St. Galler Volksblatt. Nr. 27, Uznach, 03. 04. 1889.St. Galler Volksblatt. Obligatorisches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eschenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetschwil und Gommiswald. [Spaltenumbruch] 34. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch, den 3. April 1889. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 27. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten [Spaltenumbruch] Eidgenossenschaft. Das Recht der Mehrheit im Tessin und -- ander- wärts. -- Ein Protestant über die Reformtheologen. -- Unsere Banknoten. -- Geisterstimmung über die bundesräthliche Landvogtei im Tessin. -- Der juristi- sche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs; seine väterlichen Winke. -- Gar viele wackeren Eidgenossen liberaler Färbung Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen Wahrlich, unsere schweizerischen Staatsmänner hätten Inmitten der gesetzlosen Gewaltthaten, zu denen sich Ja, die "christkatholische Genossenschaft" in Luzern Eidgenössisches. -- Viehsenchen. In Innsbruck erläßt die Statt- -- Wegen erneuter Einschleppung der Maul- und St. Galler Volksblatt. Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald. [Spaltenumbruch] 34. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch, den 3. April 1889. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 27. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten [Spaltenumbruch] Eidgenoſſenſchaft. Das Recht der Mehrheit im Teſſin und — ander- wärts. — Ein Proteſtant über die Reformtheologen. — Unſere Banknoten. — Geiſterſtimmung über die bundesräthliche Landvogtei im Teſſin. — Der juriſti- ſche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs; ſeine väterlichen Winke. — Gar viele wackeren Eidgenoſſen liberaler Färbung Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen Wahrlich, unſere ſchweizeriſchen Staatsmänner hätten Inmitten der geſetzloſen Gewaltthaten, zu denen ſich Ja, die „chriſtkatholiſche Genoſſenſchaft“ in Luzern Eidgenöſſiſches. — Viehſenchen. In Innsbruck erläßt die Statt- — Wegen erneuter Einſchleppung der Maul- und <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="1"/> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">St. Galler Volksblatt.</hi> </titlePart><lb/> <titlePart type="sub">Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald.</titlePart><lb/> <cb/> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">34. Jahrgang.</hi> </docDate><lb/> <cb/> <publisher>(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)</publisher><lb/> <cb/> <docDate> <hi rendition="#b">Mittwoch, den 3. April 1889.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Abonnementspreis:</hi> Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20<lb/> Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30<lb/> Bei der eidgen. <hi rendition="#g">Poſt:</hi> jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40<lb/> Für’s <hi rendition="#g">Ausland</hi> (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —<lb/> „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50<lb/> Die Verſendung ſindet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können<lb/> nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages<lb/> in der Druckerei abgegeben ſind.</p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="tp1b" prev="#tp1a" type="heading"> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">No. 27.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Inſertionsgebühr</hi> für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten<lb/> bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.<lb/> Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum<lb/> 15 Cts. — Bei <hi rendition="#g">öfteren</hi> Wiederholungen Rabatt.<lb/> Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-<lb/> marken für Rückantwort enthalten. — <hi rendition="#g">Unfrankirte</hi> Sendungen werden nicht<lb/> berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und<lb/> Samſtag. Alle Samſtage mit den „<hi rendition="#g">Linth-Blättern</hi>“.</p> </div><lb/> </front> <body> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Eidgenoſſenſchaft.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Recht der Mehrheit im Teſſin und — ander-<lb/> wärts. — Ein Proteſtant über die Reformtheologen.<lb/> — Unſere Banknoten. — Geiſterſtimmung über die<lb/> bundesräthliche Landvogtei im Teſſin. — Der juriſti-<lb/> ſche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs;<lb/> ſeine väterlichen Winke. —</hi> </head><lb/> <p>Gar viele wackeren Eidgenoſſen liberaler Färbung<lb/> empfinden es mit großem Leibſchmerz, daß im <hi rendition="#g">Teſſin</hi><lb/> die Radikalen, trotzdem ſelbige nur etwa mit 700—1000<lb/> Stimmen in — <hi rendition="#g">Minderheit</hi> ſind, nicht wieder die<lb/> Herrſchaft führen wie ehedem, ja nicht einmal einen Ver-<lb/> treter in der Regierung beſitzen. Die Konſervativen<lb/> Teſſins haben unter der radikalen Steuerleitung 30 Jahre<lb/> lang das nämliche Schickſal durchgekoſtet, ſelbſt noch als<lb/> ſie längſt die faktiſche Mehrheit im Volke hatten; jedoch<lb/> kein einziger Schmerzensſchrei liberaler Eidgenoſſen drang<lb/> über den Gotthard, um die regierenden <hi rendition="#aq">cari fratelli</hi> an<lb/> die Erlaubtheit der Minoritätenvertretung zu erinnern.<lb/> Ja Bauer, das iſt ganz was anders! Und auch ander-<lb/> wärts haben ſich die Radikalen die fehlerhafte Gewohnheit<lb/> der Minderheitsvertretung nicht angeeignet. Um nur das<lb/> neueſte Beiſpiel zu erwähnen: Die neulichen Wahlen im<lb/> Kanton <hi rendition="#g">Waadt</hi> verſchafften der radikal-demokratiſchen<lb/> Partei wieder die Mehrheit im Großen Rath; die liberal-<lb/> konſervative Minderheit iſt jedoch durch eine Anzahl her-<lb/> vorragender Männer vertreten. Ihr wurde aber von der<lb/> herrſchenden Partei <hi rendition="#g">weder eine Vertretung im<lb/> Bureau des Großen Rathes, noch in der Re-<lb/> gierung eingeräumt</hi>. Ueber dieſe Art Liberalismus<lb/> ſelbſt von Liberalen zur Rede geſtellt, antwortet das<lb/> Hauptorgan der Majorität unverfroren: „Dieſe Minder-<lb/> heit werde <hi rendition="#g">nie</hi> zu Aemtern zugelaſſen werden, wenn ſie<lb/> ſich nicht voll und ganz der jetzigen Verfaſſung unter-<lb/> werfe.“ Mit Fug und Recht bemerkt hiezu ſogar die<lb/> ſehr liberale „Neue Zürch. Ztg.“, daß man mit einer<lb/> ſolchen Bedingung natürlich jede Minderheitsvertretung<lb/> ausſchließen könne, denn es ſei doch ganz natürlich, daß<lb/> den Führern der Oppoſition Manches an der Verfaſſung<lb/> nicht gefalle und Manches daran ändern möchten ꝛc. —<lb/><hi rendition="#aq">Enfin:</hi> der Radikalismus bildet die <hi rendition="#g">Mehrheit,</hi> und<lb/> die Mehrheit hat ja im Kanton Waadt und Solothurn<lb/> und Bern und Genf und Baſel und St. Gallen das<lb/> Recht zu finden und zu verlieren, zu ſchaffen und zu<lb/> vergeſſen, die Mehrheit iſt hier unfehlbar, weil ſie die<lb/> Mehrheit iſt.</p><lb/> <p>Dem Herrn Pfarrer <hi rendition="#g">Schönholzer</hi> in St. Gallen<lb/> iſt „ein Läuslein über die Leber gekrochen“ — wie der<lb/> altdeutſche Ausdruck für einen Zornausbruch lautete —<lb/> und er hat im „Tagblatt“ eine wüthende Philippika auf<lb/> die katholiſche Kirche und auf die Verſöhnungspolitik ab-<lb/> gegeben. Herr Schönholzer iſt bekanntlich <hi rendition="#g">Reform-<lb/> paſtor</hi> und damit ſeine Geſinnung gegen Alles, was<lb/> katholiſch heißt, erklärlich. — Dieſe Herren „Reformer“<lb/> ſind überhaupt eine kurioſe Spezies von <hi rendition="#g">Prieſtern</hi> und<lb/> nehmen als Verkünder des „reinen“ Evangeliums eine<lb/> merkwürdige Stellung ein, will uns ſcheinen. Wir wiſſen<lb/> natürlich nicht, wie weit es Herr Schönholzer in dieſer<lb/> Eigenthümlichkeit gebracht hat; es gibt ja Abſtufungen im<lb/> Fortſchritt zum völligen Negiren der evangeliſchen Wahr-<lb/> heiten. Intereſſant iſt immerhin, was ſ. Z. ein Prote-<lb/> ſtant in den „Hiſtor.-polit. Blättern“ unter der Aufſchrift<lb/> „Moderne Theologen der proteſtantiſchen Kirchen“ über<lb/> einen Theil der ſogenannten Reformer behauptete. Er<lb/> ſagte: „Ich möchte das Publikum davon überzeugen,<lb/> 1. daß die <hi rendition="#g">liberale Theologie</hi> mehr und mehr in<lb/> das <hi rendition="#g">Heidenthum zurückſinkt</hi> und bei der modernen<lb/> Philoſophie geiſtige Anleihen macht; 2. daß dieſe Theo-<lb/> logie mit Worten, wie „Sohn Gottes“, „Reich Gottes“,<lb/> „ewiges Leben“, „Wort Gottes“, „Gotteskindſchaft“ ꝛc.<lb/> nur <hi rendition="#g">ein falſches, frivoles Spiel treibt;</hi> 3. daß<lb/> viele dieſer Theologen ſofort bei dem Antritt ihres Amtes<lb/> mit ihrem Eid in Konflikt kommen, wo nicht meineidig<lb/> werden, indem ſie an den meiſten Orten immer noch eid-<lb/> lich auf die Bekenntnißſchriften verpflichtet werden.“</p><lb/> <p>Wahrlich, unſere ſchweizeriſchen Staatsmänner hätten<lb/> Beſſeres zu thun, als „Kulturkampf“ zu betreiben. Da<lb/> harrt z. B. unſere Papier- oder Banknotenwirthſchaft<lb/> ſchon geraume Zeit ihrer Regelung. Der Bundesrath<lb/> hat bereits ſeit 1886 darauf hingewieſen, daß das ſchweiz.<lb/> Notenweſen <hi rendition="#g">ernſte Gefahren in ſich</hi> berge und ein-<lb/> ſchneidende Reform verlange. Sicher iſt dieſe ſtetige Ver-<lb/> mehrung künſtlicher Werthe, dieſer hohle „<hi rendition="#g">Schein</hi>“-<lb/><cb/> Reichthum an Geld, nicht unſchuldig an der andauernden<lb/><hi rendition="#g">Eniwerthung der Kapitalien</hi> und Liegenſchaften.<lb/> Laut neueſten Bekanntmachungen aus Bern hat die Bank-<lb/> notenausgabe in der Schweiz innert den 6 Jahren von<lb/> 1882 bis 1888 um mehr als Fr. 50,000,000 zuge-<lb/> nommen und beträgt gegenwärtig der Banknotenumlauf<lb/> von 34 ſchweizeriſchen Banken <hi rendition="#g">hundertdreiundfünf-<lb/> zig Millionen</hi> und hunderttauſend Franken. Das<lb/> einbezahlte Kapital bleibt hinter dieſer Summe um zirka<lb/> 30 Millionen zurück. Von 1883 bis 1888 hat der<lb/> Goldvorrath der notenausgebenden Banken um 20 Mill.<lb/> zugenommen, das handliche Gold iſt ſozuſagen ganz aus<lb/> dem Verkehr verſchwunden. Es hat ſich in den Kaſſen<lb/> der Banken angeſammelt und wird dort ſorgfältig zurück-<lb/> behalten. An Metall-Courant-Geld ſind dem Verkehr<lb/> nur die ſchweren Silberthaler geblieben. — Man laborirt<lb/> ſchon lange an einem <hi rendition="#g">neuen Banknotengeſetze</hi><lb/> herum, das ausreichende Ordnung in dieſem wichtigen<lb/> Faktor des Verkehrslebens ſchafft. Das beſtehende Geſetz<lb/> iſt zwar erſt ſeit 1. Juli 1882 in Kraft, erweist ſich aber<lb/> als ganz ungenügend. Es wird nun zur Löſung der<lb/> Frage kommen müſſen: <hi rendition="#g">Wer ſoll Banknoten aus-<lb/> geben dürfen?</hi> Die Antwort wird ſein: entweder<lb/> eine reine (ſchweizeriſche) <hi rendition="#g">Staatsbank,</hi> oder eine <hi rendition="#g">ein-<lb/> zige,</hi> unter ſtaatliche Aufſicht geſtellte <hi rendition="#g">Privatbank</hi>.<lb/> Der fachkundige Herr Nationalrath <hi rendition="#g">Cramer-Frey,</hi><lb/> Kaufmann in Zürich, erklärte ſich ſchon vor etwa neun<lb/> Jahren in einer Aufſehen erregenden Broſchüre für letz-<lb/> teres Inſtitut als das die öffentlichen Intereſſen am beſten<lb/> wahrende. Er ſagte bezüglich der vielen kleinern Banken<lb/> im Lande u. A.: „Die Tendenz, möglichſt viele Noten<lb/> an Mann zu bringen und alſo deren Umlauf künſtlich<lb/> auszudehnen, <hi rendition="#g">drängt mehr Metallgeldin’s Aus-<lb/> land</hi> und fördert die <hi rendition="#g">Entſtehung von Geldkriſen</hi><lb/> — in Folge Mangels an Metallgeld. (Dieſe Befürch-<lb/> tung hat ſich übrigens bisher nicht erwahrt, trotz der<lb/> 1,639,223 Stück Banknoten der 34 Emmiſſionsbanken.<lb/> Red.) Rückſichtlich einer <hi rendition="#g">Staatsbank</hi> ſagte Herr<lb/> Cramer-Frey in beſagter Broſchüre: „Wie immer, was<lb/> zur Genüge die Beiſpiele Englands, Oeſterreichs, Frank-<lb/> reichs, Rußlands, Italiens erhärten, die Finanznoth es<lb/> iſt, welche die Regierungen zur Ausgabe von Papiergeld<lb/> treibt, ſo geht mit derſelben meiſtens ſofort der <hi rendition="#g">Zwang</hi><lb/> zur Annahme desſelben an Zahlung, d. h. die Dekretirung<lb/> des Zwangskurſes, mit Enthebung von der Pflicht zur<lb/> Einlöſung gegen baares Geld Hand in Hand. Als un-<lb/> mittelbare Folge ſtellt ſich die Entwerthung des Papieres<lb/> ein, weil mit der plötzlichen Nothwendigkeit, ſich auf dieſe<lb/> Weiſe Geld zu verſchaffen, auch der Kredit des Staates<lb/> leidet. .... Dasſelbe hat für Niemanden mehr den<lb/> gleichen Werth wie derſelbe Betrag in Gold oder Silber,<lb/> und morgen ſchon kann ich mit 10 Franken in Papier<lb/> bloß noch ſo viel Brod oder Fleiſch kaufen, als mit acht<lb/> oder ſieben oder ſechs Franken in Gold oder Silber. ...“</p><lb/> <p>Inmitten der geſetzloſen Gewaltthaten, zu denen ſich<lb/> der Bundesrath gegen die kantonalen Behörden im <hi rendition="#g">Teſſin</hi><lb/> hinreißen ließ, gewährt es einen wirklichen Troſt, zu ſehen,<lb/> daß es auch auf proteſtantiſcher Seite noch Gerechtigkeit<lb/> liebende Geiſter gibt, welche aus natürlichem Rechtlichkeits-<lb/> ſinn die eidgenöſſiſchen „Kaulbarbareien“ brandmarken,<lb/> ſo die proteſtantiſchen Blätter „Lauſanner Ztg.“, „Allg.<lb/> Schweizer Ztg.“, „Genfer Journal“, „Berner Volks-<lb/> zeitung“, „Berner Tagblatt“ u. a. m. Ferner üben die<lb/> proteſtantiſchen Rechtsgelehrten Profeſſor <hi rendition="#g">König</hi> in Bern<lb/> und Profeſſor Dr. Guſtav <hi rendition="#g">Vogt</hi> in Zürich eine geradezu<lb/> vernichtende Kritik am bundesräthlichen Gebahren aus.<lb/> Der erſtere erklärt, die bewaffnete Einmiſchung des Bundes<lb/> in die teſſiniſchen Angelegenheiten als <hi rendition="#g">ganz verfaſ-<lb/> ſungswidrig</hi>. Betreffend dem Konflikt zwiſchen dem<lb/> eidgenöſſiſchen Kommiſſär Borel und dem Staatsrath hebt<lb/> der gelehrte Univerſitätslehrer hervor, daß der Bundes-<lb/> rath ſeinem Kommiſſär weder Kompetenzen verleihen<lb/> konnte, die er <hi rendition="#g">ſelbſt nicht beſitzt,</hi> noch die Schranken<lb/> überſchreiten, welche die adminiſtrativen und richterlichen<lb/> Gewalten trennen, noch endlich ſich ſelbſt oder ſeinen<lb/> Kommiſſär an die Stelle der rechtmäßigen Behörde ſetzen.<lb/> — Mit der größten Entſchiedenheit geht der radikale<lb/> Profeſſor Vogt mit dem Bundesrath in’s Gericht. In<lb/> einer ſoeben erſchienenen Broſchüre ſagt der Mann:<lb/> „..... Ich haſſe alles niedrige Parteitreiben, alle Will-<lb/> kür und verabſcheuungswidrige Gewaltthat...... Nicht<lb/> bisheriges Recht hat der Bundesrath gehandhabt, ſondern<lb/><hi rendition="#g">neues Unrecht</hi>. Mit einem Gefühl der Trauer, der<lb/> Beſchämung, daß ſo willkürliche <hi rendition="#g">Vergewaltigung</hi><lb/> eines ſchweizeriſchen Kantons möglich war, lege ich die<lb/><cb/> Feder aus der Hond..... Kein Ungehorſam, keine<lb/> Widerſetzlichkeit der kantonalen Regierung gegenüber den<lb/> Anordnungen des Bundesrathes hat die <hi rendition="#g">Ernennung<lb/> des eidg. Kommiſſärs</hi> und die betreffende <hi rendition="#g">Inter-<lb/> vention</hi> veranlaßt..... Möge es nicht nur ein erſtes,<lb/> ſondern ein letztes Mal geweſen ſein, daß ſich Solches<lb/> ereignen kann unter der Herrſchaft einer Bundesverfaſſung,<lb/> welche erlaſſen iſt, in der Abſicht, den Bund der Eidge-<lb/> noſſen zu befeſtigen, die Einheit, Kraft und Ehre der<lb/> ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern.“ —<lb/> Wie dem „Vaterland“ aus der Bundesverſammlung be-<lb/> richtet wird, macht ſich bei allen Mitgliedern der konſer-<lb/> vativen Fraktion eine <hi rendition="#g">tiefe Erbitterung</hi> über die<lb/><hi rendition="#g">unerhörte Behandlung</hi> der Teſſiner Regierung<lb/> geltend. — Alles das iſt ſtarker Tubak für den Bundes-<lb/> rath, der ihm wohl Nießen verurſachen wird, und wir<lb/> ſagen dazu: „Helf dir Gott — zu beſſerer Einſicht und<lb/> Gerechtigkeit!“ Der Freiburger „Liberte“ ſchreibt man<lb/> von ebendaher: „Während der Jahre des Waffenſtillſtan-<lb/> des ſetzte man gerne Vertrauen in die Rechtlichkeit und<lb/> Unparteilichkeit des Bundesrathes. Jetzt iſt man hievon<lb/> zurückgekommen: die Rechte (konſervative Fraktion) iſt<lb/> vielleicht noch nie zur Eröffnung einer Seſſion mit einer<lb/> ſolchen Summe von Unzufriedenheit und mit ſo entſchie-<lb/> dener Abſicht, auf dem Kriegsfuß zu leben, erſchienen.</p><lb/> <p>Ja, die „chriſtkatholiſche Genoſſenſchaft“ in <hi rendition="#g">Luzern</hi><lb/> iſt freilich mit ihrem Rekurſe an den Bundesrath betr.<lb/> „Mitbenutzung“, <hi rendition="#aq">i. c.</hi> <hi rendition="#g">Annexion der Mariahilf-<lb/> kirche</hi> abgewieſen worden. Aber der bundesröthliche<lb/> Entſcheid iſt in ſeinen Erwägungsgründen (Motivirung)<lb/> ein ſo gewund nes, widerhaariges Advokatenſtück, das bis<lb/> vor die Schwelle des Dispoſitivs die Regierung von Luzern<lb/> in’s Unrecht ſetzt und deren Rechtsanſchauungen „durch-<lb/> hudelt“, daß man aus jedem Satze das innerliche Wider-<lb/> ſtreben des Bundesrathes herausfühlt, den Rechtsſtand-<lb/> punkt der Altkatholiken als unhaltbar erklären zu müſſen;<lb/> man hat fortwährend das Gefühl, als müßte man dem<lb/> hohen Rathe mit „Brandt’ſchen Schweizerpillen“ aus ſeiner<lb/> Beklemmung helfen. Im letzten Erwägungsgrund endlich<lb/> kommt die Abneigung des Bundesrathes gegen die ob-<lb/> ſiegende Regierung am durchſichtigſten zum Vorſchein:<lb/> Derſelbe gibt den unterliegenden Altkatholiken, zugleich mit<lb/> einer Empfehlung, recht verſtändnißinnig die Wegleitung<lb/> an’s Bundesgericht, wo das Ziel zu erwarten. — Wir<lb/> fürchten in der That — und ſchöpfen unſere Befürchtung<lb/> aus Präzedenzfällen — daß die der Sekte gemachten Hoff-<lb/> nungen auf unſere oberſte Rechtsinſtanz ſich erfüllen wird,<lb/> denn es iſt leider noch immer wahr, was der große Bi-<lb/> ſchof Ketteler ſel. vor zwölf Jahren geſchrieben: „Wir<lb/> ſind bereits ſo weit gekommen, daß vielfach alles eigentlich<lb/> Katholiſche ſchutzlos iſt, indem die feindlichen Angriffe<lb/> gegen dasſelbe unter fremden Namen gerichtet werden. Dieſe<lb/> lügenhafte, intolerante Kampfweiſe gegen die kathol. Kirche<lb/> iſt zwar nicht erſt ſeit der ſtaatlichen Anerkennung der<lb/> Altkatholiken entſtanden, durch dieſelbe iſt ſie aber wahr-<lb/> haft ſchrankenlos geworden. Unter den Worten „ultra-<lb/> montan“, „jeſuitiſch“ ſind wir vogelfrei (Teſſin, Schul-<lb/> rekurs!); unter dem Vorgeben, die Katholiken zu ſchützen<lb/> und nur den Ultramontanismus und Jeſuitismus zu be-<lb/> kämpfen, kann jede katholiſche Lebensäußerung angegriffen<lb/> und unterdrückt werden. So ſind jetzt vielleicht alle ka-<lb/> tholiſchen Gefühle bis tief in unſere Herzen hinein der<lb/> rückſichtsloſeſten Kränkung ausgeſetzt. Wir ſind nicht<lb/> ſelten bezüglich unſeres Glaubens wie Parias (Unreine)<lb/> in unſerem eigenen Vaterlande geworden.“</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Eidgenöſſiſches.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Viehſenchen.</hi> </head> <p>In <hi rendition="#g">Innsbruck</hi> erläßt die Statt-<lb/> halterei für Tyrol und Vorarlberg folgendes Mandat:<lb/> „Da in letzterer Zeit in Bregenz die Maul- und Klauen-<lb/> ſeuche bei aus Steiermark (Grazer Viehmarkt) eingeführten<lb/> infizirten Maſtrindern wiederholt konſtatirt wurde und<lb/> der Beſtand dieſer Seuche in den letzten Tagen auch bei<lb/> Schweinstransporten nachgewieſen wurde, welche aus<lb/> Wiener-Neuſtadt und St. Marx nach Bregenz und Inns-<lb/> bruck eingebracht worden ſind, findet die Statthalterei die<lb/> Einfuhr von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen<lb/> aus Niederöſterreich Steiermark nach Tyrol und Vorarl-<lb/> berg bis auf Weiteres zu verbieten.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>— Wegen erneuter Einſchleppung der Maul- und<lb/> Klauenſeuche durch öſterreichiſches Vieh hat der Bundes-<lb/> rath beſchloſſen, über ſämmtliche Thiere des Rindvieh,<lb/> Schaf-, Schweine- und Ziegengeſchlechtes, welche aus Oeſter-<lb/> reich-Ungarn herkommen, am Beſtimmungsort eine zehn-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
St. Galler Volksblatt.
Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald.
34. Jahrgang.
(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
Mittwoch, den 3. April 1889.
Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung ſindet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages
in der Druckerei abgegeben ſind.
No. 27.
Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten
bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt.
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und
Samſtag. Alle Samſtage mit den „Linth-Blättern“.
Eidgenoſſenſchaft.
Das Recht der Mehrheit im Teſſin und — ander-
wärts. — Ein Proteſtant über die Reformtheologen.
— Unſere Banknoten. — Geiſterſtimmung über die
bundesräthliche Landvogtei im Teſſin. — Der juriſti-
ſche Bandwurm des Bundesrathes im Mariahilfrekurs;
ſeine väterlichen Winke. —
Gar viele wackeren Eidgenoſſen liberaler Färbung
empfinden es mit großem Leibſchmerz, daß im Teſſin
die Radikalen, trotzdem ſelbige nur etwa mit 700—1000
Stimmen in — Minderheit ſind, nicht wieder die
Herrſchaft führen wie ehedem, ja nicht einmal einen Ver-
treter in der Regierung beſitzen. Die Konſervativen
Teſſins haben unter der radikalen Steuerleitung 30 Jahre
lang das nämliche Schickſal durchgekoſtet, ſelbſt noch als
ſie längſt die faktiſche Mehrheit im Volke hatten; jedoch
kein einziger Schmerzensſchrei liberaler Eidgenoſſen drang
über den Gotthard, um die regierenden cari fratelli an
die Erlaubtheit der Minoritätenvertretung zu erinnern.
Ja Bauer, das iſt ganz was anders! Und auch ander-
wärts haben ſich die Radikalen die fehlerhafte Gewohnheit
der Minderheitsvertretung nicht angeeignet. Um nur das
neueſte Beiſpiel zu erwähnen: Die neulichen Wahlen im
Kanton Waadt verſchafften der radikal-demokratiſchen
Partei wieder die Mehrheit im Großen Rath; die liberal-
konſervative Minderheit iſt jedoch durch eine Anzahl her-
vorragender Männer vertreten. Ihr wurde aber von der
herrſchenden Partei weder eine Vertretung im
Bureau des Großen Rathes, noch in der Re-
gierung eingeräumt. Ueber dieſe Art Liberalismus
ſelbſt von Liberalen zur Rede geſtellt, antwortet das
Hauptorgan der Majorität unverfroren: „Dieſe Minder-
heit werde nie zu Aemtern zugelaſſen werden, wenn ſie
ſich nicht voll und ganz der jetzigen Verfaſſung unter-
werfe.“ Mit Fug und Recht bemerkt hiezu ſogar die
ſehr liberale „Neue Zürch. Ztg.“, daß man mit einer
ſolchen Bedingung natürlich jede Minderheitsvertretung
ausſchließen könne, denn es ſei doch ganz natürlich, daß
den Führern der Oppoſition Manches an der Verfaſſung
nicht gefalle und Manches daran ändern möchten ꝛc. —
Enfin: der Radikalismus bildet die Mehrheit, und
die Mehrheit hat ja im Kanton Waadt und Solothurn
und Bern und Genf und Baſel und St. Gallen das
Recht zu finden und zu verlieren, zu ſchaffen und zu
vergeſſen, die Mehrheit iſt hier unfehlbar, weil ſie die
Mehrheit iſt.
Dem Herrn Pfarrer Schönholzer in St. Gallen
iſt „ein Läuslein über die Leber gekrochen“ — wie der
altdeutſche Ausdruck für einen Zornausbruch lautete —
und er hat im „Tagblatt“ eine wüthende Philippika auf
die katholiſche Kirche und auf die Verſöhnungspolitik ab-
gegeben. Herr Schönholzer iſt bekanntlich Reform-
paſtor und damit ſeine Geſinnung gegen Alles, was
katholiſch heißt, erklärlich. — Dieſe Herren „Reformer“
ſind überhaupt eine kurioſe Spezies von Prieſtern und
nehmen als Verkünder des „reinen“ Evangeliums eine
merkwürdige Stellung ein, will uns ſcheinen. Wir wiſſen
natürlich nicht, wie weit es Herr Schönholzer in dieſer
Eigenthümlichkeit gebracht hat; es gibt ja Abſtufungen im
Fortſchritt zum völligen Negiren der evangeliſchen Wahr-
heiten. Intereſſant iſt immerhin, was ſ. Z. ein Prote-
ſtant in den „Hiſtor.-polit. Blättern“ unter der Aufſchrift
„Moderne Theologen der proteſtantiſchen Kirchen“ über
einen Theil der ſogenannten Reformer behauptete. Er
ſagte: „Ich möchte das Publikum davon überzeugen,
1. daß die liberale Theologie mehr und mehr in
das Heidenthum zurückſinkt und bei der modernen
Philoſophie geiſtige Anleihen macht; 2. daß dieſe Theo-
logie mit Worten, wie „Sohn Gottes“, „Reich Gottes“,
„ewiges Leben“, „Wort Gottes“, „Gotteskindſchaft“ ꝛc.
nur ein falſches, frivoles Spiel treibt; 3. daß
viele dieſer Theologen ſofort bei dem Antritt ihres Amtes
mit ihrem Eid in Konflikt kommen, wo nicht meineidig
werden, indem ſie an den meiſten Orten immer noch eid-
lich auf die Bekenntnißſchriften verpflichtet werden.“
Wahrlich, unſere ſchweizeriſchen Staatsmänner hätten
Beſſeres zu thun, als „Kulturkampf“ zu betreiben. Da
harrt z. B. unſere Papier- oder Banknotenwirthſchaft
ſchon geraume Zeit ihrer Regelung. Der Bundesrath
hat bereits ſeit 1886 darauf hingewieſen, daß das ſchweiz.
Notenweſen ernſte Gefahren in ſich berge und ein-
ſchneidende Reform verlange. Sicher iſt dieſe ſtetige Ver-
mehrung künſtlicher Werthe, dieſer hohle „Schein“-
Reichthum an Geld, nicht unſchuldig an der andauernden
Eniwerthung der Kapitalien und Liegenſchaften.
Laut neueſten Bekanntmachungen aus Bern hat die Bank-
notenausgabe in der Schweiz innert den 6 Jahren von
1882 bis 1888 um mehr als Fr. 50,000,000 zuge-
nommen und beträgt gegenwärtig der Banknotenumlauf
von 34 ſchweizeriſchen Banken hundertdreiundfünf-
zig Millionen und hunderttauſend Franken. Das
einbezahlte Kapital bleibt hinter dieſer Summe um zirka
30 Millionen zurück. Von 1883 bis 1888 hat der
Goldvorrath der notenausgebenden Banken um 20 Mill.
zugenommen, das handliche Gold iſt ſozuſagen ganz aus
dem Verkehr verſchwunden. Es hat ſich in den Kaſſen
der Banken angeſammelt und wird dort ſorgfältig zurück-
behalten. An Metall-Courant-Geld ſind dem Verkehr
nur die ſchweren Silberthaler geblieben. — Man laborirt
ſchon lange an einem neuen Banknotengeſetze
herum, das ausreichende Ordnung in dieſem wichtigen
Faktor des Verkehrslebens ſchafft. Das beſtehende Geſetz
iſt zwar erſt ſeit 1. Juli 1882 in Kraft, erweist ſich aber
als ganz ungenügend. Es wird nun zur Löſung der
Frage kommen müſſen: Wer ſoll Banknoten aus-
geben dürfen? Die Antwort wird ſein: entweder
eine reine (ſchweizeriſche) Staatsbank, oder eine ein-
zige, unter ſtaatliche Aufſicht geſtellte Privatbank.
Der fachkundige Herr Nationalrath Cramer-Frey,
Kaufmann in Zürich, erklärte ſich ſchon vor etwa neun
Jahren in einer Aufſehen erregenden Broſchüre für letz-
teres Inſtitut als das die öffentlichen Intereſſen am beſten
wahrende. Er ſagte bezüglich der vielen kleinern Banken
im Lande u. A.: „Die Tendenz, möglichſt viele Noten
an Mann zu bringen und alſo deren Umlauf künſtlich
auszudehnen, drängt mehr Metallgeldin’s Aus-
land und fördert die Entſtehung von Geldkriſen
— in Folge Mangels an Metallgeld. (Dieſe Befürch-
tung hat ſich übrigens bisher nicht erwahrt, trotz der
1,639,223 Stück Banknoten der 34 Emmiſſionsbanken.
Red.) Rückſichtlich einer Staatsbank ſagte Herr
Cramer-Frey in beſagter Broſchüre: „Wie immer, was
zur Genüge die Beiſpiele Englands, Oeſterreichs, Frank-
reichs, Rußlands, Italiens erhärten, die Finanznoth es
iſt, welche die Regierungen zur Ausgabe von Papiergeld
treibt, ſo geht mit derſelben meiſtens ſofort der Zwang
zur Annahme desſelben an Zahlung, d. h. die Dekretirung
des Zwangskurſes, mit Enthebung von der Pflicht zur
Einlöſung gegen baares Geld Hand in Hand. Als un-
mittelbare Folge ſtellt ſich die Entwerthung des Papieres
ein, weil mit der plötzlichen Nothwendigkeit, ſich auf dieſe
Weiſe Geld zu verſchaffen, auch der Kredit des Staates
leidet. .... Dasſelbe hat für Niemanden mehr den
gleichen Werth wie derſelbe Betrag in Gold oder Silber,
und morgen ſchon kann ich mit 10 Franken in Papier
bloß noch ſo viel Brod oder Fleiſch kaufen, als mit acht
oder ſieben oder ſechs Franken in Gold oder Silber. ...“
Inmitten der geſetzloſen Gewaltthaten, zu denen ſich
der Bundesrath gegen die kantonalen Behörden im Teſſin
hinreißen ließ, gewährt es einen wirklichen Troſt, zu ſehen,
daß es auch auf proteſtantiſcher Seite noch Gerechtigkeit
liebende Geiſter gibt, welche aus natürlichem Rechtlichkeits-
ſinn die eidgenöſſiſchen „Kaulbarbareien“ brandmarken,
ſo die proteſtantiſchen Blätter „Lauſanner Ztg.“, „Allg.
Schweizer Ztg.“, „Genfer Journal“, „Berner Volks-
zeitung“, „Berner Tagblatt“ u. a. m. Ferner üben die
proteſtantiſchen Rechtsgelehrten Profeſſor König in Bern
und Profeſſor Dr. Guſtav Vogt in Zürich eine geradezu
vernichtende Kritik am bundesräthlichen Gebahren aus.
Der erſtere erklärt, die bewaffnete Einmiſchung des Bundes
in die teſſiniſchen Angelegenheiten als ganz verfaſ-
ſungswidrig. Betreffend dem Konflikt zwiſchen dem
eidgenöſſiſchen Kommiſſär Borel und dem Staatsrath hebt
der gelehrte Univerſitätslehrer hervor, daß der Bundes-
rath ſeinem Kommiſſär weder Kompetenzen verleihen
konnte, die er ſelbſt nicht beſitzt, noch die Schranken
überſchreiten, welche die adminiſtrativen und richterlichen
Gewalten trennen, noch endlich ſich ſelbſt oder ſeinen
Kommiſſär an die Stelle der rechtmäßigen Behörde ſetzen.
— Mit der größten Entſchiedenheit geht der radikale
Profeſſor Vogt mit dem Bundesrath in’s Gericht. In
einer ſoeben erſchienenen Broſchüre ſagt der Mann:
„..... Ich haſſe alles niedrige Parteitreiben, alle Will-
kür und verabſcheuungswidrige Gewaltthat...... Nicht
bisheriges Recht hat der Bundesrath gehandhabt, ſondern
neues Unrecht. Mit einem Gefühl der Trauer, der
Beſchämung, daß ſo willkürliche Vergewaltigung
eines ſchweizeriſchen Kantons möglich war, lege ich die
Feder aus der Hond..... Kein Ungehorſam, keine
Widerſetzlichkeit der kantonalen Regierung gegenüber den
Anordnungen des Bundesrathes hat die Ernennung
des eidg. Kommiſſärs und die betreffende Inter-
vention veranlaßt..... Möge es nicht nur ein erſtes,
ſondern ein letztes Mal geweſen ſein, daß ſich Solches
ereignen kann unter der Herrſchaft einer Bundesverfaſſung,
welche erlaſſen iſt, in der Abſicht, den Bund der Eidge-
noſſen zu befeſtigen, die Einheit, Kraft und Ehre der
ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern.“ —
Wie dem „Vaterland“ aus der Bundesverſammlung be-
richtet wird, macht ſich bei allen Mitgliedern der konſer-
vativen Fraktion eine tiefe Erbitterung über die
unerhörte Behandlung der Teſſiner Regierung
geltend. — Alles das iſt ſtarker Tubak für den Bundes-
rath, der ihm wohl Nießen verurſachen wird, und wir
ſagen dazu: „Helf dir Gott — zu beſſerer Einſicht und
Gerechtigkeit!“ Der Freiburger „Liberte“ ſchreibt man
von ebendaher: „Während der Jahre des Waffenſtillſtan-
des ſetzte man gerne Vertrauen in die Rechtlichkeit und
Unparteilichkeit des Bundesrathes. Jetzt iſt man hievon
zurückgekommen: die Rechte (konſervative Fraktion) iſt
vielleicht noch nie zur Eröffnung einer Seſſion mit einer
ſolchen Summe von Unzufriedenheit und mit ſo entſchie-
dener Abſicht, auf dem Kriegsfuß zu leben, erſchienen.
Ja, die „chriſtkatholiſche Genoſſenſchaft“ in Luzern
iſt freilich mit ihrem Rekurſe an den Bundesrath betr.
„Mitbenutzung“, i. c. Annexion der Mariahilf-
kirche abgewieſen worden. Aber der bundesröthliche
Entſcheid iſt in ſeinen Erwägungsgründen (Motivirung)
ein ſo gewund nes, widerhaariges Advokatenſtück, das bis
vor die Schwelle des Dispoſitivs die Regierung von Luzern
in’s Unrecht ſetzt und deren Rechtsanſchauungen „durch-
hudelt“, daß man aus jedem Satze das innerliche Wider-
ſtreben des Bundesrathes herausfühlt, den Rechtsſtand-
punkt der Altkatholiken als unhaltbar erklären zu müſſen;
man hat fortwährend das Gefühl, als müßte man dem
hohen Rathe mit „Brandt’ſchen Schweizerpillen“ aus ſeiner
Beklemmung helfen. Im letzten Erwägungsgrund endlich
kommt die Abneigung des Bundesrathes gegen die ob-
ſiegende Regierung am durchſichtigſten zum Vorſchein:
Derſelbe gibt den unterliegenden Altkatholiken, zugleich mit
einer Empfehlung, recht verſtändnißinnig die Wegleitung
an’s Bundesgericht, wo das Ziel zu erwarten. — Wir
fürchten in der That — und ſchöpfen unſere Befürchtung
aus Präzedenzfällen — daß die der Sekte gemachten Hoff-
nungen auf unſere oberſte Rechtsinſtanz ſich erfüllen wird,
denn es iſt leider noch immer wahr, was der große Bi-
ſchof Ketteler ſel. vor zwölf Jahren geſchrieben: „Wir
ſind bereits ſo weit gekommen, daß vielfach alles eigentlich
Katholiſche ſchutzlos iſt, indem die feindlichen Angriffe
gegen dasſelbe unter fremden Namen gerichtet werden. Dieſe
lügenhafte, intolerante Kampfweiſe gegen die kathol. Kirche
iſt zwar nicht erſt ſeit der ſtaatlichen Anerkennung der
Altkatholiken entſtanden, durch dieſelbe iſt ſie aber wahr-
haft ſchrankenlos geworden. Unter den Worten „ultra-
montan“, „jeſuitiſch“ ſind wir vogelfrei (Teſſin, Schul-
rekurs!); unter dem Vorgeben, die Katholiken zu ſchützen
und nur den Ultramontanismus und Jeſuitismus zu be-
kämpfen, kann jede katholiſche Lebensäußerung angegriffen
und unterdrückt werden. So ſind jetzt vielleicht alle ka-
tholiſchen Gefühle bis tief in unſere Herzen hinein der
rückſichtsloſeſten Kränkung ausgeſetzt. Wir ſind nicht
ſelten bezüglich unſeres Glaubens wie Parias (Unreine)
in unſerem eigenen Vaterlande geworden.“
Eidgenöſſiſches.
— Viehſenchen. In Innsbruck erläßt die Statt-
halterei für Tyrol und Vorarlberg folgendes Mandat:
„Da in letzterer Zeit in Bregenz die Maul- und Klauen-
ſeuche bei aus Steiermark (Grazer Viehmarkt) eingeführten
infizirten Maſtrindern wiederholt konſtatirt wurde und
der Beſtand dieſer Seuche in den letzten Tagen auch bei
Schweinstransporten nachgewieſen wurde, welche aus
Wiener-Neuſtadt und St. Marx nach Bregenz und Inns-
bruck eingebracht worden ſind, findet die Statthalterei die
Einfuhr von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen
aus Niederöſterreich Steiermark nach Tyrol und Vorarl-
berg bis auf Weiteres zu verbieten.“
— Wegen erneuter Einſchleppung der Maul- und
Klauenſeuche durch öſterreichiſches Vieh hat der Bundes-
rath beſchloſſen, über ſämmtliche Thiere des Rindvieh,
Schaf-, Schweine- und Ziegengeſchlechtes, welche aus Oeſter-
reich-Ungarn herkommen, am Beſtimmungsort eine zehn-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |