Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434So wißt ihr nun, meine Lieben, warum Gott den Menschen den Geschlechtstrieb gab. Er sollte sie nemlich leiten, für die künftige Bevölkerung der Welt zu sorgen, und zwar in einer solchen Ordnung, daß die von ihnen gezeugte Nachkommenschaft auch gut erzogen würde. Jndeß, da dieser Geschlechtstrieb sehr stark ist, und, wie ihr gehört habt, auch stark seyn mußte: so ist es nöthig, daß der Mensch ihn durch weise Mittel so lange beherrsche, bis er ihn in der Vereinigung mit einer Person auf eine erlaubte Art befriedigen, das heißt, bis er in den Ehestand treten kann. Hätten wir keine Vernunft und könnten wir nicht unterscheiden, was uns Nutzen oder Schaden brächte, so würden wir diesen Trieb nicht in unserer Gewalt haben. Da Gott uns aber die Vernunft zur Beherrschung unserer sinnlichen Triebe gegeben hat, so sind wir durch sie vermögend, diesen Trieb, so wie viele andere, in den erlaubten Schranken zu halten, wenn wir es nur ernstlich wollen und uns darum bemühen. Und eben in dieser Bemühung, den Geschlechtstrieb so lange zu beherrschen, bis er in dem Besitz einer Person befriedigt werden darf, liegt eine Tugend, meine jungen Freunde, die für unser Leben, unsere So wißt ihr nun, meine Lieben, warum Gott den Menschen den Geschlechtstrieb gab. Er sollte sie nemlich leiten, für die künftige Bevölkerung der Welt zu sorgen, und zwar in einer solchen Ordnung, daß die von ihnen gezeugte Nachkommenschaft auch gut erzogen würde. Jndeß, da dieser Geschlechtstrieb sehr stark ist, und, wie ihr gehört habt, auch stark seyn mußte: so ist es nöthig, daß der Mensch ihn durch weise Mittel so lange beherrsche, bis er ihn in der Vereinigung mit einer Person auf eine erlaubte Art befriedigen, das heißt, bis er in den Ehestand treten kann. Hätten wir keine Vernunft und könnten wir nicht unterscheiden, was uns Nutzen oder Schaden brächte, so würden wir diesen Trieb nicht in unserer Gewalt haben. Da Gott uns aber die Vernunft zur Beherrschung unserer sinnlichen Triebe gegeben hat, so sind wir durch sie vermögend, diesen Trieb, so wie viele andere, in den erlaubten Schranken zu halten, wenn wir es nur ernstlich wollen und uns darum bemühen. Und eben in dieser Bemühung, den Geschlechtstrieb so lange zu beherrschen, bis er in dem Besitz einer Person befriedigt werden darf, liegt eine Tugend, meine jungen Freunde, die für unser Leben, unsere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0042" n="334"/> <p> So wißt ihr nun, meine Lieben, warum Gott den Menschen den Geschlechtstrieb gab. Er sollte sie nemlich leiten, für die künftige Bevölkerung der Welt zu sorgen, und zwar in einer solchen Ordnung, daß die von ihnen gezeugte Nachkommenschaft auch gut erzogen würde.</p> <p>Jndeß, da dieser Geschlechtstrieb sehr stark ist, und, wie ihr gehört habt, auch stark seyn mußte: so ist es nöthig, daß der Mensch ihn durch weise Mittel so lange beherrsche, bis er ihn in der Vereinigung mit einer Person auf eine erlaubte Art befriedigen, das heißt, bis er in den Ehestand treten kann. Hätten wir keine Vernunft und könnten wir nicht unterscheiden, was uns Nutzen oder Schaden brächte, so würden wir diesen Trieb nicht in unserer Gewalt haben. Da Gott uns aber die Vernunft zur Beherrschung unserer sinnlichen Triebe gegeben hat, so sind wir durch sie vermögend, diesen Trieb, so wie viele andere, in den erlaubten Schranken zu halten, wenn wir es nur ernstlich wollen und uns darum bemühen. Und eben in dieser Bemühung, den Geschlechtstrieb so lange zu beherrschen, bis er in dem Besitz einer Person befriedigt werden darf, liegt eine Tugend, meine jungen Freunde, die für unser Leben, unsere </p> </div> </body> </text> </TEI> [334/0042]
So wißt ihr nun, meine Lieben, warum Gott den Menschen den Geschlechtstrieb gab. Er sollte sie nemlich leiten, für die künftige Bevölkerung der Welt zu sorgen, und zwar in einer solchen Ordnung, daß die von ihnen gezeugte Nachkommenschaft auch gut erzogen würde.
Jndeß, da dieser Geschlechtstrieb sehr stark ist, und, wie ihr gehört habt, auch stark seyn mußte: so ist es nöthig, daß der Mensch ihn durch weise Mittel so lange beherrsche, bis er ihn in der Vereinigung mit einer Person auf eine erlaubte Art befriedigen, das heißt, bis er in den Ehestand treten kann. Hätten wir keine Vernunft und könnten wir nicht unterscheiden, was uns Nutzen oder Schaden brächte, so würden wir diesen Trieb nicht in unserer Gewalt haben. Da Gott uns aber die Vernunft zur Beherrschung unserer sinnlichen Triebe gegeben hat, so sind wir durch sie vermögend, diesen Trieb, so wie viele andere, in den erlaubten Schranken zu halten, wenn wir es nur ernstlich wollen und uns darum bemühen. Und eben in dieser Bemühung, den Geschlechtstrieb so lange zu beherrschen, bis er in dem Besitz einer Person befriedigt werden darf, liegt eine Tugend, meine jungen Freunde, die für unser Leben, unsere
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