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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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in meiner Vaterstadt und wanderte aus dem
Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬
hin gehn, um etwas zu bestellen, doch wu߬
te ich nicht wohin, und was ich verrichten
solle. Ich ging nach dem Harze mit über¬
aus schnellen Schritten, und wohl war mir,
als sey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht
auf dem Wege, sondern immer feldein durch
Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬
nen hohen Berg. Als ich oben war, sah ich
die goldne Aue vor mir, und überschaute
Thüringen weit und breit, also daß kein
Berg in der Nähe umher mir die Aussicht
wehrte. Gegenüber lag der Harz mit seinen
dunklen Bergen, und ich sah unzählige
Schlösser, Klöster und Ortschaften. Wie
mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel
mir der alte Mann ein, bei dem ich schlief,
und es gedäuchte mir, als sey das vor ge¬
raumer Zeit geschehn, daß ich bey ihm ge¬

in meiner Vaterſtadt und wanderte aus dem
Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬
hin gehn, um etwas zu beſtellen, doch wu߬
te ich nicht wohin, und was ich verrichten
ſolle. Ich ging nach dem Harze mit über¬
aus ſchnellen Schritten, und wohl war mir,
als ſey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht
auf dem Wege, ſondern immer feldein durch
Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬
nen hohen Berg. Als ich oben war, ſah ich
die goldne Aue vor mir, und überſchaute
Thüringen weit und breit, alſo daß kein
Berg in der Nähe umher mir die Ausſicht
wehrte. Gegenüber lag der Harz mit ſeinen
dunklen Bergen, und ich ſah unzählige
Schlöſſer, Klöſter und Ortſchaften. Wie
mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel
mir der alte Mann ein, bei dem ich ſchlief,
und es gedäuchte mir, als ſey das vor ge¬
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[24/0032] in meiner Vaterſtadt und wanderte aus dem Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬ hin gehn, um etwas zu beſtellen, doch wu߬ te ich nicht wohin, und was ich verrichten ſolle. Ich ging nach dem Harze mit über¬ aus ſchnellen Schritten, und wohl war mir, als ſey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf dem Wege, ſondern immer feldein durch Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬ nen hohen Berg. Als ich oben war, ſah ich die goldne Aue vor mir, und überſchaute Thüringen weit und breit, alſo daß kein Berg in der Nähe umher mir die Ausſicht wehrte. Gegenüber lag der Harz mit ſeinen dunklen Bergen, und ich ſah unzählige Schlöſſer, Klöſter und Ortſchaften. Wie mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich ſchlief, und es gedäuchte mir, als ſey das vor ge¬ raumer Zeit geſchehn, daß ich bey ihm ge¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/32>, abgerufen am 21.11.2024.