haben mögen, zu Beschäftigungen, für die man von der Wiege an bestimmt und ausge¬ rüstet ist, nicht erklären und beschreiben. Vielleicht daß sie jedem Andern gemein, un¬ bedeutend und abschreckend vorgekommen wären; aber mir schienen sie so unentbehrlich zu seyn, wie die Luft der Brust und die Speise dem Magen. Mein alter Meister freute sich über meine innige Lust, und ver¬ hieß mir, daß ich bey diesem Fleiße und die¬ ser Aufmerksamkeit es weit bringen, und ein tüchtiger Bergmann werden würde. Mit welcher Andacht sah ich zum erstenmal in meinem Leben am sechzehnten März, vor nunmehr fünf und vierzig Jahren, den König der Metalle in zarten Blättchen zwischen den Spalten des Gesteins. Es kam mir vor, als sey er hier wie in festen Gefängnissen einge¬ sperrt und glänze freundlich dem Bergmann entgegen, der mit soviel Gefahren und Müh¬
haben mögen, zu Beſchäftigungen, für die man von der Wiege an beſtimmt und ausge¬ rüſtet iſt, nicht erklären und beſchreiben. Vielleicht daß ſie jedem Andern gemein, un¬ bedeutend und abſchreckend vorgekommen wären; aber mir ſchienen ſie ſo unentbehrlich zu ſeyn, wie die Luft der Bruſt und die Speiſe dem Magen. Mein alter Meiſter freute ſich über meine innige Luſt, und ver¬ hieß mir, daß ich bey dieſem Fleiße und die¬ ſer Aufmerkſamkeit es weit bringen, und ein tüchtiger Bergmann werden würde. Mit welcher Andacht ſah ich zum erſtenmal in meinem Leben am ſechzehnten März, vor nunmehr fünf und vierzig Jahren, den König der Metalle in zarten Blättchen zwiſchen den Spalten des Geſteins. Es kam mir vor, als ſey er hier wie in feſten Gefängniſſen einge¬ ſperrt und glänze freundlich dem Bergmann entgegen, der mit ſoviel Gefahren und Müh¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0146"n="138"/>
haben mögen, zu Beſchäftigungen, für die<lb/>
man von der Wiege an beſtimmt und ausge¬<lb/>
rüſtet iſt, nicht erklären und beſchreiben.<lb/>
Vielleicht daß ſie jedem Andern gemein, un¬<lb/>
bedeutend und abſchreckend vorgekommen<lb/>
wären; aber mir ſchienen ſie ſo unentbehrlich<lb/>
zu ſeyn, wie die Luft der Bruſt und die<lb/>
Speiſe dem Magen. Mein alter Meiſter<lb/>
freute ſich über meine innige Luſt, und ver¬<lb/>
hieß mir, daß ich bey dieſem Fleiße und die¬<lb/>ſer Aufmerkſamkeit es weit bringen, und ein<lb/>
tüchtiger Bergmann werden würde. Mit<lb/>
welcher Andacht ſah ich zum erſtenmal in<lb/>
meinem Leben am ſechzehnten März, vor<lb/>
nunmehr fünf und vierzig Jahren, den König<lb/>
der Metalle in zarten Blättchen zwiſchen den<lb/>
Spalten des Geſteins. Es kam mir vor, als<lb/>ſey er hier wie in feſten Gefängniſſen einge¬<lb/>ſperrt und glänze freundlich dem Bergmann<lb/>
entgegen, der mit ſoviel Gefahren und Müh¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[138/0146]
haben mögen, zu Beſchäftigungen, für die
man von der Wiege an beſtimmt und ausge¬
rüſtet iſt, nicht erklären und beſchreiben.
Vielleicht daß ſie jedem Andern gemein, un¬
bedeutend und abſchreckend vorgekommen
wären; aber mir ſchienen ſie ſo unentbehrlich
zu ſeyn, wie die Luft der Bruſt und die
Speiſe dem Magen. Mein alter Meiſter
freute ſich über meine innige Luſt, und ver¬
hieß mir, daß ich bey dieſem Fleiße und die¬
ſer Aufmerkſamkeit es weit bringen, und ein
tüchtiger Bergmann werden würde. Mit
welcher Andacht ſah ich zum erſtenmal in
meinem Leben am ſechzehnten März, vor
nunmehr fünf und vierzig Jahren, den König
der Metalle in zarten Blättchen zwiſchen den
Spalten des Geſteins. Es kam mir vor, als
ſey er hier wie in feſten Gefängniſſen einge¬
ſperrt und glänze freundlich dem Bergmann
entgegen, der mit ſoviel Gefahren und Müh¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/146>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.