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St. Galler Volksblatt. Nr. 3, Uznach, 09. 01. 1889.

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St. Galler Volksblatt.
Obligatorisches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eschenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetschwil und Gommiswald.

[Spaltenumbruch]
34. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch, den 9. Januar 1889.



[Spaltenumbruch]

Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz 1/2j. Fr. 2. 50, 1/4j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Post: jährlich Fr. 5. --, 1/2jährl. Fr. 2. 60, 1/4jährl. Fr. 1. 40
Für's Ausland (Postverein) jede Nummer mit Adresse: 1/2jährl. Fr. 5. --
" " " wöchentl. einmal " " 1/2jährl. Fr. 3. 50
Die Versendung findet am Dienstag und Freitag Abend statt und es können
nur jene Inserate berücksichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages
in der Druckerei abgegeben sind.


[Spaltenumbruch]
No. 3.

[Spaltenumbruch]

Insertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten-
bureaux: Die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inserenten kostet die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. -- Bei öfteren Wiederholungen Rabatt.
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inserate müssen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. -- Unfrankirte Sendungen werden nicht
berücksichtigt. -- Das Blatt erscheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und
Samstag.
Alle Samstage mit den "Linth-Blättern".




[Spaltenumbruch]
1889 ein Revisionsjahr?

Künftige Ereignisse werfen ihren Schatten voraus.
(Campell.)

Roch in den Scheidestunden des Jahres 1888 zuckten
an ganz verschiedenen Punkten des politischen Horizontes
Lichtblitze auf, die als Vorläufer für Ereignisse des neu
aufdämmernden Jahres 1889 gelten können. Die Luft
ist mit Elektrizität angefüllt; es wetterleuchtet; kündet's
Sturm an im Lande Winkelried's -- Revisionssturm?

In der That "Revision!" ist die Parole für's
Jahr 1889, und die Gelegenheit für revisionslustige und
weltverbesserliche Eidgenossen läßt sich jetzt so günstig an,
daß sie Gefahr laufen, wie Buridan's Esel zwischen zwei
festen Bündeln Heu aus lauter Wahlfreiheit zu verhun-
gern. --

Das Jahr 1888 wäre eigentlich in aller Ruhe aus
Abschied und Traktanden gefallen und könnte im Ozean
der Vergangenheit das verdiente otium cum dignitate
genießen wie pensionirte Minister und Feldmarschälle,
wenn es nicht seinem Nachfolger das problematische Erbe
von einer schönen Zahl Revisionsprogrammen hinterließe.
Revisionen sind eigentlich Schulden, die von der lebenden
Generation abzuzahlen sind, oder, als Passivposten auf
die folgende Generation übergehen. Revifionen sind zwar
keine Revolutionen, aber doch auch keine St. Galler
Schüblinge oder Oberländer Birnweken.

In der letzten Sommersitzung des katholischen Kol-
legiums wurde zwar nicht ein förmliches Revisionsbegehren
gestellt, aber doch das Begehren der Begutachtung der
Frage einer Revision der katholischen Organisation. Re-
visionsluft weht auch in diesem sonst so harmlosen ge-
mischten Kreise von geistlichen und weltlichen Kirchenvätern,
wo man das Bestehende geduldig bis auf den Barok-
und Roccoccostyl zurück fortvegetiren läßt. Als man da
merkte, daß es darauf abgesehen sein könnte, mit der
Zeit und ihren Aenderungen Schritt zu halten, um Altes
mit ihr in Einklang zu bringen, allfällige Zöpfchen aus
der Hungerbühler'schen Jus-circa-sacra-Zeit abzuschneiden
und, gebotener Ersparnisse willen, überflüssiges Räderwerk
eingehen zu lassen, da warf man in der "gouvernemen-
talen" Presse mit "Weltverbesserer" um sich, die
nicht einmal den heiligen Hain des katholischen Kollegiums
in Ruhe lassen können. Die offizielle Antwort auf den
ungelegenen Revisionsanzug wird im Brachmonat erfolgen.

Revisionswind weht in der eidgenössischen Politik: die
Grütlianer und die Sozialdemokraten sind taub wegen dem
berüchtigten Bundeszirkular in Sachen der Fremdenpolizei
und wegen der Abweisung ihrer bezüglichen Petitionen
um Zurücknahme des Zirkulars. Sie drohen ernstlich mit
Unterschriftensammlung behufs Revision der Bundesver-
fassung. Diese Leute haben wahrlich nicht den ungeeignet-
sten Zeitpunkt für ihre Vorhaben gewählt: auch die Ka-
tholiken sind in gegenwärtigem Momente tief verstimmt
über ihre Behandlung durch die Herren in Bern. Die
Verfassung von 1874 ist bekanntlich auf dem Rücken der
Katholiken geschmiedet worden und konnte deßalb deren
Zuneigung nie gewinnen. Als das Werk eines selbst-
süchtigen, in seinen Tendenzen bornirten Liberalismus
war sie nie berufen, eine Rolle von großer Dauer zu
spielen. Schon zeigt sich an ihr das Veraltete, aus der
Mode gekommene. Sie trägt die Kappe der kleinlichen
Parteibeschränktheit bis unter die Ohren, verräth die Ge-
legenheitsmache -- kurz alle Züge des jetzt, nach 15
Jahren, bereits der Lächerlichkeit anheimgefallenen Kultur-
kampfes
. Unter ihrem Nachtschatten sind nun in letzter
Zeit die konfessionellen Rekurse (Mariahilf- und Lichten-
steiger Rekurs) abgewickelt worden. Man hat beide Fälle
"um des konfessionellen Friedens willen" gegen die Ka-
tholiken entschieden! So fügt man zum Schaden noch
die bitterste Ironie, vielleicht ohne es zu fühlen. Staats-
rath Pedrazzini sagte jüngst im Großen Rathe: "Sicherlich
ist der konfessionelle Friede höchst wünschenswerth; wann
ist er aber eine republikanische Tugend? Einzig dann,
wann er neben der Toleranz gegen alle Kon-
fessionen
und ihrer freien und friedlichen Entwicklung
blüht. Eine Religion unterdrücken um des religiösen
Friedens willen, ist ein fixirter Widerspruch; es ist dies
etwas Abscheuliches, es ist Tyrannei und nicht Freiheit."
Werden nun die beiden genannten Fragen endgültig zu
Ungunsten der katholischen Minorität abgethan, so wird
vielleicht die Richtung der innern Politik der Schweiz davon
abhangen. Die Katholiken wissen dann, daß für sie von
den Bundesbehörden keine Gerechtigkeit zu erhoffen ist.
Sie werden an's Volk appelliren und zu den weitgehend-
[Spaltenumbruch] sten demokratischen Reformen die Hand bieten und ihr
Feldgeschrei mit dem der Grünlianer vereinen: Bundes-
verfassungsrevision und Wahl des Bundesrathes durch das
Volk!

Das ist aber noch nicht die ganze Revisions-Erbschaft,
welche das Jahr 1888 seinem Nachfolger hinterläßt: eine
liberal-demokratische Versammlung hat am Ste-
phanstage in Wyl die Anhandnahme einer Totalrevision
der st. gallischen Kantonsverfassung beschlossen und
damit man wisse, was die Partei will, hat sie gleichzeitig
ein ausführliches Programm ihrer Revisionsbegehren ver-
öffentlicht. Die st. gollischen "Liberaldemokraten" haben
sich mit diesem Schritt offen in Gegensatz zur liberalen
Großrathsfraktion gestellt, welche bekanntlich im November
sich gegen eine Verfassungsrevision ausgesprochen. Noch
wäre es verfrüht, sich auf eine Einzelbesprechung des
Wyler Programms einzulassen, bevor auf konservativer
Seite das entscheidende Wort über Sein oder Nichtsein
gefallen ist. Das aber dürfen wir jetzt schon bemerken,
daß, soweit das Volk in Betracht kommt, -- und das
hat bei einer Verfassungsabänderung denn doch auch ein
Wörtchen mitzusprechen -- von konservativer Seite aus nur
eine Compagne unternommen werden darf, die uns aus
den Schulden hinaus und nicht in noch höhere Steuern
hineinrevidirt,
wie es das liberaldemokratische Pro-
gramm thun würde. -- Auch die Schulartikel dieses
Programms sind derart gefaßt, daß wir sie nicht anders,
denn als schwach maskirter Uebergang zur rein konfessions-
losen Schule verstehen können. Unsere verehrliche Kollegin
"Ostschweiz" ist freilich ganz beruhigt dabei, dieses
konservative Organ ist überhaupt rasch beim Worte, wie
es sich jüngst bei der Wahl eines Bundesrathes, in Sachen
der Annahme des eidgen. Schuldentriebgesetzes, der Mili-
tärzentralisation etc. gezeigt. Die "Ostschweiz" hälts wahr-
scheinlich mit dem französischen Liede:

"Wenn man nicht hat, was man liebt,
Muß man lieben was man hat."

Und nun kommen zu guter Letz auch noch die kon-
servativen
Heerführer in St. Gallen und Großraths-
mitglieder und stoßen in's Revisionshorn, daß es weit hinaus-
klingt in's Land. Fürwahr, wenn das Alles in Frucht
aufgeht, was jetzt von revisionslustigen Versammlungen
gesäet ist, wird das Jahr 1889 ein Revisionsjahr werden,
wie das Jahr 1789 ein Revolutionsjahr gewesen.

Wir zweifeln nicht, daß die konservativen Führer mit
vollem Vorbedacht, nach reiflicher Ueberlegung und Er-
forschung der Situation zur Aktion schreiten. Ein Re-
visionsfeldzug im Kanton St. Gallen ist fürwahr kein
Vergnügungsbummel und liegt eine große Verantwort-
lichkeit auf den Urhebern des Unterfangens. Dieses läßt
sich in unserem Kanton nur unter zähem Widerstande
durchführen, und der Enderfolg für unsere Partei ist
unter obwaltender Verhältnisse stets ein negativer, oder
aber von Gegenleistungen abhängig, die vielleicht die Ge-
winnchancen wieder aufheben.

Die "liberal-demokratischen" Programmatiker vermögen
aus sich nichts, und wenn sie noch das längere Revisions-
programm in die Welt hinausschleudern: wer keine Hand
hat, kann keine Faust machen. Aber im vereinten Kampfe
mit der konservativen Partei, geeinigt auf ein einheitliches
Programm, vermögen sie gegen die altliberale Sesselpartei
eine Verfassungsabänderung durchzuführen.

Die wichtigste Frage ist natürlich die: wie wird sich
das Volk, die breite Masse der stimmfähigen Bürger zur
Revision stellen? Die Antwort hängt davon ab, was
man ihm bietet. Man vergesse aber nie, daß der "ge-
meine Mann" mehr materiell als ideal gesinnt und ge-
stimmt ist. Die richtige Stimmung aber muß im Volke
vorhanden ein, sonst geht's schief. "Ist keine Stimmung
im Volke vorhanden", sagt der Pfarrer Majunke, der frü-
here Redaktor der Berliner "Germania", "so nützt alle
Agitation nichts".

Und wenn zur Zeit der altrömischen Republik der
Senat feierlich seine Sitzungen begann, lautete die Er-
öffnungsformel: Quod felix, faustum, fortunatum sit,
d. h. was glücklich von statten gehen möge. -- Das ist
auch der Segenswunsch des "Volksblattes" zur Eröffnung
der Revisionskampagne.




Eidgenössisches.

-- Schuhmacherkurse finden im Laufe des Januars
in Bern, Burgdorf, Zofingen, Altdorf und den 4. Febr.
in Aarau statt. Willisau, Rheineck und St. Gallen haben
ebenfalls Fachkurse in Aussicht genommen.


[Spaltenumbruch]
-- Eidgen. Amt für geistiges Eigenthum.

Bis
zum Schlusse des verflossenen Jahres, also nach sechs-
wöchentlicher Thätigkeit, betrug die Zahl der ertheilten
Patente 456, also nahezu 300 mehr, als man in Aus-
sicht genommen hatte.

-- Aus der eidgen. Volkszählung.

Kanton Schwyz
50,396 Einwohner (im Jahre 1880 51,235). Kanton
Solothurn 85,783 (80,362). Halbkanton Baselstadt
74,024 (65,101). Appenzell I.-Rh. 12,006 (12,841).
Graubünden 96,291 (94,991). Kanton Genf 107,000
(101,633).

Gesammtbevölkerung der Schweiz (Verifikation
vorbehalten) 2,936,000. Vermehrung ca. 90,000. Bei
der Zählung vom 1. Dezember 1880 waren es 2,846,102.
Darunter gehörten 71,3 % der deutschen, 21,4 % der
französischen, 5,7 % der italienischen, 1,4 % der romani-
schen Sprache und 0,2 % andern Sprachen an.

Zunahme der Volkszahl zeigen die Kantone Zürich,
Bern, Luzern, Zug, Freiburg, Solothurn, Baselstadt und
Baselland, Appenzell A.-Rh, Zürich (am meisten Zunahme),
St. Gallen, Graubünden, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis,
Neuenburg und Genf; die übrigen 61/2 Kantone zeigen
Verminderung.




St. Gallisches.
Außerordentliche Session des Großen
Rathes.


(Schluß.)

Gemeindammann Schubiger findet, sonst habe man
so weitgreifende finanzielle Fragen ganz in Muße be-
handelt. Warum nicht auch diese. In erster Linie ist
der Regierungsrath hieran schuld. Die Sache war s. Z.
schon reif zum Abschluß und zwar zu Gunsten von Ober-
kirch. Dann plößlich schlug der Wind wieder um. Hr.
Zollikofer trieb Hrn. Gohl zu weit in die Diskussion, und
zwar mit Gründen, die tendenziös erschienen; deßhalb
wurde die Aufregung in's Volk getragen. Oberkirch ist
denn doch kein Freudenberg an Größe.

Verwundert sich fast, daß man in letzter Sitzung der
Finanzfrage so wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es liegt
noch kein Finanzprogramm vor, und da herrscht alle Un-
klarheit. Die Bauten kann man jetzt ganz genau voraus
berechnen, so weit ist man technisch schon vorgeschritten.
Jeder Privatier oder auch jede Gesellschaft will wissen,
vor sie baut, wie theuer die Bauten kommen.

Um zu bauen, müssen wir wissen, wie und wie groß
bauen. Ein Asyl oder ein Spital bauen, ist nicht das
Nämliche. Namentlich soll auch noch die Frage studirt
werden, ob nicht gänzliche Trennung in Aussicht zu neh-
men sei; ca. 700 Kranke an einem und dem nämlichen
Orte zusammenzubringen, das sei zu viel Elend an einem
Orte. Redner stützt sich dabei auf ärztliche Autoritäten.
Beim Pavillonsystem kann man ganz gut mehrere kleinere
Anstalten ohne erhebliche Mehrkosten erstellen. Man sollte
nicht für mehr als 300 Personen ein Asyl bauen, denn
in eine solche Anstalt kommen nur Leute, die nicht mehr
denken, einst wieder in die menschliche Gesellschaft zurück-
zukehren. Wenn man aber nicht zu groß bauen will,
muß selbst Herr Zollikofer für Oberkirch einstehen.

Ist für Zurückkommen und Lokalbesichtigung. Wünscht,
daß das Jahr nicht so kriegerisch fortfahre, wie es begonnen.

Herr Künzle glaubt, die Aufregung im Linthgebiet
sei nicht direkt nach dem Beschlusse vom 23. November
schon dagewesen. Altstätten hat sich unterzogen und wollte
so viel leisten.

Im Sinne der Verfassung liegt es nicht, ohne zwin-
gende Gründe auf diesem Wege außerordentliche Sitzungen
zusammen zu trommeln. So ist der Artikel allerdings
dem Buchstaben nach brauchbar, aber nicht im Sinn und
Geiste der Verfassung. Art. 54 sagt, daß der Regierungs-
rath nach dem Eide verpflichtet ist, jeden Großraths-Be-
schluß sofort zu vollziehen. Es liegt auch keine Bestim-
mung vor, die irgendwo sagt, innert welcher Frist solche
Begehren gestellt werden müssen. Böser Wille gegen die
Linthgegend liegt nicht vor. Sollte etwa in Wyl nicht
auch Verstimmung herrschen, wenn man den frühern Be-
schluß aufhöbe? Beantragt Abweisung des Initiativ-
begehrens.

Dr. Jung hätte gerne eine Botschaft des Regierungs-
rathes für diese außerordentliche Sitzung ausgearbeitet
gesehen. Stellt einfach die Frage: Liegen neue Gründe
vor, die ein Zurückkommen erfordern? Und antwortet
kurz: Nein!


St. Galler Volksblatt.
Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald.

[Spaltenumbruch]
34. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch, den 9. Januar 1889.



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Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages
in der Druckerei abgegeben ſind.


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No. 3.

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Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten-
bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt.
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und
Samſtag.
Alle Samſtage mit den „Linth-Blättern“.




[Spaltenumbruch]
1889 ein Reviſionsjahr?

Künftige Ereigniſſe werfen ihren Schatten voraus.
(Campell.)

Roch in den Scheideſtunden des Jahres 1888 zuckten
an ganz verſchiedenen Punkten des politiſchen Horizontes
Lichtblitze auf, die als Vorläufer für Ereigniſſe des neu
aufdämmernden Jahres 1889 gelten können. Die Luft
iſt mit Elektrizität angefüllt; es wetterleuchtet; kündet’s
Sturm an im Lande Winkelried’s — Reviſionsſturm?

In der That „Reviſion!“ iſt die Parole für’s
Jahr 1889, und die Gelegenheit für reviſionsluſtige und
weltverbeſſerliche Eidgenoſſen läßt ſich jetzt ſo günſtig an,
daß ſie Gefahr laufen, wie Buridan’s Eſel zwiſchen zwei
feſten Bündeln Heu aus lauter Wahlfreiheit zu verhun-
gern. —

Das Jahr 1888 wäre eigentlich in aller Ruhe aus
Abſchied und Traktanden gefallen und könnte im Ozean
der Vergangenheit das verdiente otium cum dignitate
genießen wie penſionirte Miniſter und Feldmarſchälle,
wenn es nicht ſeinem Nachfolger das problematiſche Erbe
von einer ſchönen Zahl Reviſionsprogrammen hinterließe.
Reviſionen ſind eigentlich Schulden, die von der lebenden
Generation abzuzahlen ſind, oder, als Paſſivpoſten auf
die folgende Generation übergehen. Revifionen ſind zwar
keine Revolutionen, aber doch auch keine St. Galler
Schüblinge oder Oberländer Birnweken.

In der letzten Sommerſitzung des katholiſchen Kol-
legiums wurde zwar nicht ein förmliches Reviſionsbegehren
geſtellt, aber doch das Begehren der Begutachtung der
Frage einer Reviſion der katholiſchen Organiſation. Re-
viſionsluft weht auch in dieſem ſonſt ſo harmloſen ge-
miſchten Kreiſe von geiſtlichen und weltlichen Kirchenvätern,
wo man das Beſtehende geduldig bis auf den Barok-
und Roccoccoſtyl zurück fortvegetiren läßt. Als man da
merkte, daß es darauf abgeſehen ſein könnte, mit der
Zeit und ihren Aenderungen Schritt zu halten, um Altes
mit ihr in Einklang zu bringen, allfällige Zöpfchen aus
der Hungerbühler’ſchen Jus-circa-sacra-Zeit abzuſchneiden
und, gebotener Erſparniſſe willen, überflüſſiges Räderwerk
eingehen zu laſſen, da warf man in der „gouvernemen-
talen“ Preſſe mit „Weltverbeſſerer“ um ſich, die
nicht einmal den heiligen Hain des katholiſchen Kollegiums
in Ruhe laſſen können. Die offizielle Antwort auf den
ungelegenen Reviſionsanzug wird im Brachmonat erfolgen.

Reviſionswind weht in der eidgenöſſiſchen Politik: die
Grütlianer und die Sozialdemokraten ſind taub wegen dem
berüchtigten Bundeszirkular in Sachen der Fremdenpolizei
und wegen der Abweiſung ihrer bezüglichen Petitionen
um Zurücknahme des Zirkulars. Sie drohen ernſtlich mit
Unterſchriftenſammlung behufs Reviſion der Bundesver-
faſſung. Dieſe Leute haben wahrlich nicht den ungeeignet-
ſten Zeitpunkt für ihre Vorhaben gewählt: auch die Ka-
tholiken ſind in gegenwärtigem Momente tief verſtimmt
über ihre Behandlung durch die Herren in Bern. Die
Verfaſſung von 1874 iſt bekanntlich auf dem Rücken der
Katholiken geſchmiedet worden und konnte deßalb deren
Zuneigung nie gewinnen. Als das Werk eines ſelbſt-
ſüchtigen, in ſeinen Tendenzen bornirten Liberalismus
war ſie nie berufen, eine Rolle von großer Dauer zu
ſpielen. Schon zeigt ſich an ihr das Veraltete, aus der
Mode gekommene. Sie trägt die Kappe der kleinlichen
Parteibeſchränktheit bis unter die Ohren, verräth die Ge-
legenheitsmache — kurz alle Züge des jetzt, nach 15
Jahren, bereits der Lächerlichkeit anheimgefallenen Kultur-
kampfes
. Unter ihrem Nachtſchatten ſind nun in letzter
Zeit die konfeſſionellen Rekurſe (Mariahilf- und Lichten-
ſteiger Rekurs) abgewickelt worden. Man hat beide Fälle
„um des konfeſſionellen Friedens willen“ gegen die Ka-
tholiken entſchieden! So fügt man zum Schaden noch
die bitterſte Ironie, vielleicht ohne es zu fühlen. Staats-
rath Pedrazzini ſagte jüngſt im Großen Rathe: „Sicherlich
iſt der konfeſſionelle Friede höchſt wünſchenswerth; wann
iſt er aber eine republikaniſche Tugend? Einzig dann,
wann er neben der Toleranz gegen alle Kon-
feſſionen
und ihrer freien und friedlichen Entwicklung
blüht. Eine Religion unterdrücken um des religiöſen
Friedens willen, iſt ein fixirter Widerſpruch; es iſt dies
etwas Abſcheuliches, es iſt Tyrannei und nicht Freiheit.“
Werden nun die beiden genannten Fragen endgültig zu
Ungunſten der katholiſchen Minorität abgethan, ſo wird
vielleicht die Richtung der innern Politik der Schweiz davon
abhangen. Die Katholiken wiſſen dann, daß für ſie von
den Bundesbehörden keine Gerechtigkeit zu erhoffen iſt.
Sie werden an’s Volk appelliren und zu den weitgehend-
[Spaltenumbruch] ſten demokratiſchen Reformen die Hand bieten und ihr
Feldgeſchrei mit dem der Grünlianer vereinen: Bundes-
verfaſſungsreviſion und Wahl des Bundesrathes durch das
Volk!

Das iſt aber noch nicht die ganze Reviſions-Erbſchaft,
welche das Jahr 1888 ſeinem Nachfolger hinterläßt: eine
liberal-demokratiſche Verſammlung hat am Ste-
phanstage in Wyl die Anhandnahme einer Totalreviſion
der ſt. galliſchen Kantonsverfaſſung beſchloſſen und
damit man wiſſe, was die Partei will, hat ſie gleichzeitig
ein ausführliches Programm ihrer Reviſionsbegehren ver-
öffentlicht. Die ſt. golliſchen „Liberaldemokraten“ haben
ſich mit dieſem Schritt offen in Gegenſatz zur liberalen
Großrathsfraktion geſtellt, welche bekanntlich im November
ſich gegen eine Verfaſſungsreviſion ausgeſprochen. Noch
wäre es verfrüht, ſich auf eine Einzelbeſprechung des
Wyler Programms einzulaſſen, bevor auf konſervativer
Seite das entſcheidende Wort über Sein oder Nichtſein
gefallen iſt. Das aber dürfen wir jetzt ſchon bemerken,
daß, ſoweit das Volk in Betracht kommt, — und das
hat bei einer Verfaſſungsabänderung denn doch auch ein
Wörtchen mitzuſprechen — von konſervativer Seite aus nur
eine Compagne unternommen werden darf, die uns aus
den Schulden hinaus und nicht in noch höhere Steuern
hineinrevidirt,
wie es das liberaldemokratiſche Pro-
gramm thun würde. — Auch die Schulartikel dieſes
Programms ſind derart gefaßt, daß wir ſie nicht anders,
denn als ſchwach maskirter Uebergang zur rein konfeſſions-
loſen Schule verſtehen können. Unſere verehrliche Kollegin
„Oſtſchweiz“ iſt freilich ganz beruhigt dabei, dieſes
konſervative Organ iſt überhaupt raſch beim Worte, wie
es ſich jüngſt bei der Wahl eines Bundesrathes, in Sachen
der Annahme des eidgen. Schuldentriebgeſetzes, der Mili-
tärzentraliſation ꝛc. gezeigt. Die „Oſtſchweiz“ hälts wahr-
ſcheinlich mit dem franzöſiſchen Liede:

„Wenn man nicht hat, was man liebt,
Muß man lieben was man hat.“

Und nun kommen zu guter Letz auch noch die kon-
ſervativen
Heerführer in St. Gallen und Großraths-
mitglieder und ſtoßen in’s Reviſionshorn, daß es weit hinaus-
klingt in’s Land. Fürwahr, wenn das Alles in Frucht
aufgeht, was jetzt von reviſionsluſtigen Verſammlungen
geſäet iſt, wird das Jahr 1889 ein Reviſionsjahr werden,
wie das Jahr 1789 ein Revolutionsjahr geweſen.

Wir zweifeln nicht, daß die konſervativen Führer mit
vollem Vorbedacht, nach reiflicher Ueberlegung und Er-
forſchung der Situation zur Aktion ſchreiten. Ein Re-
viſionsfeldzug im Kanton St. Gallen iſt fürwahr kein
Vergnügungsbummel und liegt eine große Verantwort-
lichkeit auf den Urhebern des Unterfangens. Dieſes läßt
ſich in unſerem Kanton nur unter zähem Widerſtande
durchführen, und der Enderfolg für unſere Partei iſt
unter obwaltender Verhältniſſe ſtets ein negativer, oder
aber von Gegenleiſtungen abhängig, die vielleicht die Ge-
winnchancen wieder aufheben.

Die „liberal-demokratiſchen“ Programmatiker vermögen
aus ſich nichts, und wenn ſie noch das längere Reviſions-
programm in die Welt hinausſchleudern: wer keine Hand
hat, kann keine Fauſt machen. Aber im vereinten Kampfe
mit der konſervativen Partei, geeinigt auf ein einheitliches
Programm, vermögen ſie gegen die altliberale Seſſelpartei
eine Verfaſſungsabänderung durchzuführen.

Die wichtigſte Frage iſt natürlich die: wie wird ſich
das Volk, die breite Maſſe der ſtimmfähigen Bürger zur
Reviſion ſtellen? Die Antwort hängt davon ab, was
man ihm bietet. Man vergeſſe aber nie, daß der „ge-
meine Mann“ mehr materiell als ideal geſinnt und ge-
ſtimmt iſt. Die richtige Stimmung aber muß im Volke
vorhanden ein, ſonſt geht’s ſchief. „Iſt keine Stimmung
im Volke vorhanden“, ſagt der Pfarrer Majunke, der frü-
here Redaktor der Berliner „Germania“, „ſo nützt alle
Agitation nichts“.

Und wenn zur Zeit der altrömiſchen Republik der
Senat feierlich ſeine Sitzungen begann, lautete die Er-
öffnungsformel: Quod felix, faustum, fortunatum sit,
d. h. was glücklich von ſtatten gehen möge. — Das iſt
auch der Segenswunſch des „Volksblattes“ zur Eröffnung
der Reviſionskampagne.




Eidgenöſſiſches.

Schuhmacherkurſe finden im Laufe des Januars
in Bern, Burgdorf, Zofingen, Altdorf und den 4. Febr.
in Aarau ſtatt. Willisau, Rheineck und St. Gallen haben
ebenfalls Fachkurſe in Ausſicht genommen.


[Spaltenumbruch]
Eidgen. Amt für geiſtiges Eigenthum.

Bis
zum Schluſſe des verfloſſenen Jahres, alſo nach ſechs-
wöchentlicher Thätigkeit, betrug die Zahl der ertheilten
Patente 456, alſo nahezu 300 mehr, als man in Aus-
ſicht genommen hatte.

Aus der eidgen. Volkszählung.

Kanton Schwyz
50,396 Einwohner (im Jahre 1880 51,235). Kanton
Solothurn 85,783 (80,362). Halbkanton Baſelſtadt
74,024 (65,101). Appenzell I.-Rh. 12,006 (12,841).
Graubünden 96,291 (94,991). Kanton Genf 107,000
(101,633).

Geſammtbevölkerung der Schweiz (Verifikation
vorbehalten) 2,936,000. Vermehrung ca. 90,000. Bei
der Zählung vom 1. Dezember 1880 waren es 2,846,102.
Darunter gehörten 71,3 % der deutſchen, 21,4 % der
franzöſiſchen, 5,7 % der italieniſchen, 1,4 % der romani-
ſchen Sprache und 0,2 % andern Sprachen an.

Zunahme der Volkszahl zeigen die Kantone Zürich,
Bern, Luzern, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſelſtadt und
Baſelland, Appenzell A.-Rh, Zürich (am meiſten Zunahme),
St. Gallen, Graubünden, Thurgau, Teſſin, Waadt, Wallis,
Neuenburg und Genf; die übrigen 6½ Kantone zeigen
Verminderung.




St. Galliſches.
Außerordentliche Seſſion des Großen
Rathes.


(Schluß.)

Gemeindammann Schubiger findet, ſonſt habe man
ſo weitgreifende finanzielle Fragen ganz in Muße be-
handelt. Warum nicht auch dieſe. In erſter Linie iſt
der Regierungsrath hieran ſchuld. Die Sache war ſ. Z.
ſchon reif zum Abſchluß und zwar zu Gunſten von Ober-
kirch. Dann plößlich ſchlug der Wind wieder um. Hr.
Zollikofer trieb Hrn. Gohl zu weit in die Diskuſſion, und
zwar mit Gründen, die tendenziös erſchienen; deßhalb
wurde die Aufregung in’s Volk getragen. Oberkirch iſt
denn doch kein Freudenberg an Größe.

Verwundert ſich faſt, daß man in letzter Sitzung der
Finanzfrage ſo wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt. Es liegt
noch kein Finanzprogramm vor, und da herrſcht alle Un-
klarheit. Die Bauten kann man jetzt ganz genau voraus
berechnen, ſo weit iſt man techniſch ſchon vorgeſchritten.
Jeder Privatier oder auch jede Geſellſchaft will wiſſen,
vor ſie baut, wie theuer die Bauten kommen.

Um zu bauen, müſſen wir wiſſen, wie und wie groß
bauen. Ein Aſyl oder ein Spital bauen, iſt nicht das
Nämliche. Namentlich ſoll auch noch die Frage ſtudirt
werden, ob nicht gänzliche Trennung in Ausſicht zu neh-
men ſei; ca. 700 Kranke an einem und dem nämlichen
Orte zuſammenzubringen, das ſei zu viel Elend an einem
Orte. Redner ſtützt ſich dabei auf ärztliche Autoritäten.
Beim Pavillonſyſtem kann man ganz gut mehrere kleinere
Anſtalten ohne erhebliche Mehrkoſten erſtellen. Man ſollte
nicht für mehr als 300 Perſonen ein Aſyl bauen, denn
in eine ſolche Anſtalt kommen nur Leute, die nicht mehr
denken, einſt wieder in die menſchliche Geſellſchaft zurück-
zukehren. Wenn man aber nicht zu groß bauen will,
muß ſelbſt Herr Zollikofer für Oberkirch einſtehen.

Iſt für Zurückkommen und Lokalbeſichtigung. Wünſcht,
daß das Jahr nicht ſo kriegeriſch fortfahre, wie es begonnen.

Herr Künzle glaubt, die Aufregung im Linthgebiet
ſei nicht direkt nach dem Beſchluſſe vom 23. November
ſchon dageweſen. Altſtätten hat ſich unterzogen und wollte
ſo viel leiſten.

Im Sinne der Verfaſſung liegt es nicht, ohne zwin-
gende Gründe auf dieſem Wege außerordentliche Sitzungen
zuſammen zu trommeln. So iſt der Artikel allerdings
dem Buchſtaben nach brauchbar, aber nicht im Sinn und
Geiſte der Verfaſſung. Art. 54 ſagt, daß der Regierungs-
rath nach dem Eide verpflichtet iſt, jeden Großraths-Be-
ſchluß ſofort zu vollziehen. Es liegt auch keine Beſtim-
mung vor, die irgendwo ſagt, innert welcher Friſt ſolche
Begehren geſtellt werden müſſen. Böſer Wille gegen die
Linthgegend liegt nicht vor. Sollte etwa in Wyl nicht
auch Verſtimmung herrſchen, wenn man den frühern Be-
ſchluß aufhöbe? Beantragt Abweiſung des Initiativ-
begehrens.

Dr. Jung hätte gerne eine Botſchaft des Regierungs-
rathes für dieſe außerordentliche Sitzung ausgearbeitet
geſehen. Stellt einfach die Frage: Liegen neue Gründe
vor, die ein Zurückkommen erfordern? Und antwortet
kurz: Nein!


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[1/0001] St. Galler Volksblatt. Obligatoriſches Publikationsmittel der Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil und Gommiswald. 34. Jahrgang. (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) Mittwoch, den 9. Januar 1889. Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30 Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5. —, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40 Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. — „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50 Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können nur jene Inſerate berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabetages in der Druckerei abgegeben ſind. No. 3. Inſertionsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten- bureaux: Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts. Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Brief- marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch und Samſtag. Alle Samſtage mit den „Linth-Blättern“. 1889 ein Reviſionsjahr? Künftige Ereigniſſe werfen ihren Schatten voraus. (Campell.) Roch in den Scheideſtunden des Jahres 1888 zuckten an ganz verſchiedenen Punkten des politiſchen Horizontes Lichtblitze auf, die als Vorläufer für Ereigniſſe des neu aufdämmernden Jahres 1889 gelten können. Die Luft iſt mit Elektrizität angefüllt; es wetterleuchtet; kündet’s Sturm an im Lande Winkelried’s — Reviſionsſturm? In der That „Reviſion!“ iſt die Parole für’s Jahr 1889, und die Gelegenheit für reviſionsluſtige und weltverbeſſerliche Eidgenoſſen läßt ſich jetzt ſo günſtig an, daß ſie Gefahr laufen, wie Buridan’s Eſel zwiſchen zwei feſten Bündeln Heu aus lauter Wahlfreiheit zu verhun- gern. — Das Jahr 1888 wäre eigentlich in aller Ruhe aus Abſchied und Traktanden gefallen und könnte im Ozean der Vergangenheit das verdiente otium cum dignitate genießen wie penſionirte Miniſter und Feldmarſchälle, wenn es nicht ſeinem Nachfolger das problematiſche Erbe von einer ſchönen Zahl Reviſionsprogrammen hinterließe. Reviſionen ſind eigentlich Schulden, die von der lebenden Generation abzuzahlen ſind, oder, als Paſſivpoſten auf die folgende Generation übergehen. Revifionen ſind zwar keine Revolutionen, aber doch auch keine St. Galler Schüblinge oder Oberländer Birnweken. In der letzten Sommerſitzung des katholiſchen Kol- legiums wurde zwar nicht ein förmliches Reviſionsbegehren geſtellt, aber doch das Begehren der Begutachtung der Frage einer Reviſion der katholiſchen Organiſation. Re- viſionsluft weht auch in dieſem ſonſt ſo harmloſen ge- miſchten Kreiſe von geiſtlichen und weltlichen Kirchenvätern, wo man das Beſtehende geduldig bis auf den Barok- und Roccoccoſtyl zurück fortvegetiren läßt. Als man da merkte, daß es darauf abgeſehen ſein könnte, mit der Zeit und ihren Aenderungen Schritt zu halten, um Altes mit ihr in Einklang zu bringen, allfällige Zöpfchen aus der Hungerbühler’ſchen Jus-circa-sacra-Zeit abzuſchneiden und, gebotener Erſparniſſe willen, überflüſſiges Räderwerk eingehen zu laſſen, da warf man in der „gouvernemen- talen“ Preſſe mit „Weltverbeſſerer“ um ſich, die nicht einmal den heiligen Hain des katholiſchen Kollegiums in Ruhe laſſen können. Die offizielle Antwort auf den ungelegenen Reviſionsanzug wird im Brachmonat erfolgen. Reviſionswind weht in der eidgenöſſiſchen Politik: die Grütlianer und die Sozialdemokraten ſind taub wegen dem berüchtigten Bundeszirkular in Sachen der Fremdenpolizei und wegen der Abweiſung ihrer bezüglichen Petitionen um Zurücknahme des Zirkulars. Sie drohen ernſtlich mit Unterſchriftenſammlung behufs Reviſion der Bundesver- faſſung. Dieſe Leute haben wahrlich nicht den ungeeignet- ſten Zeitpunkt für ihre Vorhaben gewählt: auch die Ka- tholiken ſind in gegenwärtigem Momente tief verſtimmt über ihre Behandlung durch die Herren in Bern. Die Verfaſſung von 1874 iſt bekanntlich auf dem Rücken der Katholiken geſchmiedet worden und konnte deßalb deren Zuneigung nie gewinnen. Als das Werk eines ſelbſt- ſüchtigen, in ſeinen Tendenzen bornirten Liberalismus war ſie nie berufen, eine Rolle von großer Dauer zu ſpielen. Schon zeigt ſich an ihr das Veraltete, aus der Mode gekommene. Sie trägt die Kappe der kleinlichen Parteibeſchränktheit bis unter die Ohren, verräth die Ge- legenheitsmache — kurz alle Züge des jetzt, nach 15 Jahren, bereits der Lächerlichkeit anheimgefallenen Kultur- kampfes. Unter ihrem Nachtſchatten ſind nun in letzter Zeit die konfeſſionellen Rekurſe (Mariahilf- und Lichten- ſteiger Rekurs) abgewickelt worden. Man hat beide Fälle „um des konfeſſionellen Friedens willen“ gegen die Ka- tholiken entſchieden! So fügt man zum Schaden noch die bitterſte Ironie, vielleicht ohne es zu fühlen. Staats- rath Pedrazzini ſagte jüngſt im Großen Rathe: „Sicherlich iſt der konfeſſionelle Friede höchſt wünſchenswerth; wann iſt er aber eine republikaniſche Tugend? Einzig dann, wann er neben der Toleranz gegen alle Kon- feſſionen und ihrer freien und friedlichen Entwicklung blüht. Eine Religion unterdrücken um des religiöſen Friedens willen, iſt ein fixirter Widerſpruch; es iſt dies etwas Abſcheuliches, es iſt Tyrannei und nicht Freiheit.“ Werden nun die beiden genannten Fragen endgültig zu Ungunſten der katholiſchen Minorität abgethan, ſo wird vielleicht die Richtung der innern Politik der Schweiz davon abhangen. Die Katholiken wiſſen dann, daß für ſie von den Bundesbehörden keine Gerechtigkeit zu erhoffen iſt. Sie werden an’s Volk appelliren und zu den weitgehend- ſten demokratiſchen Reformen die Hand bieten und ihr Feldgeſchrei mit dem der Grünlianer vereinen: Bundes- verfaſſungsreviſion und Wahl des Bundesrathes durch das Volk! Das iſt aber noch nicht die ganze Reviſions-Erbſchaft, welche das Jahr 1888 ſeinem Nachfolger hinterläßt: eine liberal-demokratiſche Verſammlung hat am Ste- phanstage in Wyl die Anhandnahme einer Totalreviſion der ſt. galliſchen Kantonsverfaſſung beſchloſſen und damit man wiſſe, was die Partei will, hat ſie gleichzeitig ein ausführliches Programm ihrer Reviſionsbegehren ver- öffentlicht. Die ſt. golliſchen „Liberaldemokraten“ haben ſich mit dieſem Schritt offen in Gegenſatz zur liberalen Großrathsfraktion geſtellt, welche bekanntlich im November ſich gegen eine Verfaſſungsreviſion ausgeſprochen. Noch wäre es verfrüht, ſich auf eine Einzelbeſprechung des Wyler Programms einzulaſſen, bevor auf konſervativer Seite das entſcheidende Wort über Sein oder Nichtſein gefallen iſt. Das aber dürfen wir jetzt ſchon bemerken, daß, ſoweit das Volk in Betracht kommt, — und das hat bei einer Verfaſſungsabänderung denn doch auch ein Wörtchen mitzuſprechen — von konſervativer Seite aus nur eine Compagne unternommen werden darf, die uns aus den Schulden hinaus und nicht in noch höhere Steuern hineinrevidirt, wie es das liberaldemokratiſche Pro- gramm thun würde. — Auch die Schulartikel dieſes Programms ſind derart gefaßt, daß wir ſie nicht anders, denn als ſchwach maskirter Uebergang zur rein konfeſſions- loſen Schule verſtehen können. Unſere verehrliche Kollegin „Oſtſchweiz“ iſt freilich ganz beruhigt dabei, dieſes konſervative Organ iſt überhaupt raſch beim Worte, wie es ſich jüngſt bei der Wahl eines Bundesrathes, in Sachen der Annahme des eidgen. Schuldentriebgeſetzes, der Mili- tärzentraliſation ꝛc. gezeigt. Die „Oſtſchweiz“ hälts wahr- ſcheinlich mit dem franzöſiſchen Liede: „Wenn man nicht hat, was man liebt, Muß man lieben was man hat.“ Und nun kommen zu guter Letz auch noch die kon- ſervativen Heerführer in St. Gallen und Großraths- mitglieder und ſtoßen in’s Reviſionshorn, daß es weit hinaus- klingt in’s Land. Fürwahr, wenn das Alles in Frucht aufgeht, was jetzt von reviſionsluſtigen Verſammlungen geſäet iſt, wird das Jahr 1889 ein Reviſionsjahr werden, wie das Jahr 1789 ein Revolutionsjahr geweſen. Wir zweifeln nicht, daß die konſervativen Führer mit vollem Vorbedacht, nach reiflicher Ueberlegung und Er- forſchung der Situation zur Aktion ſchreiten. Ein Re- viſionsfeldzug im Kanton St. Gallen iſt fürwahr kein Vergnügungsbummel und liegt eine große Verantwort- lichkeit auf den Urhebern des Unterfangens. Dieſes läßt ſich in unſerem Kanton nur unter zähem Widerſtande durchführen, und der Enderfolg für unſere Partei iſt unter obwaltender Verhältniſſe ſtets ein negativer, oder aber von Gegenleiſtungen abhängig, die vielleicht die Ge- winnchancen wieder aufheben. Die „liberal-demokratiſchen“ Programmatiker vermögen aus ſich nichts, und wenn ſie noch das längere Reviſions- programm in die Welt hinausſchleudern: wer keine Hand hat, kann keine Fauſt machen. Aber im vereinten Kampfe mit der konſervativen Partei, geeinigt auf ein einheitliches Programm, vermögen ſie gegen die altliberale Seſſelpartei eine Verfaſſungsabänderung durchzuführen. Die wichtigſte Frage iſt natürlich die: wie wird ſich das Volk, die breite Maſſe der ſtimmfähigen Bürger zur Reviſion ſtellen? Die Antwort hängt davon ab, was man ihm bietet. Man vergeſſe aber nie, daß der „ge- meine Mann“ mehr materiell als ideal geſinnt und ge- ſtimmt iſt. Die richtige Stimmung aber muß im Volke vorhanden ein, ſonſt geht’s ſchief. „Iſt keine Stimmung im Volke vorhanden“, ſagt der Pfarrer Majunke, der frü- here Redaktor der Berliner „Germania“, „ſo nützt alle Agitation nichts“. Und wenn zur Zeit der altrömiſchen Republik der Senat feierlich ſeine Sitzungen begann, lautete die Er- öffnungsformel: Quod felix, faustum, fortunatum sit, d. h. was glücklich von ſtatten gehen möge. — Das iſt auch der Segenswunſch des „Volksblattes“ zur Eröffnung der Reviſionskampagne. Eidgenöſſiſches. — Schuhmacherkurſe finden im Laufe des Januars in Bern, Burgdorf, Zofingen, Altdorf und den 4. Febr. in Aarau ſtatt. Willisau, Rheineck und St. Gallen haben ebenfalls Fachkurſe in Ausſicht genommen. — Eidgen. Amt für geiſtiges Eigenthum. Bis zum Schluſſe des verfloſſenen Jahres, alſo nach ſechs- wöchentlicher Thätigkeit, betrug die Zahl der ertheilten Patente 456, alſo nahezu 300 mehr, als man in Aus- ſicht genommen hatte. — Aus der eidgen. Volkszählung. Kanton Schwyz 50,396 Einwohner (im Jahre 1880 51,235). Kanton Solothurn 85,783 (80,362). Halbkanton Baſelſtadt 74,024 (65,101). Appenzell I.-Rh. 12,006 (12,841). Graubünden 96,291 (94,991). Kanton Genf 107,000 (101,633). Geſammtbevölkerung der Schweiz (Verifikation vorbehalten) 2,936,000. Vermehrung ca. 90,000. Bei der Zählung vom 1. Dezember 1880 waren es 2,846,102. Darunter gehörten 71,3 % der deutſchen, 21,4 % der franzöſiſchen, 5,7 % der italieniſchen, 1,4 % der romani- ſchen Sprache und 0,2 % andern Sprachen an. Zunahme der Volkszahl zeigen die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſelſtadt und Baſelland, Appenzell A.-Rh, Zürich (am meiſten Zunahme), St. Gallen, Graubünden, Thurgau, Teſſin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf; die übrigen 6½ Kantone zeigen Verminderung. St. Galliſches. Außerordentliche Seſſion des Großen Rathes. Vom 3. Januar 1889. (Schluß.) Gemeindammann Schubiger findet, ſonſt habe man ſo weitgreifende finanzielle Fragen ganz in Muße be- handelt. Warum nicht auch dieſe. In erſter Linie iſt der Regierungsrath hieran ſchuld. Die Sache war ſ. Z. ſchon reif zum Abſchluß und zwar zu Gunſten von Ober- kirch. Dann plößlich ſchlug der Wind wieder um. Hr. Zollikofer trieb Hrn. Gohl zu weit in die Diskuſſion, und zwar mit Gründen, die tendenziös erſchienen; deßhalb wurde die Aufregung in’s Volk getragen. Oberkirch iſt denn doch kein Freudenberg an Größe. Verwundert ſich faſt, daß man in letzter Sitzung der Finanzfrage ſo wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt. Es liegt noch kein Finanzprogramm vor, und da herrſcht alle Un- klarheit. Die Bauten kann man jetzt ganz genau voraus berechnen, ſo weit iſt man techniſch ſchon vorgeſchritten. Jeder Privatier oder auch jede Geſellſchaft will wiſſen, vor ſie baut, wie theuer die Bauten kommen. Um zu bauen, müſſen wir wiſſen, wie und wie groß bauen. Ein Aſyl oder ein Spital bauen, iſt nicht das Nämliche. Namentlich ſoll auch noch die Frage ſtudirt werden, ob nicht gänzliche Trennung in Ausſicht zu neh- men ſei; ca. 700 Kranke an einem und dem nämlichen Orte zuſammenzubringen, das ſei zu viel Elend an einem Orte. Redner ſtützt ſich dabei auf ärztliche Autoritäten. Beim Pavillonſyſtem kann man ganz gut mehrere kleinere Anſtalten ohne erhebliche Mehrkoſten erſtellen. Man ſollte nicht für mehr als 300 Perſonen ein Aſyl bauen, denn in eine ſolche Anſtalt kommen nur Leute, die nicht mehr denken, einſt wieder in die menſchliche Geſellſchaft zurück- zukehren. Wenn man aber nicht zu groß bauen will, muß ſelbſt Herr Zollikofer für Oberkirch einſtehen. Iſt für Zurückkommen und Lokalbeſichtigung. Wünſcht, daß das Jahr nicht ſo kriegeriſch fortfahre, wie es begonnen. Herr Künzle glaubt, die Aufregung im Linthgebiet ſei nicht direkt nach dem Beſchluſſe vom 23. November ſchon dageweſen. Altſtätten hat ſich unterzogen und wollte ſo viel leiſten. Im Sinne der Verfaſſung liegt es nicht, ohne zwin- gende Gründe auf dieſem Wege außerordentliche Sitzungen zuſammen zu trommeln. So iſt der Artikel allerdings dem Buchſtaben nach brauchbar, aber nicht im Sinn und Geiſte der Verfaſſung. Art. 54 ſagt, daß der Regierungs- rath nach dem Eide verpflichtet iſt, jeden Großraths-Be- ſchluß ſofort zu vollziehen. Es liegt auch keine Beſtim- mung vor, die irgendwo ſagt, innert welcher Friſt ſolche Begehren geſtellt werden müſſen. Böſer Wille gegen die Linthgegend liegt nicht vor. Sollte etwa in Wyl nicht auch Verſtimmung herrſchen, wenn man den frühern Be- ſchluß aufhöbe? Beantragt Abweiſung des Initiativ- begehrens. Dr. Jung hätte gerne eine Botſchaft des Regierungs- rathes für dieſe außerordentliche Sitzung ausgearbeitet geſehen. Stellt einfach die Frage: Liegen neue Gründe vor, die ein Zurückkommen erfordern? Und antwortet kurz: Nein!

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 3, Uznach, 09. 01. 1889, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller3_1889/1>, abgerufen am 21.11.2024.