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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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als daß die Bleichsucht verbunden mit der Chlorosis schon
im 9., 10. Jahre vorkommt, ja eine sehr moderne Krank-
heit geworden ist? und vor Allem, daß unsere Frauen
die Scheu vor dem Fall, der Schmach und der Schande
des eigenen Geschlechtes gar nicht mehr zu kennen scheinen,
wie könnten sie es sonst über sich gewinnen, feilen oder
doch leichtsinnigen Dirnen ihre eigenen Kinder ohne Noth
zu übergeben, mit ihnen die süßen Mutterpflichten und
Mutterfreuden zu theilen! Wenn die Frauen nicht mehr
die Sitte schirmen und schützen, wer soll denn ihr Vogt
und Anwalt sein?

Wie die Erziehung der Knaben eine verderbliche
war und noch größten Theiles ist, so war und ist die
der Mädchen noch verderblicher. Ja wir müssen mit
Diesterweg bekennen, eine Erziehung und Bildung der
Mädchen gibt es gar nicht. Man ist naiv genug, dies
durch den Namen "Töchterschule" unumwunden einzu-
gestehen. Fragen wir doch einmal: wie und wodurch
werden die Mädchen für ihren künftigen Beruf vorbe-
reitet? Etwa durch das Erlernen des Englischen, Fran-
zösischen und Jtalienischen, der Geschichte von Griechen-
land und Rom, der Botanik oder Würzkunde der Blumen,
Algen und Moose, aber nicht der Gemüse und des Ge-
treides, und was sonst zu des Leibes Nahrung und Noth-
durft dient? Jm Französischen einen Schnitzer machen,
hält man für eine Schande, deutsch zu sprechen, ver-
nünftig denken, Vaterlandsliebe in die zarten Gemüther
zu impfen, sagt doch ihr Weisen des Unterrichts, welchen
Unterricht gibt es dafür?! Wo und wodurch geschieht
die Erziehung und Vorbildung und Vorbereitung für
Haus, Familie und Vaterland? Die beiden ersten Be-
dingungen, Haus und Familie, kennt man in unserer
Mädchenerziehung kaum dem Namen nach. An die
Stelle von "Vaterland" ist Weltbürgerlichkeit, Welt-
bürgerthum getreten. Fragen wir überhaupt: wie viele
Lehrer und vor Allem, wie viele Lehrer und Lehrerinnen
an den Mädchenschulen wurzeln im Vaterlande? Was

als daß die Bleichſucht verbunden mit der Chloroſis ſchon
im 9., 10. Jahre vorkommt, ja eine ſehr moderne Krank-
heit geworden iſt? und vor Allem, daß unſere Frauen
die Scheu vor dem Fall, der Schmach und der Schande
des eigenen Geſchlechtes gar nicht mehr zu kennen ſcheinen,
wie könnten ſie es ſonſt über ſich gewinnen, feilen oder
doch leichtſinnigen Dirnen ihre eigenen Kinder ohne Noth
zu übergeben, mit ihnen die ſüßen Mutterpflichten und
Mutterfreuden zu theilen! Wenn die Frauen nicht mehr
die Sitte ſchirmen und ſchützen, wer ſoll denn ihr Vogt
und Anwalt ſein?

Wie die Erziehung der Knaben eine verderbliche
war und noch größten Theiles iſt, ſo war und iſt die
der Mädchen noch verderblicher. Ja wir müſſen mit
Dieſterweg bekennen, eine Erziehung und Bildung der
Mädchen gibt es gar nicht. Man iſt naiv genug, dies
durch den Namen „Töchterſchule“ unumwunden einzu-
geſtehen. Fragen wir doch einmal: wie und wodurch
werden die Mädchen für ihren künftigen Beruf vorbe-
reitet? Etwa durch das Erlernen des Engliſchen, Fran-
zöſiſchen und Jtalieniſchen, der Geſchichte von Griechen-
land und Rom, der Botanik oder Würzkunde der Blumen,
Algen und Mooſe, aber nicht der Gemüſe und des Ge-
treides, und was ſonſt zu des Leibes Nahrung und Noth-
durft dient? Jm Franzöſiſchen einen Schnitzer machen,
hält man für eine Schande, deutſch zu ſprechen, ver-
nünftig denken, Vaterlandsliebe in die zarten Gemüther
zu impfen, ſagt doch ihr Weiſen des Unterrichts, welchen
Unterricht gibt es dafür?! Wo und wodurch geſchieht
die Erziehung und Vorbildung und Vorbereitung für
Haus, Familie und Vaterland? Die beiden erſten Be-
dingungen, Haus und Familie, kennt man in unſerer
Mädchenerziehung kaum dem Namen nach. An die
Stelle von „Vaterland“ iſt Weltbürgerlichkeit, Welt-
bürgerthum getreten. Fragen wir überhaupt: wie viele
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[59/0063] als daß die Bleichſucht verbunden mit der Chloroſis ſchon im 9., 10. Jahre vorkommt, ja eine ſehr moderne Krank- heit geworden iſt? und vor Allem, daß unſere Frauen die Scheu vor dem Fall, der Schmach und der Schande des eigenen Geſchlechtes gar nicht mehr zu kennen ſcheinen, wie könnten ſie es ſonſt über ſich gewinnen, feilen oder doch leichtſinnigen Dirnen ihre eigenen Kinder ohne Noth zu übergeben, mit ihnen die ſüßen Mutterpflichten und Mutterfreuden zu theilen! Wenn die Frauen nicht mehr die Sitte ſchirmen und ſchützen, wer ſoll denn ihr Vogt und Anwalt ſein? Wie die Erziehung der Knaben eine verderbliche war und noch größten Theiles iſt, ſo war und iſt die der Mädchen noch verderblicher. Ja wir müſſen mit Dieſterweg bekennen, eine Erziehung und Bildung der Mädchen gibt es gar nicht. Man iſt naiv genug, dies durch den Namen „Töchterſchule“ unumwunden einzu- geſtehen. Fragen wir doch einmal: wie und wodurch werden die Mädchen für ihren künftigen Beruf vorbe- reitet? Etwa durch das Erlernen des Engliſchen, Fran- zöſiſchen und Jtalieniſchen, der Geſchichte von Griechen- land und Rom, der Botanik oder Würzkunde der Blumen, Algen und Mooſe, aber nicht der Gemüſe und des Ge- treides, und was ſonſt zu des Leibes Nahrung und Noth- durft dient? Jm Franzöſiſchen einen Schnitzer machen, hält man für eine Schande, deutſch zu ſprechen, ver- nünftig denken, Vaterlandsliebe in die zarten Gemüther zu impfen, ſagt doch ihr Weiſen des Unterrichts, welchen Unterricht gibt es dafür?! Wo und wodurch geſchieht die Erziehung und Vorbildung und Vorbereitung für Haus, Familie und Vaterland? Die beiden erſten Be- dingungen, Haus und Familie, kennt man in unſerer Mädchenerziehung kaum dem Namen nach. An die Stelle von „Vaterland“ iſt Weltbürgerlichkeit, Welt- bürgerthum getreten. Fragen wir überhaupt: wie viele Lehrer und vor Allem, wie viele Lehrer und Lehrerinnen an den Mädchenſchulen wurzeln im Vaterlande? Was

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/63>, abgerufen am 24.11.2024.