Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Der Brautführer. Gestern Abend kam ein schwarzes Blättlein, Schwarzes Blättlein und zur schwarzen Stunde, Daß mein Lieb' mit Einem sich verlobt hat. Wär's ein Andrer, thät's nicht halb so wehe! Doch im Dorfe ist's, mit meinem Freunde, Und er lädt mich zum Brautführeramte! Wie, Unsel'ger, kannst Du dieß verwalten! Wenn den Becher auf ihr Wohl ich leere. Sag ich dann: "Heil Dir, Du meine Schwäg'rin!" Oder sag' ich: "Heil Dir, Du Geliebte!" Wenn ich sage: "Heil Dir, meine Schwäg'rin!" Nicht kann ich das Herz also bekämpfen! Wenn ich sage: "Heil Dir, Du Geliebte!" Meinem Freund werd' ich sein Glück zerstören! Geh'n ist schmerzlich -- nicht geh'n, zwiefach schmerzlich! Geh'n will ich, kehrt ich auch nie zurücke. Der Brautführer. Gestern Abend kam ein schwarzes Blättlein, Schwarzes Blättlein und zur schwarzen Stunde, Daß mein Lieb' mit Einem sich verlobt hat. Wär's ein Andrer, thät's nicht halb so wehe! Doch im Dorfe ist's, mit meinem Freunde, Und er lädt mich zum Brautführeramte! Wie, Unsel'ger, kannst Du dieß verwalten! Wenn den Becher auf ihr Wohl ich leere. Sag ich dann: „Heil Dir, Du meine Schwäg'rin!“ Oder sag' ich: „Heil Dir, Du Geliebte!“ Wenn ich sage: „Heil Dir, meine Schwäg'rin!“ Nicht kann ich das Herz also bekämpfen! Wenn ich sage: „Heil Dir, Du Geliebte!“ Meinem Freund werd' ich sein Glück zerstören! Geh'n ist schmerzlich — nicht geh'n, zwiefach schmerzlich! Geh'n will ich, kehrt ich auch nie zurücke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0106" n="40"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Der Brautführer</hi>.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <lg> <l><hi rendition="#in">G</hi>estern Abend kam ein schwarzes Blättlein,</l><lb/> <l>Schwarzes Blättlein und zur schwarzen Stunde,</l><lb/> <l>Daß mein Lieb' mit Einem sich verlobt hat.</l><lb/> <l>Wär's ein Andrer, thät's nicht halb so wehe!</l><lb/> <l>Doch im Dorfe ist's, mit meinem Freunde,</l><lb/> <l>Und er lädt mich zum Brautführeramte!</l><lb/> <l>Wie, Unsel'ger, kannst Du dieß verwalten!</l><lb/> <l>Wenn den Becher auf ihr Wohl ich leere.</l><lb/> <l>Sag ich dann: „Heil Dir, Du meine Schwäg'rin!“</l><lb/> <l>Oder sag' ich: „Heil Dir, Du Geliebte!“</l><lb/> <l>Wenn ich sage: „Heil Dir, meine Schwäg'rin!“</l><lb/> <l>Nicht kann ich das Herz also bekämpfen!</l><lb/> <l>Wenn ich sage: „Heil Dir, Du Geliebte!“</l><lb/> <l>Meinem Freund werd' ich sein Glück zerstören!</l><lb/> <l>Geh'n ist schmerzlich — <hi rendition="#g">nicht</hi> geh'n, zwiefach schmerzlich!</l><lb/> <l>Geh'n will ich, kehrt ich auch nie zurücke.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0106]
Der Brautführer.
Gestern Abend kam ein schwarzes Blättlein,
Schwarzes Blättlein und zur schwarzen Stunde,
Daß mein Lieb' mit Einem sich verlobt hat.
Wär's ein Andrer, thät's nicht halb so wehe!
Doch im Dorfe ist's, mit meinem Freunde,
Und er lädt mich zum Brautführeramte!
Wie, Unsel'ger, kannst Du dieß verwalten!
Wenn den Becher auf ihr Wohl ich leere.
Sag ich dann: „Heil Dir, Du meine Schwäg'rin!“
Oder sag' ich: „Heil Dir, Du Geliebte!“
Wenn ich sage: „Heil Dir, meine Schwäg'rin!“
Nicht kann ich das Herz also bekämpfen!
Wenn ich sage: „Heil Dir, Du Geliebte!“
Meinem Freund werd' ich sein Glück zerstören!
Geh'n ist schmerzlich — nicht geh'n, zwiefach schmerzlich!
Geh'n will ich, kehrt ich auch nie zurücke.
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