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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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den Füßen des Königs, und hielt ihm das
schöne Kind hin. Der Sänger kniete mit ge¬
beugtem Haupte an ihrer Seite. Eine
ängstliche Stille schien jeden Athem festzu¬
halten. Der König war einige Augenblicke
sprachlos und ernst; dann zog er die Prin¬
zessin an seine Brust, drückte sie lange fest
an sich und weinte laut. Er hob nun auch
den Jüngling zu sich auf, und umschloß ihn
mit herzlicher Zärtlichkeit. Ein helles Jauch¬
zen flog durch die Versammlung, die sich
dicht zudrängte. Der König nahm das Kind
nnd reichte es mit rührender Andacht gen
Himmel; dann begrüßte er freundlich den
Alten. Unendliche Freudenthränen flossen.
In Gesänge brachen die Dichter aus, und
der Abend ward ein heiliger Vorabend dem
ganzen Lande, dessen Leben fortan nur Ein
schönes Fest war. Kein Mensch weiß, wo

den Füßen des Königs, und hielt ihm das
ſchöne Kind hin. Der Sänger kniete mit ge¬
beugtem Haupte an ihrer Seite. Eine
ängſtliche Stille ſchien jeden Athem feſtzu¬
halten. Der König war einige Augenblicke
ſprachlos und ernſt; dann zog er die Prin¬
zeſſin an ſeine Bruſt, drückte ſie lange feſt
an ſich und weinte laut. Er hob nun auch
den Jüngling zu ſich auf, und umſchloß ihn
mit herzlicher Zärtlichkeit. Ein helles Jauch¬
zen flog durch die Verſammlung, die ſich
dicht zudrängte. Der König nahm das Kind
nnd reichte es mit rührender Andacht gen
Himmel; dann begrüßte er freundlich den
Alten. Unendliche Freudenthränen floſſen.
In Geſänge brachen die Dichter aus, und
der Abend ward ein heiliger Vorabend dem
ganzen Lande, deſſen Leben fortan nur Ein
ſchönes Feſt war. Kein Menſch weiß, wo

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[102/0110] den Füßen des Königs, und hielt ihm das ſchöne Kind hin. Der Sänger kniete mit ge¬ beugtem Haupte an ihrer Seite. Eine ängſtliche Stille ſchien jeden Athem feſtzu¬ halten. Der König war einige Augenblicke ſprachlos und ernſt; dann zog er die Prin¬ zeſſin an ſeine Bruſt, drückte ſie lange feſt an ſich und weinte laut. Er hob nun auch den Jüngling zu ſich auf, und umſchloß ihn mit herzlicher Zärtlichkeit. Ein helles Jauch¬ zen flog durch die Verſammlung, die ſich dicht zudrängte. Der König nahm das Kind nnd reichte es mit rührender Andacht gen Himmel; dann begrüßte er freundlich den Alten. Unendliche Freudenthränen floſſen. In Geſänge brachen die Dichter aus, und der Abend ward ein heiliger Vorabend dem ganzen Lande, deſſen Leben fortan nur Ein ſchönes Feſt war. Kein Menſch weiß, wo

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/110>, abgerufen am 10.11.2024.