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Wiener Zeitung. Nr. 282. [Wien], 26. November 1850.

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[Beginn Spaltensatz] zu überschreiten. Auf den Vorwurf in Bezug auf die
Freundschaft, die man mit allen Regierungen Frank-
reichs aufrecht erhalte, bemerkte Pidal, daß die Lage
der beiden Länder ein fortdauernd gutes Einverständniß
erheische. Er wolle jedoch damit nicht behaupten, daß
man Frankreichs halber die Verbindungen mit den übri-
gen Staaten aufopfern solle; die Verbindungen mit Eng-
and müßten eben so gut aufrecht erhalten werden, da
dieses Land eine der Spanischen ähnliche Regierung
habe und eine Allianz mit England Vortheile darbiete,
die aufzuzählen unnütz sei.

-- Der Herzog und die Herzogin von Montpensier
werden Sevilla nicht verlassen.

-- Die Eisenbahn von Madrid nach Aranjuez wird
Ende dieses Monats dem Verkehr übergeben.

-- Von Santander sind vier Kauffahrer mit Truppen
nach Cuba abgegangen.

-- Am 19ten wird die National=Jndustrie=Ausstellung
Statt haben.

Rußland.

St. Petersburg, 14. November. Se. Majestät
der Kaiser hat unterm 28. October aus Warschau fol-
gende Handschreiben erlassen:

"1. An Unseren außerordentlichen Gesandten und be-
vollmächtigten Minister bei Sr. Majestät dem Könige
von Dänemark, wirklichen Staatsrath Baron Ungern-
Sternberg. Die Unseren Absichten vollkommen entspre-
chende Erfüllung der Jhnen inmitten der Gefahren, die
das Reich Unseres Verbündeten, Sr. Majestät des Kö-
nigs von Dänemark, bedroht, durch Unser Vertrauen auf-
erlegten Obliegenheiten hat Unsere Aufmerksamkeit auf
Sie gelenkt. Zum Beweise dessen verleihen Wir Jhnen
das Großkreuz des St. Wladimir=Ordens 2ter Classe,
dessen hierbei erfolgende Jnsignien Wir Jhnen anzulegen
und den Statuten gemäß zu tragen befehlen. Wir ver-
bleiben Jhnen mit Unserer kaiserlichen Gnade wohlge-
wogen."

"2 ) An Unseren außerordentlichen Gesandten und be-
vollmächtigten Minister bei Sr. Majestät dem Kaiser
von Oesterreich, geh. Rath Baron v. Meyendorff. Die
ausgezeichneten Dienste, welche Sie in der Eigenschaft
Unseres außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten
Ministers während Jhrer langjährigen Anwesenheit bei
Sr. Majestät dem Könige von Preußen geleistet, haben
stets Unsere Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt. Durch
eifrige und erfolgreiche Mitwirkung zur Beseitigung der
Schwierigkeiten, die so lange den Abschluß des Friedens-
tractates zwischen dem Deutschen Bunde und Dänemark
behinderten, haben Sie neue Rechte auf Unser besonde-
res Wohlwollen erworben. Zum Zeichen desselben und
zur Belohnung Jhrer eifrigen und nützlichen Bemühun-
gen verleihen Wir Jhnen allergnädigst die mit Diaman-
ten geschmückten Jnsignien des St. Alexander=Newski-
Ordens, welche hierbei folgen. Wir bleiben Jhnen mit
Unserer kaiserlichen Gnade wohlgewogen." Die Originale
sind von Sr. Majestät dem Kaiser eigenhändig unter-
zeichnet.

-- Das "Journal de St. Petersbourg" meldet, daß
der Kaiser durch einen Ukas vom 22. October dem Däni-
schen Obersten v. Helgesen "für seine bei der Vertheidi-
gung der Festung Friedrichsstadt gegen die Holsteinische
Rebellen=Armee bewiesene Tapferkeit den St. Annen-
Orden zweiter Classe in Brillanten und dem Commodore
Steen=Bille, so wie dem Obersten und Kammerherrn
Riegels, Civil=Gouverneur der Jnsel Alsen, denselben
Orden zweiter Classe mit der kaiserl. Krone verliehen habe.

Dänemark.

Kopenhagen, 18. November. Der im Kriegs-
ministerium aufgelegte officielle Bericht gibt den Verlust
der Dänen in dem Recognoscirungsgefecht vom 14ten
auf 3 Verwundete und 4 Vermißte an, wogegen 1 Schles-
wig=Holsteinischer Officier und 5 Soldaten gefangen ge-
nommen worden sind.

Die an demselben Tage erfolgte Aufhebung der Feld-
wache in Breckendorf ist der Erfolg einer vom Obersten
v. Gerlach geleiteten Recognoscirung gewesen. Der Ver-
lust der Schleswig=Holsteiner wird auf 3 Todte und 14
Gefangene angegeben. Die Dänen erlitten keinen Verlust.

Bei der Gallas=Schanze zwischen Aarhuus und Mar-
selisborg hat man 18 Stück 45pfündige Granaten ge-
funden, welche wahrscheinlich dort seit dem dreißigjähri-
gen Kriege gelegen haben.

Der Volksthing hat die erste Verlesung des Gesetzes
über Glaubensfreiheit begonnen.

Schweden und Norwegen.

Stockholm, 15. November. Heute ist der Tag,
wo nach dem Reichstagsbeschluß vom 24. October 1848
der Reichstag zusammentritt. Die Eröffnungssitzung fin-
[Spaltenumbruch] det aber erst morgen Statt. Heute hat Se. Majestät
der König, umgeben von dem Kronprinzen, den Her-
zogen von Upland und Ostgothland und den Mit-
gliedern des Reichstages, den Reichsherold rufen
lassen und ihm die königliche Kundmachung über die
Eröffnung des Reichstages zur Verlesung auf
den öffentlichen Plätzen der Hauptstadt übergeben.
Als Landmarschall ist der Justiz=Minister Gyllenhaal
beeidigt, zum Sprecher des Priesterstandes ist der Erz-
bischof und Prokanzler von Upsala, Wingard, und zu
seinem Stellvertreter der Bischof von Strengnäs, Holm-
ström, ernannt.



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Unter dem Vorsitze des Herrn Gerichts=Assessors
Adami kam gestern ( 25sten ) im Bezirksgerichte innere
Stadt, II. Section, ein Straffall zur Verhandlung,
der manches Jnteressante darbot. Gegen Josepha L *,
ein 18jähriges Böhmisches Dienstmädchen, wurde von
dem Dienstmädchen Theresia Fischer die Klage auf
Diebstahl eines blauen Kleides, im Werthe von 9 bis
10 fl. geführt. Dieses Kleid wäre im Unterstandsorte
ihrer Quartiersfrau Reinhard, wo noch mehrere Mäd-
chen gewohnt haben, in der Zeit vom 20. bis 30. Octo-
ber verschwunden. Der Verdacht fiel deshalb auf die L *,
weil die dort anwesenden Mädchen sie mit einem Bündel
fortgehen gesehen haben, dieselbe sich viel an dem Orte zu
thun gemacht habe, wo das Kleid sich befunden, und
endlich schon früher ein Sacktuch der Juliana Fischer
im Quartiere entwendet, und selbes nur nach mehrfacher
Aufforderung wieder zurückgestellt habe. Von Seite des
Gerichtes wird der Angeklagten ein beeideter Dolmetsch
gestellt; ungeachtet der vielen Fragestellungen nahm die
Verhandlung einen raschen Verlauf.

Die zur Bekräftigung des Verdachtes aufgerufenen
Zeugen waren die Quartiersfrau Reinhard und die
beiden Dienstmädchen Rosina Wanak und Juliana
Fischer. Die Erstere, eine betagte Frau, sagt aus,
unter der Angabe, daß sie einen schwachen Kopf habe,
sie hätte gesehen, wie die Angeklagte im zweiten Zimmer
sich bei dem Kleide zu thun gemacht habe. Als sie der
Vorsitzende erinnerte, wie sie es gesehen haben konnte,
da doch die Zimmerthüre zu gewesen, weiß sie keinen an-
deren Beweis, als ihren Glauben daran anzugeben. Eben
so widerspricht sich dieselbe, indem sie vorerst angibt, sie
wäre damals allein zu Hause gewesen, während sich bald
herausstellt, daß noch andere Mädchen zugegen waren.
Der Vorsitzende ermahnt sie, in ihren Aussagen gewissen-
hafter zu sein, indem es sich um die Anklage eines Dieb-
stahls handle.

Die zweite Zeugin, Rosina W., 49 Jahre alt, tritt
gegen die Angeklagte mit besonderer Leidenschaftlichkeit
auf. Sie beschuldigt dieselbe der Verstellung, nicht
Deutsch sprechen zu können, sie habe sie vor dem Haus-
thore recht oft mit jungen Männern Deutsch sprechen ge-
hört. Sie hätte keine Verdienste gehabt, jedoch einmal
sich ein Paar neue Stiefel angeschafft, das andere Mal
über 3 fl. bares Geld gezeigt. Sie habe ihren Koffer
bei einer Landsmännin in Verwahrung und an dem Tage,
wo sie mit dem Bündel weggegangen, angeblich um einen
Dienst anzutreten, habe sie dieselbe mit einem jungen
Manne um 9 Uhr Früh gehen gesehen, sie habe damals
kein Bündel mehr gehabt. Unter steigender Aufregung
und mit der Behauptung Alles beschwören zu können,
führt sie vieles sich Widersprechende an, worauf sie der
Vorsitzende zur Ruhe ermahnt, und als sie dennoch fort-
fahren will, ihr Schweigen gebietet.

Die dritte Zeugin F. endlich sagt wohl aus, daß L.
ihr ein Schnupfruch genommen und es ihr wieder zurück-
gestellt habe, weiß jedoch über die Entwendung des Klei-
des gar nichts anzuführen.

Die Angeklagte selbst bestreitet mit raschen Worten un-
ter heftiger bis zum Weinen gesteigerter Aufregung alle
gegen sie geführten Anklagen. Sie gibt an, daß Ro-
sine W. sich immer gehässig gegen sie benommen habe,
weist aus, woher sie das Geld bekommen, zeigt ein gu-
tes Dienstzeugniß vor, beweist, daß sie wirklich am
26. October einen Dienst angetreten habe, wo sie von 9
bis 11 Uhr Vormittags gewesen, und betheuert, von der
Etnwendung des Kleides nichts zu wissen.

Der Staatsanwalt sieht die vorgebrachten Aussagen
als die L. des Diebstahls verdächtigend an, und bean-
tragt die Anwendung des Gesetzes.

Der Vorsitzende wiederholt die vorgebrachten Aussagen.
Dieselben wären zu allgemein, um den Verdacht zur Ge-
wißheit werden zu lassen. Nachdem in solchen Fällen
das Gesetz den Richter anweise, nur nach seinem Gewis-
sen Recht zu sprechen, und sich nur durch Beweisgründe
bestimmen zu lassen, die in der Hauptverhandlung vor-
gekommen sind, er jedoch aus allen diesen vorgebrachten
[Spaltenumbruch] seinem Gewissen nach die Urtheilsfällung auf Diebstahl nicht
vornehmen könne, so erkläre er die Angeklagte für nicht-
schuldig und verweise Klägerin mit ihren ferneren Ansprü-
chen auf den Civil=Rechtsweg.

-- Die Verhandlungen bei dem k. k. Landesgericht wer-
den in drei verschiedenen Sälen gehalten, und zwar wird
in zweien über die vor das Bezirks=Collegialgericht gehö-
rigen Fälle, im dritten aber über Recurse als Appel-
Senat verhandelt.

Am 25sten d. M. saß das Bezirks=Collegialgericht
unter dem Vorsitze des Senats=Präsidenten, Grafen
v. Breda, zu Gericht.

Die Verhandlung betraf den Bedienten Dominik D.,
welcher des Diebstahls angeklagt war.

Derselbe erschien dabei in seiner Livree, er zeigte ein
offenes Wesen und benahm sich sowohl in der Vorunter-
suchung als bei der heutigen Verhandlung der Art, daß
seine Reue bemerkbar und seine Besserung wahrschein-
lich war.

Er war zuletzt bei dem Kaufmanne Jgnaz Meyer
in Dienst gewesen, hatte dort einen Lohn von monatli-
chen 7 fl. C. M., die ganze Kost und Wohnung und
bekam außerdem nebst dem Nachtmale täglich 6 kr.
W. W. Doch mußte er sich die Kleidung selbst ver-
schaffen, und die Livree die er noch jetzt trug, hatte er
von seinem frühern Dienstherrn, bei dem er längere
Zeit gedient und sich während dieser Zeit zu dessen Zu-
friedenheit aufgeführt hatte.

Er war ungefähr 2 Monate bei Herrn Meyer in
Dienst, als ihm dessen Frau aufkündigte, sie forderte ihm
zu dieser Zeit das Silbergeschirr, das er in seiner Ver-
wahrung hatte, ab. Da er es nicht zurückbrachte, suchte
die Frau selbst nach und vermißte einen silbernen Löffel.
Als sie ihn darüber zur Rede stellte, läugnete er anfangs,
gestand aber später, daß er denselben für 3 fl. 48 kr. ver-
kauft habe.

Ebenso hatte er einen Winterrock, den ihm sein Dienst-
herr zum Ausbessern gegeben hatte, nebst einer darin be-
findlichen Reisekappe sich zugeeignet und später den erste-
ren um 11 fl. W. W., letztere um 10 kr. C. M. verkauft.

Seine Dienstfrau drang nun in ihn, er möge ihr die
Käufer bezeichnen, damit sie die Sachen zurückkaufen
könne, er stellte sich wohl bereitwillig, schien sich jedoch
keine Mühe zu geben, dieselben ausfindig zu machen.

Die beiden Beschädigten, Herr und Frau Meyer,
wurden über ihre Aussage beeidigt.

Beide gaben einstimmig den Werth des Löffels auf
5 fl. C. M., den Werth des Rockes auf 15 fl. C. M.
und den der Kappe auf 20 kr. C. M. an, sie verzichteten
auf jeden Ersatz.

Der Angeklagte widersprach sich in seiner Aussage, in-
dem er zuerst in der Voruntersuchung behauptete, den
Löffel um 4 fl. 48 kr. W. W. verkauft, heute aber, ihn
gegen diesen Preis versetzt zu haben, er erklärte den an-
geschlagenen Preis des Rockes für zu hoch und gab
als Beweggrund seiner Handlung die schlechte Kost an.

Zwei weitere Zeuginen, die vorgeladen waren, erschie-
nen nicht, der Aufenthalt der Einen konnte nicht ermit-
telt werden, die Andere, die Amme bei dem Hrn. Meyer
ist, entschuldigte sich damit, daß das Kind krank und
ihre Anwesenheit bei demselben unentbehrlich sei.

Da deren Aussagen nicht wesentlich waren, so wurde
die Verhandlung fortgesetzt, der Staatsanwalt trug aber
auf Bestrafung der letztern Zeugin mit 10 fl. an, was
das Gericht aus dem Grunde ablehnte, weil einer Seits
der Entschuldigungsgrund ein annehmbarer sei, anderer
Seits die Entschuldigung schon auf dem Zustellungsbogen
bemerkt war und die Staatsanwaltschaft damals sich nicht
bewogen gefunden habe, diesfalls einen weiteren Antrag
zu stellen.

Der Staatsanwalt geht nun zu seiner Ausführung
über, er wies besonders auf das Dienstverhältniß des
Angeklagten hin, und daß man einer solchen Jmmorali-
tät nicht durch milde Bestrafung Vorschub leisten dürfe,
er hält die Anwendung des §. 48 St. G. B. II. für nicht
gerechtfertigt, und trägt in Berücksichtigung, daß nur der
einzige Erschwerungsumstand vorliege, daß kein Ersatz
geleistet werden könne, dagegen die Milderungsumstände
des frühern tadellosen Lebenswandels und des offenen Ge-
ständnisses vorhanden seien, auf das geringste gesetzliche
Strafmaß von 6 Monaten an.

Der Vertheidiger des Angeklagten, Dr. Schön-
pflug
hebt noch andere der Berücksichtigung würdige
Milderungsumstände heraus, als, daß der Angeklagte
sich in Noth befunden, daß eine Besserung sich erwarten
lasse und er ohne sein Verschulden seit August in Unter-
suchungshaft gewesen, den Erschwerungsumstand hält er
dadurch für behoben, daß die Beschädigten auf jeden Er-
satz verzichtet haben.

Das Gericht verurtheilt den Angeklagten zu schwerem
Kerker von 4 Monaten.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. -- Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

[Beginn Spaltensatz] zu überschreiten. Auf den Vorwurf in Bezug auf die
Freundschaft, die man mit allen Regierungen Frank-
reichs aufrecht erhalte, bemerkte Pidal, daß die Lage
der beiden Länder ein fortdauernd gutes Einverständniß
erheische. Er wolle jedoch damit nicht behaupten, daß
man Frankreichs halber die Verbindungen mit den übri-
gen Staaten aufopfern solle; die Verbindungen mit Eng-
and müßten eben so gut aufrecht erhalten werden, da
dieses Land eine der Spanischen ähnliche Regierung
habe und eine Allianz mit England Vortheile darbiete,
die aufzuzählen unnütz sei.

— Der Herzog und die Herzogin von Montpensier
werden Sevilla nicht verlassen.

— Die Eisenbahn von Madrid nach Aranjuez wird
Ende dieses Monats dem Verkehr übergeben.

— Von Santander sind vier Kauffahrer mit Truppen
nach Cuba abgegangen.

— Am 19ten wird die National=Jndustrie=Ausstellung
Statt haben.

Rußland.

St. Petersburg, 14. November. Se. Majestät
der Kaiser hat unterm 28. October aus Warschau fol-
gende Handschreiben erlassen:

„1. An Unseren außerordentlichen Gesandten und be-
vollmächtigten Minister bei Sr. Majestät dem Könige
von Dänemark, wirklichen Staatsrath Baron Ungern-
Sternberg. Die Unseren Absichten vollkommen entspre-
chende Erfüllung der Jhnen inmitten der Gefahren, die
das Reich Unseres Verbündeten, Sr. Majestät des Kö-
nigs von Dänemark, bedroht, durch Unser Vertrauen auf-
erlegten Obliegenheiten hat Unsere Aufmerksamkeit auf
Sie gelenkt. Zum Beweise dessen verleihen Wir Jhnen
das Großkreuz des St. Wladimir=Ordens 2ter Classe,
dessen hierbei erfolgende Jnsignien Wir Jhnen anzulegen
und den Statuten gemäß zu tragen befehlen. Wir ver-
bleiben Jhnen mit Unserer kaiserlichen Gnade wohlge-
wogen.“

„2 ) An Unseren außerordentlichen Gesandten und be-
vollmächtigten Minister bei Sr. Majestät dem Kaiser
von Oesterreich, geh. Rath Baron v. Meyendorff. Die
ausgezeichneten Dienste, welche Sie in der Eigenschaft
Unseres außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten
Ministers während Jhrer langjährigen Anwesenheit bei
Sr. Majestät dem Könige von Preußen geleistet, haben
stets Unsere Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt. Durch
eifrige und erfolgreiche Mitwirkung zur Beseitigung der
Schwierigkeiten, die so lange den Abschluß des Friedens-
tractates zwischen dem Deutschen Bunde und Dänemark
behinderten, haben Sie neue Rechte auf Unser besonde-
res Wohlwollen erworben. Zum Zeichen desselben und
zur Belohnung Jhrer eifrigen und nützlichen Bemühun-
gen verleihen Wir Jhnen allergnädigst die mit Diaman-
ten geschmückten Jnsignien des St. Alexander=Newski-
Ordens, welche hierbei folgen. Wir bleiben Jhnen mit
Unserer kaiserlichen Gnade wohlgewogen.“ Die Originale
sind von Sr. Majestät dem Kaiser eigenhändig unter-
zeichnet.

— Das „Journal de St. Petersbourg“ meldet, daß
der Kaiser durch einen Ukas vom 22. October dem Däni-
schen Obersten v. Helgesen „für seine bei der Vertheidi-
gung der Festung Friedrichsstadt gegen die Holsteinische
Rebellen=Armee bewiesene Tapferkeit den St. Annen-
Orden zweiter Classe in Brillanten und dem Commodore
Steen=Bille, so wie dem Obersten und Kammerherrn
Riegels, Civil=Gouverneur der Jnsel Alsen, denselben
Orden zweiter Classe mit der kaiserl. Krone verliehen habe.

Dänemark.

Kopenhagen, 18. November. Der im Kriegs-
ministerium aufgelegte officielle Bericht gibt den Verlust
der Dänen in dem Recognoscirungsgefecht vom 14ten
auf 3 Verwundete und 4 Vermißte an, wogegen 1 Schles-
wig=Holsteinischer Officier und 5 Soldaten gefangen ge-
nommen worden sind.

Die an demselben Tage erfolgte Aufhebung der Feld-
wache in Breckendorf ist der Erfolg einer vom Obersten
v. Gerlach geleiteten Recognoscirung gewesen. Der Ver-
lust der Schleswig=Holsteiner wird auf 3 Todte und 14
Gefangene angegeben. Die Dänen erlitten keinen Verlust.

Bei der Gallas=Schanze zwischen Aarhuus und Mar-
selisborg hat man 18 Stück 45pfündige Granaten ge-
funden, welche wahrscheinlich dort seit dem dreißigjähri-
gen Kriege gelegen haben.

Der Volksthing hat die erste Verlesung des Gesetzes
über Glaubensfreiheit begonnen.

Schweden und Norwegen.

Stockholm, 15. November. Heute ist der Tag,
wo nach dem Reichstagsbeschluß vom 24. October 1848
der Reichstag zusammentritt. Die Eröffnungssitzung fin-
[Spaltenumbruch] det aber erst morgen Statt. Heute hat Se. Majestät
der König, umgeben von dem Kronprinzen, den Her-
zogen von Upland und Ostgothland und den Mit-
gliedern des Reichstages, den Reichsherold rufen
lassen und ihm die königliche Kundmachung über die
Eröffnung des Reichstages zur Verlesung auf
den öffentlichen Plätzen der Hauptstadt übergeben.
Als Landmarschall ist der Justiz=Minister Gyllenhaal
beeidigt, zum Sprecher des Priesterstandes ist der Erz-
bischof und Prokanzler von Upsala, Wingard, und zu
seinem Stellvertreter der Bischof von Strengnäs, Holm-
ström, ernannt.



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Unter dem Vorsitze des Herrn Gerichts=Assessors
Adami kam gestern ( 25sten ) im Bezirksgerichte innere
Stadt, II. Section, ein Straffall zur Verhandlung,
der manches Jnteressante darbot. Gegen Josepha L *,
ein 18jähriges Böhmisches Dienstmädchen, wurde von
dem Dienstmädchen Theresia Fischer die Klage auf
Diebstahl eines blauen Kleides, im Werthe von 9 bis
10 fl. geführt. Dieses Kleid wäre im Unterstandsorte
ihrer Quartiersfrau Reinhard, wo noch mehrere Mäd-
chen gewohnt haben, in der Zeit vom 20. bis 30. Octo-
ber verschwunden. Der Verdacht fiel deshalb auf die L *,
weil die dort anwesenden Mädchen sie mit einem Bündel
fortgehen gesehen haben, dieselbe sich viel an dem Orte zu
thun gemacht habe, wo das Kleid sich befunden, und
endlich schon früher ein Sacktuch der Juliana Fischer
im Quartiere entwendet, und selbes nur nach mehrfacher
Aufforderung wieder zurückgestellt habe. Von Seite des
Gerichtes wird der Angeklagten ein beeideter Dolmetsch
gestellt; ungeachtet der vielen Fragestellungen nahm die
Verhandlung einen raschen Verlauf.

Die zur Bekräftigung des Verdachtes aufgerufenen
Zeugen waren die Quartiersfrau Reinhard und die
beiden Dienstmädchen Rosina Wanak und Juliana
Fischer. Die Erstere, eine betagte Frau, sagt aus,
unter der Angabe, daß sie einen schwachen Kopf habe,
sie hätte gesehen, wie die Angeklagte im zweiten Zimmer
sich bei dem Kleide zu thun gemacht habe. Als sie der
Vorsitzende erinnerte, wie sie es gesehen haben konnte,
da doch die Zimmerthüre zu gewesen, weiß sie keinen an-
deren Beweis, als ihren Glauben daran anzugeben. Eben
so widerspricht sich dieselbe, indem sie vorerst angibt, sie
wäre damals allein zu Hause gewesen, während sich bald
herausstellt, daß noch andere Mädchen zugegen waren.
Der Vorsitzende ermahnt sie, in ihren Aussagen gewissen-
hafter zu sein, indem es sich um die Anklage eines Dieb-
stahls handle.

Die zweite Zeugin, Rosina W., 49 Jahre alt, tritt
gegen die Angeklagte mit besonderer Leidenschaftlichkeit
auf. Sie beschuldigt dieselbe der Verstellung, nicht
Deutsch sprechen zu können, sie habe sie vor dem Haus-
thore recht oft mit jungen Männern Deutsch sprechen ge-
hört. Sie hätte keine Verdienste gehabt, jedoch einmal
sich ein Paar neue Stiefel angeschafft, das andere Mal
über 3 fl. bares Geld gezeigt. Sie habe ihren Koffer
bei einer Landsmännin in Verwahrung und an dem Tage,
wo sie mit dem Bündel weggegangen, angeblich um einen
Dienst anzutreten, habe sie dieselbe mit einem jungen
Manne um 9 Uhr Früh gehen gesehen, sie habe damals
kein Bündel mehr gehabt. Unter steigender Aufregung
und mit der Behauptung Alles beschwören zu können,
führt sie vieles sich Widersprechende an, worauf sie der
Vorsitzende zur Ruhe ermahnt, und als sie dennoch fort-
fahren will, ihr Schweigen gebietet.

Die dritte Zeugin F. endlich sagt wohl aus, daß L.
ihr ein Schnupfruch genommen und es ihr wieder zurück-
gestellt habe, weiß jedoch über die Entwendung des Klei-
des gar nichts anzuführen.

Die Angeklagte selbst bestreitet mit raschen Worten un-
ter heftiger bis zum Weinen gesteigerter Aufregung alle
gegen sie geführten Anklagen. Sie gibt an, daß Ro-
sine W. sich immer gehässig gegen sie benommen habe,
weist aus, woher sie das Geld bekommen, zeigt ein gu-
tes Dienstzeugniß vor, beweist, daß sie wirklich am
26. October einen Dienst angetreten habe, wo sie von 9
bis 11 Uhr Vormittags gewesen, und betheuert, von der
Etnwendung des Kleides nichts zu wissen.

Der Staatsanwalt sieht die vorgebrachten Aussagen
als die L. des Diebstahls verdächtigend an, und bean-
tragt die Anwendung des Gesetzes.

Der Vorsitzende wiederholt die vorgebrachten Aussagen.
Dieselben wären zu allgemein, um den Verdacht zur Ge-
wißheit werden zu lassen. Nachdem in solchen Fällen
das Gesetz den Richter anweise, nur nach seinem Gewis-
sen Recht zu sprechen, und sich nur durch Beweisgründe
bestimmen zu lassen, die in der Hauptverhandlung vor-
gekommen sind, er jedoch aus allen diesen vorgebrachten
[Spaltenumbruch] seinem Gewissen nach die Urtheilsfällung auf Diebstahl nicht
vornehmen könne, so erkläre er die Angeklagte für nicht-
schuldig und verweise Klägerin mit ihren ferneren Ansprü-
chen auf den Civil=Rechtsweg.

— Die Verhandlungen bei dem k. k. Landesgericht wer-
den in drei verschiedenen Sälen gehalten, und zwar wird
in zweien über die vor das Bezirks=Collegialgericht gehö-
rigen Fälle, im dritten aber über Recurse als Appel-
Senat verhandelt.

Am 25sten d. M. saß das Bezirks=Collegialgericht
unter dem Vorsitze des Senats=Präsidenten, Grafen
v. Breda, zu Gericht.

Die Verhandlung betraf den Bedienten Dominik D.,
welcher des Diebstahls angeklagt war.

Derselbe erschien dabei in seiner Livree, er zeigte ein
offenes Wesen und benahm sich sowohl in der Vorunter-
suchung als bei der heutigen Verhandlung der Art, daß
seine Reue bemerkbar und seine Besserung wahrschein-
lich war.

Er war zuletzt bei dem Kaufmanne Jgnaz Meyer
in Dienst gewesen, hatte dort einen Lohn von monatli-
chen 7 fl. C. M., die ganze Kost und Wohnung und
bekam außerdem nebst dem Nachtmale täglich 6 kr.
W. W. Doch mußte er sich die Kleidung selbst ver-
schaffen, und die Livree die er noch jetzt trug, hatte er
von seinem frühern Dienstherrn, bei dem er längere
Zeit gedient und sich während dieser Zeit zu dessen Zu-
friedenheit aufgeführt hatte.

Er war ungefähr 2 Monate bei Herrn Meyer in
Dienst, als ihm dessen Frau aufkündigte, sie forderte ihm
zu dieser Zeit das Silbergeschirr, das er in seiner Ver-
wahrung hatte, ab. Da er es nicht zurückbrachte, suchte
die Frau selbst nach und vermißte einen silbernen Löffel.
Als sie ihn darüber zur Rede stellte, läugnete er anfangs,
gestand aber später, daß er denselben für 3 fl. 48 kr. ver-
kauft habe.

Ebenso hatte er einen Winterrock, den ihm sein Dienst-
herr zum Ausbessern gegeben hatte, nebst einer darin be-
findlichen Reisekappe sich zugeeignet und später den erste-
ren um 11 fl. W. W., letztere um 10 kr. C. M. verkauft.

Seine Dienstfrau drang nun in ihn, er möge ihr die
Käufer bezeichnen, damit sie die Sachen zurückkaufen
könne, er stellte sich wohl bereitwillig, schien sich jedoch
keine Mühe zu geben, dieselben ausfindig zu machen.

Die beiden Beschädigten, Herr und Frau Meyer,
wurden über ihre Aussage beeidigt.

Beide gaben einstimmig den Werth des Löffels auf
5 fl. C. M., den Werth des Rockes auf 15 fl. C. M.
und den der Kappe auf 20 kr. C. M. an, sie verzichteten
auf jeden Ersatz.

Der Angeklagte widersprach sich in seiner Aussage, in-
dem er zuerst in der Voruntersuchung behauptete, den
Löffel um 4 fl. 48 kr. W. W. verkauft, heute aber, ihn
gegen diesen Preis versetzt zu haben, er erklärte den an-
geschlagenen Preis des Rockes für zu hoch und gab
als Beweggrund seiner Handlung die schlechte Kost an.

Zwei weitere Zeuginen, die vorgeladen waren, erschie-
nen nicht, der Aufenthalt der Einen konnte nicht ermit-
telt werden, die Andere, die Amme bei dem Hrn. Meyer
ist, entschuldigte sich damit, daß das Kind krank und
ihre Anwesenheit bei demselben unentbehrlich sei.

Da deren Aussagen nicht wesentlich waren, so wurde
die Verhandlung fortgesetzt, der Staatsanwalt trug aber
auf Bestrafung der letztern Zeugin mit 10 fl. an, was
das Gericht aus dem Grunde ablehnte, weil einer Seits
der Entschuldigungsgrund ein annehmbarer sei, anderer
Seits die Entschuldigung schon auf dem Zustellungsbogen
bemerkt war und die Staatsanwaltschaft damals sich nicht
bewogen gefunden habe, diesfalls einen weiteren Antrag
zu stellen.

Der Staatsanwalt geht nun zu seiner Ausführung
über, er wies besonders auf das Dienstverhältniß des
Angeklagten hin, und daß man einer solchen Jmmorali-
tät nicht durch milde Bestrafung Vorschub leisten dürfe,
er hält die Anwendung des §. 48 St. G. B. II. für nicht
gerechtfertigt, und trägt in Berücksichtigung, daß nur der
einzige Erschwerungsumstand vorliege, daß kein Ersatz
geleistet werden könne, dagegen die Milderungsumstände
des frühern tadellosen Lebenswandels und des offenen Ge-
ständnisses vorhanden seien, auf das geringste gesetzliche
Strafmaß von 6 Monaten an.

Der Vertheidiger des Angeklagten, Dr. Schön-
pflug
hebt noch andere der Berücksichtigung würdige
Milderungsumstände heraus, als, daß der Angeklagte
sich in Noth befunden, daß eine Besserung sich erwarten
lasse und er ohne sein Verschulden seit August in Unter-
suchungshaft gewesen, den Erschwerungsumstand hält er
dadurch für behoben, daß die Beschädigten auf jeden Er-
satz verzichtet haben.

Das Gericht verurtheilt den Angeklagten zu schwerem
Kerker von 4 Monaten.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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[3578/0006] 3578 zu überschreiten. Auf den Vorwurf in Bezug auf die Freundschaft, die man mit allen Regierungen Frank- reichs aufrecht erhalte, bemerkte Pidal, daß die Lage der beiden Länder ein fortdauernd gutes Einverständniß erheische. Er wolle jedoch damit nicht behaupten, daß man Frankreichs halber die Verbindungen mit den übri- gen Staaten aufopfern solle; die Verbindungen mit Eng- and müßten eben so gut aufrecht erhalten werden, da dieses Land eine der Spanischen ähnliche Regierung habe und eine Allianz mit England Vortheile darbiete, die aufzuzählen unnütz sei. — Der Herzog und die Herzogin von Montpensier werden Sevilla nicht verlassen. — Die Eisenbahn von Madrid nach Aranjuez wird Ende dieses Monats dem Verkehr übergeben. — Von Santander sind vier Kauffahrer mit Truppen nach Cuba abgegangen. — Am 19ten wird die National=Jndustrie=Ausstellung Statt haben. Rußland. St. Petersburg, 14. November. Se. Majestät der Kaiser hat unterm 28. 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Die ausgezeichneten Dienste, welche Sie in der Eigenschaft Unseres außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers während Jhrer langjährigen Anwesenheit bei Sr. Majestät dem Könige von Preußen geleistet, haben stets Unsere Aufmerksamkeit auf Sie gelenkt. Durch eifrige und erfolgreiche Mitwirkung zur Beseitigung der Schwierigkeiten, die so lange den Abschluß des Friedens- tractates zwischen dem Deutschen Bunde und Dänemark behinderten, haben Sie neue Rechte auf Unser besonde- res Wohlwollen erworben. Zum Zeichen desselben und zur Belohnung Jhrer eifrigen und nützlichen Bemühun- gen verleihen Wir Jhnen allergnädigst die mit Diaman- ten geschmückten Jnsignien des St. Alexander=Newski- Ordens, welche hierbei folgen. Wir bleiben Jhnen mit Unserer kaiserlichen Gnade wohlgewogen.“ Die Originale sind von Sr. Majestät dem Kaiser eigenhändig unter- zeichnet. — Das „Journal de St. Petersbourg“ meldet, daß der Kaiser durch einen Ukas vom 22. October dem Däni- schen Obersten v. Helgesen „für seine bei der Vertheidi- gung der Festung Friedrichsstadt gegen die Holsteinische Rebellen=Armee bewiesene Tapferkeit den St. Annen- Orden zweiter Classe in Brillanten und dem Commodore Steen=Bille, so wie dem Obersten und Kammerherrn Riegels, Civil=Gouverneur der Jnsel Alsen, denselben Orden zweiter Classe mit der kaiserl. Krone verliehen habe. Dänemark. Kopenhagen, 18. November. Der im Kriegs- ministerium aufgelegte officielle Bericht gibt den Verlust der Dänen in dem Recognoscirungsgefecht vom 14ten auf 3 Verwundete und 4 Vermißte an, wogegen 1 Schles- wig=Holsteinischer Officier und 5 Soldaten gefangen ge- nommen worden sind. Die an demselben Tage erfolgte Aufhebung der Feld- wache in Breckendorf ist der Erfolg einer vom Obersten v. Gerlach geleiteten Recognoscirung gewesen. Der Ver- lust der Schleswig=Holsteiner wird auf 3 Todte und 14 Gefangene angegeben. Die Dänen erlitten keinen Verlust. Bei der Gallas=Schanze zwischen Aarhuus und Mar- selisborg hat man 18 Stück 45pfündige Granaten ge- funden, welche wahrscheinlich dort seit dem dreißigjähri- gen Kriege gelegen haben. Der Volksthing hat die erste Verlesung des Gesetzes über Glaubensfreiheit begonnen. Schweden und Norwegen. Stockholm, 15. November. Heute ist der Tag, wo nach dem Reichstagsbeschluß vom 24. October 1848 der Reichstag zusammentritt. Die Eröffnungssitzung fin- det aber erst morgen Statt. Heute hat Se. Majestät der König, umgeben von dem Kronprinzen, den Her- zogen von Upland und Ostgothland und den Mit- gliedern des Reichstages, den Reichsherold rufen lassen und ihm die königliche Kundmachung über die Eröffnung des Reichstages zur Verlesung auf den öffentlichen Plätzen der Hauptstadt übergeben. Als Landmarschall ist der Justiz=Minister Gyllenhaal beeidigt, zum Sprecher des Priesterstandes ist der Erz- bischof und Prokanzler von Upsala, Wingard, und zu seinem Stellvertreter der Bischof von Strengnäs, Holm- ström, ernannt. Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen. Unter dem Vorsitze des Herrn Gerichts=Assessors Adami kam gestern ( 25sten ) im Bezirksgerichte innere Stadt, II. Section, ein Straffall zur Verhandlung, der manches Jnteressante darbot. Gegen Josepha L *, ein 18jähriges Böhmisches Dienstmädchen, wurde von dem Dienstmädchen Theresia Fischer die Klage auf Diebstahl eines blauen Kleides, im Werthe von 9 bis 10 fl. geführt. Dieses Kleid wäre im Unterstandsorte ihrer Quartiersfrau Reinhard, wo noch mehrere Mäd- chen gewohnt haben, in der Zeit vom 20. bis 30. Octo- ber verschwunden. Der Verdacht fiel deshalb auf die L *, weil die dort anwesenden Mädchen sie mit einem Bündel fortgehen gesehen haben, dieselbe sich viel an dem Orte zu thun gemacht habe, wo das Kleid sich befunden, und endlich schon früher ein Sacktuch der Juliana Fischer im Quartiere entwendet, und selbes nur nach mehrfacher Aufforderung wieder zurückgestellt habe. Von Seite des Gerichtes wird der Angeklagten ein beeideter Dolmetsch gestellt; ungeachtet der vielen Fragestellungen nahm die Verhandlung einen raschen Verlauf. Die zur Bekräftigung des Verdachtes aufgerufenen Zeugen waren die Quartiersfrau Reinhard und die beiden Dienstmädchen Rosina Wanak und Juliana Fischer. Die Erstere, eine betagte Frau, sagt aus, unter der Angabe, daß sie einen schwachen Kopf habe, sie hätte gesehen, wie die Angeklagte im zweiten Zimmer sich bei dem Kleide zu thun gemacht habe. Als sie der Vorsitzende erinnerte, wie sie es gesehen haben konnte, da doch die Zimmerthüre zu gewesen, weiß sie keinen an- deren Beweis, als ihren Glauben daran anzugeben. Eben so widerspricht sich dieselbe, indem sie vorerst angibt, sie wäre damals allein zu Hause gewesen, während sich bald herausstellt, daß noch andere Mädchen zugegen waren. Der Vorsitzende ermahnt sie, in ihren Aussagen gewissen- hafter zu sein, indem es sich um die Anklage eines Dieb- stahls handle. Die zweite Zeugin, Rosina W., 49 Jahre alt, tritt gegen die Angeklagte mit besonderer Leidenschaftlichkeit auf. Sie beschuldigt dieselbe der Verstellung, nicht Deutsch sprechen zu können, sie habe sie vor dem Haus- thore recht oft mit jungen Männern Deutsch sprechen ge- hört. Sie hätte keine Verdienste gehabt, jedoch einmal sich ein Paar neue Stiefel angeschafft, das andere Mal über 3 fl. bares Geld gezeigt. Sie habe ihren Koffer bei einer Landsmännin in Verwahrung und an dem Tage, wo sie mit dem Bündel weggegangen, angeblich um einen Dienst anzutreten, habe sie dieselbe mit einem jungen Manne um 9 Uhr Früh gehen gesehen, sie habe damals kein Bündel mehr gehabt. Unter steigender Aufregung und mit der Behauptung Alles beschwören zu können, führt sie vieles sich Widersprechende an, worauf sie der Vorsitzende zur Ruhe ermahnt, und als sie dennoch fort- fahren will, ihr Schweigen gebietet. Die dritte Zeugin F. endlich sagt wohl aus, daß L. ihr ein Schnupfruch genommen und es ihr wieder zurück- gestellt habe, weiß jedoch über die Entwendung des Klei- des gar nichts anzuführen. Die Angeklagte selbst bestreitet mit raschen Worten un- ter heftiger bis zum Weinen gesteigerter Aufregung alle gegen sie geführten Anklagen. Sie gibt an, daß Ro- sine W. sich immer gehässig gegen sie benommen habe, weist aus, woher sie das Geld bekommen, zeigt ein gu- tes Dienstzeugniß vor, beweist, daß sie wirklich am 26. October einen Dienst angetreten habe, wo sie von 9 bis 11 Uhr Vormittags gewesen, und betheuert, von der Etnwendung des Kleides nichts zu wissen. Der Staatsanwalt sieht die vorgebrachten Aussagen als die L. des Diebstahls verdächtigend an, und bean- tragt die Anwendung des Gesetzes. Der Vorsitzende wiederholt die vorgebrachten Aussagen. Dieselben wären zu allgemein, um den Verdacht zur Ge- wißheit werden zu lassen. Nachdem in solchen Fällen das Gesetz den Richter anweise, nur nach seinem Gewis- sen Recht zu sprechen, und sich nur durch Beweisgründe bestimmen zu lassen, die in der Hauptverhandlung vor- gekommen sind, er jedoch aus allen diesen vorgebrachten seinem Gewissen nach die Urtheilsfällung auf Diebstahl nicht vornehmen könne, so erkläre er die Angeklagte für nicht- schuldig und verweise Klägerin mit ihren ferneren Ansprü- chen auf den Civil=Rechtsweg. — Die Verhandlungen bei dem k. k. Landesgericht wer- den in drei verschiedenen Sälen gehalten, und zwar wird in zweien über die vor das Bezirks=Collegialgericht gehö- rigen Fälle, im dritten aber über Recurse als Appel- Senat verhandelt. Am 25sten d. M. saß das Bezirks=Collegialgericht unter dem Vorsitze des Senats=Präsidenten, Grafen v. Breda, zu Gericht. Die Verhandlung betraf den Bedienten Dominik D., welcher des Diebstahls angeklagt war. Derselbe erschien dabei in seiner Livree, er zeigte ein offenes Wesen und benahm sich sowohl in der Vorunter- suchung als bei der heutigen Verhandlung der Art, daß seine Reue bemerkbar und seine Besserung wahrschein- lich war. Er war zuletzt bei dem Kaufmanne Jgnaz Meyer in Dienst gewesen, hatte dort einen Lohn von monatli- chen 7 fl. C. M., die ganze Kost und Wohnung und bekam außerdem nebst dem Nachtmale täglich 6 kr. W. W. Doch mußte er sich die Kleidung selbst ver- schaffen, und die Livree die er noch jetzt trug, hatte er von seinem frühern Dienstherrn, bei dem er längere Zeit gedient und sich während dieser Zeit zu dessen Zu- friedenheit aufgeführt hatte. Er war ungefähr 2 Monate bei Herrn Meyer in Dienst, als ihm dessen Frau aufkündigte, sie forderte ihm zu dieser Zeit das Silbergeschirr, das er in seiner Ver- wahrung hatte, ab. Da er es nicht zurückbrachte, suchte die Frau selbst nach und vermißte einen silbernen Löffel. Als sie ihn darüber zur Rede stellte, läugnete er anfangs, gestand aber später, daß er denselben für 3 fl. 48 kr. ver- kauft habe. Ebenso hatte er einen Winterrock, den ihm sein Dienst- herr zum Ausbessern gegeben hatte, nebst einer darin be- findlichen Reisekappe sich zugeeignet und später den erste- ren um 11 fl. W. W., letztere um 10 kr. C. M. verkauft. Seine Dienstfrau drang nun in ihn, er möge ihr die Käufer bezeichnen, damit sie die Sachen zurückkaufen könne, er stellte sich wohl bereitwillig, schien sich jedoch keine Mühe zu geben, dieselben ausfindig zu machen. Die beiden Beschädigten, Herr und Frau Meyer, wurden über ihre Aussage beeidigt. Beide gaben einstimmig den Werth des Löffels auf 5 fl. C. M., den Werth des Rockes auf 15 fl. C. M. und den der Kappe auf 20 kr. C. M. an, sie verzichteten auf jeden Ersatz. Der Angeklagte widersprach sich in seiner Aussage, in- dem er zuerst in der Voruntersuchung behauptete, den Löffel um 4 fl. 48 kr. W. W. verkauft, heute aber, ihn gegen diesen Preis versetzt zu haben, er erklärte den an- geschlagenen Preis des Rockes für zu hoch und gab als Beweggrund seiner Handlung die schlechte Kost an. Zwei weitere Zeuginen, die vorgeladen waren, erschie- nen nicht, der Aufenthalt der Einen konnte nicht ermit- telt werden, die Andere, die Amme bei dem Hrn. Meyer ist, entschuldigte sich damit, daß das Kind krank und ihre Anwesenheit bei demselben unentbehrlich sei. Da deren Aussagen nicht wesentlich waren, so wurde die Verhandlung fortgesetzt, der Staatsanwalt trug aber auf Bestrafung der letztern Zeugin mit 10 fl. an, was das Gericht aus dem Grunde ablehnte, weil einer Seits der Entschuldigungsgrund ein annehmbarer sei, anderer Seits die Entschuldigung schon auf dem Zustellungsbogen bemerkt war und die Staatsanwaltschaft damals sich nicht bewogen gefunden habe, diesfalls einen weiteren Antrag zu stellen. Der Staatsanwalt geht nun zu seiner Ausführung über, er wies besonders auf das Dienstverhältniß des Angeklagten hin, und daß man einer solchen Jmmorali- tät nicht durch milde Bestrafung Vorschub leisten dürfe, er hält die Anwendung des §. 48 St. G. B. II. für nicht gerechtfertigt, und trägt in Berücksichtigung, daß nur der einzige Erschwerungsumstand vorliege, daß kein Ersatz geleistet werden könne, dagegen die Milderungsumstände des frühern tadellosen Lebenswandels und des offenen Ge- ständnisses vorhanden seien, auf das geringste gesetzliche Strafmaß von 6 Monaten an. Der Vertheidiger des Angeklagten, Dr. Schön- pflug hebt noch andere der Berücksichtigung würdige Milderungsumstände heraus, als, daß der Angeklagte sich in Noth befunden, daß eine Besserung sich erwarten lasse und er ohne sein Verschulden seit August in Unter- suchungshaft gewesen, den Erschwerungsumstand hält er dadurch für behoben, daß die Beschädigten auf jeden Er- satz verzichtet haben. Das Gericht verurtheilt den Angeklagten zu schwerem Kerker von 4 Monaten. Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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Zitationshilfe: Wiener Zeitung. Nr. 282. [Wien], 26. November 1850, S. 3578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_wiener282_1850/6>, abgerufen am 21.11.2024.