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St. Galler Volksblatt. Nr. 27, Uznach, 03. 04. 1889.

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St. Galler Volksblatt.
Obligatorisches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eschenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetschwil und Gommiswald.

[Spaltenumbruch] 34. Jahrgang.
[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch, den 3. April 1889.



[Spaltenumbruch]

Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz 1/2j. Fr. 2. 50, 1/4j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Post: jährlich Fr. 5. --, 1/2jährl. Fr. 2. 60, 1/4jährl. Fr. 1. 40
Für's Ausland (Postverein) jede Nummer mit Adresse: 1/2jährl. Fr. 5. --
" " " wöchentl. einmal " " 1/2jährl. Fr. 3. 50
Die Versendung sindet am Dienstag und Freitag Abend statt und es können
nur jene Inserate berücksichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages
in der Druckerei abgegeben sind.


[Spaltenumbruch]
No. 27.

[Spaltenumbruch]

Insertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten
bureaux: Die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inserenten kostet die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. -- Bei öfteren Wiederholungen Rabatt.
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inserate müssen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. -- Unfrankirte Sendungen werden nicht
berücksichtigt. -- Das Blatt erscheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und
Samstag. Alle Samstage mit den "Linth-Blättern".




[Spaltenumbruch]
Eidgenossenschaft.



Das Recht der Mehrheit im Tessin und -- ander-
wärts. -- Ein Protestant über die Reformtheologen.
-- Unsere Banknoten. -- Geisterstimmung über die
bundesräthliche Landvogtei im Tessin. -- Der juristi-
sche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs;
seine väterlichen Winke. --

Gar viele wackeren Eidgenossen liberaler Färbung
empfinden es mit großem Leibschmerz, daß im Tessin
die Radikalen, trotzdem selbige nur etwa mit 700--1000
Stimmen in -- Minderheit sind, nicht wieder die
Herrschaft führen wie ehedem, ja nicht einmal einen Ver-
treter in der Regierung besitzen. Die Konservativen
Tessins haben unter der radikalen Steuerleitung 30 Jahre
lang das nämliche Schicksal durchgekostet, selbst noch als
sie längst die faktische Mehrheit im Volke hatten; jedoch
kein einziger Schmerzensschrei liberaler Eidgenossen drang
über den Gotthard, um die regierenden cari fratelli an
die Erlaubtheit der Minoritätenvertretung zu erinnern.
Ja Bauer, das ist ganz was anders! Und auch ander-
wärts haben sich die Radikalen die fehlerhafte Gewohnheit
der Minderheitsvertretung nicht angeeignet. Um nur das
neueste Beispiel zu erwähnen: Die neulichen Wahlen im
Kanton Waadt verschafften der radikal-demokratischen
Partei wieder die Mehrheit im Großen Rath; die liberal-
konservative Minderheit ist jedoch durch eine Anzahl her-
vorragender Männer vertreten. Ihr wurde aber von der
herrschenden Partei weder eine Vertretung im
Bureau des Großen Rathes, noch in der Re-
gierung eingeräumt
. Ueber diese Art Liberalismus
selbst von Liberalen zur Rede gestellt, antwortet das
Hauptorgan der Majorität unverfroren: "Diese Minder-
heit werde nie zu Aemtern zugelassen werden, wenn sie
sich nicht voll und ganz der jetzigen Verfassung unter-
werfe." Mit Fug und Recht bemerkt hiezu sogar die
sehr liberale "Neue Zürch. Ztg.", daß man mit einer
solchen Bedingung natürlich jede Minderheitsvertretung
ausschließen könne, denn es sei doch ganz natürlich, daß
den Führern der Opposition Manches an der Verfassung
nicht gefalle und Manches daran ändern möchten etc. --
Enfin: der Radikalismus bildet die Mehrheit, und
die Mehrheit hat ja im Kanton Waadt und Solothurn
und Bern und Genf und Basel und St. Gallen das
Recht zu finden und zu verlieren, zu schaffen und zu
vergessen, die Mehrheit ist hier unfehlbar, weil sie die
Mehrheit ist.

Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen
ist "ein Läuslein über die Leber gekrochen" -- wie der
altdeutsche Ausdruck für einen Zornausbruch lautete --
und er hat im "Tagblatt" eine wüthende Philippika auf
die katholische Kirche und auf die Versöhnungspolitik ab-
gegeben. Herr Schönholzer ist bekanntlich Reform-
pastor
und damit seine Gesinnung gegen Alles, was
katholisch heißt, erklärlich. -- Diese Herren "Reformer"
sind überhaupt eine kuriose Spezies von Priestern und
nehmen als Verkünder des "reinen" Evangeliums eine
merkwürdige Stellung ein, will uns scheinen. Wir wissen
natürlich nicht, wie weit es Herr Schönholzer in dieser
Eigenthümlichkeit gebracht hat; es gibt ja Abstufungen im
Fortschritt zum völligen Negiren der evangelischen Wahr-
heiten. Interessant ist immerhin, was s. Z. ein Prote-
stant in den "Histor.-polit. Blättern" unter der Aufschrift
"Moderne Theologen der protestantischen Kirchen" über
einen Theil der sogenannten Reformer behauptete. Er
sagte: "Ich möchte das Publikum davon überzeugen,
1. daß die liberale Theologie mehr und mehr in
das Heidenthum zurücksinkt und bei der modernen
Philosophie geistige Anleihen macht; 2. daß diese Theo-
logie mit Worten, wie "Sohn Gottes", "Reich Gottes",
"ewiges Leben", "Wort Gottes", "Gotteskindschaft" etc.
nur ein falsches, frivoles Spiel treibt; 3. daß
viele dieser Theologen sofort bei dem Antritt ihres Amtes
mit ihrem Eid in Konflikt kommen, wo nicht meineidig
werden, indem sie an den meisten Orten immer noch eid-
lich auf die Bekenntnißschriften verpflichtet werden."

Wahrlich, unsere schweizerischen Staatsmänner hätten
Besseres zu thun, als "Kulturkampf" zu betreiben. Da
harrt z. B. unsere Papier- oder Banknotenwirthschaft
schon geraume Zeit ihrer Regelung. Der Bundesrath
hat bereits seit 1886 darauf hingewiesen, daß das schweiz.
Notenwesen ernste Gefahren in sich berge und ein-
schneidende Reform verlange. Sicher ist diese stetige Ver-
mehrung künstlicher Werthe, dieser hohle "Schein"-
[Spaltenumbruch] Reichthum an Geld, nicht unschuldig an der andauernden
Eniwerthung der Kapitalien und Liegenschaften.
Laut neuesten Bekanntmachungen aus Bern hat die Bank-
notenausgabe in der Schweiz innert den 6 Jahren von
1882 bis 1888 um mehr als Fr. 50,000,000 zuge-
nommen und beträgt gegenwärtig der Banknotenumlauf
von 34 schweizerischen Banken hundertdreiundfünf-
zig Millionen
und hunderttausend Franken. Das
einbezahlte Kapital bleibt hinter dieser Summe um zirka
30 Millionen zurück. Von 1883 bis 1888 hat der
Goldvorrath der notenausgebenden Banken um 20 Mill.
zugenommen, das handliche Gold ist sozusagen ganz aus
dem Verkehr verschwunden. Es hat sich in den Kassen
der Banken angesammelt und wird dort sorgfältig zurück-
behalten. An Metall-Courant-Geld sind dem Verkehr
nur die schweren Silberthaler geblieben. -- Man laborirt
schon lange an einem neuen Banknotengesetze
herum, das ausreichende Ordnung in diesem wichtigen
Faktor des Verkehrslebens schafft. Das bestehende Gesetz
ist zwar erst seit 1. Juli 1882 in Kraft, erweist sich aber
als ganz ungenügend. Es wird nun zur Lösung der
Frage kommen müssen: Wer soll Banknoten aus-
geben dürfen?
Die Antwort wird sein: entweder
eine reine (schweizerische) Staatsbank, oder eine ein-
zige,
unter staatliche Aufsicht gestellte Privatbank.
Der fachkundige Herr Nationalrath Cramer-Frey,
Kaufmann in Zürich, erklärte sich schon vor etwa neun
Jahren in einer Aufsehen erregenden Broschüre für letz-
teres Institut als das die öffentlichen Interessen am besten
wahrende. Er sagte bezüglich der vielen kleinern Banken
im Lande u. A.: "Die Tendenz, möglichst viele Noten
an Mann zu bringen und also deren Umlauf künstlich
auszudehnen, drängt mehr Metallgeldin's Aus-
land
und fördert die Entstehung von Geldkrisen
-- in Folge Mangels an Metallgeld. (Diese Befürch-
tung hat sich übrigens bisher nicht erwahrt, trotz der
1,639,223 Stück Banknoten der 34 Emmissionsbanken.
Red.) Rücksichtlich einer Staatsbank sagte Herr
Cramer-Frey in besagter Broschüre: "Wie immer, was
zur Genüge die Beispiele Englands, Oesterreichs, Frank-
reichs, Rußlands, Italiens erhärten, die Finanznoth es
ist, welche die Regierungen zur Ausgabe von Papiergeld
treibt, so geht mit derselben meistens sofort der Zwang
zur Annahme desselben an Zahlung, d. h. die Dekretirung
des Zwangskurses, mit Enthebung von der Pflicht zur
Einlösung gegen baares Geld Hand in Hand. Als un-
mittelbare Folge stellt sich die Entwerthung des Papieres
ein, weil mit der plötzlichen Nothwendigkeit, sich auf diese
Weise Geld zu verschaffen, auch der Kredit des Staates
leidet. .... Dasselbe hat für Niemanden mehr den
gleichen Werth wie derselbe Betrag in Gold oder Silber,
und morgen schon kann ich mit 10 Franken in Papier
bloß noch so viel Brod oder Fleisch kaufen, als mit acht
oder sieben oder sechs Franken in Gold oder Silber. ..."

Inmitten der gesetzlosen Gewaltthaten, zu denen sich
der Bundesrath gegen die kantonalen Behörden im Tessin
hinreißen ließ, gewährt es einen wirklichen Trost, zu sehen,
daß es auch auf protestantischer Seite noch Gerechtigkeit
liebende Geister gibt, welche aus natürlichem Rechtlichkeits-
sinn die eidgenössischen "Kaulbarbareien" brandmarken,
so die protestantischen Blätter "Lausanner Ztg.", "Allg.
Schweizer Ztg.", "Genfer Journal", "Berner Volks-
zeitung", "Berner Tagblatt" u. a. m. Ferner üben die
protestantischen Rechtsgelehrten Professor König in Bern
und Professor Dr. Gustav Vogt in Zürich eine geradezu
vernichtende Kritik am bundesräthlichen Gebahren aus.
Der erstere erklärt, die bewaffnete Einmischung des Bundes
in die tessinischen Angelegenheiten als ganz verfas-
sungswidrig
. Betreffend dem Konflikt zwischen dem
eidgenössischen Kommissär Borel und dem Staatsrath hebt
der gelehrte Universitätslehrer hervor, daß der Bundes-
rath seinem Kommissär weder Kompetenzen verleihen
konnte, die er selbst nicht besitzt, noch die Schranken
überschreiten, welche die administrativen und richterlichen
Gewalten trennen, noch endlich sich selbst oder seinen
Kommissär an die Stelle der rechtmäßigen Behörde setzen.
-- Mit der größten Entschiedenheit geht der radikale
Professor Vogt mit dem Bundesrath in's Gericht. In
einer soeben erschienenen Broschüre sagt der Mann:
"..... Ich hasse alles niedrige Parteitreiben, alle Will-
kür und verabscheuungswidrige Gewaltthat...... Nicht
bisheriges Recht hat der Bundesrath gehandhabt, sondern
neues Unrecht. Mit einem Gefühl der Trauer, der
Beschämung, daß so willkürliche Vergewaltigung
eines schweizerischen Kantons möglich war, lege ich die
[Spaltenumbruch] Feder aus der Hond..... Kein Ungehorsam, keine
Widersetzlichkeit der kantonalen Regierung gegenüber den
Anordnungen des Bundesrathes hat die Ernennung
des eidg. Kommissärs
und die betreffende Inter-
vention
veranlaßt..... Möge es nicht nur ein erstes,
sondern ein letztes Mal gewesen sein, daß sich Solches
ereignen kann unter der Herrschaft einer Bundesverfassung,
welche erlassen ist, in der Absicht, den Bund der Eidge-
nossen zu befestigen, die Einheit, Kraft und Ehre der
schweizerischen Nation zu erhalten und zu fördern." --
Wie dem "Vaterland" aus der Bundesversammlung be-
richtet wird, macht sich bei allen Mitgliedern der konser-
vativen Fraktion eine tiefe Erbitterung über die
unerhörte Behandlung der Tessiner Regierung
geltend. -- Alles das ist starker Tubak für den Bundes-
rath, der ihm wohl Nießen verursachen wird, und wir
sagen dazu: "Helf dir Gott -- zu besserer Einsicht und
Gerechtigkeit!" Der Freiburger "Liberte" schreibt man
von ebendaher: "Während der Jahre des Waffenstillstan-
des setzte man gerne Vertrauen in die Rechtlichkeit und
Unparteilichkeit des Bundesrathes. Jetzt ist man hievon
zurückgekommen: die Rechte (konservative Fraktion) ist
vielleicht noch nie zur Eröffnung einer Session mit einer
solchen Summe von Unzufriedenheit und mit so entschie-
dener Absicht, auf dem Kriegsfuß zu leben, erschienen.

Ja, die "christkatholische Genossenschaft" in Luzern
ist freilich mit ihrem Rekurse an den Bundesrath betr.
"Mitbenutzung", i. c. Annexion der Mariahilf-
kirche
abgewiesen worden. Aber der bundesröthliche
Entscheid ist in seinen Erwägungsgründen (Motivirung)
ein so gewund nes, widerhaariges Advokatenstück, das bis
vor die Schwelle des Dispositivs die Regierung von Luzern
in's Unrecht setzt und deren Rechtsanschauungen "durch-
hudelt", daß man aus jedem Satze das innerliche Wider-
streben des Bundesrathes herausfühlt, den Rechtsstand-
punkt der Altkatholiken als unhaltbar erklären zu müssen;
man hat fortwährend das Gefühl, als müßte man dem
hohen Rathe mit "Brandt'schen Schweizerpillen" aus seiner
Beklemmung helfen. Im letzten Erwägungsgrund endlich
kommt die Abneigung des Bundesrathes gegen die ob-
siegende Regierung am durchsichtigsten zum Vorschein:
Derselbe gibt den unterliegenden Altkatholiken, zugleich mit
einer Empfehlung, recht verständnißinnig die Wegleitung
an's Bundesgericht, wo das Ziel zu erwarten. -- Wir
fürchten in der That -- und schöpfen unsere Befürchtung
aus Präzedenzfällen -- daß die der Sekte gemachten Hoff-
nungen auf unsere oberste Rechtsinstanz sich erfüllen wird,
denn es ist leider noch immer wahr, was der große Bi-
schof Ketteler sel. vor zwölf Jahren geschrieben: "Wir
sind bereits so weit gekommen, daß vielfach alles eigentlich
Katholische schutzlos ist, indem die feindlichen Angriffe
gegen dasselbe unter fremden Namen gerichtet werden. Diese
lügenhafte, intolerante Kampfweise gegen die kathol. Kirche
ist zwar nicht erst seit der staatlichen Anerkennung der
Altkatholiken entstanden, durch dieselbe ist sie aber wahr-
haft schrankenlos geworden. Unter den Worten "ultra-
montan", "jesuitisch" sind wir vogelfrei (Tessin, Schul-
rekurs!); unter dem Vorgeben, die Katholiken zu schützen
und nur den Ultramontanismus und Jesuitismus zu be-
kämpfen, kann jede katholische Lebensäußerung angegriffen
und unterdrückt werden. So sind jetzt vielleicht alle ka-
tholischen Gefühle bis tief in unsere Herzen hinein der
rücksichtslosesten Kränkung ausgesetzt. Wir sind nicht
selten bezüglich unseres Glaubens wie Parias (Unreine)
in unserem eigenen Vaterlande geworden."




Eidgenössisches.



-- Viehsenchen.

In Innsbruck erläßt die Statt-
halterei für Tyrol und Vorarlberg folgendes Mandat:
"Da in letzterer Zeit in Bregenz die Maul- und Klauen-
seuche bei aus Steiermark (Grazer Viehmarkt) eingeführten
infizirten Mastrindern wiederholt konstatirt wurde und
der Bestand dieser Seuche in den letzten Tagen auch bei
Schweinstransporten nachgewiesen wurde, welche aus
Wiener-Neustadt und St. Marx nach Bregenz und Inns-
bruck eingebracht worden sind, findet die Statthalterei die
Einfuhr von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen
aus Niederösterreich Steiermark nach Tyrol und Vorarl-
berg bis auf Weiteres zu verbieten."

-- Wegen erneuter Einschleppung der Maul- und
Klauenseuche durch österreichisches Vieh hat der Bundes-
rath beschlossen, über sämmtliche Thiere des Rindvieh,
Schaf-, Schweine- und Ziegengeschlechtes, welche aus Oester-
reich-Ungarn herkommen, am Bestimmungsort eine zehn-

St. Galler Volksblatt.
Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald.

[Spaltenumbruch] 34. Jahrgang.
[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch, den 3. April 1889.



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Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung ſindet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages
in der Druckerei abgegeben ſind.


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No. 27.

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Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten
bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt.
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und
Samſtag. Alle Samſtage mit den „Linth-Blättern“.




[Spaltenumbruch]
Eidgenoſſenſchaft.



Das Recht der Mehrheit im Teſſin und — ander-
wärts. — Ein Proteſtant über die Reformtheologen.
— Unſere Banknoten. — Geiſterſtimmung über die
bundesräthliche Landvogtei im Teſſin. — Der juriſti-
ſche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs;
ſeine väterlichen Winke. —

Gar viele wackeren Eidgenoſſen liberaler Färbung
empfinden es mit großem Leibſchmerz, daß im Teſſin
die Radikalen, trotzdem ſelbige nur etwa mit 700—1000
Stimmen in — Minderheit ſind, nicht wieder die
Herrſchaft führen wie ehedem, ja nicht einmal einen Ver-
treter in der Regierung beſitzen. Die Konſervativen
Teſſins haben unter der radikalen Steuerleitung 30 Jahre
lang das nämliche Schickſal durchgekoſtet, ſelbſt noch als
ſie längſt die faktiſche Mehrheit im Volke hatten; jedoch
kein einziger Schmerzensſchrei liberaler Eidgenoſſen drang
über den Gotthard, um die regierenden cari fratelli an
die Erlaubtheit der Minoritätenvertretung zu erinnern.
Ja Bauer, das iſt ganz was anders! Und auch ander-
wärts haben ſich die Radikalen die fehlerhafte Gewohnheit
der Minderheitsvertretung nicht angeeignet. Um nur das
neueſte Beiſpiel zu erwähnen: Die neulichen Wahlen im
Kanton Waadt verſchafften der radikal-demokratiſchen
Partei wieder die Mehrheit im Großen Rath; die liberal-
konſervative Minderheit iſt jedoch durch eine Anzahl her-
vorragender Männer vertreten. Ihr wurde aber von der
herrſchenden Partei weder eine Vertretung im
Bureau des Großen Rathes, noch in der Re-
gierung eingeräumt
. Ueber dieſe Art Liberalismus
ſelbſt von Liberalen zur Rede geſtellt, antwortet das
Hauptorgan der Majorität unverfroren: „Dieſe Minder-
heit werde nie zu Aemtern zugelaſſen werden, wenn ſie
ſich nicht voll und ganz der jetzigen Verfaſſung unter-
werfe.“ Mit Fug und Recht bemerkt hiezu ſogar die
ſehr liberale „Neue Zürch. Ztg.“, daß man mit einer
ſolchen Bedingung natürlich jede Minderheitsvertretung
ausſchließen könne, denn es ſei doch ganz natürlich, daß
den Führern der Oppoſition Manches an der Verfaſſung
nicht gefalle und Manches daran ändern möchten ꝛc. —
Enfin: der Radikalismus bildet die Mehrheit, und
die Mehrheit hat ja im Kanton Waadt und Solothurn
und Bern und Genf und Baſel und St. Gallen das
Recht zu finden und zu verlieren, zu ſchaffen und zu
vergeſſen, die Mehrheit iſt hier unfehlbar, weil ſie die
Mehrheit iſt.

Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen
iſt „ein Läuslein über die Leber gekrochen“ — wie der
altdeutſche Ausdruck für einen Zornausbruch lautete —
und er hat im „Tagblatt“ eine wüthende Philippika auf
die katholiſche Kirche und auf die Verſöhnungspolitik ab-
gegeben. Herr Schönholzer iſt bekanntlich Reform-
paſtor
und damit ſeine Geſinnung gegen Alles, was
katholiſch heißt, erklärlich. — Dieſe Herren „Reformer“
ſind überhaupt eine kurioſe Spezies von Prieſtern und
nehmen als Verkünder des „reinen“ Evangeliums eine
merkwürdige Stellung ein, will uns ſcheinen. Wir wiſſen
natürlich nicht, wie weit es Herr Schönholzer in dieſer
Eigenthümlichkeit gebracht hat; es gibt ja Abſtufungen im
Fortſchritt zum völligen Negiren der evangeliſchen Wahr-
heiten. Intereſſant iſt immerhin, was ſ. Z. ein Prote-
ſtant in den „Hiſtor.-polit. Blättern“ unter der Aufſchrift
„Moderne Theologen der proteſtantiſchen Kirchen“ über
einen Theil der ſogenannten Reformer behauptete. Er
ſagte: „Ich möchte das Publikum davon überzeugen,
1. daß die liberale Theologie mehr und mehr in
das Heidenthum zurückſinkt und bei der modernen
Philoſophie geiſtige Anleihen macht; 2. daß dieſe Theo-
logie mit Worten, wie „Sohn Gottes“, „Reich Gottes“,
„ewiges Leben“, „Wort Gottes“, „Gotteskindſchaft“ ꝛc.
nur ein falſches, frivoles Spiel treibt; 3. daß
viele dieſer Theologen ſofort bei dem Antritt ihres Amtes
mit ihrem Eid in Konflikt kommen, wo nicht meineidig
werden, indem ſie an den meiſten Orten immer noch eid-
lich auf die Bekenntnißſchriften verpflichtet werden.“

Wahrlich, unſere ſchweizeriſchen Staatsmänner hätten
Beſſeres zu thun, als „Kulturkampf“ zu betreiben. Da
harrt z. B. unſere Papier- oder Banknotenwirthſchaft
ſchon geraume Zeit ihrer Regelung. Der Bundesrath
hat bereits ſeit 1886 darauf hingewieſen, daß das ſchweiz.
Notenweſen ernſte Gefahren in ſich berge und ein-
ſchneidende Reform verlange. Sicher iſt dieſe ſtetige Ver-
mehrung künſtlicher Werthe, dieſer hohle „Schein“-
[Spaltenumbruch] Reichthum an Geld, nicht unſchuldig an der andauernden
Eniwerthung der Kapitalien und Liegenſchaften.
Laut neueſten Bekanntmachungen aus Bern hat die Bank-
notenausgabe in der Schweiz innert den 6 Jahren von
1882 bis 1888 um mehr als Fr. 50,000,000 zuge-
nommen und beträgt gegenwärtig der Banknotenumlauf
von 34 ſchweizeriſchen Banken hundertdreiundfünf-
zig Millionen
und hunderttauſend Franken. Das
einbezahlte Kapital bleibt hinter dieſer Summe um zirka
30 Millionen zurück. Von 1883 bis 1888 hat der
Goldvorrath der notenausgebenden Banken um 20 Mill.
zugenommen, das handliche Gold iſt ſozuſagen ganz aus
dem Verkehr verſchwunden. Es hat ſich in den Kaſſen
der Banken angeſammelt und wird dort ſorgfältig zurück-
behalten. An Metall-Courant-Geld ſind dem Verkehr
nur die ſchweren Silberthaler geblieben. — Man laborirt
ſchon lange an einem neuen Banknotengeſetze
herum, das ausreichende Ordnung in dieſem wichtigen
Faktor des Verkehrslebens ſchafft. Das beſtehende Geſetz
iſt zwar erſt ſeit 1. Juli 1882 in Kraft, erweist ſich aber
als ganz ungenügend. Es wird nun zur Löſung der
Frage kommen müſſen: Wer ſoll Banknoten aus-
geben dürfen?
Die Antwort wird ſein: entweder
eine reine (ſchweizeriſche) Staatsbank, oder eine ein-
zige,
unter ſtaatliche Aufſicht geſtellte Privatbank.
Der fachkundige Herr Nationalrath Cramer-Frey,
Kaufmann in Zürich, erklärte ſich ſchon vor etwa neun
Jahren in einer Aufſehen erregenden Broſchüre für letz-
teres Inſtitut als das die öffentlichen Intereſſen am beſten
wahrende. Er ſagte bezüglich der vielen kleinern Banken
im Lande u. A.: „Die Tendenz, möglichſt viele Noten
an Mann zu bringen und alſo deren Umlauf künſtlich
auszudehnen, drängt mehr Metallgeldin’s Aus-
land
und fördert die Entſtehung von Geldkriſen
— in Folge Mangels an Metallgeld. (Dieſe Befürch-
tung hat ſich übrigens bisher nicht erwahrt, trotz der
1,639,223 Stück Banknoten der 34 Emmiſſionsbanken.
Red.) Rückſichtlich einer Staatsbank ſagte Herr
Cramer-Frey in beſagter Broſchüre: „Wie immer, was
zur Genüge die Beiſpiele Englands, Oeſterreichs, Frank-
reichs, Rußlands, Italiens erhärten, die Finanznoth es
iſt, welche die Regierungen zur Ausgabe von Papiergeld
treibt, ſo geht mit derſelben meiſtens ſofort der Zwang
zur Annahme desſelben an Zahlung, d. h. die Dekretirung
des Zwangskurſes, mit Enthebung von der Pflicht zur
Einlöſung gegen baares Geld Hand in Hand. Als un-
mittelbare Folge ſtellt ſich die Entwerthung des Papieres
ein, weil mit der plötzlichen Nothwendigkeit, ſich auf dieſe
Weiſe Geld zu verſchaffen, auch der Kredit des Staates
leidet. .... Dasſelbe hat für Niemanden mehr den
gleichen Werth wie derſelbe Betrag in Gold oder Silber,
und morgen ſchon kann ich mit 10 Franken in Papier
bloß noch ſo viel Brod oder Fleiſch kaufen, als mit acht
oder ſieben oder ſechs Franken in Gold oder Silber. ...“

Inmitten der geſetzloſen Gewaltthaten, zu denen ſich
der Bundesrath gegen die kantonalen Behörden im Teſſin
hinreißen ließ, gewährt es einen wirklichen Troſt, zu ſehen,
daß es auch auf proteſtantiſcher Seite noch Gerechtigkeit
liebende Geiſter gibt, welche aus natürlichem Rechtlichkeits-
ſinn die eidgenöſſiſchen „Kaulbarbareien“ brandmarken,
ſo die proteſtantiſchen Blätter „Lauſanner Ztg.“, „Allg.
Schweizer Ztg.“, „Genfer Journal“, „Berner Volks-
zeitung“, „Berner Tagblatt“ u. a. m. Ferner üben die
proteſtantiſchen Rechtsgelehrten Profeſſor König in Bern
und Profeſſor Dr. Guſtav Vogt in Zürich eine geradezu
vernichtende Kritik am bundesräthlichen Gebahren aus.
Der erſtere erklärt, die bewaffnete Einmiſchung des Bundes
in die teſſiniſchen Angelegenheiten als ganz verfaſ-
ſungswidrig
. Betreffend dem Konflikt zwiſchen dem
eidgenöſſiſchen Kommiſſär Borel und dem Staatsrath hebt
der gelehrte Univerſitätslehrer hervor, daß der Bundes-
rath ſeinem Kommiſſär weder Kompetenzen verleihen
konnte, die er ſelbſt nicht beſitzt, noch die Schranken
überſchreiten, welche die adminiſtrativen und richterlichen
Gewalten trennen, noch endlich ſich ſelbſt oder ſeinen
Kommiſſär an die Stelle der rechtmäßigen Behörde ſetzen.
— Mit der größten Entſchiedenheit geht der radikale
Profeſſor Vogt mit dem Bundesrath in’s Gericht. In
einer ſoeben erſchienenen Broſchüre ſagt der Mann:
„..... Ich haſſe alles niedrige Parteitreiben, alle Will-
kür und verabſcheuungswidrige Gewaltthat...... Nicht
bisheriges Recht hat der Bundesrath gehandhabt, ſondern
neues Unrecht. Mit einem Gefühl der Trauer, der
Beſchämung, daß ſo willkürliche Vergewaltigung
eines ſchweizeriſchen Kantons möglich war, lege ich die
[Spaltenumbruch] Feder aus der Hond..... Kein Ungehorſam, keine
Widerſetzlichkeit der kantonalen Regierung gegenüber den
Anordnungen des Bundesrathes hat die Ernennung
des eidg. Kommiſſärs
und die betreffende Inter-
vention
veranlaßt..... Möge es nicht nur ein erſtes,
ſondern ein letztes Mal geweſen ſein, daß ſich Solches
ereignen kann unter der Herrſchaft einer Bundesverfaſſung,
welche erlaſſen iſt, in der Abſicht, den Bund der Eidge-
noſſen zu befeſtigen, die Einheit, Kraft und Ehre der
ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern.“ —
Wie dem „Vaterland“ aus der Bundesverſammlung be-
richtet wird, macht ſich bei allen Mitgliedern der konſer-
vativen Fraktion eine tiefe Erbitterung über die
unerhörte Behandlung der Teſſiner Regierung
geltend. — Alles das iſt ſtarker Tubak für den Bundes-
rath, der ihm wohl Nießen verurſachen wird, und wir
ſagen dazu: „Helf dir Gott — zu beſſerer Einſicht und
Gerechtigkeit!“ Der Freiburger „Liberte“ ſchreibt man
von ebendaher: „Während der Jahre des Waffenſtillſtan-
des ſetzte man gerne Vertrauen in die Rechtlichkeit und
Unparteilichkeit des Bundesrathes. Jetzt iſt man hievon
zurückgekommen: die Rechte (konſervative Fraktion) iſt
vielleicht noch nie zur Eröffnung einer Seſſion mit einer
ſolchen Summe von Unzufriedenheit und mit ſo entſchie-
dener Abſicht, auf dem Kriegsfuß zu leben, erſchienen.

Ja, die „chriſtkatholiſche Genoſſenſchaft“ in Luzern
iſt freilich mit ihrem Rekurſe an den Bundesrath betr.
„Mitbenutzung“, i. c. Annexion der Mariahilf-
kirche
abgewieſen worden. Aber der bundesröthliche
Entſcheid iſt in ſeinen Erwägungsgründen (Motivirung)
ein ſo gewund nes, widerhaariges Advokatenſtück, das bis
vor die Schwelle des Dispoſitivs die Regierung von Luzern
in’s Unrecht ſetzt und deren Rechtsanſchauungen „durch-
hudelt“, daß man aus jedem Satze das innerliche Wider-
ſtreben des Bundesrathes herausfühlt, den Rechtsſtand-
punkt der Altkatholiken als unhaltbar erklären zu müſſen;
man hat fortwährend das Gefühl, als müßte man dem
hohen Rathe mit „Brandt’ſchen Schweizerpillen“ aus ſeiner
Beklemmung helfen. Im letzten Erwägungsgrund endlich
kommt die Abneigung des Bundesrathes gegen die ob-
ſiegende Regierung am durchſichtigſten zum Vorſchein:
Derſelbe gibt den unterliegenden Altkatholiken, zugleich mit
einer Empfehlung, recht verſtändnißinnig die Wegleitung
an’s Bundesgericht, wo das Ziel zu erwarten. — Wir
fürchten in der That — und ſchöpfen unſere Befürchtung
aus Präzedenzfällen — daß die der Sekte gemachten Hoff-
nungen auf unſere oberſte Rechtsinſtanz ſich erfüllen wird,
denn es iſt leider noch immer wahr, was der große Bi-
ſchof Ketteler ſel. vor zwölf Jahren geſchrieben: „Wir
ſind bereits ſo weit gekommen, daß vielfach alles eigentlich
Katholiſche ſchutzlos iſt, indem die feindlichen Angriffe
gegen dasſelbe unter fremden Namen gerichtet werden. Dieſe
lügenhafte, intolerante Kampfweiſe gegen die kathol. Kirche
iſt zwar nicht erſt ſeit der ſtaatlichen Anerkennung der
Altkatholiken entſtanden, durch dieſelbe iſt ſie aber wahr-
haft ſchrankenlos geworden. Unter den Worten „ultra-
montan“, „jeſuitiſch“ ſind wir vogelfrei (Teſſin, Schul-
rekurs!); unter dem Vorgeben, die Katholiken zu ſchützen
und nur den Ultramontanismus und Jeſuitismus zu be-
kämpfen, kann jede katholiſche Lebensäußerung angegriffen
und unterdrückt werden. So ſind jetzt vielleicht alle ka-
tholiſchen Gefühle bis tief in unſere Herzen hinein der
rückſichtsloſeſten Kränkung ausgeſetzt. Wir ſind nicht
ſelten bezüglich unſeres Glaubens wie Parias (Unreine)
in unſerem eigenen Vaterlande geworden.“




Eidgenöſſiſches.



Viehſenchen.

In Innsbruck erläßt die Statt-
halterei für Tyrol und Vorarlberg folgendes Mandat:
„Da in letzterer Zeit in Bregenz die Maul- und Klauen-
ſeuche bei aus Steiermark (Grazer Viehmarkt) eingeführten
infizirten Maſtrindern wiederholt konſtatirt wurde und
der Beſtand dieſer Seuche in den letzten Tagen auch bei
Schweinstransporten nachgewieſen wurde, welche aus
Wiener-Neuſtadt und St. Marx nach Bregenz und Inns-
bruck eingebracht worden ſind, findet die Statthalterei die
Einfuhr von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen
aus Niederöſterreich Steiermark nach Tyrol und Vorarl-
berg bis auf Weiteres zu verbieten.“

— Wegen erneuter Einſchleppung der Maul- und
Klauenſeuche durch öſterreichiſches Vieh hat der Bundes-
rath beſchloſſen, über ſämmtliche Thiere des Rindvieh,
Schaf-, Schweine- und Ziegengeſchlechtes, welche aus Oeſter-
reich-Ungarn herkommen, am Beſtimmungsort eine zehn-

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[1/0001] St. Galler Volksblatt. Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald. 34. Jahrgang. (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) Mittwoch, den 3. April 1889. Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30 Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40 Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. — „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50 Die Verſendung ſindet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages in der Druckerei abgegeben ſind. No. 27. Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts. Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief- marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und Samſtag. Alle Samſtage mit den „Linth-Blättern“. Eidgenoſſenſchaft. Das Recht der Mehrheit im Teſſin und — ander- wärts. — Ein Proteſtant über die Reformtheologen. — Unſere Banknoten. — Geiſterſtimmung über die bundesräthliche Landvogtei im Teſſin. — Der juriſti- ſche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs; ſeine väterlichen Winke. — Gar viele wackeren Eidgenoſſen liberaler Färbung empfinden es mit großem Leibſchmerz, daß im Teſſin die Radikalen, trotzdem ſelbige nur etwa mit 700—1000 Stimmen in — Minderheit ſind, nicht wieder die Herrſchaft führen wie ehedem, ja nicht einmal einen Ver- treter in der Regierung beſitzen. Die Konſervativen Teſſins haben unter der radikalen Steuerleitung 30 Jahre lang das nämliche Schickſal durchgekoſtet, ſelbſt noch als ſie längſt die faktiſche Mehrheit im Volke hatten; jedoch kein einziger Schmerzensſchrei liberaler Eidgenoſſen drang über den Gotthard, um die regierenden cari fratelli an die Erlaubtheit der Minoritätenvertretung zu erinnern. Ja Bauer, das iſt ganz was anders! Und auch ander- wärts haben ſich die Radikalen die fehlerhafte Gewohnheit der Minderheitsvertretung nicht angeeignet. Um nur das neueſte Beiſpiel zu erwähnen: Die neulichen Wahlen im Kanton Waadt verſchafften der radikal-demokratiſchen Partei wieder die Mehrheit im Großen Rath; die liberal- konſervative Minderheit iſt jedoch durch eine Anzahl her- vorragender Männer vertreten. Ihr wurde aber von der herrſchenden Partei weder eine Vertretung im Bureau des Großen Rathes, noch in der Re- gierung eingeräumt. Ueber dieſe Art Liberalismus ſelbſt von Liberalen zur Rede geſtellt, antwortet das Hauptorgan der Majorität unverfroren: „Dieſe Minder- heit werde nie zu Aemtern zugelaſſen werden, wenn ſie ſich nicht voll und ganz der jetzigen Verfaſſung unter- werfe.“ Mit Fug und Recht bemerkt hiezu ſogar die ſehr liberale „Neue Zürch. Ztg.“, daß man mit einer ſolchen Bedingung natürlich jede Minderheitsvertretung ausſchließen könne, denn es ſei doch ganz natürlich, daß den Führern der Oppoſition Manches an der Verfaſſung nicht gefalle und Manches daran ändern möchten ꝛc. — Enfin: der Radikalismus bildet die Mehrheit, und die Mehrheit hat ja im Kanton Waadt und Solothurn und Bern und Genf und Baſel und St. Gallen das Recht zu finden und zu verlieren, zu ſchaffen und zu vergeſſen, die Mehrheit iſt hier unfehlbar, weil ſie die Mehrheit iſt. Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen iſt „ein Läuslein über die Leber gekrochen“ — wie der altdeutſche Ausdruck für einen Zornausbruch lautete — und er hat im „Tagblatt“ eine wüthende Philippika auf die katholiſche Kirche und auf die Verſöhnungspolitik ab- gegeben. Herr Schönholzer iſt bekanntlich Reform- paſtor und damit ſeine Geſinnung gegen Alles, was katholiſch heißt, erklärlich. — Dieſe Herren „Reformer“ ſind überhaupt eine kurioſe Spezies von Prieſtern und nehmen als Verkünder des „reinen“ Evangeliums eine merkwürdige Stellung ein, will uns ſcheinen. Wir wiſſen natürlich nicht, wie weit es Herr Schönholzer in dieſer Eigenthümlichkeit gebracht hat; es gibt ja Abſtufungen im Fortſchritt zum völligen Negiren der evangeliſchen Wahr- heiten. Intereſſant iſt immerhin, was ſ. Z. ein Prote- ſtant in den „Hiſtor.-polit. Blättern“ unter der Aufſchrift „Moderne Theologen der proteſtantiſchen Kirchen“ über einen Theil der ſogenannten Reformer behauptete. Er ſagte: „Ich möchte das Publikum davon überzeugen, 1. daß die liberale Theologie mehr und mehr in das Heidenthum zurückſinkt und bei der modernen Philoſophie geiſtige Anleihen macht; 2. daß dieſe Theo- logie mit Worten, wie „Sohn Gottes“, „Reich Gottes“, „ewiges Leben“, „Wort Gottes“, „Gotteskindſchaft“ ꝛc. nur ein falſches, frivoles Spiel treibt; 3. daß viele dieſer Theologen ſofort bei dem Antritt ihres Amtes mit ihrem Eid in Konflikt kommen, wo nicht meineidig werden, indem ſie an den meiſten Orten immer noch eid- lich auf die Bekenntnißſchriften verpflichtet werden.“ Wahrlich, unſere ſchweizeriſchen Staatsmänner hätten Beſſeres zu thun, als „Kulturkampf“ zu betreiben. Da harrt z. B. unſere Papier- oder Banknotenwirthſchaft ſchon geraume Zeit ihrer Regelung. Der Bundesrath hat bereits ſeit 1886 darauf hingewieſen, daß das ſchweiz. Notenweſen ernſte Gefahren in ſich berge und ein- ſchneidende Reform verlange. Sicher iſt dieſe ſtetige Ver- mehrung künſtlicher Werthe, dieſer hohle „Schein“- Reichthum an Geld, nicht unſchuldig an der andauernden Eniwerthung der Kapitalien und Liegenſchaften. Laut neueſten Bekanntmachungen aus Bern hat die Bank- notenausgabe in der Schweiz innert den 6 Jahren von 1882 bis 1888 um mehr als Fr. 50,000,000 zuge- nommen und beträgt gegenwärtig der Banknotenumlauf von 34 ſchweizeriſchen Banken hundertdreiundfünf- zig Millionen und hunderttauſend Franken. Das einbezahlte Kapital bleibt hinter dieſer Summe um zirka 30 Millionen zurück. Von 1883 bis 1888 hat der Goldvorrath der notenausgebenden Banken um 20 Mill. zugenommen, das handliche Gold iſt ſozuſagen ganz aus dem Verkehr verſchwunden. Es hat ſich in den Kaſſen der Banken angeſammelt und wird dort ſorgfältig zurück- behalten. An Metall-Courant-Geld ſind dem Verkehr nur die ſchweren Silberthaler geblieben. — Man laborirt ſchon lange an einem neuen Banknotengeſetze herum, das ausreichende Ordnung in dieſem wichtigen Faktor des Verkehrslebens ſchafft. Das beſtehende Geſetz iſt zwar erſt ſeit 1. Juli 1882 in Kraft, erweist ſich aber als ganz ungenügend. Es wird nun zur Löſung der Frage kommen müſſen: Wer ſoll Banknoten aus- geben dürfen? Die Antwort wird ſein: entweder eine reine (ſchweizeriſche) Staatsbank, oder eine ein- zige, unter ſtaatliche Aufſicht geſtellte Privatbank. Der fachkundige Herr Nationalrath Cramer-Frey, Kaufmann in Zürich, erklärte ſich ſchon vor etwa neun Jahren in einer Aufſehen erregenden Broſchüre für letz- teres Inſtitut als das die öffentlichen Intereſſen am beſten wahrende. Er ſagte bezüglich der vielen kleinern Banken im Lande u. A.: „Die Tendenz, möglichſt viele Noten an Mann zu bringen und alſo deren Umlauf künſtlich auszudehnen, drängt mehr Metallgeldin’s Aus- land und fördert die Entſtehung von Geldkriſen — in Folge Mangels an Metallgeld. (Dieſe Befürch- tung hat ſich übrigens bisher nicht erwahrt, trotz der 1,639,223 Stück Banknoten der 34 Emmiſſionsbanken. Red.) Rückſichtlich einer Staatsbank ſagte Herr Cramer-Frey in beſagter Broſchüre: „Wie immer, was zur Genüge die Beiſpiele Englands, Oeſterreichs, Frank- reichs, Rußlands, Italiens erhärten, die Finanznoth es iſt, welche die Regierungen zur Ausgabe von Papiergeld treibt, ſo geht mit derſelben meiſtens ſofort der Zwang zur Annahme desſelben an Zahlung, d. h. die Dekretirung des Zwangskurſes, mit Enthebung von der Pflicht zur Einlöſung gegen baares Geld Hand in Hand. Als un- mittelbare Folge ſtellt ſich die Entwerthung des Papieres ein, weil mit der plötzlichen Nothwendigkeit, ſich auf dieſe Weiſe Geld zu verſchaffen, auch der Kredit des Staates leidet. .... Dasſelbe hat für Niemanden mehr den gleichen Werth wie derſelbe Betrag in Gold oder Silber, und morgen ſchon kann ich mit 10 Franken in Papier bloß noch ſo viel Brod oder Fleiſch kaufen, als mit acht oder ſieben oder ſechs Franken in Gold oder Silber. ...“ Inmitten der geſetzloſen Gewaltthaten, zu denen ſich der Bundesrath gegen die kantonalen Behörden im Teſſin hinreißen ließ, gewährt es einen wirklichen Troſt, zu ſehen, daß es auch auf proteſtantiſcher Seite noch Gerechtigkeit liebende Geiſter gibt, welche aus natürlichem Rechtlichkeits- ſinn die eidgenöſſiſchen „Kaulbarbareien“ brandmarken, ſo die proteſtantiſchen Blätter „Lauſanner Ztg.“, „Allg. Schweizer Ztg.“, „Genfer Journal“, „Berner Volks- zeitung“, „Berner Tagblatt“ u. a. m. Ferner üben die proteſtantiſchen Rechtsgelehrten Profeſſor König in Bern und Profeſſor Dr. Guſtav Vogt in Zürich eine geradezu vernichtende Kritik am bundesräthlichen Gebahren aus. Der erſtere erklärt, die bewaffnete Einmiſchung des Bundes in die teſſiniſchen Angelegenheiten als ganz verfaſ- ſungswidrig. Betreffend dem Konflikt zwiſchen dem eidgenöſſiſchen Kommiſſär Borel und dem Staatsrath hebt der gelehrte Univerſitätslehrer hervor, daß der Bundes- rath ſeinem Kommiſſär weder Kompetenzen verleihen konnte, die er ſelbſt nicht beſitzt, noch die Schranken überſchreiten, welche die adminiſtrativen und richterlichen Gewalten trennen, noch endlich ſich ſelbſt oder ſeinen Kommiſſär an die Stelle der rechtmäßigen Behörde ſetzen. — Mit der größten Entſchiedenheit geht der radikale Profeſſor Vogt mit dem Bundesrath in’s Gericht. In einer ſoeben erſchienenen Broſchüre ſagt der Mann: „..... Ich haſſe alles niedrige Parteitreiben, alle Will- kür und verabſcheuungswidrige Gewaltthat...... Nicht bisheriges Recht hat der Bundesrath gehandhabt, ſondern neues Unrecht. Mit einem Gefühl der Trauer, der Beſchämung, daß ſo willkürliche Vergewaltigung eines ſchweizeriſchen Kantons möglich war, lege ich die Feder aus der Hond..... Kein Ungehorſam, keine Widerſetzlichkeit der kantonalen Regierung gegenüber den Anordnungen des Bundesrathes hat die Ernennung des eidg. Kommiſſärs und die betreffende Inter- vention veranlaßt..... Möge es nicht nur ein erſtes, ſondern ein letztes Mal geweſen ſein, daß ſich Solches ereignen kann unter der Herrſchaft einer Bundesverfaſſung, welche erlaſſen iſt, in der Abſicht, den Bund der Eidge- noſſen zu befeſtigen, die Einheit, Kraft und Ehre der ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern.“ — Wie dem „Vaterland“ aus der Bundesverſammlung be- richtet wird, macht ſich bei allen Mitgliedern der konſer- vativen Fraktion eine tiefe Erbitterung über die unerhörte Behandlung der Teſſiner Regierung geltend. — Alles das iſt ſtarker Tubak für den Bundes- rath, der ihm wohl Nießen verurſachen wird, und wir ſagen dazu: „Helf dir Gott — zu beſſerer Einſicht und Gerechtigkeit!“ Der Freiburger „Liberte“ ſchreibt man von ebendaher: „Während der Jahre des Waffenſtillſtan- des ſetzte man gerne Vertrauen in die Rechtlichkeit und Unparteilichkeit des Bundesrathes. Jetzt iſt man hievon zurückgekommen: die Rechte (konſervative Fraktion) iſt vielleicht noch nie zur Eröffnung einer Seſſion mit einer ſolchen Summe von Unzufriedenheit und mit ſo entſchie- dener Abſicht, auf dem Kriegsfuß zu leben, erſchienen. Ja, die „chriſtkatholiſche Genoſſenſchaft“ in Luzern iſt freilich mit ihrem Rekurſe an den Bundesrath betr. „Mitbenutzung“, i. c. Annexion der Mariahilf- kirche abgewieſen worden. Aber der bundesröthliche Entſcheid iſt in ſeinen Erwägungsgründen (Motivirung) ein ſo gewund nes, widerhaariges Advokatenſtück, das bis vor die Schwelle des Dispoſitivs die Regierung von Luzern in’s Unrecht ſetzt und deren Rechtsanſchauungen „durch- hudelt“, daß man aus jedem Satze das innerliche Wider- ſtreben des Bundesrathes herausfühlt, den Rechtsſtand- punkt der Altkatholiken als unhaltbar erklären zu müſſen; man hat fortwährend das Gefühl, als müßte man dem hohen Rathe mit „Brandt’ſchen Schweizerpillen“ aus ſeiner Beklemmung helfen. Im letzten Erwägungsgrund endlich kommt die Abneigung des Bundesrathes gegen die ob- ſiegende Regierung am durchſichtigſten zum Vorſchein: Derſelbe gibt den unterliegenden Altkatholiken, zugleich mit einer Empfehlung, recht verſtändnißinnig die Wegleitung an’s Bundesgericht, wo das Ziel zu erwarten. — Wir fürchten in der That — und ſchöpfen unſere Befürchtung aus Präzedenzfällen — daß die der Sekte gemachten Hoff- nungen auf unſere oberſte Rechtsinſtanz ſich erfüllen wird, denn es iſt leider noch immer wahr, was der große Bi- ſchof Ketteler ſel. vor zwölf Jahren geſchrieben: „Wir ſind bereits ſo weit gekommen, daß vielfach alles eigentlich Katholiſche ſchutzlos iſt, indem die feindlichen Angriffe gegen dasſelbe unter fremden Namen gerichtet werden. Dieſe lügenhafte, intolerante Kampfweiſe gegen die kathol. Kirche iſt zwar nicht erſt ſeit der ſtaatlichen Anerkennung der Altkatholiken entſtanden, durch dieſelbe iſt ſie aber wahr- haft ſchrankenlos geworden. Unter den Worten „ultra- montan“, „jeſuitiſch“ ſind wir vogelfrei (Teſſin, Schul- rekurs!); unter dem Vorgeben, die Katholiken zu ſchützen und nur den Ultramontanismus und Jeſuitismus zu be- kämpfen, kann jede katholiſche Lebensäußerung angegriffen und unterdrückt werden. So ſind jetzt vielleicht alle ka- tholiſchen Gefühle bis tief in unſere Herzen hinein der rückſichtsloſeſten Kränkung ausgeſetzt. Wir ſind nicht ſelten bezüglich unſeres Glaubens wie Parias (Unreine) in unſerem eigenen Vaterlande geworden.“ Eidgenöſſiſches. — Viehſenchen. In Innsbruck erläßt die Statt- halterei für Tyrol und Vorarlberg folgendes Mandat: „Da in letzterer Zeit in Bregenz die Maul- und Klauen- ſeuche bei aus Steiermark (Grazer Viehmarkt) eingeführten infizirten Maſtrindern wiederholt konſtatirt wurde und der Beſtand dieſer Seuche in den letzten Tagen auch bei Schweinstransporten nachgewieſen wurde, welche aus Wiener-Neuſtadt und St. Marx nach Bregenz und Inns- bruck eingebracht worden ſind, findet die Statthalterei die Einfuhr von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen aus Niederöſterreich Steiermark nach Tyrol und Vorarl- berg bis auf Weiteres zu verbieten.“ — Wegen erneuter Einſchleppung der Maul- und Klauenſeuche durch öſterreichiſches Vieh hat der Bundes- rath beſchloſſen, über ſämmtliche Thiere des Rindvieh, Schaf-, Schweine- und Ziegengeſchlechtes, welche aus Oeſter- reich-Ungarn herkommen, am Beſtimmungsort eine zehn-

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 27, Uznach, 03. 04. 1889, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller27_1889/1>, abgerufen am 21.11.2024.