Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
Als dieß des Wesiren Falke siehet:
Schwer fällt ihm es und ganz unerträglich; 25
Denn er hat sich's böslich angewöhnet,
Andrer Beute selbst sich zuzueignen.
Los fährt er auf Markos wackern Falken,
Die erjagte Ent' ihm zu entreißen;
Doch des Königsohnes Marko Falke, 30
Starren Sinnes, wie sein Herr, ein Trotzkopf,
Giebt nicht her die Goldbeschwingte Ente.
Hart empfängt er des Wesiren Falken,
Und zerrupft ihm wild die grauen Federn.
Aber als dieß der Wesir erblickte, 35
Weh' that ihm es und der Zorn ergriff ihn;
Schnell des Königsohnes Falken nahm er,
Schlug ihn gegen eine grüne Tanne,
Und zerschmettert ihm den rechten Flügel.
Schmerzlich stöhnte Markos wackrer Falke, 40
Wie aus einer Felskluft zischt die Schlange.
Marko aber griff nach seinem Falken,
Und den wunden Flügel ihm verbindend,
Spricht die Wort' er mit ergrimmter Stimme:
"Wehe mir, und wehe dir, mein Falke! 45
Ohne Serben jagend, mit den Türken
Jagend, und ungleiches Recht erduldend!" --
D'rauf erhoben schnell sich die Begleiter,
Ritten fort und ließen Marko einsam.
Marko aber, den Verband vollendend, 50
Bleibt und weilt im grünen Waldgebirge.
Als dieß des Wesiren Falke siehet:
Schwer fällt ihm es und ganz unerträglich; 25
Denn er hat sich's böslich angewöhnet,
Andrer Beute selbst sich zuzueignen.
Los fährt er auf Markos wackern Falken,
Die erjagte Ent' ihm zu entreißen;
Doch des Königsohnes Marko Falke, 30
Starren Sinnes, wie sein Herr, ein Trotzkopf,
Giebt nicht her die Goldbeschwingte Ente.
Hart empfängt er des Wesiren Falken,
Und zerrupft ihm wild die grauen Federn.
Aber als dieß der Wesir erblickte, 35
Weh' that ihm es und der Zorn ergriff ihn;
Schnell des Königsohnes Falken nahm er,
Schlug ihn gegen eine grüne Tanne,
Und zerschmettert ihm den rechten Flügel.
Schmerzlich stöhnte Markos wackrer Falke, 40
Wie aus einer Felskluft zischt die Schlange.
Marko aber griff nach seinem Falken,
Und den wunden Flügel ihm verbindend,
Spricht die Wort' er mit ergrimmter Stimme:
„Wehe mir, und wehe dir, mein Falke! 45
Ohne Serben jagend, mit den Türken
Jagend, und ungleiches Recht erduldend!“ —
D'rauf erhoben schnell sich die Begleiter,
Ritten fort und ließen Marko einsam.
Marko aber, den Verband vollendend, 50
Bleibt und weilt im grünen Waldgebirge.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0280" n="214"/>
            <lg>
              <l>Als dieß des Wesiren Falke siehet:</l><lb/>
              <l>Schwer fällt ihm es und ganz unerträglich; <note place="right">25</note></l><lb/>
              <l>Denn er hat sich's böslich angewöhnet,</l><lb/>
              <l>Andrer Beute selbst sich zuzueignen.</l><lb/>
              <l>Los fährt er auf Markos wackern Falken,</l><lb/>
              <l>Die erjagte Ent' ihm zu entreißen;</l><lb/>
              <l>Doch des Königsohnes Marko Falke, <note place="right">30</note></l><lb/>
              <l>Starren Sinnes, wie sein Herr, ein Trotzkopf,</l><lb/>
              <l>Giebt nicht her die Goldbeschwingte Ente.</l><lb/>
              <l>Hart empfängt er des Wesiren Falken,</l><lb/>
              <l>Und zerrupft ihm wild die grauen Federn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Aber als dieß der Wesir erblickte, <note place="right">35</note></l><lb/>
              <l>Weh' that ihm es und der Zorn ergriff ihn;</l><lb/>
              <l>Schnell des Königsohnes Falken nahm er,</l><lb/>
              <l>Schlug ihn gegen eine grüne Tanne,</l><lb/>
              <l>Und zerschmettert ihm den rechten Flügel.</l><lb/>
              <l>Schmerzlich stöhnte Markos wackrer Falke, <note place="right">40</note></l><lb/>
              <l>Wie aus einer Felskluft zischt die Schlange.</l><lb/>
              <l>Marko aber griff nach seinem Falken,</l><lb/>
              <l>Und den wunden Flügel ihm <choice><sic>verbindeud</sic><corr>verbindend</corr></choice>,</l><lb/>
              <l>Spricht die Wort' er mit ergrimmter Stimme:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wehe mir, und wehe dir, mein Falke! <note place="right">45</note></l><lb/>
              <l>Ohne Serben jagend, mit den Türken</l><lb/>
              <l>Jagend, und ungleiches Recht erduldend!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>D'rauf erhoben schnell sich die Begleiter,</l><lb/>
              <l>Ritten fort und ließen Marko einsam.</l><lb/>
              <l>Marko aber, den Verband vollendend, <note place="right">50</note></l><lb/>
              <l>Bleibt und weilt im grünen Waldgebirge.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0280] Als dieß des Wesiren Falke siehet: Schwer fällt ihm es und ganz unerträglich; Denn er hat sich's böslich angewöhnet, Andrer Beute selbst sich zuzueignen. Los fährt er auf Markos wackern Falken, Die erjagte Ent' ihm zu entreißen; Doch des Königsohnes Marko Falke, Starren Sinnes, wie sein Herr, ein Trotzkopf, Giebt nicht her die Goldbeschwingte Ente. Hart empfängt er des Wesiren Falken, Und zerrupft ihm wild die grauen Federn. Aber als dieß der Wesir erblickte, Weh' that ihm es und der Zorn ergriff ihn; Schnell des Königsohnes Falken nahm er, Schlug ihn gegen eine grüne Tanne, Und zerschmettert ihm den rechten Flügel. Schmerzlich stöhnte Markos wackrer Falke, Wie aus einer Felskluft zischt die Schlange. Marko aber griff nach seinem Falken, Und den wunden Flügel ihm verbindend, Spricht die Wort' er mit ergrimmter Stimme: „Wehe mir, und wehe dir, mein Falke! Ohne Serben jagend, mit den Türken Jagend, und ungleiches Recht erduldend!“ — D'rauf erhoben schnell sich die Begleiter, Ritten fort und ließen Marko einsam. Marko aber, den Verband vollendend, Bleibt und weilt im grünen Waldgebirge.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/280
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/280>, abgerufen am 21.11.2024.