hunderten ward diese Würde noch einigemal von diesem und jenem serbischen Edelmann in Anspruch genommen, allein, ohne daß die Regierung sie anerkannte. Die Ansiedler, nach und nach durch bedeutende Einwanderungen vermehrt, wur- den endlich ganz der ungrischen Nation einverleibt, und ma- chen bis diese Stunde einen geachteten Bestandtheil derselben aus. Viele serbische Namen glänzen in der Geschichte der Kriege des Hauses Oestreich, aber diesen Gegenstand wei- ter zu verfolgen, würde dem Zweck dieses Abrisses wenig ge- mäß seyn.
Ihre alte Heimath Serbien zog in den ersten Jahren unseres Säculums durch einen allgemeinen Volksaufstand die Blicke ganz Europas auf sich. Männer von hohem Muthe und überwiegendem Geiste leiteten ihn; lange glücklich, bis sie der Politik größerer Mächte geopfert, die blutig errunge- nen Vortheile sich wieder gewaltsam entrissen sahen, und die ganze Grausamkeit des Siegers erfahren mußten. Eines der überbliebenen Häupter, Milosch Obrenowitsch, steht ge- genwärtig noch an der Spitze des Volkes; als Oberknes zwar nicht förmlich von den Türken anerkannt, aber doch als solcher von ihnen behandelt und gefürchtet. Denn seine Gesandten sind es, die seit Jahren in Constantinopel mit ih- nen über das künftige Schicksal des Landes negociiren. Ueber den jetzigen innern Zustand desselben zu berichten, getrauen wir uns nicht, aus Furcht, wegen der sparsamen Nachrichten von dort, Falsches mit Wahrem zu vermischen. Genug, daß uns diese Lieder das innere Gemüthsleben des Volkes erschlie- ßen! Wen lassen sie nicht fühlen, daß es eines bessern Schick- sales würdig sey! Durch alle die grausamen Drangsale der Zeiten erhielt sich in ihm der lebendige Sinn für das Schö- ne. Im arbeitenden Kreise der Frauen, an der Tafel der Helden, bey Kirchfesten, vor allem aber von den Lippen des einsamen Reisenden, wo bald das umgebende Waldgebirge,
hunderten ward diese Würde noch einigemal von diesem und jenem serbischen Edelmann in Anspruch genommen, allein, ohne daß die Regierung sie anerkannte. Die Ansiedler, nach und nach durch bedeutende Einwanderungen vermehrt, wur- den endlich ganz der ungrischen Nation einverleibt, und ma- chen bis diese Stunde einen geachteten Bestandtheil derselben aus. Viele serbische Namen glänzen in der Geschichte der Kriege des Hauses Oestreich, aber diesen Gegenstand wei- ter zu verfolgen, würde dem Zweck dieses Abrisses wenig ge- mäß seyn.
Ihre alte Heimath Serbien zog in den ersten Jahren unseres Säculums durch einen allgemeinen Volksaufstand die Blicke ganz Europas auf sich. Männer von hohem Muthe und überwiegendem Geiste leiteten ihn; lange glücklich, bis sie der Politik größerer Mächte geopfert, die blutig errunge- nen Vortheile sich wieder gewaltsam entrissen sahen, und die ganze Grausamkeit des Siegers erfahren mußten. Eines der überbliebenen Häupter, Milosch Obrenowitsch, steht ge- genwärtig noch an der Spitze des Volkes; als Oberknes zwar nicht förmlich von den Türken anerkannt, aber doch als solcher von ihnen behandelt und gefürchtet. Denn seine Gesandten sind es, die seit Jahren in Constantinopel mit ih- nen über das künftige Schicksal des Landes negociiren. Ueber den jetzigen innern Zustand desselben zu berichten, getrauen wir uns nicht, aus Furcht, wegen der sparsamen Nachrichten von dort, Falsches mit Wahrem zu vermischen. Genug, daß uns diese Lieder das innere Gemüthsleben des Volkes erschlie- ßen! Wen lassen sie nicht fühlen, daß es eines bessern Schick- sales würdig sey! Durch alle die grausamen Drangsale der Zeiten erhielt sich in ihm der lebendige Sinn für das Schö- ne. Im arbeitenden Kreise der Frauen, an der Tafel der Helden, bey Kirchfesten, vor allem aber von den Lippen des einsamen Reisenden, wo bald das umgebende Waldgebirge,
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[XLIV/0064]
hunderten ward diese Würde noch einigemal von diesem und
jenem serbischen Edelmann in Anspruch genommen, allein,
ohne daß die Regierung sie anerkannte. Die Ansiedler, nach
und nach durch bedeutende Einwanderungen vermehrt, wur-
den endlich ganz der ungrischen Nation einverleibt, und ma-
chen bis diese Stunde einen geachteten Bestandtheil derselben
aus. Viele serbische Namen glänzen in der Geschichte der
Kriege des Hauses Oestreich, aber diesen Gegenstand wei-
ter zu verfolgen, würde dem Zweck dieses Abrisses wenig ge-
mäß seyn.
Ihre alte Heimath Serbien zog in den ersten Jahren
unseres Säculums durch einen allgemeinen Volksaufstand die
Blicke ganz Europas auf sich. Männer von hohem Muthe
und überwiegendem Geiste leiteten ihn; lange glücklich, bis
sie der Politik größerer Mächte geopfert, die blutig errunge-
nen Vortheile sich wieder gewaltsam entrissen sahen, und die
ganze Grausamkeit des Siegers erfahren mußten. Eines der
überbliebenen Häupter, Milosch Obrenowitsch, steht ge-
genwärtig noch an der Spitze des Volkes; als Oberknes zwar
nicht förmlich von den Türken anerkannt, aber doch als
solcher von ihnen behandelt und gefürchtet. Denn seine
Gesandten sind es, die seit Jahren in Constantinopel mit ih-
nen über das künftige Schicksal des Landes negociiren. Ueber
den jetzigen innern Zustand desselben zu berichten, getrauen
wir uns nicht, aus Furcht, wegen der sparsamen Nachrichten
von dort, Falsches mit Wahrem zu vermischen. Genug, daß
uns diese Lieder das innere Gemüthsleben des Volkes erschlie-
ßen! Wen lassen sie nicht fühlen, daß es eines bessern Schick-
sales würdig sey! Durch alle die grausamen Drangsale der
Zeiten erhielt sich in ihm der lebendige Sinn für das Schö-
ne. Im arbeitenden Kreise der Frauen, an der Tafel der
Helden, bey Kirchfesten, vor allem aber von den Lippen des
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XLIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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