Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

auf Erden in lieblichen Tönen verkündigen
können.

Die Kaufleute sagten darauf: Wir ha¬
ben uns freylich nie um die Geheimnisse der
Dichter bekümmert, wenn wir gleich mit Ver¬
gnügen ihrem Gesange zugehört. Es mag
wohl wahr seyn, daß eine besondere Gestir¬
nung dazu gehört, wenn ein Dichter zur
Welt kommen soll; denn es ist gewiß eine recht
wunderbare Sache mit dieser Kunst. Auch
sind die andern Künste gar sehr davon un¬
terschieden, und lassen sich weit eher begrei¬
fen. Bey den Mahlern und Tonkünstlern
kann man leicht einsehn, wie es zugeht, und
mit Fleiß und Geduld läßt sich beydes ler¬
nen. Die Töne liegen schon in den Saiten,
und es gehört nur eine Fertigkeit dazu, diese
zu bewegen um jene in einer reitzenden Fol¬
ge aufzuwecken. Bey den Bildern ist die
Natur die herrlichste Lehrmeisterin. Sie er¬

zeugt

auf Erden in lieblichen Tönen verkündigen
können.

Die Kaufleute ſagten darauf: Wir ha¬
ben uns freylich nie um die Geheimniſſe der
Dichter bekümmert, wenn wir gleich mit Ver¬
gnügen ihrem Geſange zugehört. Es mag
wohl wahr ſeyn, daß eine beſondere Geſtir¬
nung dazu gehört, wenn ein Dichter zur
Welt kommen ſoll; denn es iſt gewiß eine recht
wunderbare Sache mit dieſer Kunſt. Auch
ſind die andern Künſte gar ſehr davon un¬
terſchieden, und laſſen ſich weit eher begrei¬
fen. Bey den Mahlern und Tonkünſtlern
kann man leicht einſehn, wie es zugeht, und
mit Fleiß und Geduld läßt ſich beydes ler¬
nen. Die Töne liegen ſchon in den Saiten,
und es gehört nur eine Fertigkeit dazu, dieſe
zu bewegen um jene in einer reitzenden Fol¬
ge aufzuwecken. Bey den Bildern iſt die
Natur die herrlichſte Lehrmeiſterin. Sie er¬

zeugt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0056" n="48"/>
auf Erden in lieblichen Tönen verkündigen<lb/>
können.</p><lb/>
            <p>Die Kaufleute &#x017F;agten darauf: Wir ha¬<lb/>
ben uns freylich nie um die Geheimni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Dichter bekümmert, wenn wir gleich mit Ver¬<lb/>
gnügen ihrem Ge&#x017F;ange zugehört. Es mag<lb/>
wohl wahr &#x017F;eyn, daß eine be&#x017F;ondere Ge&#x017F;tir¬<lb/>
nung dazu gehört, wenn ein Dichter zur<lb/>
Welt kommen &#x017F;oll; denn es i&#x017F;t gewiß eine recht<lb/>
wunderbare Sache mit die&#x017F;er Kun&#x017F;t. Auch<lb/>
&#x017F;ind die andern Kün&#x017F;te gar &#x017F;ehr davon un¬<lb/>
ter&#x017F;chieden, und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich weit eher begrei¬<lb/>
fen. Bey den Mahlern und Tonkün&#x017F;tlern<lb/>
kann man leicht ein&#x017F;ehn, wie es zugeht, und<lb/>
mit Fleiß und Geduld läßt &#x017F;ich beydes ler¬<lb/>
nen. Die Töne liegen &#x017F;chon in den Saiten,<lb/>
und es gehört nur eine Fertigkeit dazu, die&#x017F;e<lb/>
zu bewegen um jene in einer reitzenden Fol¬<lb/>
ge aufzuwecken. Bey den Bildern i&#x017F;t die<lb/>
Natur die herrlich&#x017F;te Lehrmei&#x017F;terin. Sie er¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zeugt<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0056] auf Erden in lieblichen Tönen verkündigen können. Die Kaufleute ſagten darauf: Wir ha¬ ben uns freylich nie um die Geheimniſſe der Dichter bekümmert, wenn wir gleich mit Ver¬ gnügen ihrem Geſange zugehört. Es mag wohl wahr ſeyn, daß eine beſondere Geſtir¬ nung dazu gehört, wenn ein Dichter zur Welt kommen ſoll; denn es iſt gewiß eine recht wunderbare Sache mit dieſer Kunſt. Auch ſind die andern Künſte gar ſehr davon un¬ terſchieden, und laſſen ſich weit eher begrei¬ fen. Bey den Mahlern und Tonkünſtlern kann man leicht einſehn, wie es zugeht, und mit Fleiß und Geduld läßt ſich beydes ler¬ nen. Die Töne liegen ſchon in den Saiten, und es gehört nur eine Fertigkeit dazu, dieſe zu bewegen um jene in einer reitzenden Fol¬ ge aufzuwecken. Bey den Bildern iſt die Natur die herrlichſte Lehrmeiſterin. Sie er¬ zeugt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/56
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/56>, abgerufen am 22.11.2024.