Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

bemerken. Es war ihr jetzt nicht mehr so
lieblich zu Muthe; sie schien sich unter lau¬
ter Fremden, und eine sonderbare Bänglich¬
keit begleitete sie bis an den Abend, wo das
frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung
pries, und von den Wundern des Glaubens
an die Erfüllung unsrer Wünsche mit hinrei¬
ßender Begeisterung sang, sie mit süßem
Trost erfüllte und in die angenehmsten Träu¬
me wiegte. Der Jüngling hatte sich gleich
nach ihrem Abschiede in den Wald verlohren.
An der Seite des Weges war er in Gebü¬
schen bis an die Pforten des Gartens ihr ge¬
folgt, und dann auf dem Wege zurückgegan¬
gen. Wie er so ging, sah er vor seinen Fü¬
ßen einen hellen Glanz. Er bückte sich da¬
nach und hob einen dunkelrothen Stein auf,
der auf einer Seite außerordentlich funkelte,
und auf der Andern eingegrabene unver¬
ständliche Chiffern zeigte. Er erkannte ihn

bemerken. Es war ihr jetzt nicht mehr ſo
lieblich zu Muthe; ſie ſchien ſich unter lau¬
ter Fremden, und eine ſonderbare Bänglich¬
keit begleitete ſie bis an den Abend, wo das
frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung
pries, und von den Wundern des Glaubens
an die Erfüllung unſrer Wünſche mit hinrei¬
ßender Begeiſterung ſang, ſie mit ſüßem
Troſt erfüllte und in die angenehmſten Träu¬
me wiegte. Der Jüngling hatte ſich gleich
nach ihrem Abſchiede in den Wald verlohren.
An der Seite des Weges war er in Gebü¬
ſchen bis an die Pforten des Gartens ihr ge¬
folgt, und dann auf dem Wege zurückgegan¬
gen. Wie er ſo ging, ſah er vor ſeinen Fü¬
ßen einen hellen Glanz. Er bückte ſich da¬
nach und hob einen dunkelrothen Stein auf,
der auf einer Seite außerordentlich funkelte,
und auf der Andern eingegrabene unver¬
ſtändliche Chiffern zeigte. Er erkannte ihn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0082" n="74"/>
bemerken. Es war ihr jetzt nicht mehr &#x017F;o<lb/>
lieblich zu Muthe; &#x017F;ie &#x017F;chien &#x017F;ich unter lau¬<lb/>
ter Fremden, und eine &#x017F;onderbare Bänglich¬<lb/>
keit begleitete &#x017F;ie bis an den Abend, wo das<lb/>
frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung<lb/>
pries, und von den Wundern des Glaubens<lb/>
an die Erfüllung un&#x017F;rer Wün&#x017F;che mit hinrei¬<lb/>
ßender Begei&#x017F;terung &#x017F;ang, &#x017F;ie mit &#x017F;üßem<lb/>
Tro&#x017F;t erfüllte und in die angenehm&#x017F;ten Träu¬<lb/>
me wiegte. Der Jüngling hatte &#x017F;ich gleich<lb/>
nach ihrem Ab&#x017F;chiede in den Wald verlohren.<lb/>
An der Seite des Weges war er in Gebü¬<lb/>
&#x017F;chen bis an die Pforten des Gartens ihr ge¬<lb/>
folgt, und dann auf dem Wege zurückgegan¬<lb/>
gen. Wie er &#x017F;o ging, &#x017F;ah er vor &#x017F;einen Fü¬<lb/>
ßen einen hellen Glanz. Er bückte &#x017F;ich da¬<lb/>
nach und hob einen dunkelrothen Stein auf,<lb/>
der auf einer Seite außerordentlich funkelte,<lb/>
und auf der Andern eingegrabene unver¬<lb/>
&#x017F;tändliche Chiffern zeigte. Er erkannte ihn<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0082] bemerken. Es war ihr jetzt nicht mehr ſo lieblich zu Muthe; ſie ſchien ſich unter lau¬ ter Fremden, und eine ſonderbare Bänglich¬ keit begleitete ſie bis an den Abend, wo das frohe Lied eines Dichters, der die Hoffnung pries, und von den Wundern des Glaubens an die Erfüllung unſrer Wünſche mit hinrei¬ ßender Begeiſterung ſang, ſie mit ſüßem Troſt erfüllte und in die angenehmſten Träu¬ me wiegte. Der Jüngling hatte ſich gleich nach ihrem Abſchiede in den Wald verlohren. An der Seite des Weges war er in Gebü¬ ſchen bis an die Pforten des Gartens ihr ge¬ folgt, und dann auf dem Wege zurückgegan¬ gen. Wie er ſo ging, ſah er vor ſeinen Fü¬ ßen einen hellen Glanz. Er bückte ſich da¬ nach und hob einen dunkelrothen Stein auf, der auf einer Seite außerordentlich funkelte, und auf der Andern eingegrabene unver¬ ſtändliche Chiffern zeigte. Er erkannte ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/82
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/82>, abgerufen am 23.11.2024.