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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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den Blättern berührte. Rund um sie her
standen unzählige Blumen von allen Farben,
und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft.
Er sah nichts als die blaue Blume, und be¬
trachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlich¬
keit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als
sie auf einmal sich zu bewegen und zu ver¬
ändern anfing; die Blätter wurden glän¬
zender und schmiegten sich an den wachsen¬
den Stengel, die Blume neigte sich nach
ihm zu, und die Blüthenblätter zeigten ei¬
nen blauen ausgebreiteten Kragen, in wel¬
chem ein zartes Gesicht schwebte. Sein sü¬
ßes Staunen wuchs mit der sonderbaren
Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme
seiner Mutter weckte, und er sich in der el¬
terlichen Stube fand, die schon die Morgen¬
sonne vergoldete. Er war zu entzückt, um
unwillig über diese Störung zu seyn; vielmehr
bot er seiner Mutter freundlich guten Mor¬
gen und erwiederte ihre herzliche Umarmung.

den Blättern berührte. Rund um ſie her
ſtanden unzählige Blumen von allen Farben,
und der köſtlichſte Geruch erfüllte die Luft.
Er ſah nichts als die blaue Blume, und be¬
trachtete ſie lange mit unnennbarer Zärtlich¬
keit. Endlich wollte er ſich ihr nähern, als
ſie auf einmal ſich zu bewegen und zu ver¬
ändern anfing; die Blätter wurden glän¬
zender und ſchmiegten ſich an den wachſen¬
den Stengel, die Blume neigte ſich nach
ihm zu, und die Blüthenblätter zeigten ei¬
nen blauen ausgebreiteten Kragen, in wel¬
chem ein zartes Geſicht ſchwebte. Sein ſü¬
ßes Staunen wuchs mit der ſonderbaren
Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme
ſeiner Mutter weckte, und er ſich in der el¬
terlichen Stube fand, die ſchon die Morgen¬
ſonne vergoldete. Er war zu entzückt, um
unwillig über dieſe Störung zu ſeyn; vielmehr
bot er ſeiner Mutter freundlich guten Mor¬
gen und erwiederte ihre herzliche Umarmung.

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[14/0022] den Blättern berührte. Rund um ſie her ſtanden unzählige Blumen von allen Farben, und der köſtlichſte Geruch erfüllte die Luft. Er ſah nichts als die blaue Blume, und be¬ trachtete ſie lange mit unnennbarer Zärtlich¬ keit. Endlich wollte er ſich ihr nähern, als ſie auf einmal ſich zu bewegen und zu ver¬ ändern anfing; die Blätter wurden glän¬ zender und ſchmiegten ſich an den wachſen¬ den Stengel, die Blume neigte ſich nach ihm zu, und die Blüthenblätter zeigten ei¬ nen blauen ausgebreiteten Kragen, in wel¬ chem ein zartes Geſicht ſchwebte. Sein ſü¬ ßes Staunen wuchs mit der ſonderbaren Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme ſeiner Mutter weckte, und er ſich in der el¬ terlichen Stube fand, die ſchon die Morgen¬ ſonne vergoldete. Er war zu entzückt, um unwillig über dieſe Störung zu ſeyn; vielmehr bot er ſeiner Mutter freundlich guten Mor¬ gen und erwiederte ihre herzliche Umarmung.

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/22>, abgerufen am 21.11.2024.