Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Träumtest Du ihn, warum ihn verkünden? Jetzt wo wir in aller Früh' uns treffen, Wo zum Aufbruch sich die Freunde rüsten? 510 Höre, Neffe, Capetan Johannes! Träume lügen, Gott nur ist die Wahrheit! Hast wohl mit dem Kopfe falsch gelegen, Oder hattest Widriges im Sinne! Wisse, Neffe! daß mir Gott verzeihe! 515 Schon genug hab' ich an Schimpf und Schande! Alle Edeln haben mein gespottet, Und das nied're Volk von mir geflüstert, Daß verlobt des Sohnes Braut geblieben Bei dem Vater und der alten Mutter, 520 Und bereits neun Jahre sitzt und harret! Wisse, Neffe! das mir Gott verzeihe! Wenn ich auch den Heldentod dort falle: Länger will ich nicht die Schnur verlassen, Und die Hochzeitleute heut' zerstreuen! 525 Aber Du, der Du ein Haupt der Schaaren, Und Brautführer bist bei unsrer Hochzeit, Deine Stimm' erschall' auf diesem Felsschloß! Rufe laut, daß das Geschütz sie laden, Dreißig an der Zahl, Kanonen laden! 530 Ruf' herbei den Greisen Nedijelko, Dem der weiße Bart bis übern Gurt hängt, Der des mächtigsten Geschützes Hüter, Des gewalt'gen Kernjo und Selenko, Wie im ganzen Land' es nicht zu finden, 535 In den sieben Christenkönigreichen, Träumtest Du ihn, warum ihn verkünden? Jetzt wo wir in aller Früh' uns treffen, Wo zum Aufbruch sich die Freunde rüsten? 510 Höre, Neffe, Capetan Johannes! Träume lügen, Gott nur ist die Wahrheit! Hast wohl mit dem Kopfe falsch gelegen, Oder hattest Widriges im Sinne! Wisse, Neffe! daß mir Gott verzeihe! 515 Schon genug hab' ich an Schimpf und Schande! Alle Edeln haben mein gespottet, Und das nied're Volk von mir geflüstert, Daß verlobt des Sohnes Braut geblieben Bei dem Vater und der alten Mutter, 520 Und bereits neun Jahre sitzt und harret! Wisse, Neffe! das mir Gott verzeihe! Wenn ich auch den Heldentod dort falle: Länger will ich nicht die Schnur verlassen, Und die Hochzeitleute heut' zerstreuen! 525 Aber Du, der Du ein Haupt der Schaaren, Und Brautführer bist bei unsrer Hochzeit, Deine Stimm' erschall' auf diesem Felsschloß! Rufe laut, daß das Geschütz sie laden, Dreißig an der Zahl, Kanonen laden! 530 Ruf' herbei den Greisen Nedijelko, Dem der weiße Bart bis übern Gurt hängt, Der des mächtigsten Geschützes Hüter, Des gewalt'gen Kernjo und Selenko, Wie im ganzen Land' es nicht zu finden, 535 In den sieben Christenkönigreichen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0156" n="90"/> <lg> <l>Träumtest Du ihn, warum ihn verkünden?</l><lb/> <l>Jetzt wo wir in aller Früh' uns treffen,</l><lb/> <l>Wo zum Aufbruch sich die Freunde rüsten? <note place="right">510</note></l><lb/> <l>Höre, Neffe, Capetan Johannes!</l><lb/> <l>Träume lügen, Gott nur ist die Wahrheit!</l><lb/> <l>Hast wohl mit dem Kopfe falsch gelegen,</l><lb/> <l>Oder hattest Widriges im Sinne!</l><lb/> <l>Wisse, Neffe! daß mir Gott verzeihe! <note place="right">515</note></l><lb/> <l>Schon genug hab' ich an Schimpf und Schande!</l><lb/> <l>Alle Edeln haben mein gespottet,</l><lb/> <l>Und das nied're Volk von mir geflüstert,</l><lb/> <l>Daß verlobt des Sohnes Braut geblieben</l><lb/> <l>Bei dem Vater und der alten Mutter, <note place="right">520</note></l><lb/> <l>Und bereits neun Jahre sitzt und harret!</l><lb/> <l>Wisse, Neffe! das mir Gott verzeihe!</l><lb/> <l>Wenn ich auch den Heldentod dort falle:</l><lb/> <l>Länger will ich nicht die Schnur verlassen,</l><lb/> <l>Und die Hochzeitleute heut' zerstreuen! <note place="right">525</note></l><lb/> <l>Aber Du, der Du ein Haupt der Schaaren,</l><lb/> <l>Und Brautführer bist bei unsrer Hochzeit,</l><lb/> <l>Deine Stimm' erschall' auf diesem Felsschloß!</l><lb/> <l>Rufe laut, daß das Geschütz sie laden,</l><lb/> <l>Dreißig an der Zahl, Kanonen laden! <note place="right">530</note></l><lb/> <l>Ruf' herbei den Greisen Nedijelko,</l><lb/> <l>Dem der weiße Bart bis übern Gurt hängt,</l><lb/> <l>Der des mächtigsten Geschützes Hüter,</l><lb/> <l>Des gewalt'gen Kernjo und Selenko,</l><lb/> <l>Wie im ganzen Land' es nicht zu finden, <note place="right">535</note></l><lb/> <l>In den sieben Christenkönigreichen,</l> </lg><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0156]
Träumtest Du ihn, warum ihn verkünden?
Jetzt wo wir in aller Früh' uns treffen,
Wo zum Aufbruch sich die Freunde rüsten?
Höre, Neffe, Capetan Johannes!
Träume lügen, Gott nur ist die Wahrheit!
Hast wohl mit dem Kopfe falsch gelegen,
Oder hattest Widriges im Sinne!
Wisse, Neffe! daß mir Gott verzeihe!
Schon genug hab' ich an Schimpf und Schande!
Alle Edeln haben mein gespottet,
Und das nied're Volk von mir geflüstert,
Daß verlobt des Sohnes Braut geblieben
Bei dem Vater und der alten Mutter,
Und bereits neun Jahre sitzt und harret!
Wisse, Neffe! das mir Gott verzeihe!
Wenn ich auch den Heldentod dort falle:
Länger will ich nicht die Schnur verlassen,
Und die Hochzeitleute heut' zerstreuen!
Aber Du, der Du ein Haupt der Schaaren,
Und Brautführer bist bei unsrer Hochzeit,
Deine Stimm' erschall' auf diesem Felsschloß!
Rufe laut, daß das Geschütz sie laden,
Dreißig an der Zahl, Kanonen laden!
Ruf' herbei den Greisen Nedijelko,
Dem der weiße Bart bis übern Gurt hängt,
Der des mächtigsten Geschützes Hüter,
Des gewalt'gen Kernjo und Selenko,
Wie im ganzen Land' es nicht zu finden,
In den sieben Christenkönigreichen,
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