Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Allem Zank und Hader auszuweichen, Machten Milosch wir zum Bräutigame, Und versprachen ihm die Hochzeitgaben, Daß er über's Meer Dich sicher führe." -- 895 Als dieß die Lateinerin vernommen, Steht sie, als ob sie der Blitz getroffen. Und sie hält das Roß an, unbeweglich, Vorwärts will sie's keinen Schritt mehr lenken: "Warum, Schwätzer, Zernojewitsch Iwan, 900 Hast Du selbst das Glück Maxims zerstöret, Deines Sohns, um eines Fremden willen, Fälschlich ihn zum Bräutigam ernennend? Schwäher! möge Dir dieß Gott vergelten! Wie ihn immer auch entstellt die Blattern: 905 Wer vernünftig ist und weise, Vater, Sieht wohl ein, daß heute oder morgen Jeden Noth und Unglück kann befallen. Ist sein Antlitz schwarzbunt von den Blattern: Seine Augen sind gesund und sehend, 910 Und das Herz ist, wie es war, geblieben. Warum also bist Du so erschrocken? Hatt' ich doch neun Jahr auf ihn gewartet, Still und sittig in des Vaters Hofe; Würde noch neun Jahre auf ihn warten, 915 Dort in Eurer weißen Feste Shabljack, Keiner sollt' erröthen meinetwillen, Weder Ihr Verwandte, noch die Meinen. Allem Zank und Hader auszuweichen, Machten Milosch wir zum Bräutigame, Und versprachen ihm die Hochzeitgaben, Daß er über's Meer Dich sicher führe.“ — 895 Als dieß die Lateinerin vernommen, Steht sie, als ob sie der Blitz getroffen. Und sie hält das Roß an, unbeweglich, Vorwärts will sie's keinen Schritt mehr lenken: „Warum, Schwätzer, Zernojewitsch Iwan, 900 Hast Du selbst das Glück Maxims zerstöret, Deines Sohns, um eines Fremden willen, Fälschlich ihn zum Bräutigam ernennend? Schwäher! möge Dir dieß Gott vergelten! Wie ihn immer auch entstellt die Blattern: 905 Wer vernünftig ist und weise, Vater, Sieht wohl ein, daß heute oder morgen Jeden Noth und Unglück kann befallen. Ist sein Antlitz schwarzbunt von den Blattern: Seine Augen sind gesund und sehend, 910 Und das Herz ist, wie es war, geblieben. Warum also bist Du so erschrocken? Hatt' ich doch neun Jahr auf ihn gewartet, Still und sittig in des Vaters Hofe; Würde noch neun Jahre auf ihn warten, 915 Dort in Eurer weißen Feste Shabljack, Keiner sollt' erröthen meinetwillen, Weder Ihr Verwandte, noch die Meinen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0170" n="104"/> <lg> <l>Allem Zank und Hader auszuweichen,</l><lb/> <l>Machten Milosch wir zum Bräutigame,</l><lb/> <l>Und versprachen ihm die Hochzeitgaben,</l><lb/> <l>Daß er über's Meer Dich sicher führe.“ — <note place="right">895</note></l> </lg><lb/> <lg> <l>Als dieß die Lateinerin vernommen,</l><lb/> <l>Steht sie, als ob sie der Blitz getroffen.</l><lb/> <l>Und sie hält das Roß an, unbeweglich,</l><lb/> <l>Vorwärts will sie's keinen Schritt mehr lenken:</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Warum, Schwätzer, Zernojewitsch Iwan, <note place="right">900</note></l><lb/> <l>Hast Du selbst das Glück Maxims zerstöret,</l><lb/> <l>Deines Sohns, um eines Fremden willen,</l><lb/> <l>Fälschlich ihn zum Bräutigam ernennend?</l><lb/> <l>Schwäher! möge Dir dieß Gott vergelten!</l><lb/> <l>Wie ihn immer auch entstellt die Blattern: <note place="right">905</note></l><lb/> <l>Wer vernünftig ist und weise, Vater,</l><lb/> <l>Sieht wohl ein, daß heute oder morgen</l><lb/> <l>Jeden Noth und Unglück kann befallen.</l><lb/> <l>Ist sein Antlitz schwarzbunt von den Blattern:</l><lb/> <l>Seine Augen sind gesund und sehend, <note place="right">910</note></l><lb/> <l>Und das Herz ist, wie es war, geblieben.</l><lb/> <l>Warum also bist Du so erschrocken?</l><lb/> <l>Hatt' ich doch neun Jahr auf ihn gewartet,</l><lb/> <l>Still und sittig in des Vaters Hofe;</l><lb/> <l>Würde noch neun Jahre auf ihn warten, <note place="right">915</note></l><lb/> <l>Dort in Eurer weißen Feste Shabljack,</l><lb/> <l>Keiner sollt' erröthen meinetwillen,</l><lb/> <l>Weder Ihr Verwandte, noch die Meinen.</l> </lg><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0170]
Allem Zank und Hader auszuweichen,
Machten Milosch wir zum Bräutigame,
Und versprachen ihm die Hochzeitgaben,
Daß er über's Meer Dich sicher führe.“ —
Als dieß die Lateinerin vernommen,
Steht sie, als ob sie der Blitz getroffen.
Und sie hält das Roß an, unbeweglich,
Vorwärts will sie's keinen Schritt mehr lenken:
„Warum, Schwätzer, Zernojewitsch Iwan,
Hast Du selbst das Glück Maxims zerstöret,
Deines Sohns, um eines Fremden willen,
Fälschlich ihn zum Bräutigam ernennend?
Schwäher! möge Dir dieß Gott vergelten!
Wie ihn immer auch entstellt die Blattern:
Wer vernünftig ist und weise, Vater,
Sieht wohl ein, daß heute oder morgen
Jeden Noth und Unglück kann befallen.
Ist sein Antlitz schwarzbunt von den Blattern:
Seine Augen sind gesund und sehend,
Und das Herz ist, wie es war, geblieben.
Warum also bist Du so erschrocken?
Hatt' ich doch neun Jahr auf ihn gewartet,
Still und sittig in des Vaters Hofe;
Würde noch neun Jahre auf ihn warten,
Dort in Eurer weißen Feste Shabljack,
Keiner sollt' erröthen meinetwillen,
Weder Ihr Verwandte, noch die Meinen.
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/170>, abgerufen am 17.06.2024. |