blickte ihn mit unbeschreiblicher Freundlichkeit an. Er konnte sich nicht halten, neigte sich zu ihr und küßte ihre Lippen. Sie war überrascht, und erwiederte unwillkührlich sei¬ nen heißen Kuß. Gute Mathilde, lieber Heinrich, das war alles, was sie einander sa¬ gen konnten. Sie drückte seine Hand, und ging unter die Andern. Heinrich stand, wie im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zu. Er ließ seine ganze Zärtlichkeit an ihr aus. Sie sagte: Ist es nicht gut, daß wir nach Augsburg gereist sind? Nicht wahr, es ge¬ fällt dir? Liebe Mutter, sagte Heinrich, so habe ich mir es doch nicht vorgestellt. Es ist ganz herrlich.
Der Rest des Abends verging in unend¬ licher Fröhlichkeit. Die Alten spielten, plau¬ derten, und sahen den Tänzen zu. Die Mu¬ sik wogte wie ein Lustmeer im Saale, und hob die berauschte Jugend.
blickte ihn mit unbeſchreiblicher Freundlichkeit an. Er konnte ſich nicht halten, neigte ſich zu ihr und küßte ihre Lippen. Sie war überraſcht, und erwiederte unwillkührlich ſei¬ nen heißen Kuß. Gute Mathilde, lieber Heinrich, das war alles, was ſie einander ſa¬ gen konnten. Sie drückte ſeine Hand, und ging unter die Andern. Heinrich ſtand, wie im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zu. Er ließ ſeine ganze Zärtlichkeit an ihr aus. Sie ſagte: Iſt es nicht gut, daß wir nach Augsburg gereiſt ſind? Nicht wahr, es ge¬ fällt dir? Liebe Mutter, ſagte Heinrich, ſo habe ich mir es doch nicht vorgeſtellt. Es iſt ganz herrlich.
Der Reſt des Abends verging in unend¬ licher Fröhlichkeit. Die Alten ſpielten, plau¬ derten, und ſahen den Tänzen zu. Die Mu¬ ſik wogte wie ein Luſtmeer im Saale, und hob die berauſchte Jugend.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0236"n="228"/>
blickte ihn mit unbeſchreiblicher Freundlichkeit<lb/>
an. Er konnte ſich nicht halten, neigte ſich<lb/>
zu ihr und küßte ihre Lippen. Sie war<lb/>
überraſcht, und erwiederte unwillkührlich ſei¬<lb/>
nen heißen Kuß. Gute Mathilde, lieber<lb/>
Heinrich, das war alles, was ſie einander ſa¬<lb/>
gen konnten. Sie drückte ſeine Hand, und<lb/>
ging unter die Andern. Heinrich ſtand, wie<lb/>
im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zu.<lb/>
Er ließ ſeine ganze Zärtlichkeit an ihr aus.<lb/>
Sie ſagte: Iſt es nicht gut, daß wir nach<lb/>
Augsburg gereiſt ſind? Nicht wahr, es ge¬<lb/>
fällt dir? Liebe Mutter, ſagte Heinrich, ſo<lb/>
habe ich mir es doch nicht vorgeſtellt. Es iſt<lb/>
ganz herrlich.</p><lb/><p>Der Reſt des Abends verging in unend¬<lb/>
licher Fröhlichkeit. Die Alten ſpielten, plau¬<lb/>
derten, und ſahen den Tänzen zu. Die Mu¬<lb/>ſik wogte wie ein Luſtmeer im Saale, und<lb/>
hob die berauſchte Jugend.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[228/0236]
blickte ihn mit unbeſchreiblicher Freundlichkeit
an. Er konnte ſich nicht halten, neigte ſich
zu ihr und küßte ihre Lippen. Sie war
überraſcht, und erwiederte unwillkührlich ſei¬
nen heißen Kuß. Gute Mathilde, lieber
Heinrich, das war alles, was ſie einander ſa¬
gen konnten. Sie drückte ſeine Hand, und
ging unter die Andern. Heinrich ſtand, wie
im Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zu.
Er ließ ſeine ganze Zärtlichkeit an ihr aus.
Sie ſagte: Iſt es nicht gut, daß wir nach
Augsburg gereiſt ſind? Nicht wahr, es ge¬
fällt dir? Liebe Mutter, ſagte Heinrich, ſo
habe ich mir es doch nicht vorgeſtellt. Es iſt
ganz herrlich.
Der Reſt des Abends verging in unend¬
licher Fröhlichkeit. Die Alten ſpielten, plau¬
derten, und ſahen den Tänzen zu. Die Mu¬
ſik wogte wie ein Luſtmeer im Saale, und
hob die berauſchte Jugend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/236>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.