei Laurentum, Tuskulum, Tibur und Präneste; er brauchte sich hier in keiner Weise zu geniren, hatte keine Staatsvisiten zu machen und zu empfangen; er konnte, mit einem Wort, im Kreise der Seinen ein angenehmes Landleben führen und die reine, Leib und Seele kräftigende Bergluft ohne vergifteten gesellschaftlichen Hauch einathmen. Es liegt sehr nahe, daß sich Archäologen und Architekten, die sich mit Forschungen auf dem Felde ihrer Kunst befassen, angezogen fühlen müssen, nach diesen Beschreibungen Restaurationspläne der Landhäuser des Plinius zu entwerfen, und so sind denn in der That in neuerer Zeit mehrfache Versuche, diese Aufgabe zu lösen, mit größerem oder geringerem Erfolge gemacht worden. Die dabei obwaltenden Schwie- rigkeiten, aus einer losen Aufzählung einzelner Räume einen künstlerisch durchgebildeten Bauplan zu entwerfen, leuchten wohl Jedem ein; wenn es gelungen, so bleibt es noch immer fraglich, ob das Wahre gefunden, und so können selbst die scheinbar vollendetsten Restaura- tionsentwürfe in archäologischer Hinsicht keinen andern Werth haben, als den einer Konjektur, abgesehen von dem etwaigen Nutzen, den diese Arbeiten, je nach dem künstlerischen Talent des Restaurators, in einzelnen Stücken für die moderne Kunstthätigkeit haben mögen. Von den vorhandenen Entwürfen seien hier nur die Skizzen Schinkels erwähnt, die, wie manches seiner ausgeführten Werke, glänzend bekunden, wie herrlich sich die Antike dem hohen Sinn des Meisters offenbart hat. Lose Blätter. M. Die Bewohner der Nuka=Hiva=Jnseln kennen die Eifersucht, jene in dem heißen Klima so allgewöhnliche und schreckliche Leidenschaft, nicht einmal dem Namen nach. Der Name Gatte und Geliebter scheint daselbst nur ein Ehrentitel zu sein, der ohne jede Verbindlichkeit ist. Stirbt der Mann, so zerkratzt die Wittwe sich ein wenig das Gesicht resp. die kleinen Schönpflästerchen, welche die dortigen Frauen tragen. Jhr Gram schwindet sehr bald, und da sie keine Kleider tragen, brauchen sie auch nicht zu trauern. Die Frauen von Nuka=Hiva sollen übrigens die schönsten unter allen Jnsulanerinnen in der ganzen Südsee sein, und sogar einen Vergleich mit den liebenswürdigen Europäerinnen nicht zu scheuen brauchen. M. Eine Theaterscene in New=York. Als vor dreißig Jahren der englische Mime Booth in jener Stadt als Richard III. auftrat, war das Schauspielhaus dermaßen gefüllt, daß ein Theil der Zuschauer aus dem Orchester auf die Bühne drang. Booth ließ sich indeß dadurch nicht irre machen, selbst nicht, als einige Jnsassen des „hohen Olymps“ sich das Vergnügen bereiteten, kleine Münzen auf die Bühne zu werfen, wodurch unter den mitwirkenden Gassenjungen ein Gebalge entstand. Jn der Zeltscene traten einige neugierige Zuschauer näher, nahmen die Krone in Augenschein und prüften das gewaltige Schlachtschwert. Am buntesten ging es indessen bei der Schlacht her; die Zuschauer mischten sich unter die Kämpfenden und schlossen während des Gefechts zwischen Richard und Richmond einen Kreis um Beide — nicht etwa um Unfug zu treiben, sondern damit Alles richtig und ehrlich zugehe. M. Es beißt nicht immer. Der König von Dänemark angelte einst mit einem seiner Kammerherren, dessen Sohn als Garde=Offizier diente und fortwährend Schulden machte, die der König auf Fürbitte des Kam- merherrn schon mehrmals bezahlt hatte. Jener war eben guter Laune, und der Vater benutzte den günstigen Augenblick, um aufs Neue für seinen Sohn zu bitten. Der König zog nach einer kurzen Pause die leere Angel- schnur herauf und sagte lakonisch: „Mein Lieber, es beißt heut nicht!“ M. Die Eitelkeit der Schotten, selbst derjenigen der dienenden Klasse, übersteigt alle Begriffe. Als Beweis dafür diene eine Mittheilung des berühmten Schauspielers Garrick. Derselbe übernachtete eines Abends in einem Gasthause unweit Edinburgh und hörte die anwesenden dienstbaren Geister sich untereinander folgendermaßen anreden: „Herr Graf, führen Sie das Pferd in den Stall!“ „Frau Gräfin, decken Sie den Tisch!“ „Wann werden Sie die Suppe auftragen, Herr Baron?“ „Machen Sie doch Feuer an, Frau Marquise!“ „Herr Marquis, putzen Sie die Stiefel!“ M. Die Arsenikesser im Nieder=Oesterreichischen, in Steyermark und an der ungarischen Grenze, welche die Gewohnheit des Giftgebrauchs durch Generationen hindurch vererbt haben, erfreuen sich eines anscheinend gesunden Lebens. Das Arsenikmehl wird systematisch fast an jedem Tage zu einem doppelten Zweck verspeist, einmal zur Erzeugung von Körper- fülle, namentlich bei den jungen Mädchen, sodann aber auch, um die Lun- gen für das Bergbesteigen zu kräftigen und das Athmen zu erleichtern. Beides soll denn auch vollständig erreicht werden und die Arsenikesser sich durch eine volle, runde Gestalt, durch eine reine, rosige Haut auszeichnen, während die Bauern zur Erreichung des andern Zwecks ein Stückchen Arsenik in den Mund nehmen, dessen Wirkung ebenfalls erstaunlich sein soll. Sobald jedoch ein an Arsenik gewöhnter Mensch den Genuß desselben aufgiebt, treten alle Zeichen der Arsenikvergiftung ein, und es giebt keinen andern Schutz gegen den qualvollen Tod, als — wieder zum Arsenik zu greifen. Doch kann durch unvorsichtigen Gebrauch — das höchste Quan- tum, welches anfänglich genommen wird, ist ein halber Gran — der Tod ebenfalls herbeigeführt werden. Herr von Tschuldi berichtet über einen derartigen Fall: Eine gesunde, aber magere und blasse Bauerndirne hatte einen Geliebten, den sie durch ein hübsches Aeußere mehr zu fesseln wünschte; sie nahm daher ihre Zu- flucht zu dem wohlbekannten Schönheitsmittel und verzehrte die vorschrifts- mäßige Quantität Arsenik. Jn kurzer Zeit ward sie rosenwangig, frisch und stark, kurz, sie besaß Alles, was der Geliebte nur wünschen konnte. Um des Erfolges noch sicherer zu sein, nahm sie unvorsichtiger Weise einige Gran mehr und starb, als ein Opfer der Eitelkeit, einen qualvollen Tod. Und leider wiederholen sich solche Fälle sehr häufig. Eine gleiche Wirkung bringt das Arsenik auf die Thiere, namentlich auf Pferde hervor; es verleiht ihnen einen geschmeidigen Körper, eine glänzende Haut, und erzeugt den Schaum vor dem Maul, der als ein Zeichen von Adel und Feuer gilt. Deßhalb bringen die Pferdehändler und Kutscher in Wien und auch in anderen Gegenden das Arsenik sehr häufig in Anwendung. M. Wenige Magen sind fähig, großes Glück zu verdauen, sagte Philipp II. von Spanien — und eine schlechte Nahrung bringt im Körper nicht so viel Verderben hervor, als Ehrenbezeugungen in bösartigen Gemüthern. Briefkasten. H. H—n. hier. Nicht geeignet. — v. N. in B.: Die Angelegenheit des Herrn Pastors Knak ist kein geeigneter Stoff für unser Blatt. Uebrigens ist es ja bekannt: mit — manchen Pfaffen kämpfen Götter selbst vergebens! ☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von 12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt23_1868/8>, abgerufen am 17.06.2024.