Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Sind nun alle unsre Serbenhelben, Alle drüben über'm blauen Meere: Leicht kann unter ihnen Streit entstehen! Schmerz und Noth fürcht' ich von dieser Hochzeit! 455 Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan! Laß mich meinen Kummer Dir vertrauen! Gestern Abend leg' ich mich zur Ruhe, Fliegen gleich herbei die beiden Diener, Decken mich der Quere mit dem Pelzrock, 460 Sorglich des Gebieters Haupt einwickelnd. Doch die Augen, schließ' ich kaum, als furchtbar Mich ein böser Traum zusammenschüttelt. Wie im Traume ich gen Himmel blicke, Trübt und schwärzt der Himmel sich urplötzlich, 465 Und die Wolken ziehn und treiben rastlos, Sammeln sich gewaltig über Shabljack, Ueber Deiner stolzen Burg, mein Oheim! Aus den Wolken brüllet jetzt ein Donner, Schlägt der Donnerkeil ein in Dein Shabljack, 470 Grad' in Deinen Königssitz, den schönen, In die Höfe Deines Vaterhauses! Drauf ganz Shabljack greift die Wuth der Flamme, Daß es nieder bis zum tiefsten Grund brennt! Dort, wo sich erhebt das weiße Lusthaus, 475 Stürzt's herab auf Deines Sohnes Schultern; Unverletzt zwar bleibt Maxim darunter, Aber Andre tödtet er im Fallen! Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan! Nicht zu deuten wag' ich diesen Traum Dir; 480 Sind nun alle unsre Serbenhelben, Alle drüben über'm blauen Meere: Leicht kann unter ihnen Streit entstehen! Schmerz und Noth fürcht' ich von dieser Hochzeit! 455 Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan! Laß mich meinen Kummer Dir vertrauen! Gestern Abend leg' ich mich zur Ruhe, Fliegen gleich herbei die beiden Diener, Decken mich der Quere mit dem Pelzrock, 460 Sorglich des Gebieters Haupt einwickelnd. Doch die Augen, schließ' ich kaum, als furchtbar Mich ein böser Traum zusammenschüttelt. Wie im Traume ich gen Himmel blicke, Trübt und schwärzt der Himmel sich urplötzlich, 465 Und die Wolken ziehn und treiben rastlos, Sammeln sich gewaltig über Shabljack, Ueber Deiner stolzen Burg, mein Oheim! Aus den Wolken brüllet jetzt ein Donner, Schlägt der Donnerkeil ein in Dein Shabljack, 470 Grad' in Deinen Königssitz, den schönen, In die Höfe Deines Vaterhauses! Drauf ganz Shabljack greift die Wuth der Flamme, Daß es nieder bis zum tiefsten Grund brennt! Dort, wo sich erhebt das weiße Lusthaus, 475 Stürzt's herab auf Deines Sohnes Schultern; Unverletzt zwar bleibt Maxim darunter, Aber Andre tödtet er im Fallen! Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan! Nicht zu deuten wag' ich diesen Traum Dir; 480 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0154" n="88"/> <lg> <l>Sind nun alle unsre Serbenhelben,</l><lb/> <l>Alle drüben über'm blauen Meere:</l><lb/> <l>Leicht kann unter ihnen Streit entstehen!</l><lb/> <l>Schmerz und Noth fürcht' ich von dieser Hochzeit! <note place="right">455</note></l><lb/> <l>Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan!</l><lb/> <l>Laß mich meinen Kummer Dir vertrauen!</l><lb/> <l>Gestern Abend leg' ich mich zur Ruhe,</l><lb/> <l>Fliegen gleich herbei die beiden Diener,</l><lb/> <l>Decken mich der Quere mit dem Pelzrock, <note place="right">460</note></l><lb/> <l>Sorglich des Gebieters Haupt einwickelnd.</l><lb/> <l>Doch die Augen, schließ' ich kaum, als furchtbar</l><lb/> <l>Mich ein böser Traum zusammenschüttelt.</l><lb/> <l>Wie im Traume ich gen Himmel blicke,</l><lb/> <l>Trübt und schwärzt der Himmel sich urplötzlich, <note place="right">465</note></l><lb/> <l>Und die Wolken ziehn und treiben rastlos,</l><lb/> <l>Sammeln sich gewaltig über Shabljack,</l><lb/> <l>Ueber Deiner stolzen Burg, mein Oheim!</l><lb/> <l>Aus den Wolken brüllet jetzt ein Donner,</l><lb/> <l>Schlägt der Donnerkeil ein in Dein Shabljack, <note place="right">470</note></l><lb/> <l>Grad' in Deinen Königssitz, den schönen,</l><lb/> <l>In die Höfe Deines Vaterhauses!</l><lb/> <l>Drauf ganz Shabljack greift die Wuth der Flamme,</l><lb/> <l>Daß es nieder bis zum tiefsten Grund brennt!</l><lb/> <l>Dort, wo sich erhebt das weiße Lusthaus, <note place="right">475</note></l><lb/> <l>Stürzt's herab auf Deines Sohnes Schultern;</l><lb/> <l>Unverletzt zwar bleibt Maxim darunter,</l><lb/> <l>Aber Andre tödtet er im Fallen!</l><lb/> <l>Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan!</l><lb/> <l>Nicht zu deuten wag' ich diesen Traum Dir; <note place="right">480</note></l> </lg><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0154]
Sind nun alle unsre Serbenhelben,
Alle drüben über'm blauen Meere:
Leicht kann unter ihnen Streit entstehen!
Schmerz und Noth fürcht' ich von dieser Hochzeit!
Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan!
Laß mich meinen Kummer Dir vertrauen!
Gestern Abend leg' ich mich zur Ruhe,
Fliegen gleich herbei die beiden Diener,
Decken mich der Quere mit dem Pelzrock,
Sorglich des Gebieters Haupt einwickelnd.
Doch die Augen, schließ' ich kaum, als furchtbar
Mich ein böser Traum zusammenschüttelt.
Wie im Traume ich gen Himmel blicke,
Trübt und schwärzt der Himmel sich urplötzlich,
Und die Wolken ziehn und treiben rastlos,
Sammeln sich gewaltig über Shabljack,
Ueber Deiner stolzen Burg, mein Oheim!
Aus den Wolken brüllet jetzt ein Donner,
Schlägt der Donnerkeil ein in Dein Shabljack,
Grad' in Deinen Königssitz, den schönen,
In die Höfe Deines Vaterhauses!
Drauf ganz Shabljack greift die Wuth der Flamme,
Daß es nieder bis zum tiefsten Grund brennt!
Dort, wo sich erhebt das weiße Lusthaus,
Stürzt's herab auf Deines Sohnes Schultern;
Unverletzt zwar bleibt Maxim darunter,
Aber Andre tödtet er im Fallen!
Werther Oheim, Zernojewitsch Iwan!
Nicht zu deuten wag' ich diesen Traum Dir;
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/154>, abgerufen am 17.06.2024. |