anderer König, als jetzt. Es ist nicht die Krone und das Reich, was einen König macht. Es ist jenes volle, überfließende Ge¬ fühl der Glückseligkeit, der Sättigung mit ir¬ dischen Gütern, jenes Gefühl der über¬ schwänglichen Gnüge. So werd' ich nun für meinen Übermuth bestraft. Der Verlust mei¬ ner Gattin hat mich noch nicht genug er¬ schüttert. Nun hab' ich auch ein grenzenlo¬ ses Elend. So klagte der König in den Stunden der heißesten Sehnsucht. Zuweilen brach auch seine alte Strenge und sein Stolz wieder hervor. Er zürnte über seine Klagen; wie ein König wollte er dulden und schweigen. Er meinte dann, er leide mehr, als alle Anderen, und gehöre ein großer Schmerz zum Königthum; aber wenn es dann dämmerte, und er in die Zimmer seiner Tochter trat, und sah ihre Kleider hängen, und ihre kleinern Habseligkeiten stehn, als
anderer König, als jetzt. Es iſt nicht die Krone und das Reich, was einen König macht. Es iſt jenes volle, überfließende Ge¬ fühl der Glückſeligkeit, der Sättigung mit ir¬ diſchen Gütern, jenes Gefühl der über¬ ſchwänglichen Gnüge. So werd' ich nun für meinen Übermuth beſtraft. Der Verluſt mei¬ ner Gattin hat mich noch nicht genug er¬ ſchüttert. Nun hab' ich auch ein grenzenlo¬ ſes Elend. So klagte der König in den Stunden der heißeſten Sehnſucht. Zuweilen brach auch ſeine alte Strenge und ſein Stolz wieder hervor. Er zürnte über ſeine Klagen; wie ein König wollte er dulden und ſchweigen. Er meinte dann, er leide mehr, als alle Anderen, und gehöre ein großer Schmerz zum Königthum; aber wenn es dann dämmerte, und er in die Zimmer ſeiner Tochter trat, und ſah ihre Kleider hängen, und ihre kleinern Habſeligkeiten ſtehn, als
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anderer König, als jetzt. Es iſt nicht die
Krone und das Reich, was einen König
macht. Es iſt jenes volle, überfließende Ge¬
fühl der Glückſeligkeit, der Sättigung mit ir¬
diſchen Gütern, jenes Gefühl der über¬
ſchwänglichen Gnüge. So werd' ich nun für
meinen Übermuth beſtraft. Der Verluſt mei¬
ner Gattin hat mich noch nicht genug er¬
ſchüttert. Nun hab' ich auch ein grenzenlo¬
ſes Elend. So klagte der König in den
Stunden der heißeſten Sehnſucht. Zuweilen
brach auch ſeine alte Strenge und ſein
Stolz wieder hervor. Er zürnte über ſeine
Klagen; wie ein König wollte er dulden und
ſchweigen. Er meinte dann, er leide mehr,
als alle Anderen, und gehöre ein großer
Schmerz zum Königthum; aber wenn es
dann dämmerte, und er in die Zimmer ſeiner
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/97>, abgerufen am 23.11.2024.
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