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St. Galler Volksblatt. Nr. 103, Uznach, 24. 12. 1885.

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[Spaltenumbruch] so gebe man sich einem schweren Irrthum hin. Zwei
Krieger, die besten Generäle ihrer Zeit, der König Fried-
rich II. von Preußen und Napoleon I. hätten dies an-
erkannt und der letztere sagte sogar, der erste Duellist
seiner Armee sei auch der feigste Soldat. -- Es handelte
sich in der Kammer um die abscheulichen Studentenduelle,
für welche die Polizei keine Augen hat. So lange man
aber in dieser Weise fortfährt, und es sind keine Anzeichen
einer Aenderung, so wird es immer viele Studenten geben,
die sich um die geringste Bagatelle schlagen und deren Ge-
sicht mit Schmarren bedeckt ist, die sicher weniger ehren-
haft sind, als die, welche die Wange Heinrichs von Guise
verschönerte.

Möchte wenigstens Baiern, so viel ihm noch Freiheit
belassen, seiner katholischen Geschichte nicht untreu werden,
und der Worte des großen konservativen Staatsmannes
Windthorst, die er an der deutschen Katholikenversammlung
in Amberg mit Betonung ausgesprochen, eingedenkt sein:
"Meine Herren! Jeder muß auf dem Boden bleiben, auf
dem er gewachsen ist, er wird sonst untergehen; und
Baiern ist groß geworden als katholische
Macht
."

-- Ein Gymnasiast war mit seinem Vater, einem
Gerbermeister, der in einem Dorfe bei Königsberg wohnt,
auf die Fuchsjagd gegangen. Beide schlugen dabei ver-
schiedene Richtungen ein und verloren sich schließlich aus
den Augen. Der Vater glaubte endlich hinter einem sich
bewegenden Buschwerk den Fuchs zu erkennen, legte an
und schoß. In demselben Augenblick erscholl ein erschütternder
Schrei. Der Schütze eilte hinzu; er fand seinen Sohn mit
zerschmettertem Hirnschädel sich in seinem Blute wälzend.

-- Eine Familie in Altenburg (Thüringen) hat im
Zeitraume von 14 Tagen sämmtliche Kinder, fünf Mädchen
von sieben Monaten bis zu sechs Jahren, durch die
Diphtheritis verloren.

-- Der Weinhändler I. I. Nithardt zu Mülhausen
im Elsaß wurde wegen Kunstweinfabrikation, resp. wegen
Verkaufes von Kunstwein anstatt Raturwein in mehr als
50 Fällen zu 11/2 Jahren Gefängniß und 60,000 Mark
Geldbuße verurtheilt. Seine "Weine" gingen hauptsächlich
nach Berlin, Leipzig und Dresden und waren vorzugs-
weise mit Glycerin versetzt.

-- Die süddeutschen Staaten wollen entschieden nichts
wissen von der Einführung des Branntweinmonopols.

-- Altona. Als kürzlich ein Korbmacher aus
Ottensen die Zollgrenze überschreiten wollte, fiel derselbe
durch seine besondere Leibesfülle auf. Die Zollbeamten
unterzogen ihn einer gründlichen Untersuchung und fanden
zahlreiche Exemplare des Zürcher "Sozialdemokrat", welche
behutsam unter den Kleidern verborgen waren. Die Polizei
behielt den Wohlbeleibten in Haft.

-- Die Vertretungen von 68 Städten, 38 Aemtern
und 425 einzelnen Landgemeinden Westphalens haben den
Reichstag ersucht, seinen Einfluß dahin geltend zu machen,
daß das Reich zu einer erheblichen Erhöhung der Brannt-
weinsteuer in irgend einer Form übergehe, damit auch den
Einzelstaaten die Möglichkeit gegeben werde, die Lasten
der Gemeinden zu erleichtern.

Polen.
-- Ein Brief aus russisch Polen.

Das Morden und Verfolgen der Uniten hört nicht auf.
Nur selten dringen von dorther ächzende Seufzer nach
Außen, aber die, welche durchdringen, sind gräßliche.
Darüber berichtet ein Brief aus zuverlässiger Hand Folgendes:

Katholisch sein ist in den Augen der russischen Re-
gierung ein Verbrechen.

Das Gericht in Lublin, wie alle aus lauter Russen
zusammengesetzten Gerichte, behandelte jüngst eine Angelegen-
heit zweier unitischen Priester, die der Verrichtung der
religiösen Funktionen und der Verbreitung des Glaubens
unter dem Landvolke angeklagt wurden.

Das Gericht, statt diese Angelegenheit nach dem Ge-
wissen und der Gerechtigkeit zu traktiren, fällte ein Ur-
theil, das ihm auf dem administrativen Wege diktirt wurde,
und verurtheilte den griechisch-katholischen Pfarrer Simeon
Zienkowiz in Pobolowize, und den Emilian Banzikoski,
Sekretär des unitischen Ordinariates zu Chelm, zum
Verluste aller Rechte und zur Verbannung aus den
Grenzen des Reiches. Dieses Urtheil wurde dem Zar,
der bis anhin für das unglückliche Polen nichts gethan
hat, zur Unterzeichnung geschickt; und es ist kein Zweifel,
daß er es bestätige. -- Als verdächtig der Spendung der
geistlichen Hilfe an die Uniten wurde Anfangs November
der Priester Prefiezki, Religionslehrer am Gymnasium zu
Lublin, arretirt und in die Zitadelle nach Warschau ge-
bracht. Die Anklagen sollen falsch gewesen sein, denn die
angegebenen Fakta rühren von dem berüchtigten Spion
Adolf Dobrianski her, der die schmähliche Nolle eines
Verfolgers der Bekenner der unitischen Kirche auf sich
genommen.

Prifiezki, den ich persönlich kenne, war ein Priester
nach dem Sinne des Herrn; voll der Nächstenliebe, eilte
er überall den Armen und Unglücklichen zur Hilfe, ohne
Unterschied der Konfession.

Als sich das Gerücht von seiner Verhaftung und Ein-
sperrung im Nathhause verbreitete, stürmte fast ganz
Lublin heran und überhäufte die Verfolger und Thrannen
mit Schimpfnamen. Die Gensdarmen entführten Angesichts
der drohenden Haltung des Volkes den Priester durch
ein Hinterpförtchen des Rathhauses und dann auf Seiten-
sträßlein und durch die Felder nach der nächsten Bahn-
station Konopniza und erst von dort wurde er nach Warschau
gesandt. Das mit schweren Ketten beladene Opfer langte
dort erschöpft und halb todt an. Derselbe Brief schließt
[Spaltenumbruch] in sich eine noch interessantere Nachricht aus Podlachien
von der dreitägigen Belagerung der Kirche zu Ochin,
welche an die Belagerung der Kirchen von Warschau im
Jahre 1861 lebhaft erinnert.

Im Dorfe Ochin des Kreises Nazin sind zwei Kirchen:
eine katholische Kirche und eine unitische Zerkiew. Die
katholische Kirche wurde von den modernen Zivilisatoren
des neunzehnten Jahrhunderts geschlossen, und die unitische
Zerkiew verwandelt in eine schismatische; aus diesem Grunde
mied das Volk dieselbe.

Am 1. November 1885, d. h. am Allerheiligenfeste,
versammelte sich die unitische Bevölkerung der benachbarten
Dörfer in Ochin. Es erschien dort auch der Stazelnik
mit seinen bewaffneten Sapoien, um zu bewachen, damit
das Volk nicht in die Kirche eindringe. Die Haufen ver-
sammelten sich vor der Kirche und beteten laut.

Tags darauf, am Tage Allerseelen, als die Erinnerung
an die lieben Todten und die Thränen das Andenken an
jene alten Tage erweckten, wo man frei in den Tempeln
seiner Konfession beten konnte, sprengte das Volk die
Kirchenthüre, drang in das Innere ein, zündete Kerzen
auf den Altären an und begann nach der alten polnischen
Sitte Lieder und Gebete zu singen. Die Feder schaudert
zurück bei der Beschreibung der darauf folgenden Szenen!

Der Befehl, Waffen zu gebrauchen, erhöhte nur noch
mehr den Muth der unitischen Bekenner, und brachte den
Stazelnik zur Verzweiflung, da er die Aufregung nicht
bemeistern konnte. Er telegraphirte zum Gouverneur nach
Siedlze, dieser zum General-Statthalter Gurko nach
Warschau, Gurko nach Petersburg mit der Anfrage, was
da mit den betenden Uniten in der Kirche anzufangen sei?
Nach langem Hin- und Hertelegraphiren kam Order, die
Betenden in der Kirche einzusperren, sie so lange zu be-
lagern, bis sie selbst den Auslaß aus der Kirche begehren
würden, dann die Anführer zu verhaften und jede er-
wachsene Person mit 25 Rubel und jedes Kind mit 25
Kopecken zu büßen.

Die Bauern hielten die Belagerung in der Kirche
drei Tage lang aus, ohne Essen und Trinken, stets
betend. Endlich durch den Hunger gezwungen, ergaben sie
sich der Nothwendigkeit und gingen aus der Kirche auf
den Friedhof, wo sie ohne Unterschied des Geschlechtes und
Alters abgefaßt wurden. Durch die neuen Thatsachen dieses
Martyrerthums steht die Bevölkerung Podlachiens da,
groß und erhaben in den Augen von ganz Polen und
bewundert von der ganzen christlichen Welt.

Sie bezahlte für das Beten; aber, ob sie mit dieser
Bezahlung sich von weiterer Verfolgung und Quälerei
befreit hat? Darüber muß man zweifeln!

Lieber Leser! Vergebens würdest du ein so standhaftes,
zum Martyrerthum fähiges und opferwilliges Volk außer-
halb den Grenzen Polens suchen.

Italien.

-- * Die Politik des "einigen" Königreiches bietet
gegenwärtig -- gewissermaßen immer -- ein trauriges
Schauspiel: Aller "liquidirten" Klostermillionen ungeachtet
herrscht in der Staatskasse fortwährend eine fatale Ebbe;
vor Allem macht sich daher das Bedürfniß nach "mehr
Geld" fühlbar, also neue Steuern. Um die Klagen nicht
allzulaut werden zu lassen, wurde eine gleichmäßigere Ver-
theilung der Grundsteuer erfunden und gibt sich damit den
Anschein einer Verminderung der Steuer; aber auf der
andern Seite ist es immer das arme Volk, welches die
Mindereinnahme zu decken hat, denn eine andere neue
Steuer ist auf Zucker, Kaffee und Tabak gelegt worden.
Im Parlament bekämpfen sich die politischen Parteien
(d. h. die hitzigeren und bedächtigeren Revolutionäre) mit der
größten Leidenschaft. Auch die Gegensätze zwischen Süden
und Norden in Interessenfragen bringen die Abgeordneten
hintereinander. Gewiß ist das Beispiel nicht erbaulich und
Italien ist wahrlich noch weit entfernt vom "einigen Italien".

Frankreich.

-- Wie sehr die radikalen Einrichtungen in Frankreich
kurzlebig sind, sieht man auch an der Auflösung des städtischen
Laboratoriums von Paris. Der Gemeinderath hat die Mittel
für diese höchst nützliche Einrichtung, welche den Verfälsch-
ungen von Lebensmitteln und Getränken einen heilsamen
Damm entgegensetzte, einfach verweigert. Und warum? Die
Weinhändler hatten sich bitter beklagt, daß sie durch dieses
Untersuchungsamt bitter belästigt würden, und da es die
Gemeindeväter mit diesen Leuten, welche zu ihren besten
Wahltreibern gehören, nicht verderben wollten, beseitigten
sie kurzerhand das für die öffentliche Wohlfahrt so nützliche
Amt. Mögen die Pariser Spießbürger ruhig ihren ver-
fälschten Rothspon schlucken, wenn nur die Wahlen in un-
verfälschter Röthlichkeit erstrahlen. Erheiternd wirkt es,
daß in dem Augenblicke, wo die klugen Gemeindeväter das
Untersuchungsamt beseitigten, die Akademie der Wissen-
schaften dem Leiter desselben, Girard, den Montyonpreis
von Fr. 2500 für seine wirklich ausgezeichneten Leistungen
zuerkannt hat.

-- * Aus der öffentlichen Jahressitzung der Akademie
werden zwei rührende Kundgebungen berichtet. Maximus
du Camp sprach von einem 15jährigen Helden: Johann
Baptist Jupille von Villers Fralay (Jura). Derselbe ist
Hirt; während er im verwichenen Sommer seine Heerde
hütete, wurden Kinder, die in seiner Nähe spielten, von

8 Schwarze reinseidene Damaste Fr. 3. 10
bis Fr. 15. 50 per Meter
versenden in ein-
zelnen Metern, Roben und ganzen Stücken portofrei
das Seiden-Depot G. Henneberg, Zürich. Muster
umgehend.


[Spaltenumbruch]

einem wüthenden Hunde angefallen. Der Hirt sprang vor
sie her, um sie zu beschützen; er wollte das Thier mit
Peitschenschlägen vertreiben, das aber stürzte sich mit ge-
sträubten Haaren und den Geifer im Rachen auf ihn zu,
faßte ihn an der linken Hand und zerbiß sie ihm. Ob-
gleich blutend und zerrissen, dachte der arme Knabe nicht
einmal an's Fliehen; er trat dem wilden Thiere, das die
Wuth unbesiegbar zu machen schien, gegenüber und kämpfte
mit ihm. Mit der rechten Hand öffnete er dem Hunde
den schäumenden Rachen, um seine linke Hand frei zu
machen; er erhielt noch mehrere Bisse, aber mit der Rasch-
heit des Entschlusses, welche die Kaltblütigkeit des wahren
Muthes mit sich bringt, band er mittelst des Peitschen-
riemens dem Hunde die Schnauze fest und erschlug ihn
dann mit den Holzschuhen. -- Der Hund war todt, die
Kinder waren gerettet, aber der heldenmüthige Knabe
Jupille war voller Bisse; nicht nur das: er war zugleich
mit den Wunden auch durch den Wuthgeifer des Hundes
vergiftet und aller Wahrscheinlichkeit nach, vom entsetzlichen
Schicksal bedroht, sein junges Leben unter schrecklichen
Qualen verlieren zu müssen.

Unter der gespanntesten Aufmerksamkeit der Zuhörer-
schaft erzählte der Akademiker Maximus du Camp weiter
-- und wohl vielen unserer Leser ist die Geschichte noch
in Erinnerung -- wie der arme Hirt alsdann dem be-
rühmten Arzt Pasteur in Paris zugeführt wurde, der
kurz vorher eine sicher wirkende Heilmethode der Vergiftung
durch Bisse wüthender Thiere veröffentlicht hatte. Jupille
wurde von Pasteur in Behandlung genommen und -- ge-
rettet. Er hatte über eine entsetzliche Krankheit, die bisher
für unheilbar gegolten, triumphirt. Als der Redner ge-
endet hatte, brach die glänzende Versammlung in stürmische
Beifallsrufe aus; der anwesende Gelehrte aber -- selbst
Mitglied der Akademie -- weinte vor Rührung. Das
war einer der schönsten Augenblicke im Leben des be-
rühmten Arztes.

Oesterreich.

Montenegro läßt die Nach-
richt verbreiten, daß es 55,000 Mann mobilisirt habe.

Serbien.

-- Zwischen Serbien und Bulgarien ist ein
Waffenstillstand abgeschlossen, der bis zum 1. März 1886
dauert.

500 (bulgarische)
Freiwillige drangen in das serbische Dorf Jelasnitza ein
und plünderten dasselbe. Die Serben eilten ihren Lands-
leuten zu Hülfe und machten 150 Gefangene, die einem
Kriegsgericht übergeben werden.

Amerika.

-- * Der Dampfer "Canada", der letzte Woche New-
York verließ, um nach Europa zu fahren, hat 4 Kinder
aus Newark (Staat New Jersey) an Bord genommen,
die von einem wüthenden Hund gebissen worden sind. Sie
kommen in Behandlung des berühmten Dr. Pasteur, dessen
Heilmethoden der Wasserscheu also nicht nur bloß einen
"europäischen" Nuf erworben. Die vier Kleinen sind die
Kinder einer armen Familie; die Reisekosten werden durch
eine öffentliche Subskription gedeckt.




Der Weihnachtsbaum.
Ein Weihnachtsbäumlein sollst du sein,
Mit Werth und schöner Zier umhangen;
Nach oben stehe dein Verlangen, --
Ein Bäumlein, wenn nicht groß, doch klein.
Du bist der nackte Baum allein,
Stehst leer und kahl, es ist zum Bangen,
Kein Werth und keine Zierden prangen,
Und keine Lichtlein geben Schein.
Villeicht ist nicht der Baum gestellt,
Neigt schief hinüber noch zur Welt,
Gebeugt und krumm ein schwaches Schilf.
Vielleicht er liegt noch gar zur Erden,
Muß erst vom Fall errichtet werden,
Und Weihnacht da! Hilf, Heiland hilf!



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Abonnenten über vorkommende Rechtsfälle unentgeltlich Aut-
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nenten erhalten das Blatt bis Neujahr gratis. (H6113Z) 818




Der französische Postdampfer "Normandie", am 12. Dezember
Mittags von Havre abgefahren, ist am 21. Dezember, Morgens
5 Uhr, glücklich in New-York angekommen.




[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] ſo gebe man ſich einem ſchweren Irrthum hin. Zwei
Krieger, die beſten Generäle ihrer Zeit, der König Fried-
rich II. von Preußen und Napoleon I. hätten dies an-
erkannt und der letztere ſagte ſogar, der erſte Duelliſt
ſeiner Armee ſei auch der feigſte Soldat. — Es handelte
ſich in der Kammer um die abſcheulichen Studentenduelle,
für welche die Polizei keine Augen hat. So lange man
aber in dieſer Weiſe fortfährt, und es ſind keine Anzeichen
einer Aenderung, ſo wird es immer viele Studenten geben,
die ſich um die geringſte Bagatelle ſchlagen und deren Ge-
ſicht mit Schmarren bedeckt iſt, die ſicher weniger ehren-
haft ſind, als die, welche die Wange Heinrichs von Guiſe
verſchönerte.

Möchte wenigſtens Baiern, ſo viel ihm noch Freiheit
belaſſen, ſeiner katholiſchen Geſchichte nicht untreu werden,
und der Worte des großen konſervativen Staatsmannes
Windthorſt, die er an der deutſchen Katholikenverſammlung
in Amberg mit Betonung ausgeſprochen, eingedenkt ſein:
„Meine Herren! Jeder muß auf dem Boden bleiben, auf
dem er gewachſen iſt, er wird ſonſt untergehen; und
Baiern iſt groß geworden als katholiſche
Macht
.“

— Ein Gymnaſiaſt war mit ſeinem Vater, einem
Gerbermeiſter, der in einem Dorfe bei Königsberg wohnt,
auf die Fuchsjagd gegangen. Beide ſchlugen dabei ver-
ſchiedene Richtungen ein und verloren ſich ſchließlich aus
den Augen. Der Vater glaubte endlich hinter einem ſich
bewegenden Buſchwerk den Fuchs zu erkennen, legte an
und ſchoß. In demſelben Augenblick erſcholl ein erſchütternder
Schrei. Der Schütze eilte hinzu; er fand ſeinen Sohn mit
zerſchmettertem Hirnſchädel ſich in ſeinem Blute wälzend.

— Eine Familie in Altenburg (Thüringen) hat im
Zeitraume von 14 Tagen ſämmtliche Kinder, fünf Mädchen
von ſieben Monaten bis zu ſechs Jahren, durch die
Diphtheritis verloren.

— Der Weinhändler I. I. Nithardt zu Mülhauſen
im Elſaß wurde wegen Kunſtweinfabrikation, reſp. wegen
Verkaufes von Kunſtwein anſtatt Raturwein in mehr als
50 Fällen zu 1½ Jahren Gefängniß und 60,000 Mark
Geldbuße verurtheilt. Seine „Weine“ gingen hauptſächlich
nach Berlin, Leipzig und Dresden und waren vorzugs-
weiſe mit Glycerin verſetzt.

— Die ſüddeutſchen Staaten wollen entſchieden nichts
wiſſen von der Einführung des Branntweinmonopols.

Altona. Als kürzlich ein Korbmacher aus
Ottenſen die Zollgrenze überſchreiten wollte, fiel derſelbe
durch ſeine beſondere Leibesfülle auf. Die Zollbeamten
unterzogen ihn einer gründlichen Unterſuchung und fanden
zahlreiche Exemplare des Zürcher „Sozialdemokrat“, welche
behutſam unter den Kleidern verborgen waren. Die Polizei
behielt den Wohlbeleibten in Haft.

— Die Vertretungen von 68 Städten, 38 Aemtern
und 425 einzelnen Landgemeinden Weſtphalens haben den
Reichstag erſucht, ſeinen Einfluß dahin geltend zu machen,
daß das Reich zu einer erheblichen Erhöhung der Brannt-
weinſteuer in irgend einer Form übergehe, damit auch den
Einzelſtaaten die Möglichkeit gegeben werde, die Laſten
der Gemeinden zu erleichtern.

Polen.
Ein Brief aus ruſſiſch Polen.

Das Morden und Verfolgen der Uniten hört nicht auf.
Nur ſelten dringen von dorther ächzende Seufzer nach
Außen, aber die, welche durchdringen, ſind gräßliche.
Darüber berichtet ein Brief aus zuverläſſiger Hand Folgendes:

Katholiſch ſein iſt in den Augen der ruſſiſchen Re-
gierung ein Verbrechen.

Das Gericht in Lublin, wie alle aus lauter Ruſſen
zuſammengeſetzten Gerichte, behandelte jüngſt eine Angelegen-
heit zweier unitiſchen Prieſter, die der Verrichtung der
religiöſen Funktionen und der Verbreitung des Glaubens
unter dem Landvolke angeklagt wurden.

Das Gericht, ſtatt dieſe Angelegenheit nach dem Ge-
wiſſen und der Gerechtigkeit zu traktiren, fällte ein Ur-
theil, das ihm auf dem adminiſtrativen Wege diktirt wurde,
und verurtheilte den griechiſch-katholiſchen Pfarrer Simeon
Zienkowiz in Pobolowize, und den Emilian Banzikoski,
Sekretär des unitiſchen Ordinariates zu Chelm, zum
Verluſte aller Rechte und zur Verbannung aus den
Grenzen des Reiches. Dieſes Urtheil wurde dem Zar,
der bis anhin für das unglückliche Polen nichts gethan
hat, zur Unterzeichnung geſchickt; und es iſt kein Zweifel,
daß er es beſtätige. — Als verdächtig der Spendung der
geiſtlichen Hilfe an die Uniten wurde Anfangs November
der Prieſter Prefiezki, Religionslehrer am Gymnaſium zu
Lublin, arretirt und in die Zitadelle nach Warſchau ge-
bracht. Die Anklagen ſollen falſch geweſen ſein, denn die
angegebenen Fakta rühren von dem berüchtigten Spion
Adolf Dobrianski her, der die ſchmähliche Nolle eines
Verfolgers der Bekenner der unitiſchen Kirche auf ſich
genommen.

Prifiezki, den ich perſönlich kenne, war ein Prieſter
nach dem Sinne des Herrn; voll der Nächſtenliebe, eilte
er überall den Armen und Unglücklichen zur Hilfe, ohne
Unterſchied der Konfeſſion.

Als ſich das Gerücht von ſeiner Verhaftung und Ein-
ſperrung im Nathhauſe verbreitete, ſtürmte faſt ganz
Lublin heran und überhäufte die Verfolger und Thrannen
mit Schimpfnamen. Die Gensdarmen entführten Angeſichts
der drohenden Haltung des Volkes den Prieſter durch
ein Hinterpförtchen des Rathhauſes und dann auf Seiten-
ſträßlein und durch die Felder nach der nächſten Bahn-
ſtation Konopniza und erſt von dort wurde er nach Warſchau
geſandt. Das mit ſchweren Ketten beladene Opfer langte
dort erſchöpft und halb todt an. Derſelbe Brief ſchließt
[Spaltenumbruch] in ſich eine noch intereſſantere Nachricht aus Podlachien
von der dreitägigen Belagerung der Kirche zu Ochin,
welche an die Belagerung der Kirchen von Warſchau im
Jahre 1861 lebhaft erinnert.

Im Dorfe Ochin des Kreiſes Nazin ſind zwei Kirchen:
eine katholiſche Kirche und eine unitiſche Zerkiew. Die
katholiſche Kirche wurde von den modernen Ziviliſatoren
des neunzehnten Jahrhunderts geſchloſſen, und die unitiſche
Zerkiew verwandelt in eine ſchismatiſche; aus dieſem Grunde
mied das Volk dieſelbe.

Am 1. November 1885, d. h. am Allerheiligenfeſte,
verſammelte ſich die unitiſche Bevölkerung der benachbarten
Dörfer in Ochin. Es erſchien dort auch der Stazelnik
mit ſeinen bewaffneten Sapoien, um zu bewachen, damit
das Volk nicht in die Kirche eindringe. Die Haufen ver-
ſammelten ſich vor der Kirche und beteten laut.

Tags darauf, am Tage Allerſeelen, als die Erinnerung
an die lieben Todten und die Thränen das Andenken an
jene alten Tage erweckten, wo man frei in den Tempeln
ſeiner Konfeſſion beten konnte, ſprengte das Volk die
Kirchenthüre, drang in das Innere ein, zündete Kerzen
auf den Altären an und begann nach der alten polniſchen
Sitte Lieder und Gebete zu ſingen. Die Feder ſchaudert
zurück bei der Beſchreibung der darauf folgenden Szenen!

Der Befehl, Waffen zu gebrauchen, erhöhte nur noch
mehr den Muth der unitiſchen Bekenner, und brachte den
Stazelnik zur Verzweiflung, da er die Aufregung nicht
bemeiſtern konnte. Er telegraphirte zum Gouverneur nach
Siedlze, dieſer zum General-Statthalter Gurko nach
Warſchau, Gurko nach Petersburg mit der Anfrage, was
da mit den betenden Uniten in der Kirche anzufangen ſei?
Nach langem Hin- und Hertelegraphiren kam Order, die
Betenden in der Kirche einzuſperren, ſie ſo lange zu be-
lagern, bis ſie ſelbſt den Auslaß aus der Kirche begehren
würden, dann die Anführer zu verhaften und jede er-
wachſene Perſon mit 25 Rubel und jedes Kind mit 25
Kopecken zu büßen.

Die Bauern hielten die Belagerung in der Kirche
drei Tage lang aus, ohne Eſſen und Trinken, ſtets
betend. Endlich durch den Hunger gezwungen, ergaben ſie
ſich der Nothwendigkeit und gingen aus der Kirche auf
den Friedhof, wo ſie ohne Unterſchied des Geſchlechtes und
Alters abgefaßt wurden. Durch die neuen Thatſachen dieſes
Martyrerthums ſteht die Bevölkerung Podlachiens da,
groß und erhaben in den Augen von ganz Polen und
bewundert von der ganzen chriſtlichen Welt.

Sie bezahlte für das Beten; aber, ob ſie mit dieſer
Bezahlung ſich von weiterer Verfolgung und Quälerei
befreit hat? Darüber muß man zweifeln!

Lieber Leſer! Vergebens würdeſt du ein ſo ſtandhaftes,
zum Martyrerthum fähiges und opferwilliges Volk außer-
halb den Grenzen Polens ſuchen.

Italien.

— * Die Politik des „einigen“ Königreiches bietet
gegenwärtig — gewiſſermaßen immer — ein trauriges
Schauſpiel: Aller „liquidirten“ Kloſtermillionen ungeachtet
herrſcht in der Staatskaſſe fortwährend eine fatale Ebbe;
vor Allem macht ſich daher das Bedürfniß nach „mehr
Geld“ fühlbar, alſo neue Steuern. Um die Klagen nicht
allzulaut werden zu laſſen, wurde eine gleichmäßigere Ver-
theilung der Grundſteuer erfunden und gibt ſich damit den
Anſchein einer Verminderung der Steuer; aber auf der
andern Seite iſt es immer das arme Volk, welches die
Mindereinnahme zu decken hat, denn eine andere neue
Steuer iſt auf Zucker, Kaffee und Tabak gelegt worden.
Im Parlament bekämpfen ſich die politiſchen Parteien
(d. h. die hitzigeren und bedächtigeren Revolutionäre) mit der
größten Leidenſchaft. Auch die Gegenſätze zwiſchen Süden
und Norden in Intereſſenfragen bringen die Abgeordneten
hintereinander. Gewiß iſt das Beiſpiel nicht erbaulich und
Italien iſt wahrlich noch weit entfernt vom „einigen Italien“.

Frankreich.

— Wie ſehr die radikalen Einrichtungen in Frankreich
kurzlebig ſind, ſieht man auch an der Auflöſung des ſtädtiſchen
Laboratoriums von Paris. Der Gemeinderath hat die Mittel
für dieſe höchſt nützliche Einrichtung, welche den Verfälſch-
ungen von Lebensmitteln und Getränken einen heilſamen
Damm entgegenſetzte, einfach verweigert. Und warum? Die
Weinhändler hatten ſich bitter beklagt, daß ſie durch dieſes
Unterſuchungsamt bitter beläſtigt würden, und da es die
Gemeindeväter mit dieſen Leuten, welche zu ihren beſten
Wahltreibern gehören, nicht verderben wollten, beſeitigten
ſie kurzerhand das für die öffentliche Wohlfahrt ſo nützliche
Amt. Mögen die Pariſer Spießbürger ruhig ihren ver-
fälſchten Rothſpon ſchlucken, wenn nur die Wahlen in un-
verfälſchter Röthlichkeit erſtrahlen. Erheiternd wirkt es,
daß in dem Augenblicke, wo die klugen Gemeindeväter das
Unterſuchungsamt beſeitigten, die Akademie der Wiſſen-
ſchaften dem Leiter desſelben, Girard, den Montyonpreis
von Fr. 2500 für ſeine wirklich ausgezeichneten Leiſtungen
zuerkannt hat.

— * Aus der öffentlichen Jahresſitzung der Akademie
werden zwei rührende Kundgebungen berichtet. Maximus
du Camp ſprach von einem 15jährigen Helden: Johann
Baptiſt Jupille von Villers Fralay (Jura). Derſelbe iſt
Hirt; während er im verwichenen Sommer ſeine Heerde
hütete, wurden Kinder, die in ſeiner Nähe ſpielten, von

8 Schwarze reinſeidene Damaſte Fr. 3. 10
bis Fr. 15. 50 per Meter
verſenden in ein-
zelnen Metern, Roben und ganzen Stücken portofrei
das Seiden-Dépôt G. Henneberg, Zürich. Muſter
umgehend.


[Spaltenumbruch]

einem wüthenden Hunde angefallen. Der Hirt ſprang vor
ſie her, um ſie zu beſchützen; er wollte das Thier mit
Peitſchenſchlägen vertreiben, das aber ſtürzte ſich mit ge-
ſträubten Haaren und den Geifer im Rachen auf ihn zu,
faßte ihn an der linken Hand und zerbiß ſie ihm. Ob-
gleich blutend und zerriſſen, dachte der arme Knabe nicht
einmal an’s Fliehen; er trat dem wilden Thiere, das die
Wuth unbeſiegbar zu machen ſchien, gegenüber und kämpfte
mit ihm. Mit der rechten Hand öffnete er dem Hunde
den ſchäumenden Rachen, um ſeine linke Hand frei zu
machen; er erhielt noch mehrere Biſſe, aber mit der Raſch-
heit des Entſchluſſes, welche die Kaltblütigkeit des wahren
Muthes mit ſich bringt, band er mittelſt des Peitſchen-
riemens dem Hunde die Schnauze feſt und erſchlug ihn
dann mit den Holzſchuhen. — Der Hund war todt, die
Kinder waren gerettet, aber der heldenmüthige Knabe
Jupille war voller Biſſe; nicht nur das: er war zugleich
mit den Wunden auch durch den Wuthgeifer des Hundes
vergiftet und aller Wahrſcheinlichkeit nach, vom entſetzlichen
Schickſal bedroht, ſein junges Leben unter ſchrecklichen
Qualen verlieren zu müſſen.

Unter der geſpannteſten Aufmerkſamkeit der Zuhörer-
ſchaft erzählte der Akademiker Maximus du Camp weiter
— und wohl vielen unſerer Leſer iſt die Geſchichte noch
in Erinnerung — wie der arme Hirt alsdann dem be-
rühmten Arzt Paſteur in Paris zugeführt wurde, der
kurz vorher eine ſicher wirkende Heilmethode der Vergiftung
durch Biſſe wüthender Thiere veröffentlicht hatte. Jupille
wurde von Paſteur in Behandlung genommen und — ge-
rettet. Er hatte über eine entſetzliche Krankheit, die bisher
für unheilbar gegolten, triumphirt. Als der Redner ge-
endet hatte, brach die glänzende Verſammlung in ſtürmiſche
Beifallsrufe aus; der anweſende Gelehrte aber — ſelbſt
Mitglied der Akademie — weinte vor Rührung. Das
war einer der ſchönſten Augenblicke im Leben des be-
rühmten Arztes.

Oeſterreich.

Montenegro läßt die Nach-
richt verbreiten, daß es 55,000 Mann mobiliſirt habe.

Serbien.

— Zwiſchen Serbien und Bulgarien iſt ein
Waffenſtillſtand abgeſchloſſen, der bis zum 1. März 1886
dauert.

500 (bulgariſche)
Freiwillige drangen in das ſerbiſche Dorf Jelasnitza ein
und plünderten dasſelbe. Die Serben eilten ihren Lands-
leuten zu Hülfe und machten 150 Gefangene, die einem
Kriegsgericht übergeben werden.

Amerika.

— * Der Dampfer „Canada“, der letzte Woche New-
York verließ, um nach Europa zu fahren, hat 4 Kinder
aus Newark (Staat New Jerſey) an Bord genommen,
die von einem wüthenden Hund gebiſſen worden ſind. Sie
kommen in Behandlung des berühmten Dr. Paſteur, deſſen
Heilmethoden der Waſſerſcheu alſo nicht nur bloß einen
„europäiſchen“ Nuf erworben. Die vier Kleinen ſind die
Kinder einer armen Familie; die Reiſekoſten werden durch
eine öffentliche Subſkription gedeckt.




Der Weihnachtsbaum.
Ein Weihnachtsbäumlein ſollſt du ſein,
Mit Werth und ſchöner Zier umhangen;
Nach oben ſtehe dein Verlangen, —
Ein Bäumlein, wenn nicht groß, doch klein.
Du biſt der nackte Baum allein,
Stehſt leer und kahl, es iſt zum Bangen,
Kein Werth und keine Zierden prangen,
Und keine Lichtlein geben Schein.
Villeicht iſt nicht der Baum geſtellt,
Neigt ſchief hinüber noch zur Welt,
Gebeugt und krumm ein ſchwaches Schilf.
Vielleicht er liegt noch gar zur Erden,
Muß erſt vom Fall errichtet werden,
Und Weihnacht da! Hilf, Heiland hilf!



2) Treffort, doppelbreiter engliſcher Che-
viot neueſter Deſſius
à Fr. 1. per Elle oder
Fr. 1. 65 Cts. per Meter in einzelnen Roben, ſowie
ganzen Stücken verſenden portofrei in’s Haus Oettinger
& Co.,
Centralhof, Zürich.

P. S. Muſter-Collektionen bereitwilligſt.




Der „Gerichtsſaal“ (jeden Samſtag erſcheinend) gibt jedem
Abonnenten über vorkommende Rechtsfälle unentgeltlich Aut-
wort im Fragekaſten. Abonnement bei den Poſtämtern oder bei
der Expedition in Zürich vierteljährlich 1 Fr. 50. Neue Abon-
nenten erhalten das Blatt bis Neujahr gratis. (H6113Z) 818




Der franzöſiſche Poſtdampfer „Normandie“, am 12. Dezember
Mittags von Havre abgefahren, iſt am 21. Dezember, Morgens
5 Uhr, glücklich in New-York angekommen.




[irrelevantes Material]
<TEI>
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[3/0003] ſo gebe man ſich einem ſchweren Irrthum hin. Zwei Krieger, die beſten Generäle ihrer Zeit, der König Fried- rich II. von Preußen und Napoleon I. hätten dies an- erkannt und der letztere ſagte ſogar, der erſte Duelliſt ſeiner Armee ſei auch der feigſte Soldat. — Es handelte ſich in der Kammer um die abſcheulichen Studentenduelle, für welche die Polizei keine Augen hat. So lange man aber in dieſer Weiſe fortfährt, und es ſind keine Anzeichen einer Aenderung, ſo wird es immer viele Studenten geben, die ſich um die geringſte Bagatelle ſchlagen und deren Ge- ſicht mit Schmarren bedeckt iſt, die ſicher weniger ehren- haft ſind, als die, welche die Wange Heinrichs von Guiſe verſchönerte. Möchte wenigſtens Baiern, ſo viel ihm noch Freiheit belaſſen, ſeiner katholiſchen Geſchichte nicht untreu werden, und der Worte des großen konſervativen Staatsmannes Windthorſt, die er an der deutſchen Katholikenverſammlung in Amberg mit Betonung ausgeſprochen, eingedenkt ſein: „Meine Herren! Jeder muß auf dem Boden bleiben, auf dem er gewachſen iſt, er wird ſonſt untergehen; und Baiern iſt groß geworden als katholiſche Macht.“ — Ein Gymnaſiaſt war mit ſeinem Vater, einem Gerbermeiſter, der in einem Dorfe bei Königsberg wohnt, auf die Fuchsjagd gegangen. Beide ſchlugen dabei ver- ſchiedene Richtungen ein und verloren ſich ſchließlich aus den Augen. Der Vater glaubte endlich hinter einem ſich bewegenden Buſchwerk den Fuchs zu erkennen, legte an und ſchoß. In demſelben Augenblick erſcholl ein erſchütternder Schrei. Der Schütze eilte hinzu; er fand ſeinen Sohn mit zerſchmettertem Hirnſchädel ſich in ſeinem Blute wälzend. — Eine Familie in Altenburg (Thüringen) hat im Zeitraume von 14 Tagen ſämmtliche Kinder, fünf Mädchen von ſieben Monaten bis zu ſechs Jahren, durch die Diphtheritis verloren. — Der Weinhändler I. I. Nithardt zu Mülhauſen im Elſaß wurde wegen Kunſtweinfabrikation, reſp. wegen Verkaufes von Kunſtwein anſtatt Raturwein in mehr als 50 Fällen zu 1½ Jahren Gefängniß und 60,000 Mark Geldbuße verurtheilt. Seine „Weine“ gingen hauptſächlich nach Berlin, Leipzig und Dresden und waren vorzugs- weiſe mit Glycerin verſetzt. — Die ſüddeutſchen Staaten wollen entſchieden nichts wiſſen von der Einführung des Branntweinmonopols. — Altona. Als kürzlich ein Korbmacher aus Ottenſen die Zollgrenze überſchreiten wollte, fiel derſelbe durch ſeine beſondere Leibesfülle auf. Die Zollbeamten unterzogen ihn einer gründlichen Unterſuchung und fanden zahlreiche Exemplare des Zürcher „Sozialdemokrat“, welche behutſam unter den Kleidern verborgen waren. Die Polizei behielt den Wohlbeleibten in Haft. — Die Vertretungen von 68 Städten, 38 Aemtern und 425 einzelnen Landgemeinden Weſtphalens haben den Reichstag erſucht, ſeinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß das Reich zu einer erheblichen Erhöhung der Brannt- weinſteuer in irgend einer Form übergehe, damit auch den Einzelſtaaten die Möglichkeit gegeben werde, die Laſten der Gemeinden zu erleichtern. Polen. — Ein Brief aus ruſſiſch Polen. (Korr.) Das Morden und Verfolgen der Uniten hört nicht auf. Nur ſelten dringen von dorther ächzende Seufzer nach Außen, aber die, welche durchdringen, ſind gräßliche. Darüber berichtet ein Brief aus zuverläſſiger Hand Folgendes: Katholiſch ſein iſt in den Augen der ruſſiſchen Re- gierung ein Verbrechen. Das Gericht in Lublin, wie alle aus lauter Ruſſen zuſammengeſetzten Gerichte, behandelte jüngſt eine Angelegen- heit zweier unitiſchen Prieſter, die der Verrichtung der religiöſen Funktionen und der Verbreitung des Glaubens unter dem Landvolke angeklagt wurden. Das Gericht, ſtatt dieſe Angelegenheit nach dem Ge- wiſſen und der Gerechtigkeit zu traktiren, fällte ein Ur- theil, das ihm auf dem adminiſtrativen Wege diktirt wurde, und verurtheilte den griechiſch-katholiſchen Pfarrer Simeon Zienkowiz in Pobolowize, und den Emilian Banzikoski, Sekretär des unitiſchen Ordinariates zu Chelm, zum Verluſte aller Rechte und zur Verbannung aus den Grenzen des Reiches. Dieſes Urtheil wurde dem Zar, der bis anhin für das unglückliche Polen nichts gethan hat, zur Unterzeichnung geſchickt; und es iſt kein Zweifel, daß er es beſtätige. — Als verdächtig der Spendung der geiſtlichen Hilfe an die Uniten wurde Anfangs November der Prieſter Prefiezki, Religionslehrer am Gymnaſium zu Lublin, arretirt und in die Zitadelle nach Warſchau ge- bracht. Die Anklagen ſollen falſch geweſen ſein, denn die angegebenen Fakta rühren von dem berüchtigten Spion Adolf Dobrianski her, der die ſchmähliche Nolle eines Verfolgers der Bekenner der unitiſchen Kirche auf ſich genommen. Prifiezki, den ich perſönlich kenne, war ein Prieſter nach dem Sinne des Herrn; voll der Nächſtenliebe, eilte er überall den Armen und Unglücklichen zur Hilfe, ohne Unterſchied der Konfeſſion. Als ſich das Gerücht von ſeiner Verhaftung und Ein- ſperrung im Nathhauſe verbreitete, ſtürmte faſt ganz Lublin heran und überhäufte die Verfolger und Thrannen mit Schimpfnamen. Die Gensdarmen entführten Angeſichts der drohenden Haltung des Volkes den Prieſter durch ein Hinterpförtchen des Rathhauſes und dann auf Seiten- ſträßlein und durch die Felder nach der nächſten Bahn- ſtation Konopniza und erſt von dort wurde er nach Warſchau geſandt. Das mit ſchweren Ketten beladene Opfer langte dort erſchöpft und halb todt an. Derſelbe Brief ſchließt in ſich eine noch intereſſantere Nachricht aus Podlachien von der dreitägigen Belagerung der Kirche zu Ochin, welche an die Belagerung der Kirchen von Warſchau im Jahre 1861 lebhaft erinnert. Im Dorfe Ochin des Kreiſes Nazin ſind zwei Kirchen: eine katholiſche Kirche und eine unitiſche Zerkiew. Die katholiſche Kirche wurde von den modernen Ziviliſatoren des neunzehnten Jahrhunderts geſchloſſen, und die unitiſche Zerkiew verwandelt in eine ſchismatiſche; aus dieſem Grunde mied das Volk dieſelbe. Am 1. November 1885, d. h. am Allerheiligenfeſte, verſammelte ſich die unitiſche Bevölkerung der benachbarten Dörfer in Ochin. Es erſchien dort auch der Stazelnik mit ſeinen bewaffneten Sapoien, um zu bewachen, damit das Volk nicht in die Kirche eindringe. Die Haufen ver- ſammelten ſich vor der Kirche und beteten laut. Tags darauf, am Tage Allerſeelen, als die Erinnerung an die lieben Todten und die Thränen das Andenken an jene alten Tage erweckten, wo man frei in den Tempeln ſeiner Konfeſſion beten konnte, ſprengte das Volk die Kirchenthüre, drang in das Innere ein, zündete Kerzen auf den Altären an und begann nach der alten polniſchen Sitte Lieder und Gebete zu ſingen. Die Feder ſchaudert zurück bei der Beſchreibung der darauf folgenden Szenen! Der Befehl, Waffen zu gebrauchen, erhöhte nur noch mehr den Muth der unitiſchen Bekenner, und brachte den Stazelnik zur Verzweiflung, da er die Aufregung nicht bemeiſtern konnte. Er telegraphirte zum Gouverneur nach Siedlze, dieſer zum General-Statthalter Gurko nach Warſchau, Gurko nach Petersburg mit der Anfrage, was da mit den betenden Uniten in der Kirche anzufangen ſei? Nach langem Hin- und Hertelegraphiren kam Order, die Betenden in der Kirche einzuſperren, ſie ſo lange zu be- lagern, bis ſie ſelbſt den Auslaß aus der Kirche begehren würden, dann die Anführer zu verhaften und jede er- wachſene Perſon mit 25 Rubel und jedes Kind mit 25 Kopecken zu büßen. Die Bauern hielten die Belagerung in der Kirche drei Tage lang aus, ohne Eſſen und Trinken, ſtets betend. Endlich durch den Hunger gezwungen, ergaben ſie ſich der Nothwendigkeit und gingen aus der Kirche auf den Friedhof, wo ſie ohne Unterſchied des Geſchlechtes und Alters abgefaßt wurden. Durch die neuen Thatſachen dieſes Martyrerthums ſteht die Bevölkerung Podlachiens da, groß und erhaben in den Augen von ganz Polen und bewundert von der ganzen chriſtlichen Welt. Sie bezahlte für das Beten; aber, ob ſie mit dieſer Bezahlung ſich von weiterer Verfolgung und Quälerei befreit hat? Darüber muß man zweifeln! Lieber Leſer! Vergebens würdeſt du ein ſo ſtandhaftes, zum Martyrerthum fähiges und opferwilliges Volk außer- halb den Grenzen Polens ſuchen. Italien. — * Die Politik des „einigen“ Königreiches bietet gegenwärtig — gewiſſermaßen immer — ein trauriges Schauſpiel: Aller „liquidirten“ Kloſtermillionen ungeachtet herrſcht in der Staatskaſſe fortwährend eine fatale Ebbe; vor Allem macht ſich daher das Bedürfniß nach „mehr Geld“ fühlbar, alſo neue Steuern. Um die Klagen nicht allzulaut werden zu laſſen, wurde eine gleichmäßigere Ver- theilung der Grundſteuer erfunden und gibt ſich damit den Anſchein einer Verminderung der Steuer; aber auf der andern Seite iſt es immer das arme Volk, welches die Mindereinnahme zu decken hat, denn eine andere neue Steuer iſt auf Zucker, Kaffee und Tabak gelegt worden. Im Parlament bekämpfen ſich die politiſchen Parteien (d. h. die hitzigeren und bedächtigeren Revolutionäre) mit der größten Leidenſchaft. Auch die Gegenſätze zwiſchen Süden und Norden in Intereſſenfragen bringen die Abgeordneten hintereinander. Gewiß iſt das Beiſpiel nicht erbaulich und Italien iſt wahrlich noch weit entfernt vom „einigen Italien“. Frankreich. — Wie ſehr die radikalen Einrichtungen in Frankreich kurzlebig ſind, ſieht man auch an der Auflöſung des ſtädtiſchen Laboratoriums von Paris. Der Gemeinderath hat die Mittel für dieſe höchſt nützliche Einrichtung, welche den Verfälſch- ungen von Lebensmitteln und Getränken einen heilſamen Damm entgegenſetzte, einfach verweigert. Und warum? Die Weinhändler hatten ſich bitter beklagt, daß ſie durch dieſes Unterſuchungsamt bitter beläſtigt würden, und da es die Gemeindeväter mit dieſen Leuten, welche zu ihren beſten Wahltreibern gehören, nicht verderben wollten, beſeitigten ſie kurzerhand das für die öffentliche Wohlfahrt ſo nützliche Amt. Mögen die Pariſer Spießbürger ruhig ihren ver- fälſchten Rothſpon ſchlucken, wenn nur die Wahlen in un- verfälſchter Röthlichkeit erſtrahlen. Erheiternd wirkt es, daß in dem Augenblicke, wo die klugen Gemeindeväter das Unterſuchungsamt beſeitigten, die Akademie der Wiſſen- ſchaften dem Leiter desſelben, Girard, den Montyonpreis von Fr. 2500 für ſeine wirklich ausgezeichneten Leiſtungen zuerkannt hat. — * Aus der öffentlichen Jahresſitzung der Akademie werden zwei rührende Kundgebungen berichtet. Maximus du Camp ſprach von einem 15jährigen Helden: Johann Baptiſt Jupille von Villers Fralay (Jura). Derſelbe iſt Hirt; während er im verwichenen Sommer ſeine Heerde hütete, wurden Kinder, die in ſeiner Nähe ſpielten, von 8 Schwarze reinſeidene Damaſte Fr. 3. 10 bis Fr. 15. 50 per Meter verſenden in ein- zelnen Metern, Roben und ganzen Stücken portofrei das Seiden-Dépôt G. Henneberg, Zürich. Muſter umgehend. einem wüthenden Hunde angefallen. Der Hirt ſprang vor ſie her, um ſie zu beſchützen; er wollte das Thier mit Peitſchenſchlägen vertreiben, das aber ſtürzte ſich mit ge- ſträubten Haaren und den Geifer im Rachen auf ihn zu, faßte ihn an der linken Hand und zerbiß ſie ihm. Ob- gleich blutend und zerriſſen, dachte der arme Knabe nicht einmal an’s Fliehen; er trat dem wilden Thiere, das die Wuth unbeſiegbar zu machen ſchien, gegenüber und kämpfte mit ihm. Mit der rechten Hand öffnete er dem Hunde den ſchäumenden Rachen, um ſeine linke Hand frei zu machen; er erhielt noch mehrere Biſſe, aber mit der Raſch- heit des Entſchluſſes, welche die Kaltblütigkeit des wahren Muthes mit ſich bringt, band er mittelſt des Peitſchen- riemens dem Hunde die Schnauze feſt und erſchlug ihn dann mit den Holzſchuhen. — Der Hund war todt, die Kinder waren gerettet, aber der heldenmüthige Knabe Jupille war voller Biſſe; nicht nur das: er war zugleich mit den Wunden auch durch den Wuthgeifer des Hundes vergiftet und aller Wahrſcheinlichkeit nach, vom entſetzlichen Schickſal bedroht, ſein junges Leben unter ſchrecklichen Qualen verlieren zu müſſen. Unter der geſpannteſten Aufmerkſamkeit der Zuhörer- ſchaft erzählte der Akademiker Maximus du Camp weiter — und wohl vielen unſerer Leſer iſt die Geſchichte noch in Erinnerung — wie der arme Hirt alsdann dem be- rühmten Arzt Paſteur in Paris zugeführt wurde, der kurz vorher eine ſicher wirkende Heilmethode der Vergiftung durch Biſſe wüthender Thiere veröffentlicht hatte. Jupille wurde von Paſteur in Behandlung genommen und — ge- rettet. Er hatte über eine entſetzliche Krankheit, die bisher für unheilbar gegolten, triumphirt. Als der Redner ge- endet hatte, brach die glänzende Verſammlung in ſtürmiſche Beifallsrufe aus; der anweſende Gelehrte aber — ſelbſt Mitglied der Akademie — weinte vor Rührung. Das war einer der ſchönſten Augenblicke im Leben des be- rühmten Arztes. Oeſterreich. — Wien, 19. Dezember. Montenegro läßt die Nach- richt verbreiten, daß es 55,000 Mann mobiliſirt habe. Serbien. — Zwiſchen Serbien und Bulgarien iſt ein Waffenſtillſtand abgeſchloſſen, der bis zum 1. März 1886 dauert. — Belgrad, 23. Dezember. 500 (bulgariſche) Freiwillige drangen in das ſerbiſche Dorf Jelasnitza ein und plünderten dasſelbe. Die Serben eilten ihren Lands- leuten zu Hülfe und machten 150 Gefangene, die einem Kriegsgericht übergeben werden. Amerika. — * Der Dampfer „Canada“, der letzte Woche New- York verließ, um nach Europa zu fahren, hat 4 Kinder aus Newark (Staat New Jerſey) an Bord genommen, die von einem wüthenden Hund gebiſſen worden ſind. Sie kommen in Behandlung des berühmten Dr. Paſteur, deſſen Heilmethoden der Waſſerſcheu alſo nicht nur bloß einen „europäiſchen“ Nuf erworben. Die vier Kleinen ſind die Kinder einer armen Familie; die Reiſekoſten werden durch eine öffentliche Subſkription gedeckt. Der Weihnachtsbaum. Ein Weihnachtsbäumlein ſollſt du ſein, Mit Werth und ſchöner Zier umhangen; Nach oben ſtehe dein Verlangen, — Ein Bäumlein, wenn nicht groß, doch klein. Du biſt der nackte Baum allein, Stehſt leer und kahl, es iſt zum Bangen, Kein Werth und keine Zierden prangen, Und keine Lichtlein geben Schein. Villeicht iſt nicht der Baum geſtellt, Neigt ſchief hinüber noch zur Welt, Gebeugt und krumm ein ſchwaches Schilf. Vielleicht er liegt noch gar zur Erden, Muß erſt vom Fall errichtet werden, Und Weihnacht da! Hilf, Heiland hilf! V. 2) Treffort, doppelbreiter engliſcher Che- viot neueſter Deſſius à Fr. 1. per Elle oder Fr. 1. 65 Cts. per Meter in einzelnen Roben, ſowie ganzen Stücken verſenden portofrei in’s Haus Oettinger & Co., Centralhof, Zürich. P. S. Muſter-Collektionen bereitwilligſt. Der „Gerichtsſaal“ (jeden Samſtag erſcheinend) gibt jedem Abonnenten über vorkommende Rechtsfälle unentgeltlich Aut- wort im Fragekaſten. Abonnement bei den Poſtämtern oder bei der Expedition in Zürich vierteljährlich 1 Fr. 50. Neue Abon- nenten erhalten das Blatt bis Neujahr gratis. (H6113Z) 818 Der franzöſiſche Poſtdampfer „Normandie“, am 12. Dezember Mittags von Havre abgefahren, iſt am 21. Dezember, Morgens 5 Uhr, glücklich in New-York angekommen. _

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 103, Uznach, 24. 12. 1885, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller103_1885/3>, abgerufen am 21.11.2024.