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Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868.

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[Beginn Spaltensatz] verbindenden Straße, der Chaussee nach Danzig, welche Lauenburg
und seine Landschaft durchschneidet, sonst aber ohne alle Verkehrs-
mittel sich selbst überlassen, ist dies Ländchen allerdings zurückgeblieben
hinter manchen anderen, günstiger situirten Strichen im weiten deut-
schen Vaterlande. So arm an natürlichen Hülfsmitteln und an
Naturschönheiten ist es jedoch nicht, daß in ihm ein erträgliches
Leben nicht möglich wäre, wenn es nur mehr in den allgemeinen
Weltverkehr gezogen und seine Bewohner aus der Lethargie, in die
sie in ihrem abgelegenen und vernachlässigten Winkel versunken sind,
herausgerissen würden. Was wären selbst unsere blühendsten Pro-
vinzen Sachsen und die Rheinlande ohne die zahlreichen Chausseen
und Eisenbahnen, welche Handel, Jndustrie, Landwirthschaft und mit
diesen Jntelligenz und rührige Betriebsamkeit in ihnen so mächtig ge-
fördert haben? Jst doch Pommern bis zu diesem Augenblick nur allzu
stiefmütterlich in dieser Hinsicht behandelt worden, wie ein Blick auf
die Eisenbahnkarte zeigt; ja, auch an Chausseen hat es nur das Aller-
nothdürftigste aufzuweisen, und auch dies nicht einmal überall. So
ist es kaum begreiflich und doch wahr, daß zwei Städte wie Star-
gard und Pyritz, die einen ziemlich lebhaften Verkehr mit einander
unterhalten und auch nur drei Meilen von einander entfernt sind,
nicht einmal durch eine chaussirte Straße verbunden sind, obwohl im
Frühling und Herbst der dort vorherrschende Lehmboden so unwegsam
wird, daß derselbe für Fuhrwerk und namentlich für die schweren Post-
und Frachtwagen wochenlang gar nicht zu passiren ist und die Rei-
senden gezwungen sind, den Umweg über Damm zu nehmen, um von
einer Stadt zur andern zu kommen. Wir fragen, ob eine solche
Nichtachtung in einer andern Provinz Preußens oder in einem deut-
schen Lande erhört ist? Wahrscheinlich rechnet man bei dieser Sorg-
losigkeit und Vernachlässigung der Provinz auf die bekannte Geduld
und Gutmüthigkeit der Pommern, und es ist nicht zu leugnen, daß
diese Beiden in der That hervorstechende Eigenthümlichkeiten in dem
Charakter meiner Landsleute bilden.

Es ist wahr, der Pommer ist geduldig und langmüthig, aber
dabei auch von einer seltenen Festigkeit und Zähigkeit des Wesens.
Langsam zur That und lange vorher überlegend, ehe er sich zum Han-
deln entschließt, ist er dann aber auch ausdauernd und nicht leicht von
dem abzubringen, was er einmal als richtig und recht anerkannt hat.
Von dieser Zähigkeit des Wesens, die oft nicht fern von Hartnäckig-
keit ist, statt vieler nur ein Beispiel, das sich noch dazu an den Na-
men eines auch in weiteren Kreisen bekannt gewordenen Mannes, ja
an eine einst vielgenannte literarische Größe knüpft.

[Spaltenumbruch]

Der Pastor Dr. Meinhold, der Verfasser der "Bernsteinhexe",
jenes in den vierziger Jahren vielgelesenen Romans -- auch erschien
von ihm im Jahr 1835 ein Band Gedichte, unter denen manches
Gute; ich erinnere nur an die treffliche Erzählung von Karl XII.
und dem pommerschen Bauern Müsebuch -- dieser Meinhold war
zur Zeit, als er seinen Namen durch jenen Roman bekannt machte,
Pastor im Dorfe Crummin auf der Jnsel Usedom. Der König
Friedrich Wilhelm IV., der an seinen Schöpfungen ein besonderes
Wohlgefallen fand, wollte dem Dichter ein Zeichen seiner Huld ge-
währen, und verlieh ihm eine königliche wohlfundirte Pfarrstelle auf
einem Dorfe in der Nähe von Greifswald. Nun hatten aber die
Bauern dieses Dorfes, die mit dem poetischen Seelenhirten beschenkt
werden sollten, gerade nicht viel Erbauliches über denselben vernom-
men, und da sie ohnehin für seine dichterischen Verdienste kein Ver-
ständniß hatten, so hielten sie sich lediglich an dem, was das Gerücht
ihnen über ihren designirten Pastor zutrug. Dieses wollte unter An-
derem auch wissen, daß der Herr Pastor sehr streitsüchtig sei und na-
mentlich mit seinem Küster in offener Fehde lebe. Da ihnen aber an
dem Frieden und einem ruhigen, beschaulichen Leben viel gelegen war,
mehr als an dem Dichterruhm des ihnen zugedachten Pastors, so pro-
testirten sie gegen seine Ernennung; und als dieser Protest nicht be-
achtet wurde, gingen sie in ihrer Halsstarrigkeit so weit, dem Pastor
aus Crummin, als er eines schönen Sonntags bei ihnen anlangte,
um seine Gastpredigt zu halten, den Eintritt in die Kirche zu ver-
wehren, indem sie sich, mit starken Knütteln wohlbewaffnet und in
drohender Miene, vor der Kirchthür aufstellten. An der Kirchthür
selbst war ein langes Gedicht angeheftet, zu dem das damals grassi-
rende Becker'sche Rheinlied die Analogie geboten hatte, und welches
also anhub:

"Wir wollen ihn nicht haben,
Den Pastor von Crummin;
Trotz seiner Dichtergaben
Soll er nicht zu uns ziehn!
Erst ging ein leis' Geflüster,
Dann plaudert man es laut:
Du prügelst Deinen Küster --
Das hat uns nicht erbaut!"

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Verehrung der Affen bei den Hindu's. Jn der Nähe der
Stadt Vindravana befinden sich mehrere Pagoden, in deren heiligen Hainen
sich eine ungeheure Anzahl Affen aufhält, die durch freiwillige Beiträge
der Pilgrime unterhalten werden. Niemand darf sich unterfangen, diese
den Hindu's heiligen Thiere zu beleidigen, obgleich sie den Zugang zur
Stadt ungemein erschweren. Ueberfällt nun eines dieser Thiere eine Anti-
pathie gegen einen Reisenden, so macht sich eine ganze Rotte derselben
über ihn her und schleudert alle nur erreichbaren Gegenstände, Bambus-
stöcke, Steine , nach dem Opfer ihres Spiels. Wehe ihm, wenn er
hitzig wird und sich zur Wehr setzt! Wilder und ungestümer dringen die
erzürnten Teufel mit wüthendem Geschrei auf ihn ein, wodurch die Fakirs
herbeigerufen werden, welche es natürlich mit den Affen halten. So wur-
den unter Anderen vor etwa zwanzig Jahren zwei englische Offiziere der
bengalischen Armee das Opfer jener Bestien, gegen die sie sich zu ver-
theidigen suchten.



M. Die Spring=Prozession. Etwa drei Meilen von Trier entfernt
liegt das Städtchen Echternach, wo alljährlich am Pfingstdiensttage eine
Feier vor sich geht, die kaum ihres Gleichen haben dürfte. Dem heiligen
Willibrod zu Ehren wird nämlich die in ganz Luxemburg und den benach-
barten Theilen von Rheinpreußen und Lothringen hochberühmte Spring-
Prozession, wie sie Bertholet schon vor hundert Jahren beschrieben, ab-
gehalten. Sie soll das beste Mittel gegen Viehseuchen sein.

Eine Musikbande eröffnet den Zug; hinter ihr in unabsehbarer Menge
Knaben, Mädchen, Weiber und Männer, Alle springend und tanzend,
immer Drei in einer Reihe. Einen heiteren Eindruck, so erzählt ein Augen-
zeuge, machten die Knaben mit ihren heiteren Gesichtern; Viehsorgen
mochten sie noch nicht quälen, hingegen konnten sie wohl lachen, da hier
aus ihren gewöhnlichen Spielen ein einträgliches Geschäft wurde. Denn
wer nicht selber springen kann oder mag, dem steht es frei, einen Andern
zu dingen, ohne daß dadurch der ihm erwachsende Segen eine Schmälerung
erlitte. Dies erklärt denn auch die Anwesenheit so mancher Herren und
Damen, die offenbar nicht von der bloßen Neugierde herbeigeführt werden,
sondern den Schein der Aufklärung mit dem Gewinn des Aberglaubens
vereinigen wollen.

Den eigenthümlichsten Anblick bieten die Bewegungen der alten Männer
[Spaltenumbruch] und Frauen dar. Daß zu diesem Tanz auch Musik nöthig ist, versteht sich
von selbst, und so schwer auch bei Tausenden von Tänzern das Bedürfniß
zu befriedigen sein möchte -- hier ist kein Mangel zu verspüren; denn
Pflicht und Ehrgefühl ist es für alle Musikanten aus der ganzen Gegend,
am Pfingstdienstage ihre Kunst in Echternach hören zu lassen. Wer es
ohne genügenden Grund unterläßt, hat zu gewärtigen, auf keiner Kirch-
weihe, keinem Markt während des nächsten Jahrs gebraucht zu werden;
und so strömen die Künstler in Schaaren zusammen und tragen in an-
gemessenen Zwischenräumen zur Erhöhung der Feierlichkeit bei. Alle
jedoch spielen unaufhörlich eine und dieselbe Weise, deren erster Theil ein-
mal, der zweite dreimal wiederholt wird. Die unter dem Volk bekannten
Worte zu dieser Festmelodie sind: "Abraham hatte sieben Söhne -- sieben
Söhne hatte Abraham."



M. Eine sonderbare Kindbettgewohnheit in Harlem besteht darin,
daß ein hölzernes Brettchen von länglich viereckiger Form mittels eines
Stifts von außen an der Hausthür befestigt wird. Dieses Brettchen,
"Klopper" genannt, wird mit rother Seide überzogen und ringsum mit
feinen Spitzen besetzt. Jst ein Mädchen zur Welt gekommen, so erblickt
man die Seide zur Hälfte mit weißem Papier bedeckt, sind Zwillinge ge-
boren, so hängen zwei "Klöpper" aus.

Mit dieser nur in Harlem stattfindenden Gewohnheit war übrigens
ein Recht verbunden, welches darin bestand, daß keine Hinrichtung oder
öffentliches Strafgericht daselbst vollzogen werden durfte, so lange ein
solcher "Klopper" sich an irgend einer Hausthür befand. Derselbe wird
nicht eher abgenommen, als bis die Wöchnerin ihren ersten Kirchgang
gehalten.



M. Ein Pflanzen=Phänomen. Jn dem Garten eines Herrn Grim-
stone in Highgate ist in diesem Sommer eine Erbsenstaude zu voller Frucht
gekommen, deren Saamen=Erbse in einer Vase vorgefunden wurde, die
man bei einem ägyptischen Grabmal ausgegraben hatte. Diese Erbse war
also, nach einer oberflächlichen Berechnung, 2800 Jahre vergraben ge-
wesen, ohne die keimende Kraft zu verlieren.

[Ende Spaltensatz]

Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] verbindenden Straße, der Chaussee nach Danzig, welche Lauenburg
und seine Landschaft durchschneidet, sonst aber ohne alle Verkehrs-
mittel sich selbst überlassen, ist dies Ländchen allerdings zurückgeblieben
hinter manchen anderen, günstiger situirten Strichen im weiten deut-
schen Vaterlande. So arm an natürlichen Hülfsmitteln und an
Naturschönheiten ist es jedoch nicht, daß in ihm ein erträgliches
Leben nicht möglich wäre, wenn es nur mehr in den allgemeinen
Weltverkehr gezogen und seine Bewohner aus der Lethargie, in die
sie in ihrem abgelegenen und vernachlässigten Winkel versunken sind,
herausgerissen würden. Was wären selbst unsere blühendsten Pro-
vinzen Sachsen und die Rheinlande ohne die zahlreichen Chausseen
und Eisenbahnen, welche Handel, Jndustrie, Landwirthschaft und mit
diesen Jntelligenz und rührige Betriebsamkeit in ihnen so mächtig ge-
fördert haben? Jst doch Pommern bis zu diesem Augenblick nur allzu
stiefmütterlich in dieser Hinsicht behandelt worden, wie ein Blick auf
die Eisenbahnkarte zeigt; ja, auch an Chausseen hat es nur das Aller-
nothdürftigste aufzuweisen, und auch dies nicht einmal überall. So
ist es kaum begreiflich und doch wahr, daß zwei Städte wie Star-
gard und Pyritz, die einen ziemlich lebhaften Verkehr mit einander
unterhalten und auch nur drei Meilen von einander entfernt sind,
nicht einmal durch eine chaussirte Straße verbunden sind, obwohl im
Frühling und Herbst der dort vorherrschende Lehmboden so unwegsam
wird, daß derselbe für Fuhrwerk und namentlich für die schweren Post-
und Frachtwagen wochenlang gar nicht zu passiren ist und die Rei-
senden gezwungen sind, den Umweg über Damm zu nehmen, um von
einer Stadt zur andern zu kommen. Wir fragen, ob eine solche
Nichtachtung in einer andern Provinz Preußens oder in einem deut-
schen Lande erhört ist? Wahrscheinlich rechnet man bei dieser Sorg-
losigkeit und Vernachlässigung der Provinz auf die bekannte Geduld
und Gutmüthigkeit der Pommern, und es ist nicht zu leugnen, daß
diese Beiden in der That hervorstechende Eigenthümlichkeiten in dem
Charakter meiner Landsleute bilden.

Es ist wahr, der Pommer ist geduldig und langmüthig, aber
dabei auch von einer seltenen Festigkeit und Zähigkeit des Wesens.
Langsam zur That und lange vorher überlegend, ehe er sich zum Han-
deln entschließt, ist er dann aber auch ausdauernd und nicht leicht von
dem abzubringen, was er einmal als richtig und recht anerkannt hat.
Von dieser Zähigkeit des Wesens, die oft nicht fern von Hartnäckig-
keit ist, statt vieler nur ein Beispiel, das sich noch dazu an den Na-
men eines auch in weiteren Kreisen bekannt gewordenen Mannes, ja
an eine einst vielgenannte literarische Größe knüpft.

[Spaltenumbruch]

Der Pastor Dr. Meinhold, der Verfasser der „Bernsteinhexe“,
jenes in den vierziger Jahren vielgelesenen Romans — auch erschien
von ihm im Jahr 1835 ein Band Gedichte, unter denen manches
Gute; ich erinnere nur an die treffliche Erzählung von Karl XII.
und dem pommerschen Bauern Müsebuch — dieser Meinhold war
zur Zeit, als er seinen Namen durch jenen Roman bekannt machte,
Pastor im Dorfe Crummin auf der Jnsel Usedom. Der König
Friedrich Wilhelm IV., der an seinen Schöpfungen ein besonderes
Wohlgefallen fand, wollte dem Dichter ein Zeichen seiner Huld ge-
währen, und verlieh ihm eine königliche wohlfundirte Pfarrstelle auf
einem Dorfe in der Nähe von Greifswald. Nun hatten aber die
Bauern dieses Dorfes, die mit dem poetischen Seelenhirten beschenkt
werden sollten, gerade nicht viel Erbauliches über denselben vernom-
men, und da sie ohnehin für seine dichterischen Verdienste kein Ver-
ständniß hatten, so hielten sie sich lediglich an dem, was das Gerücht
ihnen über ihren designirten Pastor zutrug. Dieses wollte unter An-
derem auch wissen, daß der Herr Pastor sehr streitsüchtig sei und na-
mentlich mit seinem Küster in offener Fehde lebe. Da ihnen aber an
dem Frieden und einem ruhigen, beschaulichen Leben viel gelegen war,
mehr als an dem Dichterruhm des ihnen zugedachten Pastors, so pro-
testirten sie gegen seine Ernennung; und als dieser Protest nicht be-
achtet wurde, gingen sie in ihrer Halsstarrigkeit so weit, dem Pastor
aus Crummin, als er eines schönen Sonntags bei ihnen anlangte,
um seine Gastpredigt zu halten, den Eintritt in die Kirche zu ver-
wehren, indem sie sich, mit starken Knütteln wohlbewaffnet und in
drohender Miene, vor der Kirchthür aufstellten. An der Kirchthür
selbst war ein langes Gedicht angeheftet, zu dem das damals grassi-
rende Becker'sche Rheinlied die Analogie geboten hatte, und welches
also anhub:

„Wir wollen ihn nicht haben,
Den Pastor von Crummin;
Trotz seiner Dichtergaben
Soll er nicht zu uns ziehn!
Erst ging ein leis' Geflüster,
Dann plaudert man es laut:
Du prügelst Deinen Küster —
Das hat uns nicht erbaut!“

( Fortsetzung folgt. )

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

M. Die Verehrung der Affen bei den Hindu's. Jn der Nähe der
Stadt Vindravana befinden sich mehrere Pagoden, in deren heiligen Hainen
sich eine ungeheure Anzahl Affen aufhält, die durch freiwillige Beiträge
der Pilgrime unterhalten werden. Niemand darf sich unterfangen, diese
den Hindu's heiligen Thiere zu beleidigen, obgleich sie den Zugang zur
Stadt ungemein erschweren. Ueberfällt nun eines dieser Thiere eine Anti-
pathie gegen einen Reisenden, so macht sich eine ganze Rotte derselben
über ihn her und schleudert alle nur erreichbaren Gegenstände, Bambus-
stöcke, Steine , nach dem Opfer ihres Spiels. Wehe ihm, wenn er
hitzig wird und sich zur Wehr setzt! Wilder und ungestümer dringen die
erzürnten Teufel mit wüthendem Geschrei auf ihn ein, wodurch die Fakirs
herbeigerufen werden, welche es natürlich mit den Affen halten. So wur-
den unter Anderen vor etwa zwanzig Jahren zwei englische Offiziere der
bengalischen Armee das Opfer jener Bestien, gegen die sie sich zu ver-
theidigen suchten.



M. Die Spring=Prozession. Etwa drei Meilen von Trier entfernt
liegt das Städtchen Echternach, wo alljährlich am Pfingstdiensttage eine
Feier vor sich geht, die kaum ihres Gleichen haben dürfte. Dem heiligen
Willibrod zu Ehren wird nämlich die in ganz Luxemburg und den benach-
barten Theilen von Rheinpreußen und Lothringen hochberühmte Spring-
Prozession, wie sie Bertholet schon vor hundert Jahren beschrieben, ab-
gehalten. Sie soll das beste Mittel gegen Viehseuchen sein.

Eine Musikbande eröffnet den Zug; hinter ihr in unabsehbarer Menge
Knaben, Mädchen, Weiber und Männer, Alle springend und tanzend,
immer Drei in einer Reihe. Einen heiteren Eindruck, so erzählt ein Augen-
zeuge, machten die Knaben mit ihren heiteren Gesichtern; Viehsorgen
mochten sie noch nicht quälen, hingegen konnten sie wohl lachen, da hier
aus ihren gewöhnlichen Spielen ein einträgliches Geschäft wurde. Denn
wer nicht selber springen kann oder mag, dem steht es frei, einen Andern
zu dingen, ohne daß dadurch der ihm erwachsende Segen eine Schmälerung
erlitte. Dies erklärt denn auch die Anwesenheit so mancher Herren und
Damen, die offenbar nicht von der bloßen Neugierde herbeigeführt werden,
sondern den Schein der Aufklärung mit dem Gewinn des Aberglaubens
vereinigen wollen.

Den eigenthümlichsten Anblick bieten die Bewegungen der alten Männer
[Spaltenumbruch] und Frauen dar. Daß zu diesem Tanz auch Musik nöthig ist, versteht sich
von selbst, und so schwer auch bei Tausenden von Tänzern das Bedürfniß
zu befriedigen sein möchte — hier ist kein Mangel zu verspüren; denn
Pflicht und Ehrgefühl ist es für alle Musikanten aus der ganzen Gegend,
am Pfingstdienstage ihre Kunst in Echternach hören zu lassen. Wer es
ohne genügenden Grund unterläßt, hat zu gewärtigen, auf keiner Kirch-
weihe, keinem Markt während des nächsten Jahrs gebraucht zu werden;
und so strömen die Künstler in Schaaren zusammen und tragen in an-
gemessenen Zwischenräumen zur Erhöhung der Feierlichkeit bei. Alle
jedoch spielen unaufhörlich eine und dieselbe Weise, deren erster Theil ein-
mal, der zweite dreimal wiederholt wird. Die unter dem Volk bekannten
Worte zu dieser Festmelodie sind: „Abraham hatte sieben Söhne — sieben
Söhne hatte Abraham.“



M. Eine sonderbare Kindbettgewohnheit in Harlem besteht darin,
daß ein hölzernes Brettchen von länglich viereckiger Form mittels eines
Stifts von außen an der Hausthür befestigt wird. Dieses Brettchen,
„Klopper“ genannt, wird mit rother Seide überzogen und ringsum mit
feinen Spitzen besetzt. Jst ein Mädchen zur Welt gekommen, so erblickt
man die Seide zur Hälfte mit weißem Papier bedeckt, sind Zwillinge ge-
boren, so hängen zwei „Klöpper“ aus.

Mit dieser nur in Harlem stattfindenden Gewohnheit war übrigens
ein Recht verbunden, welches darin bestand, daß keine Hinrichtung oder
öffentliches Strafgericht daselbst vollzogen werden durfte, so lange ein
solcher „Klopper“ sich an irgend einer Hausthür befand. Derselbe wird
nicht eher abgenommen, als bis die Wöchnerin ihren ersten Kirchgang
gehalten.



M. Ein Pflanzen=Phänomen. Jn dem Garten eines Herrn Grim-
stone in Highgate ist in diesem Sommer eine Erbsenstaude zu voller Frucht
gekommen, deren Saamen=Erbse in einer Vase vorgefunden wurde, die
man bei einem ägyptischen Grabmal ausgegraben hatte. Diese Erbse war
also, nach einer oberflächlichen Berechnung, 2800 Jahre vergraben ge-
wesen, ohne die keimende Kraft zu verlieren.

[Ende Spaltensatz]

Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[264/0008] 264 verbindenden Straße, der Chaussee nach Danzig, welche Lauenburg und seine Landschaft durchschneidet, sonst aber ohne alle Verkehrs- mittel sich selbst überlassen, ist dies Ländchen allerdings zurückgeblieben hinter manchen anderen, günstiger situirten Strichen im weiten deut- schen Vaterlande. So arm an natürlichen Hülfsmitteln und an Naturschönheiten ist es jedoch nicht, daß in ihm ein erträgliches Leben nicht möglich wäre, wenn es nur mehr in den allgemeinen Weltverkehr gezogen und seine Bewohner aus der Lethargie, in die sie in ihrem abgelegenen und vernachlässigten Winkel versunken sind, herausgerissen würden. Was wären selbst unsere blühendsten Pro- vinzen Sachsen und die Rheinlande ohne die zahlreichen Chausseen und Eisenbahnen, welche Handel, Jndustrie, Landwirthschaft und mit diesen Jntelligenz und rührige Betriebsamkeit in ihnen so mächtig ge- fördert haben? Jst doch Pommern bis zu diesem Augenblick nur allzu stiefmütterlich in dieser Hinsicht behandelt worden, wie ein Blick auf die Eisenbahnkarte zeigt; ja, auch an Chausseen hat es nur das Aller- nothdürftigste aufzuweisen, und auch dies nicht einmal überall. So ist es kaum begreiflich und doch wahr, daß zwei Städte wie Star- gard und Pyritz, die einen ziemlich lebhaften Verkehr mit einander unterhalten und auch nur drei Meilen von einander entfernt sind, nicht einmal durch eine chaussirte Straße verbunden sind, obwohl im Frühling und Herbst der dort vorherrschende Lehmboden so unwegsam wird, daß derselbe für Fuhrwerk und namentlich für die schweren Post- und Frachtwagen wochenlang gar nicht zu passiren ist und die Rei- senden gezwungen sind, den Umweg über Damm zu nehmen, um von einer Stadt zur andern zu kommen. Wir fragen, ob eine solche Nichtachtung in einer andern Provinz Preußens oder in einem deut- schen Lande erhört ist? Wahrscheinlich rechnet man bei dieser Sorg- losigkeit und Vernachlässigung der Provinz auf die bekannte Geduld und Gutmüthigkeit der Pommern, und es ist nicht zu leugnen, daß diese Beiden in der That hervorstechende Eigenthümlichkeiten in dem Charakter meiner Landsleute bilden. Es ist wahr, der Pommer ist geduldig und langmüthig, aber dabei auch von einer seltenen Festigkeit und Zähigkeit des Wesens. Langsam zur That und lange vorher überlegend, ehe er sich zum Han- deln entschließt, ist er dann aber auch ausdauernd und nicht leicht von dem abzubringen, was er einmal als richtig und recht anerkannt hat. Von dieser Zähigkeit des Wesens, die oft nicht fern von Hartnäckig- keit ist, statt vieler nur ein Beispiel, das sich noch dazu an den Na- men eines auch in weiteren Kreisen bekannt gewordenen Mannes, ja an eine einst vielgenannte literarische Größe knüpft. Der Pastor Dr. Meinhold, der Verfasser der „Bernsteinhexe“, jenes in den vierziger Jahren vielgelesenen Romans — auch erschien von ihm im Jahr 1835 ein Band Gedichte, unter denen manches Gute; ich erinnere nur an die treffliche Erzählung von Karl XII. und dem pommerschen Bauern Müsebuch — dieser Meinhold war zur Zeit, als er seinen Namen durch jenen Roman bekannt machte, Pastor im Dorfe Crummin auf der Jnsel Usedom. Der König Friedrich Wilhelm IV., der an seinen Schöpfungen ein besonderes Wohlgefallen fand, wollte dem Dichter ein Zeichen seiner Huld ge- währen, und verlieh ihm eine königliche wohlfundirte Pfarrstelle auf einem Dorfe in der Nähe von Greifswald. Nun hatten aber die Bauern dieses Dorfes, die mit dem poetischen Seelenhirten beschenkt werden sollten, gerade nicht viel Erbauliches über denselben vernom- men, und da sie ohnehin für seine dichterischen Verdienste kein Ver- ständniß hatten, so hielten sie sich lediglich an dem, was das Gerücht ihnen über ihren designirten Pastor zutrug. Dieses wollte unter An- derem auch wissen, daß der Herr Pastor sehr streitsüchtig sei und na- mentlich mit seinem Küster in offener Fehde lebe. Da ihnen aber an dem Frieden und einem ruhigen, beschaulichen Leben viel gelegen war, mehr als an dem Dichterruhm des ihnen zugedachten Pastors, so pro- testirten sie gegen seine Ernennung; und als dieser Protest nicht be- achtet wurde, gingen sie in ihrer Halsstarrigkeit so weit, dem Pastor aus Crummin, als er eines schönen Sonntags bei ihnen anlangte, um seine Gastpredigt zu halten, den Eintritt in die Kirche zu ver- wehren, indem sie sich, mit starken Knütteln wohlbewaffnet und in drohender Miene, vor der Kirchthür aufstellten. An der Kirchthür selbst war ein langes Gedicht angeheftet, zu dem das damals grassi- rende Becker'sche Rheinlied die Analogie geboten hatte, und welches also anhub: „Wir wollen ihn nicht haben, Den Pastor von Crummin; Trotz seiner Dichtergaben Soll er nicht zu uns ziehn! Erst ging ein leis' Geflüster, Dann plaudert man es laut: Du prügelst Deinen Küster — Das hat uns nicht erbaut!“ ( Fortsetzung folgt. ) Lose Blätter. M. Die Verehrung der Affen bei den Hindu's. Jn der Nähe der Stadt Vindravana befinden sich mehrere Pagoden, in deren heiligen Hainen sich eine ungeheure Anzahl Affen aufhält, die durch freiwillige Beiträge der Pilgrime unterhalten werden. Niemand darf sich unterfangen, diese den Hindu's heiligen Thiere zu beleidigen, obgleich sie den Zugang zur Stadt ungemein erschweren. Ueberfällt nun eines dieser Thiere eine Anti- pathie gegen einen Reisenden, so macht sich eine ganze Rotte derselben über ihn her und schleudert alle nur erreichbaren Gegenstände, Bambus- stöcke, Steine , nach dem Opfer ihres Spiels. Wehe ihm, wenn er hitzig wird und sich zur Wehr setzt! Wilder und ungestümer dringen die erzürnten Teufel mit wüthendem Geschrei auf ihn ein, wodurch die Fakirs herbeigerufen werden, welche es natürlich mit den Affen halten. So wur- den unter Anderen vor etwa zwanzig Jahren zwei englische Offiziere der bengalischen Armee das Opfer jener Bestien, gegen die sie sich zu ver- theidigen suchten. M. Die Spring=Prozession. Etwa drei Meilen von Trier entfernt liegt das Städtchen Echternach, wo alljährlich am Pfingstdiensttage eine Feier vor sich geht, die kaum ihres Gleichen haben dürfte. Dem heiligen Willibrod zu Ehren wird nämlich die in ganz Luxemburg und den benach- barten Theilen von Rheinpreußen und Lothringen hochberühmte Spring- Prozession, wie sie Bertholet schon vor hundert Jahren beschrieben, ab- gehalten. Sie soll das beste Mittel gegen Viehseuchen sein. Eine Musikbande eröffnet den Zug; hinter ihr in unabsehbarer Menge Knaben, Mädchen, Weiber und Männer, Alle springend und tanzend, immer Drei in einer Reihe. Einen heiteren Eindruck, so erzählt ein Augen- zeuge, machten die Knaben mit ihren heiteren Gesichtern; Viehsorgen mochten sie noch nicht quälen, hingegen konnten sie wohl lachen, da hier aus ihren gewöhnlichen Spielen ein einträgliches Geschäft wurde. Denn wer nicht selber springen kann oder mag, dem steht es frei, einen Andern zu dingen, ohne daß dadurch der ihm erwachsende Segen eine Schmälerung erlitte. Dies erklärt denn auch die Anwesenheit so mancher Herren und Damen, die offenbar nicht von der bloßen Neugierde herbeigeführt werden, sondern den Schein der Aufklärung mit dem Gewinn des Aberglaubens vereinigen wollen. Den eigenthümlichsten Anblick bieten die Bewegungen der alten Männer und Frauen dar. Daß zu diesem Tanz auch Musik nöthig ist, versteht sich von selbst, und so schwer auch bei Tausenden von Tänzern das Bedürfniß zu befriedigen sein möchte — hier ist kein Mangel zu verspüren; denn Pflicht und Ehrgefühl ist es für alle Musikanten aus der ganzen Gegend, am Pfingstdienstage ihre Kunst in Echternach hören zu lassen. Wer es ohne genügenden Grund unterläßt, hat zu gewärtigen, auf keiner Kirch- weihe, keinem Markt während des nächsten Jahrs gebraucht zu werden; und so strömen die Künstler in Schaaren zusammen und tragen in an- gemessenen Zwischenräumen zur Erhöhung der Feierlichkeit bei. Alle jedoch spielen unaufhörlich eine und dieselbe Weise, deren erster Theil ein- mal, der zweite dreimal wiederholt wird. Die unter dem Volk bekannten Worte zu dieser Festmelodie sind: „Abraham hatte sieben Söhne — sieben Söhne hatte Abraham.“ M. Eine sonderbare Kindbettgewohnheit in Harlem besteht darin, daß ein hölzernes Brettchen von länglich viereckiger Form mittels eines Stifts von außen an der Hausthür befestigt wird. Dieses Brettchen, „Klopper“ genannt, wird mit rother Seide überzogen und ringsum mit feinen Spitzen besetzt. Jst ein Mädchen zur Welt gekommen, so erblickt man die Seide zur Hälfte mit weißem Papier bedeckt, sind Zwillinge ge- boren, so hängen zwei „Klöpper“ aus. Mit dieser nur in Harlem stattfindenden Gewohnheit war übrigens ein Recht verbunden, welches darin bestand, daß keine Hinrichtung oder öffentliches Strafgericht daselbst vollzogen werden durfte, so lange ein solcher „Klopper“ sich an irgend einer Hausthür befand. Derselbe wird nicht eher abgenommen, als bis die Wöchnerin ihren ersten Kirchgang gehalten. M. Ein Pflanzen=Phänomen. Jn dem Garten eines Herrn Grim- stone in Highgate ist in diesem Sommer eine Erbsenstaude zu voller Frucht gekommen, deren Saamen=Erbse in einer Vase vorgefunden wurde, die man bei einem ägyptischen Grabmal ausgegraben hatte. Diese Erbse war also, nach einer oberflächlichen Berechnung, 2800 Jahre vergraben ge- wesen, ohne die keimende Kraft zu verlieren. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt33_1868/8>, abgerufen am 13.06.2024.