St. Galler Volksblatt. Nr. 47, Uznach, 14. 06. 1899.Nr. 47 Uznach, Mittwoch den 14. Juni 1899. 44. Jahrgang. St. Galler Volksblatt. Publikations-Organ der Bezirke See und Gaster. Obligatorisch in Uznach, Jona, Gommiswald, St. Gallenkappel, Rapperswil, Schmerikon, Eschenbach, Ernetschwil, Goldingen. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz [Spaltenumbruch] [Abbildung] Telephon. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühr für den Seebezirk und Gaster (ohne Vermittlung der [Spaltenumbruch] Erscheint Mittwoch und Samstag. [Spaltenumbruch] Druck und Verlag von K. Oberholzer's Buchdruckerei, Uznach. [Spaltenumbruch] Wöchentl. Gratisbeilage "Linth-Blätter". [Spaltenumbruch] [Abbildung]
Neu eintretende Abonnenten erhalten das Und der Erfolg? Drei Wochen schon sind sie beisammen Die Herren Vertreter im Haag Und beraten, was wohl für Europa Das Edelste, Beste sein mag. Drei Wochen schon lesen sie Akten Und schreiben und sprechen gar viel, Und doch sind sie nicht einmal einig Ueber s'Wichtigste, über das Ziel. In subtilen Subkommissionen Wird die Sache zergliedert, zerstückt, Und immer ist 's Ende vom Liede: "Uns're Sendung ist heillos verzwickt." "Abrüsten," so heißt wohl der Titel Auf jedweder Instruktion; Doch meint damit jeder den andern, Er selbst will nichts wissen davon. Und glaubt ihr, den Herren Vertretern Stieg die Röte darob zu Gesicht? Bewahre, die schwefeln und faseln Und wursteln und schämen sich nicht. Sie melden, die Welt zu täuschen, Die Beschlüsse seien geheim Und meinen, es gehen dann alle Auf den diplomatischen Leim. Ich glaube, am Ende vom Liede Wird eines bekannt nur der Welt: Es verschlang die Friedensversammlung Umsonst ein schreckliches Geld. Und nachher bleibt's wieder beim Alten, Bei der alten Katzennatur -- Sie heucheln wohl Freundschaft und Frieden, Und im Stillen raubzügeln sie nur. Die nationalste Kirche. [...] Erst durch das Christentum ist der rechte Nationalitätsbegriff Das Wort Nation, National, wird nämlich außer der Kirche Nun, sehe man sich die neuen Kirchen seit der Glaubens- Das verhält sich nun mit der katholischen Kirche ganz Aber auf der ganzen Welt gibt es keine Religion, welche, Wir müssen schließen. Hätten wir streng wissenschaftlich [Spaltenumbruch] Die Bundesversammlung hat in der ersten Woche ihrer Session furchtbar wenig geleistet. Es scheint, daß die Eintreibung der Militärsteuer da und Statt dessen hat uns die eidgenössische Gesetzgebungsmaschine Die Italiener haben während zwei Sitzungen den Nr. 47 Uznach, Mittwoch den 14. Juni 1899. 44. Jahrgang. St. Galler Volksblatt. Publikations-Organ der Bezirke See und Gaſter. Obligatoriſch in Uznach, Jona, Gommiswald, St. Gallenkappel, Rapperswil, Schmerikon, Eſchenbach, Ernetſchwil, Goldingen. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz [Spaltenumbruch] [Abbildung] Telephon. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühr für den Seebezirk und Gaſter (ohne Vermittlung der [Spaltenumbruch] Erſcheint Mittwoch und Samstag. [Spaltenumbruch] Druck und Verlag von K. Oberholzer’s Buchdruckerei, Uznach. [Spaltenumbruch] Wöchentl. Gratisbeilage „Linth-Blätter“. [Spaltenumbruch] [Abbildung]
Neu eintretende Abonnenten erhalten das Und der Erfolg? Drei Wochen ſchon ſind ſie beiſammen Die Herren Vertreter im Haag Und beraten, was wohl für Europa Das Edelſte, Beſte ſein mag. Drei Wochen ſchon leſen ſie Akten Und ſchreiben und ſprechen gar viel, Und doch ſind ſie nicht einmal einig Ueber s’Wichtigſte, über das Ziel. In ſubtilen Subkommiſſionen Wird die Sache zergliedert, zerſtückt, Und immer iſt ’s Ende vom Liede: „Unſ’re Sendung iſt heillos verzwickt.“ „Abrüſten,“ ſo heißt wohl der Titel Auf jedweder Inſtruktion; Doch meint damit jeder den andern, Er ſelbſt will nichts wiſſen davon. Und glaubt ihr, den Herren Vertretern Stieg die Röte darob zu Geſicht? Bewahre, die ſchwefeln und faſeln Und wurſteln und ſchämen ſich nicht. Sie melden, die Welt zu täuſchen, Die Beſchlüſſe ſeien geheim Und meinen, es gehen dann alle Auf den diplomatiſchen Leim. Ich glaube, am Ende vom Liede Wird eines bekannt nur der Welt: Es verſchlang die Friedensverſammlung Umſonſt ein ſchreckliches Geld. Und nachher bleibt’s wieder beim Alten, Bei der alten Katzennatur — Sie heucheln wohl Freundſchaft und Frieden, Und im Stillen raubzügeln ſie nur. Die nationalſte Kirche. […] Erſt durch das Chriſtentum iſt der rechte Nationalitätsbegriff Das Wort Nation, National, wird nämlich außer der Kirche Nun, ſehe man ſich die neuen Kirchen ſeit der Glaubens- Das verhält ſich nun mit der katholiſchen Kirche ganz Aber auf der ganzen Welt gibt es keine Religion, welche, Wir müſſen ſchließen. Hätten wir ſtreng wiſſenſchaftlich [Spaltenumbruch] Die Bundesverſammlung hat in der erſten Woche ihrer Seſſion furchtbar wenig geleiſtet. Es ſcheint, daß die Eintreibung der Militärſteuer da und Statt deſſen hat uns die eidgenöſſiſche Geſetzgebungsmaſchine Die Italiener haben während zwei Sitzungen den <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="1"/> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <docImprint> <docDate><hi rendition="#b">Nr. 47 Uznach,</hi> Mittwoch den 14. Juni 1899. 44. 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Poſt<lb/> jährlich Fr. 5. — Rp., halbjährlich Fr. 2. 60 Rp., vierteljährlich Fr. 1. 40 Rp.<lb/> Für das <hi rendition="#g">Ausland</hi> (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe halbjährlich Fr. 5,<lb/> wöchentlich ein Mal halbjährlich Fr. 3. 50 Rp.</p> </div><lb/> <cb/> <figure/> <div type="jExpedition"> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Telephon.</hi> </hi> </p> </div><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Inſertionsgebühr für den Seebezirk und Gaſter (ohne Vermittlung der<lb/> Inſeratenbureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Rp. —<lb/> Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum<lb/> 15 Rp. Bei Wiederholungen Rabatt. — Inſerate müſſen bis jeweilen ſpäteſtens<lb/> Dienstag und Freitag vormittags 10 Uhr abgegeben werden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Erſcheint Mittwoch</hi> und <hi rendition="#b">Samstag.</hi> </p> </div><lb/> <cb/> <titlePage xml:id="tp1b" prev="#tp1a" type="heading"> <docImprint><hi rendition="#b">Druck</hi> und Verlag von K. Oberholzer’s Buchdruckerei, Uznach.</docImprint> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Wöchentl. Gratisbeilage <hi rendition="#b">„Linth-Blätter“.</hi> </p> </div><lb/> </front> <body> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <div type="jAn" n="2"> <figure/> <p>Neu eintretende Abonnenten erhalten das<lb/> „St. Galler Volksblatt“ bis 1. 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Kirchtumspolitik,<lb/> Ländligeiſt, Dorfpolitik nennt man das im Kleinen, im Großen<lb/> heißt es Chauvinismus. Thatſächlich haben ſich alle Konfeſſionen,<lb/> welche ſich von der katholiſchen Kirche trennten, mit dieſem über-<lb/> triebenen Nationalitätshumbug befaßt, haben die Länderfarben noch<lb/> tiefer gefärbt, die Nachbarn noch mehr gegeneinander gereizt und<lb/> ſind ſogleich zu ſo kleinen und verbiſſenen Parteien geworden,<lb/> daß man bald nicht mehr wußte, ob man ſie nach ihrer Politik<lb/> oder nach ihrem Credo im Religiöſen beurteilen ſolle. Die Ge-<lb/> ſchichte, welche ſeit der Glaubensſpaltung die Blätter des Hiſto-<lb/> rikers füllt, zeigt auf jeder Seite, wie z. B. Luthers, Zwinglis,<lb/> Calvins Lehre in ein politiſches Syſtem auswuchs, und wie der<lb/> Proteſtantismus Frankreichs, Hollands, Schwedens und der deutſchen<lb/> Fürſtentümer ſogleich ein landesfürſtliches, enggeknöpftes Amtskleid<lb/> anziehen mußte, das einer Religion denn doch ſchon dem Begriffe<lb/> nach nicht anſtand. Da haben wir einen Grund, warum die<lb/> katholiſche Kirche die nationalſte aller Kirchen iſt; die anderen<lb/> Kirchen und Kirchlein haben das Wort Nation „verzwergen“,<lb/> verkrüppeln laſſen, indem ſie ihre Konfeſſion an das politiſche<lb/> Syſtem und an die politiſche Kleinlichkeit ihres Fürſtentums ketteten,<lb/> ſtatt umgekehrt das nationale, politiſche Leben an die Größe der<lb/> Religion und an ihre weit umfaſſenderen Bahnen zu gewöhnen.<lb/> Nation iſt der Inbegriff alles deſſen, was einem geſonderten<lb/> Staats- und Volkstum an Kraft, Intereſſen, Unternehmungen,<lb/> Vorzügen, Schwächen, Plänen und Abſichten, an Kunſt, Litte-<lb/> ratur, Gewerbe, Kapital und beſonders auch an heimatlichem<lb/> Boden, worauf das ganze nationale Gebäude abſtellt, eigen und<lb/> eigentümlich iſt. Eine Religion nun — und dies ſoll unſere obigen<lb/> Sätze erklären — kann je nach ihrer Beſchaffenheit dieſen natio-<lb/> nalen Begriff ſtärken und ausbilden oder auch verringern und<lb/> verflachen. Im Weſen des Nationalen liegt die Gefahr zu einer ge-<lb/> wiſſen ſelbſtſüchtigen Abſchließung vor den andern, zu einer gewiſſen<lb/> Einſeitigkeit in den ſtaatlichen Formen, zu einer ungeſunden Aus-<lb/> bildung einzelner Eigentümlichkeiten und ſtaatlichen Formen. Das<lb/> iſt genau dasſelbe wie beim einzelnen Menſchen, dem keine Be-<lb/> rührung und kein Umgang mit anderen Menſchen die Härten und<lb/> Ecken abſchleift und der ſchließlich ein Sonderling wird. Einen<lb/> Sonderling kann ich nun doch nicht für eine beſonders vollkommen<lb/> entwickelte Individualität halten, ſondern für eine Verkrüppelung<lb/> derſelben muß ich ſie notwendig erachten. Auch eine Nation wird<lb/> durch zähe politiſche und formale Verknöcherung nicht nationaler,<lb/> ſondern verbildet.</p><lb/> <p>Nun, ſehe man ſich die neuen Kirchen ſeit der Glaubens-<lb/> trennung an! Ihr Weſen iſt die Trennung, das Abſondern vom<lb/> übrigen, das ſich Zerteilen und Zerſplittern. Die Geburt des Luther-<lb/> tums war ſchon eine ſolche Trennung von der großen Geſamt-<lb/> heit und ſeither hat dasſelbe ſeinen Urſprung nie verleugnet, ſon-<lb/> dern ſich beſtändig durch Zerteilen und Zerſtückeln charakteriſiert.<lb/> Dieſe Teilchen und Stücklein — Sektionen oder Sekten —<lb/> zählen heute nach hunderten, und der lutheriſche Grundſtock iſt<lb/><cb/> jämmerlich zuſammengeſchmolzen. Genau ſo verhält es ſich bei<lb/> den übrigen Konfeſſionen, ihre weſentliche und hiſtoriſche Tendenz<lb/> heißt Zerſplitterung. Wie kann nun eine ſolche Glaubensform<lb/> den Geiſt einer Nation erweitern, da ihr Geiſt ſich immer ver-<lb/> engert, wie kann ſie ihn ſtärken, da ſie ſich immer mehr abſchwächt,<lb/> wie in großem Rahmen zuſammenhalten, da ſie in immer kleinere<lb/> Partieen zerfällt, wie vertiefen, da ſie von ihren Grundgedanken<lb/> immer mehr preisgibt? Gibt es ein engherzigeres, politiſch reli-<lb/> giöſes Syſtem, als die Hugenotten eines ſchrieben? Wir ehren<lb/> ihre vielfach zu Tage getretenen Tugenden in der Verfolgung,<lb/> wir anerkennen ihr freilich irrendes Bekennertum, wo es in guten<lb/> Treuen handelte, und wir mißbilligen ſehr die damalige gehäſſige<lb/> Staatsraiſon Frankreichs. Aber wir wiederholen, gab es ein eng-<lb/> herzigeres, ſonderlingsmäßigeres, politiſch-religiöſes Stätlein je im<lb/> Staate als dieſes? Die unparteiiſche Geſchichte ſagt nein oder<lb/> — höchſtenfalls noch in den deutſchproteſtantiſchen Fürſtentümern.</p><lb/> <p>Das verhält ſich nun mit der katholiſchen Kirche ganz<lb/> anders. Sie iſt etwas völkerbindendes, allgemeines. Sie iſt De-<lb/> mokratie im ſchönſten Sinne des Wortes, die ihr geringſtes Glied<lb/> zum höchſten befähigt und iſt doch auch vollendete Monarchie, da<lb/> in einheitlicher Harmonie des oberſten Willens alles nach Stufen<lb/> und Rangfolge bis zum Sitze des Papſtes gegliedert und dort<lb/> die Summe der Macht gehäuft iſt. Sonach kann ſich jede Repu-<lb/> blik, jede Monarchie an ıhr Muſter halten. Muſter? Jawohl!<lb/> Denn dies geben unſere Gegner ſelber zu, daß der katholiſche<lb/> Reichsbau, ob mit demokratiſchem oder monarchiſchem Auge be-<lb/> ſehen, eine unvergleichliche Architektonik erzeigt. — Die katholiſche<lb/> Kirche hat auch hohe Ziele, in ihrem Weſen ſteckt nicht die Ten-<lb/> denz der Zerteilung, ſondern der Vereinigung, ihr Gedanke iſt<lb/> nicht das Zerſplittern in kleinſte Sektionen, ſondern das Verbinden<lb/> zum einen, größten Ganzen, jenem großen Ganzen, welches die<lb/> hl. Schrift das <hi rendition="#aq">»omnes unum«</hi> und den <hi rendition="#g">einen Schafſtall</hi><lb/> nennt. Jeder Katholik iſt inſofern Weltbürger und kann der na-<lb/> tionalen Eigenheit wenigſtens nicht ſoweit nachgeben, daß er ihren<lb/> Grillen der Abſonderung folgte. Es treibt auch ſeine Politik,<lb/> ſeine Nationalität auf die weiteſten und edelſten Wege der An-<lb/> paſſung an andere, der Duldung anderer, der gütlichen Vereini-<lb/> gung mit andern. Am Fürſtenſtuhl, an der Lakaienlivree, an der<lb/> ſelbſtſüchtigen Staatsraiſon blieb der Katholizismus nie haften.<lb/> Wollte man ihn dazu zwingen, ſo gab es ernſthaften Krieg mit<lb/> dem Staate, der nicht mehr das Nationale, ſondern das Unnatio-<lb/> nale repräſentierte, ſeitdem er das katholiſche Leitmotiv aus ſeiner<lb/> Geſchichte geriſſen hatte. Warum bekam unſere Kirche ſo manchen<lb/> Krieg mit den Fürſten, mit den Diplomaten, indeſſen der Pro-<lb/> teſtantismus ganz ordentlich auskam? Warum ſtand das Volk<lb/> meiſt auf ihrer Seite? Ich denke mir, die Antwort ſei gegeben.</p><lb/> <p>Aber auf der ganzen Welt gibt es keine Religion, welche,<lb/> indem ſie einerſeits den Mißwachs der Nationalität hindert, ihre<lb/> echte und rechte Ausbildung und Kräftigung ſo ſehr förderte.<lb/> Oder wer pflegt denn mit eiferſüchtigerer Sorge die Familie, als<lb/> ſie! Und aus der Familie entſteht die Völkergemeinde. Wer hebt<lb/> die Ehe ſo hoch, die Pflicht der Subordination, wer hat eine ſo<lb/> tiefe und weiſe theologiſche Ausführung über den Urſprung, Be-<lb/> griff und Umfang der Staats- und Fürſtengewalt in ihr Lehr-<lb/> buch geſchrieben wie ſie? Aber das ſind doch die Säulen einer<lb/> Nation. Wer lehrt präziſer die Pflicht der Steuer, der Reſtitu-<lb/> tion, der gerichtlichen Genauigkeit, wer hält mehr auf den Amts-<lb/> eid und dringt ſchärfer auf die Gebote von Mein und Dein, als<lb/> ſie. Und wie umgibt ſie die Landesbräuche mit ihren Weihen<lb/> vom geſalbten Königshaupt bis zur Ackerſegnung des ärmſten<lb/> Pächters. Weil katholiſch ſo viel wie allgemein, weltbürgerlich<lb/> heißt, kann dieſe Kirche ſich in jede Nation hineinleben, während<lb/> ein deutſches Luthertum eben nur für die deutſche Raſſe — fragt<lb/> mich nicht wie! — erdacht war. Ja, die katholiſche Kirche hält<lb/> die Staatsform, das Gebilde einer Völkerſchaft, das was wir<lb/> Nation heißen, geradezu für eine Wohlthat, eine Gnade des völker-<lb/> beherrſchenden Gottes, und wenn das Volk dies nicht wußte, ſo<lb/> lehrt ſie es, dieſe vaterländiſchen Urteile und Segnungen verſtehen.<lb/><hi rendition="#aq">Pater patriæ</hi> iſt ein Titel, den ſie dem Gotte des Vaterlandes<lb/> erteilt. Im Hinblick auf die ganze Geſchichte eines Volkes, auf<lb/> ſeine Führung durch Sturm und Sonne an Gottes Hand, auf<lb/> ſeine Glorienzeiten, ſeine großen Männer, ſeine von Gott gege-<lb/> benen unerſchöpflichen Hilfsmitteln, auf ſein reiches, glückliches<lb/> Gemüt, ſeine Kunſt, ſeine Lieder, ſeine Schönheiten und Eigen-<lb/> arten, wodurch es ſich in landſchaftlicher und geſellſchaftlicher Be-<lb/> ziehung von anderen unterſcheidet, im Hinblick auf all dies, das<lb/> die Kirche durch ſinnvolle Zeichen und Riten vertieft, kann in<lb/> Wahrheit nur ein Katholik das echte, nationale, vaterländiſche<lb/> Hochgefühl empfinden, jenes Geſühl, das dem Judenvolke unter<lb/> Moſes Stabe einſt ſagte: Du biſt das auserwählte Volk, du biſt<lb/> Jehovas Liebling. Daher war dıe katholiſche Kirche die erſte, die<lb/> offiziell für den Fürſten, für das Vaterland beten ließ, welche<lb/> die Trauer einer Nation mit ihren Bußkleidern und den Jubel<lb/> der Siegreichen mit ihrem <hi rendition="#aq">Te Deum</hi> begleitete.</p><lb/> <p>Wir müſſen ſchließen. Hätten wir ſtreng wiſſenſchaftlich<lb/> vorgehen wollen, ſo müßten wir — und dies wäre leicht —<lb/> noch tiefere und philoſophiſche Gründe ins Feld führen. Aber es<lb/> wird wohl dem Leſer dieſe leichte, ungezwungene Art der Beweiſe<lb/> genügen dürfen. Im übrigen, öffne er das Auge und ſchaue er<lb/> um ſich und betrachte das heutige nationale und internationale<lb/> Völkerſpiel. Wo das nationalſte Kirchentum lebt, wird er dann<lb/> bald einſehen.</p><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Bundesverſammlung</hi> </hi> </hi> </p><lb/> <p>hat in der erſten Woche ihrer Seſſion furchtbar wenig geleiſtet.<lb/> In den Kantonen würde das Volks nicht dulden, daß die Großen<lb/> Räte die Zeit ſo verſchwenden; die Großen Räte nützen übrigens<lb/> die Zeit ſo wie ſo beſſer aus, weil ſie kleinere Sitzungsgelder<lb/> erhalten als die Herren National- und Ständeräte; es drängt<lb/> einem wieder nach Hauſe zu kommen, wenn man ſchlecht bezahlt<lb/> wird. Im Nationalrat findet eine endloſe Beratung ſtatt über<lb/> ein neues Forſtgeſetz; an ſich ein ſehr gutes Geſetz, allein heutzu-<lb/> tage werden nicht ſelten die beſten Abſichten verpfuſcht, für Auf-<lb/> forſtungen kann der reiche Bund kaum jemals genug thun, aber<lb/> anſtatt hiefür energiſch einzutreten, ſoll das Geſetz in eben ſo<lb/> hohem Maße dazu dienen, den Förſtern eidgen. Beſoldungs-<lb/> zulagen zu gewähren. Jeder Arbeiter iſt ſeines Lohnes wert;<lb/> aber es iſt etwas krankhaftes in unſerer Politik, daß ſtetsfort nur<lb/> von Beſoldungserhöhungen die Rede iſt. Gewiß iſt jedem Be-<lb/> amten zu gönnen, wenn er ſeine materielle Lage beſſern kann,<lb/> jedermann ſtrebt darnach. Aber alle dieſe Beſoldungserhöhungen<lb/> muß ſchließlich das Volk bezahlen, die Maſſe des Volkes durch<lb/> die ſchweren Zollſteuern. Heute zahlt jede Haushaltung an Zoll-<lb/> ſteuern 85 Fr., eine Summe, die ſo hoch iſt, daß der Bundesrat<lb/> ſelber ſich darüber entſetzt und erklärt, es könne von einer weiteren<lb/> Erhöhung dieſer Steuer keine Rede ſein. Fünfundachtzig Franken,<lb/> das iſt nicht viel, das iſt nichts für eine reiche Haushaltung;<lb/> aber man frage einmal bei den Arbeiterfamilien, bei den Klein-<lb/> Bauern, bei Handwerkern nach, was das bedeutet, eine jährliche<lb/> Ausgabe von fünfundachtzig Franken. Wenn die Herren in<lb/> Bern ſo beim gewöhnlichen Volke nach dem Werte des Geldes<lb/> ſich erkundigen würden, ſo würde ihnen die Luſt zu fortwährenden<lb/> Beſoldungserhöhungen vergehen.</p><lb/> <p>Es ſcheint, daß die Eintreibung der Militärſteuer da und<lb/> dort auf Schwierigkeiten ſtößt, ſo namentlich im Kanton Zürich,<lb/> wo Tauſende dieſe Steuer nicht zahlen, welche bekanntlich von<lb/> den militärpflichtigen Bürgern erhoben wird, die aus irgend<lb/> einem Grunde vom Militärdienſt befreit ſind. Wie iſt da nun<lb/> Ordnung zu ſchaffen? Früher wurden dieſe Saumſeligen in die<lb/> Kaſerne kommandiert, wo ſie die Steuer durch Arbeiten, nament-<lb/> lich durch Klopfen und Ausſtauben der Militärbettdecken, ab-<lb/> verdienen mußten. Aber das Bundesgericht hat erkennt, daß das<lb/> unzuläſſig ſei, ebenſo dürfen die ſaumſeligen Milıtärſteuerzahler<lb/> nicht eingeſperrt werden. Was nun thun? Der Bundesrat hat,<lb/> um Abhilfe zu ſchaffen, ein Geſetz vorgelegt, über welches die<lb/> Bundesverſammlung Beratung pflegt. Es iſt vielfach große Luſt<lb/> vorhanden, den ſaumſeligen Steuerzahlern energiſch auf den Leib<lb/> zu rücken. Es iſt nichts als billig und recht, daß, wer eine<lb/> Schuld hat, ſie auch zahlt. Die Militärſteuer ſoll ſo gut bezahlt<lb/> werden müſſen als irgend eine andere Schuld, und wenn auch<lb/> ſtrenge Maßregeln gegen ſaumſelige und mutwillige Nichtzahler<lb/> ergriffen werden, ſo iſt dagegen nichts einzuwenden. Nun muß<lb/> ein Vorbehalt gemacht werden. Warum ſollen die Forderungen<lb/> des Staates beſſer geſchützt werden als diejenigen des gewöhn-<lb/> lichen Bürgers? Verdient ein Handwerker, ein Gewerbetreibender,<lb/> ein Bauer, ein Arbeiter, welcher nicht zu ſeinem Gelde kommt,<lb/> nicht viel mehr Mitleid noch als der Staat. Der Staat, der<lb/> findet immer Geld, zahlt ein Steuerzahler nicht, ſo müſſen es<lb/> die andern thun; nicht ſo bei den Forderungen des gewöhnlichen<lb/> Bürgers, der oft durch liederliche Schuldner um die Früchte ſeiner<lb/> Arbeit betrogen wird. Alſo wer ſchafft ein Geſetz, welches<lb/> die liederlichen Schuldner überhaupt beim Kragen nimmt, und<lb/> nicht nur diejenigen, welche mit der Militärſteuer ſaumſelig ſind.<lb/> Ein ſolches Geſetz würde das Volk mit Freuden begrüßen, es<lb/> würde eine wahre Wohlthat ſein für das Land und den Kredit<lb/> und den Wohlſtand desſelben heben.</p><lb/> <p>Statt deſſen hat uns die eidgenöſſiſche Geſetzgebungsmaſchine<lb/> ein höchſt kompliziertes und bedenkliches Konkursgeſetz geliefert,<lb/> welches eigentlich voll von Hinterthüren und Schlupfwinkeln iſt<lb/> für böswillige und gewiſſenloſe Schuldner. Die Föderaliſten<lb/> haben ſeiner Zeit vor der Annahme dieſes Geſetzes genug gewarnt,<lb/> allein es half nichts. Nicht ſeiner Vorzüge wegen wurde das<lb/> Geſetz angenommen, ſondern weil es eben ein Schritt weiters<lb/> zum Einheitsſtaat bedeutete, und jetzt hat man die Beſcheerung.<lb/> Ueberall ertönen Klagen gegen das Geſetz. Das Obergericht des<lb/> Kantons Zürich hat ſich veranlaßt geſehen, auf die ſchweren<lb/> Mängel und Fehler desſelben in einem amtlichen Berichte auf-<lb/> merkſam zu machen, ebenſo alt-Oberrichter Wolf in Zürich,<lb/> welcher viel für die Annahme des Geſetzes gethan hat. So<lb/> miſerabel arbeitet doch die Geſetzgebungsmaſchine in den Kantonen<lb/> nicht. Werden hier ſchlechte Geſetze gemacht, ſo kann man ſie<lb/> doch wenigſtens wieder abſchaffen, während im Bunde ein einmal<lb/> erlaſſenes Geſetz ſtehen bleibt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die <hi rendition="#g">Italiener</hi> haben während zwei Sitzungen den<lb/> Nationalrat beſchäftigt. Allgemein bekannt iſt die Jahr für Jahr<lb/> zunehmende Einwanderung von italieniſchen Arbeitern, und immer<lb/> mehr nimmt die Zahl derjenigen zu, welche nicht nur vorüber-<lb/> gehend ins Land kommen, um Arbeit zu ſuchen, etwa während<lb/> des Sommers, ſondern bleibend bei uns Aufenthalt nehmen.<lb/> Im Dezember 1888 bei der Volkszählung gab es nicht weniger<lb/> als 42 000 Italiener in der Schweiz. Im Sommer verdoppelt<lb/> ſich dieſe Zahl. Man beginnt bereits Italiener auch bei land-<lb/> wirtſchaftlichen Arbeiten zu verwenden; in manchen Kantonen gibt<lb/> es nämlich eine eigentliche Dienſtbotennot. Niemand will mehr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
Nr. 47 Uznach, Mittwoch den 14. Juni 1899. 44. Jahrgang.
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Und wurſteln und ſchämen ſich nicht.
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Die Beſchlüſſe ſeien geheim
Und meinen, es gehen dann alle
Auf den diplomatiſchen Leim.
Ich glaube, am Ende vom Liede
Wird eines bekannt nur der Welt:
Es verſchlang die Friedensverſammlung
Umſonſt ein ſchreckliches Geld.
Und nachher bleibt’s wieder beim Alten,
Bei der alten Katzennatur —
Sie heucheln wohl Freundſchaft und Frieden,
Und im Stillen raubzügeln ſie nur.
Die nationalſte Kirche.
Erſt durch das Chriſtentum iſt der rechte Nationalitätsbegriff
in die Welt gekommen und nur durch die katholiſche Kirche, als
der echten Erbin des Urchriſtentums, kann dieſer Nationalitäts-
begriff in ſeinem wahren und geſunden Weſen forterhalten werden.
Das Wort Nation, National, wird nämlich außer der Kirche
ſtets viel zu eng, zu klein, zu gering gefaßt. Kirchtumspolitik,
Ländligeiſt, Dorfpolitik nennt man das im Kleinen, im Großen
heißt es Chauvinismus. Thatſächlich haben ſich alle Konfeſſionen,
welche ſich von der katholiſchen Kirche trennten, mit dieſem über-
triebenen Nationalitätshumbug befaßt, haben die Länderfarben noch
tiefer gefärbt, die Nachbarn noch mehr gegeneinander gereizt und
ſind ſogleich zu ſo kleinen und verbiſſenen Parteien geworden,
daß man bald nicht mehr wußte, ob man ſie nach ihrer Politik
oder nach ihrem Credo im Religiöſen beurteilen ſolle. Die Ge-
ſchichte, welche ſeit der Glaubensſpaltung die Blätter des Hiſto-
rikers füllt, zeigt auf jeder Seite, wie z. B. Luthers, Zwinglis,
Calvins Lehre in ein politiſches Syſtem auswuchs, und wie der
Proteſtantismus Frankreichs, Hollands, Schwedens und der deutſchen
Fürſtentümer ſogleich ein landesfürſtliches, enggeknöpftes Amtskleid
anziehen mußte, das einer Religion denn doch ſchon dem Begriffe
nach nicht anſtand. Da haben wir einen Grund, warum die
katholiſche Kirche die nationalſte aller Kirchen iſt; die anderen
Kirchen und Kirchlein haben das Wort Nation „verzwergen“,
verkrüppeln laſſen, indem ſie ihre Konfeſſion an das politiſche
Syſtem und an die politiſche Kleinlichkeit ihres Fürſtentums ketteten,
ſtatt umgekehrt das nationale, politiſche Leben an die Größe der
Religion und an ihre weit umfaſſenderen Bahnen zu gewöhnen.
Nation iſt der Inbegriff alles deſſen, was einem geſonderten
Staats- und Volkstum an Kraft, Intereſſen, Unternehmungen,
Vorzügen, Schwächen, Plänen und Abſichten, an Kunſt, Litte-
ratur, Gewerbe, Kapital und beſonders auch an heimatlichem
Boden, worauf das ganze nationale Gebäude abſtellt, eigen und
eigentümlich iſt. Eine Religion nun — und dies ſoll unſere obigen
Sätze erklären — kann je nach ihrer Beſchaffenheit dieſen natio-
nalen Begriff ſtärken und ausbilden oder auch verringern und
verflachen. Im Weſen des Nationalen liegt die Gefahr zu einer ge-
wiſſen ſelbſtſüchtigen Abſchließung vor den andern, zu einer gewiſſen
Einſeitigkeit in den ſtaatlichen Formen, zu einer ungeſunden Aus-
bildung einzelner Eigentümlichkeiten und ſtaatlichen Formen. Das
iſt genau dasſelbe wie beim einzelnen Menſchen, dem keine Be-
rührung und kein Umgang mit anderen Menſchen die Härten und
Ecken abſchleift und der ſchließlich ein Sonderling wird. Einen
Sonderling kann ich nun doch nicht für eine beſonders vollkommen
entwickelte Individualität halten, ſondern für eine Verkrüppelung
derſelben muß ich ſie notwendig erachten. Auch eine Nation wird
durch zähe politiſche und formale Verknöcherung nicht nationaler,
ſondern verbildet.
Nun, ſehe man ſich die neuen Kirchen ſeit der Glaubens-
trennung an! Ihr Weſen iſt die Trennung, das Abſondern vom
übrigen, das ſich Zerteilen und Zerſplittern. Die Geburt des Luther-
tums war ſchon eine ſolche Trennung von der großen Geſamt-
heit und ſeither hat dasſelbe ſeinen Urſprung nie verleugnet, ſon-
dern ſich beſtändig durch Zerteilen und Zerſtückeln charakteriſiert.
Dieſe Teilchen und Stücklein — Sektionen oder Sekten —
zählen heute nach hunderten, und der lutheriſche Grundſtock iſt
jämmerlich zuſammengeſchmolzen. Genau ſo verhält es ſich bei
den übrigen Konfeſſionen, ihre weſentliche und hiſtoriſche Tendenz
heißt Zerſplitterung. Wie kann nun eine ſolche Glaubensform
den Geiſt einer Nation erweitern, da ihr Geiſt ſich immer ver-
engert, wie kann ſie ihn ſtärken, da ſie ſich immer mehr abſchwächt,
wie in großem Rahmen zuſammenhalten, da ſie in immer kleinere
Partieen zerfällt, wie vertiefen, da ſie von ihren Grundgedanken
immer mehr preisgibt? Gibt es ein engherzigeres, politiſch reli-
giöſes Syſtem, als die Hugenotten eines ſchrieben? Wir ehren
ihre vielfach zu Tage getretenen Tugenden in der Verfolgung,
wir anerkennen ihr freilich irrendes Bekennertum, wo es in guten
Treuen handelte, und wir mißbilligen ſehr die damalige gehäſſige
Staatsraiſon Frankreichs. Aber wir wiederholen, gab es ein eng-
herzigeres, ſonderlingsmäßigeres, politiſch-religiöſes Stätlein je im
Staate als dieſes? Die unparteiiſche Geſchichte ſagt nein oder
— höchſtenfalls noch in den deutſchproteſtantiſchen Fürſtentümern.
Das verhält ſich nun mit der katholiſchen Kirche ganz
anders. Sie iſt etwas völkerbindendes, allgemeines. Sie iſt De-
mokratie im ſchönſten Sinne des Wortes, die ihr geringſtes Glied
zum höchſten befähigt und iſt doch auch vollendete Monarchie, da
in einheitlicher Harmonie des oberſten Willens alles nach Stufen
und Rangfolge bis zum Sitze des Papſtes gegliedert und dort
die Summe der Macht gehäuft iſt. Sonach kann ſich jede Repu-
blik, jede Monarchie an ıhr Muſter halten. Muſter? Jawohl!
Denn dies geben unſere Gegner ſelber zu, daß der katholiſche
Reichsbau, ob mit demokratiſchem oder monarchiſchem Auge be-
ſehen, eine unvergleichliche Architektonik erzeigt. — Die katholiſche
Kirche hat auch hohe Ziele, in ihrem Weſen ſteckt nicht die Ten-
denz der Zerteilung, ſondern der Vereinigung, ihr Gedanke iſt
nicht das Zerſplittern in kleinſte Sektionen, ſondern das Verbinden
zum einen, größten Ganzen, jenem großen Ganzen, welches die
hl. Schrift das »omnes unum« und den einen Schafſtall
nennt. Jeder Katholik iſt inſofern Weltbürger und kann der na-
tionalen Eigenheit wenigſtens nicht ſoweit nachgeben, daß er ihren
Grillen der Abſonderung folgte. Es treibt auch ſeine Politik,
ſeine Nationalität auf die weiteſten und edelſten Wege der An-
paſſung an andere, der Duldung anderer, der gütlichen Vereini-
gung mit andern. Am Fürſtenſtuhl, an der Lakaienlivree, an der
ſelbſtſüchtigen Staatsraiſon blieb der Katholizismus nie haften.
Wollte man ihn dazu zwingen, ſo gab es ernſthaften Krieg mit
dem Staate, der nicht mehr das Nationale, ſondern das Unnatio-
nale repräſentierte, ſeitdem er das katholiſche Leitmotiv aus ſeiner
Geſchichte geriſſen hatte. Warum bekam unſere Kirche ſo manchen
Krieg mit den Fürſten, mit den Diplomaten, indeſſen der Pro-
teſtantismus ganz ordentlich auskam? Warum ſtand das Volk
meiſt auf ihrer Seite? Ich denke mir, die Antwort ſei gegeben.
Aber auf der ganzen Welt gibt es keine Religion, welche,
indem ſie einerſeits den Mißwachs der Nationalität hindert, ihre
echte und rechte Ausbildung und Kräftigung ſo ſehr förderte.
Oder wer pflegt denn mit eiferſüchtigerer Sorge die Familie, als
ſie! Und aus der Familie entſteht die Völkergemeinde. Wer hebt
die Ehe ſo hoch, die Pflicht der Subordination, wer hat eine ſo
tiefe und weiſe theologiſche Ausführung über den Urſprung, Be-
griff und Umfang der Staats- und Fürſtengewalt in ihr Lehr-
buch geſchrieben wie ſie? Aber das ſind doch die Säulen einer
Nation. Wer lehrt präziſer die Pflicht der Steuer, der Reſtitu-
tion, der gerichtlichen Genauigkeit, wer hält mehr auf den Amts-
eid und dringt ſchärfer auf die Gebote von Mein und Dein, als
ſie. Und wie umgibt ſie die Landesbräuche mit ihren Weihen
vom geſalbten Königshaupt bis zur Ackerſegnung des ärmſten
Pächters. Weil katholiſch ſo viel wie allgemein, weltbürgerlich
heißt, kann dieſe Kirche ſich in jede Nation hineinleben, während
ein deutſches Luthertum eben nur für die deutſche Raſſe — fragt
mich nicht wie! — erdacht war. Ja, die katholiſche Kirche hält
die Staatsform, das Gebilde einer Völkerſchaft, das was wir
Nation heißen, geradezu für eine Wohlthat, eine Gnade des völker-
beherrſchenden Gottes, und wenn das Volk dies nicht wußte, ſo
lehrt ſie es, dieſe vaterländiſchen Urteile und Segnungen verſtehen.
Pater patriæ iſt ein Titel, den ſie dem Gotte des Vaterlandes
erteilt. Im Hinblick auf die ganze Geſchichte eines Volkes, auf
ſeine Führung durch Sturm und Sonne an Gottes Hand, auf
ſeine Glorienzeiten, ſeine großen Männer, ſeine von Gott gege-
benen unerſchöpflichen Hilfsmitteln, auf ſein reiches, glückliches
Gemüt, ſeine Kunſt, ſeine Lieder, ſeine Schönheiten und Eigen-
arten, wodurch es ſich in landſchaftlicher und geſellſchaftlicher Be-
ziehung von anderen unterſcheidet, im Hinblick auf all dies, das
die Kirche durch ſinnvolle Zeichen und Riten vertieft, kann in
Wahrheit nur ein Katholik das echte, nationale, vaterländiſche
Hochgefühl empfinden, jenes Geſühl, das dem Judenvolke unter
Moſes Stabe einſt ſagte: Du biſt das auserwählte Volk, du biſt
Jehovas Liebling. Daher war dıe katholiſche Kirche die erſte, die
offiziell für den Fürſten, für das Vaterland beten ließ, welche
die Trauer einer Nation mit ihren Bußkleidern und den Jubel
der Siegreichen mit ihrem Te Deum begleitete.
Wir müſſen ſchließen. Hätten wir ſtreng wiſſenſchaftlich
vorgehen wollen, ſo müßten wir — und dies wäre leicht —
noch tiefere und philoſophiſche Gründe ins Feld führen. Aber es
wird wohl dem Leſer dieſe leichte, ungezwungene Art der Beweiſe
genügen dürfen. Im übrigen, öffne er das Auge und ſchaue er
um ſich und betrachte das heutige nationale und internationale
Völkerſpiel. Wo das nationalſte Kirchentum lebt, wird er dann
bald einſehen.
Die Bundesverſammlung
hat in der erſten Woche ihrer Seſſion furchtbar wenig geleiſtet.
In den Kantonen würde das Volks nicht dulden, daß die Großen
Räte die Zeit ſo verſchwenden; die Großen Räte nützen übrigens
die Zeit ſo wie ſo beſſer aus, weil ſie kleinere Sitzungsgelder
erhalten als die Herren National- und Ständeräte; es drängt
einem wieder nach Hauſe zu kommen, wenn man ſchlecht bezahlt
wird. Im Nationalrat findet eine endloſe Beratung ſtatt über
ein neues Forſtgeſetz; an ſich ein ſehr gutes Geſetz, allein heutzu-
tage werden nicht ſelten die beſten Abſichten verpfuſcht, für Auf-
forſtungen kann der reiche Bund kaum jemals genug thun, aber
anſtatt hiefür energiſch einzutreten, ſoll das Geſetz in eben ſo
hohem Maße dazu dienen, den Förſtern eidgen. Beſoldungs-
zulagen zu gewähren. Jeder Arbeiter iſt ſeines Lohnes wert;
aber es iſt etwas krankhaftes in unſerer Politik, daß ſtetsfort nur
von Beſoldungserhöhungen die Rede iſt. Gewiß iſt jedem Be-
amten zu gönnen, wenn er ſeine materielle Lage beſſern kann,
jedermann ſtrebt darnach. Aber alle dieſe Beſoldungserhöhungen
muß ſchließlich das Volk bezahlen, die Maſſe des Volkes durch
die ſchweren Zollſteuern. Heute zahlt jede Haushaltung an Zoll-
ſteuern 85 Fr., eine Summe, die ſo hoch iſt, daß der Bundesrat
ſelber ſich darüber entſetzt und erklärt, es könne von einer weiteren
Erhöhung dieſer Steuer keine Rede ſein. Fünfundachtzig Franken,
das iſt nicht viel, das iſt nichts für eine reiche Haushaltung;
aber man frage einmal bei den Arbeiterfamilien, bei den Klein-
Bauern, bei Handwerkern nach, was das bedeutet, eine jährliche
Ausgabe von fünfundachtzig Franken. Wenn die Herren in
Bern ſo beim gewöhnlichen Volke nach dem Werte des Geldes
ſich erkundigen würden, ſo würde ihnen die Luſt zu fortwährenden
Beſoldungserhöhungen vergehen.
Es ſcheint, daß die Eintreibung der Militärſteuer da und
dort auf Schwierigkeiten ſtößt, ſo namentlich im Kanton Zürich,
wo Tauſende dieſe Steuer nicht zahlen, welche bekanntlich von
den militärpflichtigen Bürgern erhoben wird, die aus irgend
einem Grunde vom Militärdienſt befreit ſind. Wie iſt da nun
Ordnung zu ſchaffen? Früher wurden dieſe Saumſeligen in die
Kaſerne kommandiert, wo ſie die Steuer durch Arbeiten, nament-
lich durch Klopfen und Ausſtauben der Militärbettdecken, ab-
verdienen mußten. Aber das Bundesgericht hat erkennt, daß das
unzuläſſig ſei, ebenſo dürfen die ſaumſeligen Milıtärſteuerzahler
nicht eingeſperrt werden. Was nun thun? Der Bundesrat hat,
um Abhilfe zu ſchaffen, ein Geſetz vorgelegt, über welches die
Bundesverſammlung Beratung pflegt. Es iſt vielfach große Luſt
vorhanden, den ſaumſeligen Steuerzahlern energiſch auf den Leib
zu rücken. Es iſt nichts als billig und recht, daß, wer eine
Schuld hat, ſie auch zahlt. Die Militärſteuer ſoll ſo gut bezahlt
werden müſſen als irgend eine andere Schuld, und wenn auch
ſtrenge Maßregeln gegen ſaumſelige und mutwillige Nichtzahler
ergriffen werden, ſo iſt dagegen nichts einzuwenden. Nun muß
ein Vorbehalt gemacht werden. Warum ſollen die Forderungen
des Staates beſſer geſchützt werden als diejenigen des gewöhn-
lichen Bürgers? Verdient ein Handwerker, ein Gewerbetreibender,
ein Bauer, ein Arbeiter, welcher nicht zu ſeinem Gelde kommt,
nicht viel mehr Mitleid noch als der Staat. Der Staat, der
findet immer Geld, zahlt ein Steuerzahler nicht, ſo müſſen es
die andern thun; nicht ſo bei den Forderungen des gewöhnlichen
Bürgers, der oft durch liederliche Schuldner um die Früchte ſeiner
Arbeit betrogen wird. Alſo wer ſchafft ein Geſetz, welches
die liederlichen Schuldner überhaupt beim Kragen nimmt, und
nicht nur diejenigen, welche mit der Militärſteuer ſaumſelig ſind.
Ein ſolches Geſetz würde das Volk mit Freuden begrüßen, es
würde eine wahre Wohlthat ſein für das Land und den Kredit
und den Wohlſtand desſelben heben.
Statt deſſen hat uns die eidgenöſſiſche Geſetzgebungsmaſchine
ein höchſt kompliziertes und bedenkliches Konkursgeſetz geliefert,
welches eigentlich voll von Hinterthüren und Schlupfwinkeln iſt
für böswillige und gewiſſenloſe Schuldner. Die Föderaliſten
haben ſeiner Zeit vor der Annahme dieſes Geſetzes genug gewarnt,
allein es half nichts. Nicht ſeiner Vorzüge wegen wurde das
Geſetz angenommen, ſondern weil es eben ein Schritt weiters
zum Einheitsſtaat bedeutete, und jetzt hat man die Beſcheerung.
Ueberall ertönen Klagen gegen das Geſetz. Das Obergericht des
Kantons Zürich hat ſich veranlaßt geſehen, auf die ſchweren
Mängel und Fehler desſelben in einem amtlichen Berichte auf-
merkſam zu machen, ebenſo alt-Oberrichter Wolf in Zürich,
welcher viel für die Annahme des Geſetzes gethan hat. So
miſerabel arbeitet doch die Geſetzgebungsmaſchine in den Kantonen
nicht. Werden hier ſchlechte Geſetze gemacht, ſo kann man ſie
doch wenigſtens wieder abſchaffen, während im Bunde ein einmal
erlaſſenes Geſetz ſtehen bleibt.
Die Italiener haben während zwei Sitzungen den
Nationalrat beſchäftigt. Allgemein bekannt iſt die Jahr für Jahr
zunehmende Einwanderung von italieniſchen Arbeitern, und immer
mehr nimmt die Zahl derjenigen zu, welche nicht nur vorüber-
gehend ins Land kommen, um Arbeit zu ſuchen, etwa während
des Sommers, ſondern bleibend bei uns Aufenthalt nehmen.
Im Dezember 1888 bei der Volkszählung gab es nicht weniger
als 42 000 Italiener in der Schweiz. Im Sommer verdoppelt
ſich dieſe Zahl. Man beginnt bereits Italiener auch bei land-
wirtſchaftlichen Arbeiten zu verwenden; in manchen Kantonen gibt
es nämlich eine eigentliche Dienſtbotennot. Niemand will mehr
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