Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Berg, aber die Bauern fanden für
rathsam sich vor die Höhle zurückzuziehn,
und dort seine Rückkunft abzuwarten. Hein¬
rich, die Kaufleute und der Knabe blieben
bey dem Alten, und versahen sich mit Strik¬
ken und Fackeln. Sie gelangten bald in ei¬
ne zweyte Höhle, wobey der Alte nicht ver¬
gaß, den Gang aus dem sie hereingekommen
waren, durch eine Figur von Knochen, die er
davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Höhle
glich der vorigen und war eben so reich an
thierischen Resten. Heinrichen war schauerlich
und wunderbar zu Muthe; es gemahnte
ihn, als wandle er durch die Vorhöfe des in¬
nern Erdenpalastes. Himmel und Leben
lag ihm auf einmal weit entfernt, und diese
dunkeln weiten Hallen schienen zu einem un¬
terirdischen seltsamen Reiche zu gehören.
Wie, dachte er bey sich selbst, wäre es mög¬
lich, daß unter unsern Füßen eine eigene

in den Berg, aber die Bauern fanden für
rathſam ſich vor die Höhle zurückzuziehn,
und dort ſeine Rückkunft abzuwarten. Hein¬
rich, die Kaufleute und der Knabe blieben
bey dem Alten, und verſahen ſich mit Strik¬
ken und Fackeln. Sie gelangten bald in ei¬
ne zweyte Höhle, wobey der Alte nicht ver¬
gaß, den Gang aus dem ſie hereingekommen
waren, durch eine Figur von Knochen, die er
davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Höhle
glich der vorigen und war eben ſo reich an
thieriſchen Reſten. Heinrichen war ſchauerlich
und wunderbar zu Muthe; es gemahnte
ihn, als wandle er durch die Vorhöfe des in¬
nern Erdenpalaſtes. Himmel und Leben
lag ihm auf einmal weit entfernt, und dieſe
dunkeln weiten Hallen ſchienen zu einem un¬
terirdiſchen ſeltſamen Reiche zu gehören.
Wie, dachte er bey ſich ſelbſt, wäre es mög¬
lich, daß unter unſern Füßen eine eigene

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0174" n="166"/>
in den Berg, aber die Bauern fanden für<lb/>
rath&#x017F;am &#x017F;ich vor die Höhle zurückzuziehn,<lb/>
und dort &#x017F;eine Rückkunft abzuwarten. Hein¬<lb/>
rich, die Kaufleute und der Knabe blieben<lb/>
bey dem Alten, und ver&#x017F;ahen &#x017F;ich mit Strik¬<lb/>
ken und Fackeln. Sie gelangten bald in ei¬<lb/>
ne zweyte Höhle, wobey der Alte nicht ver¬<lb/>
gaß, den Gang aus dem &#x017F;ie hereingekommen<lb/>
waren, durch eine Figur von Knochen, die er<lb/>
davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Höhle<lb/>
glich der vorigen und war eben &#x017F;o reich an<lb/>
thieri&#x017F;chen Re&#x017F;ten. Heinrichen war &#x017F;chauerlich<lb/>
und wunderbar zu Muthe; es gemahnte<lb/>
ihn, als wandle er durch die Vorhöfe des in¬<lb/>
nern Erdenpala&#x017F;tes. Himmel und Leben<lb/>
lag ihm auf einmal weit entfernt, und die&#x017F;e<lb/>
dunkeln weiten Hallen &#x017F;chienen zu einem un¬<lb/>
terirdi&#x017F;chen &#x017F;elt&#x017F;amen Reiche zu gehören.<lb/>
Wie, dachte er bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, wäre es mög¬<lb/>
lich, daß unter un&#x017F;ern Füßen eine eigene<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0174] in den Berg, aber die Bauern fanden für rathſam ſich vor die Höhle zurückzuziehn, und dort ſeine Rückkunft abzuwarten. Hein¬ rich, die Kaufleute und der Knabe blieben bey dem Alten, und verſahen ſich mit Strik¬ ken und Fackeln. Sie gelangten bald in ei¬ ne zweyte Höhle, wobey der Alte nicht ver¬ gaß, den Gang aus dem ſie hereingekommen waren, durch eine Figur von Knochen, die er davor hinlegte, zu bezeichnen. Die Höhle glich der vorigen und war eben ſo reich an thieriſchen Reſten. Heinrichen war ſchauerlich und wunderbar zu Muthe; es gemahnte ihn, als wandle er durch die Vorhöfe des in¬ nern Erdenpalaſtes. Himmel und Leben lag ihm auf einmal weit entfernt, und dieſe dunkeln weiten Hallen ſchienen zu einem un¬ terirdiſchen ſeltſamen Reiche zu gehören. Wie, dachte er bey ſich ſelbſt, wäre es mög¬ lich, daß unter unſern Füßen eine eigene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/174
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/174>, abgerufen am 21.11.2024.