Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
"Wehe Dir! Du unbekannter Krieger!
Welcher Teufel ist es, der Dich leitet,
Daß Du unter mein Gefolg' Dich drängest,
Und den Pathen mir und Führer tödtest?
Bist Du thöricht wohl, und weißt von gar nichts? 355
Oder mächtig und verrückt geworden?
Oder ist Dir so verhaßt das Leben?
Aber hör'! bei meiner Treue schwör' ich's:
Jetzt zieh' ich den Zügel an des Rosses,
Siebenmal will ich Dich überspringen, 360
Sieben hierhin und dann dorthin sieben;
Aber dann will ich das Haupt Dir spalten!"
Und es sprach der Königsohn, Herr Marko:
"Woll' es lieber nicht versuchen, Mohre!
Denn wenn Gott und Heldenglück es zugiebt, 365
Wirst nicht nur Du mich nicht überspringen,
Wirst mich nicht einmal erreichen können!"
Sieh'! wie tobet da der schwarze Mohre!
Straff der Stute Zügel angezogen,
Ihr mit scharfem Sporn' die Seite stachelnd, 370
Will er in der That ihn überspringen.
Doch dieß leidet nicht das Kampfroß Scharatz!
Bäumet sich auf beide Hinterfüße,
Mit den vordern wehret er der Stute,
Und sie kräftig mit den Zähnen fassend, 375
Reißt das rechte Ohr er ihr vom Haupte,
Daß sie ganz in ihrem Blute schwimmet.
„Wehe Dir! Du unbekannter Krieger!
Welcher Teufel ist es, der Dich leitet,
Daß Du unter mein Gefolg' Dich drängest,
Und den Pathen mir und Führer tödtest?
Bist Du thöricht wohl, und weißt von gar nichts? 355
Oder mächtig und verrückt geworden?
Oder ist Dir so verhaßt das Leben?
Aber hör'! bei meiner Treue schwör' ich's:
Jetzt zieh' ich den Zügel an des Rosses,
Siebenmal will ich Dich überspringen, 360
Sieben hierhin und dann dorthin sieben;
Aber dann will ich das Haupt Dir spalten!“
Und es sprach der Königsohn, Herr Marko:
„Woll' es lieber nicht versuchen, Mohre!
Denn wenn Gott und Heldenglück es zugiebt, 365
Wirst nicht nur Du mich nicht überspringen,
Wirst mich nicht einmal erreichen können!“
Sieh'! wie tobet da der schwarze Mohre!
Straff der Stute Zügel angezogen,
Ihr mit scharfem Sporn' die Seite stachelnd, 370
Will er in der That ihn überspringen.
Doch dieß leidet nicht das Kampfroß Scharatz!
Bäumet sich auf beide Hinterfüße,
Mit den vordern wehret er der Stute,
Und sie kräftig mit den Zähnen fassend, 375
Reißt das rechte Ohr er ihr vom Haupte,
Daß sie ganz in ihrem Blute schwimmet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0303" n="237"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Wehe Dir! Du unbekannter Krieger!</l><lb/>
              <l>Welcher Teufel ist es, der Dich leitet,</l><lb/>
              <l>Daß Du unter mein Gefolg' Dich drängest,</l><lb/>
              <l>Und den Pathen mir und Führer tödtest?</l><lb/>
              <l>Bist Du thöricht wohl, und weißt von gar nichts? <note place="right">355</note></l><lb/>
              <l>Oder mächtig und verrückt geworden?</l><lb/>
              <l>Oder ist Dir so verhaßt das Leben?</l><lb/>
              <l>Aber hör'! bei meiner Treue schwör' ich's:</l><lb/>
              <l>Jetzt zieh' ich den Zügel an des Rosses,</l><lb/>
              <l>Siebenmal will ich Dich überspringen, <note place="right">360</note></l><lb/>
              <l>Sieben hierhin und dann dorthin sieben;</l><lb/>
              <l>Aber dann will ich das Haupt Dir spalten!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Und es sprach der Königsohn, Herr Marko:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Woll' es lieber nicht versuchen, Mohre!</l><lb/>
              <l>Denn wenn Gott und Heldenglück es zugiebt, <note place="right">365</note></l><lb/>
              <l>Wirst nicht nur Du mich nicht überspringen,</l><lb/>
              <l>Wirst mich nicht einmal erreichen können!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Sieh'! wie tobet da der schwarze Mohre!</l><lb/>
              <l>Straff der Stute Zügel angezogen,</l><lb/>
              <l>Ihr mit scharfem Sporn' die Seite stachelnd, <note place="right">370</note></l><lb/>
              <l>Will er in der That ihn überspringen.</l><lb/>
              <l>Doch dieß leidet nicht das Kampfroß Scharatz!</l><lb/>
              <l>Bäumet sich auf beide Hinterfüße,</l><lb/>
              <l>Mit den vordern wehret er der Stute,</l><lb/>
              <l>Und sie kräftig mit den Zähnen fassend, <note place="right">375</note></l><lb/>
              <l>Reißt das rechte Ohr er ihr vom Haupte,</l><lb/>
              <l>Daß sie ganz in ihrem Blute schwimmet.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0303] „Wehe Dir! Du unbekannter Krieger! Welcher Teufel ist es, der Dich leitet, Daß Du unter mein Gefolg' Dich drängest, Und den Pathen mir und Führer tödtest? Bist Du thöricht wohl, und weißt von gar nichts? Oder mächtig und verrückt geworden? Oder ist Dir so verhaßt das Leben? Aber hör'! bei meiner Treue schwör' ich's: Jetzt zieh' ich den Zügel an des Rosses, Siebenmal will ich Dich überspringen, Sieben hierhin und dann dorthin sieben; Aber dann will ich das Haupt Dir spalten!“ Und es sprach der Königsohn, Herr Marko: „Woll' es lieber nicht versuchen, Mohre! Denn wenn Gott und Heldenglück es zugiebt, Wirst nicht nur Du mich nicht überspringen, Wirst mich nicht einmal erreichen können!“ Sieh'! wie tobet da der schwarze Mohre! Straff der Stute Zügel angezogen, Ihr mit scharfem Sporn' die Seite stachelnd, Will er in der That ihn überspringen. Doch dieß leidet nicht das Kampfroß Scharatz! Bäumet sich auf beide Hinterfüße, Mit den vordern wehret er der Stute, Und sie kräftig mit den Zähnen fassend, Reißt das rechte Ohr er ihr vom Haupte, Daß sie ganz in ihrem Blute schwimmet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/303
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/303>, abgerufen am 21.11.2024.