Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

nen Baum, und trat in das Haus, um sich
einen Trunk Milch auszubitten. Der Sohn
war gegenwärtig, und erschrak beynah über
diese zauberhafte Erscheinung eines majestä¬
tischen weiblichen Wesens, das mit allen Rei¬
zen der Jugend und Schönheit geschmückt,
und von einer unbeschreiblich anziehenden
Durchsichtigkeit der zartesten, unschuldigsten
und edelsten Seele beynah vergöttlicht wur¬
de. Während er eilte ihre wie Geistergesang
tönende Bitte zu erfüllen, trat ihr der Alte
mit bescheidner Ehrfurcht entgegen, und lud
sie ein, an dem einfachen Herde, der mitten
im Hause stand, und auf welchem eine leich¬
te blaue Flamme ohne Geräusch emporspiel¬
te, Platz zu nehmen. Es fiel ihr, gleich
beym Eintritt, der mit tausend seltenen Sa¬
chen gezierte Hausraum, die Ordnung und
Reinlichkeit des Ganzen, und eine seltsame
Heiligkeit des Ortes auf, deren Eindruck noch

nen Baum, und trat in das Haus, um ſich
einen Trunk Milch auszubitten. Der Sohn
war gegenwärtig, und erſchrak beynah über
dieſe zauberhafte Erſcheinung eines majeſtä¬
tiſchen weiblichen Weſens, das mit allen Rei¬
zen der Jugend und Schönheit geſchmückt,
und von einer unbeſchreiblich anziehenden
Durchſichtigkeit der zarteſten, unſchuldigſten
und edelſten Seele beynah vergöttlicht wur¬
de. Während er eilte ihre wie Geiſtergeſang
tönende Bitte zu erfüllen, trat ihr der Alte
mit beſcheidner Ehrfurcht entgegen, und lud
ſie ein, an dem einfachen Herde, der mitten
im Hauſe ſtand, und auf welchem eine leich¬
te blaue Flamme ohne Geräuſch emporſpiel¬
te, Platz zu nehmen. Es fiel ihr, gleich
beym Eintritt, der mit tauſend ſeltenen Sa¬
chen gezierte Hausraum, die Ordnung und
Reinlichkeit des Ganzen, und eine ſeltſame
Heiligkeit des Ortes auf, deren Eindruck noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0077" n="69"/>
nen Baum, und trat in das Haus, um &#x017F;ich<lb/>
einen Trunk Milch auszubitten. Der Sohn<lb/>
war gegenwärtig, und er&#x017F;chrak beynah über<lb/>
die&#x017F;e zauberhafte Er&#x017F;cheinung eines maje&#x017F;tä¬<lb/>
ti&#x017F;chen weiblichen We&#x017F;ens, das mit allen Rei¬<lb/>
zen der Jugend und Schönheit ge&#x017F;chmückt,<lb/>
und von einer unbe&#x017F;chreiblich anziehenden<lb/>
Durch&#x017F;ichtigkeit der zarte&#x017F;ten, un&#x017F;chuldig&#x017F;ten<lb/>
und edel&#x017F;ten Seele beynah vergöttlicht wur¬<lb/>
de. Während er eilte ihre wie Gei&#x017F;terge&#x017F;ang<lb/>
tönende Bitte zu erfüllen, trat ihr der Alte<lb/>
mit be&#x017F;cheidner Ehrfurcht entgegen, und lud<lb/>
&#x017F;ie ein, an dem einfachen Herde, der mitten<lb/>
im Hau&#x017F;e &#x017F;tand, und auf welchem eine leich¬<lb/>
te blaue Flamme ohne Geräu&#x017F;ch empor&#x017F;piel¬<lb/>
te, Platz zu nehmen. Es fiel ihr, gleich<lb/>
beym Eintritt, der mit tau&#x017F;end &#x017F;eltenen Sa¬<lb/>
chen gezierte Hausraum, die Ordnung und<lb/>
Reinlichkeit des Ganzen, und eine &#x017F;elt&#x017F;ame<lb/>
Heiligkeit des Ortes auf, deren Eindruck noch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0077] nen Baum, und trat in das Haus, um ſich einen Trunk Milch auszubitten. Der Sohn war gegenwärtig, und erſchrak beynah über dieſe zauberhafte Erſcheinung eines majeſtä¬ tiſchen weiblichen Weſens, das mit allen Rei¬ zen der Jugend und Schönheit geſchmückt, und von einer unbeſchreiblich anziehenden Durchſichtigkeit der zarteſten, unſchuldigſten und edelſten Seele beynah vergöttlicht wur¬ de. Während er eilte ihre wie Geiſtergeſang tönende Bitte zu erfüllen, trat ihr der Alte mit beſcheidner Ehrfurcht entgegen, und lud ſie ein, an dem einfachen Herde, der mitten im Hauſe ſtand, und auf welchem eine leich¬ te blaue Flamme ohne Geräuſch emporſpiel¬ te, Platz zu nehmen. Es fiel ihr, gleich beym Eintritt, der mit tauſend ſeltenen Sa¬ chen gezierte Hausraum, die Ordnung und Reinlichkeit des Ganzen, und eine ſeltſame Heiligkeit des Ortes auf, deren Eindruck noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/77
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/77>, abgerufen am 27.11.2024.