Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.Erzählt uns doch jenen seltsamen Traum, Erzählt uns doch jenen ſeltſamen Traum, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0030" n="22"/> <p>Erzählt uns doch jenen ſeltſamen Traum,<lb/> ſagte der Sohn. Ich war eines Abends,<lb/> fing der Vater an, umhergeſtreift. Der<lb/> Himmel war rein, und der Mond bekleidete<lb/> die alten Säulen und Mauern mit ſeinem<lb/> bleichen ſchauerlichen Lichte. Meine Geſellen<lb/> gingen den Mädchen nach, und mich trieb<lb/> das Heimweh und die Liebe ins Freye.<lb/> Endlich ward ich durſtig und ging ins erſte<lb/> beſte Landhaus hinein, um einen Trunk<lb/> Wein oder Milch zu fordern. Ein alter<lb/> Mann kam heraus, der mich wohl für ei¬<lb/> nen verdächtigen Beſuch halten mochte. Ich<lb/> trug ihm mein Anliegen vor; und als er er¬<lb/> fuhr, daß ich ein Ausländer und ein Deut¬<lb/> ſcher ſey, lud er mich freundlich in die Stu¬<lb/> be und brachte eine Flaſche Wein. Er hieß<lb/> mich niederſetzen, und fragte mich nach mei¬<lb/> nem Gewerbe. Die Stube war voll Bücher<lb/> und Alterthümer. Wir geriethen in ein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0030]
Erzählt uns doch jenen ſeltſamen Traum,
ſagte der Sohn. Ich war eines Abends,
fing der Vater an, umhergeſtreift. Der
Himmel war rein, und der Mond bekleidete
die alten Säulen und Mauern mit ſeinem
bleichen ſchauerlichen Lichte. Meine Geſellen
gingen den Mädchen nach, und mich trieb
das Heimweh und die Liebe ins Freye.
Endlich ward ich durſtig und ging ins erſte
beſte Landhaus hinein, um einen Trunk
Wein oder Milch zu fordern. Ein alter
Mann kam heraus, der mich wohl für ei¬
nen verdächtigen Beſuch halten mochte. Ich
trug ihm mein Anliegen vor; und als er er¬
fuhr, daß ich ein Ausländer und ein Deut¬
ſcher ſey, lud er mich freundlich in die Stu¬
be und brachte eine Flaſche Wein. Er hieß
mich niederſetzen, und fragte mich nach mei¬
nem Gewerbe. Die Stube war voll Bücher
und Alterthümer. Wir geriethen in ein
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