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Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805.

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der nur den Widerstand ohne alle Form
wahrnimmt: die Finger nehmen zwar auch
den Widerstand wahr, aber nicht inso-
fern sie tasten, sondern insofern sie über-
haupt als körperliche Masse anstossen, und
als thierische Masse empfinden, der Lip-
pensinn aber "nous procure la plus deli-
cieuse de toutes les sensations du tou-
cher", und lehrt die Rüsselthiere meistens
allein ihre Speise erkennen, was ihnen mit
dem Tastorgan, z. B. dem Elephanten, der
Aente etc. nicht so leicht gelingt, und wenn
auch, doch nur in anderer Rüksicht, oder
wegen andern Eigenschaften der Speisen.
Insofern wir mit den Fingern bloss Wider-
stand auffassen, tasten wir nicht, dieses
tritt erst ein, wenn wir in das Kubiselse
des Körpers eindringen, wenn wir eine
Vorstellung von seiner Gestalt, von seinem
Attribut, das ihm gemäss der Schwere-
function eingeprägt ist, haben wollen.

Der geistige Charakter dieses Sinnes
scheint Vorsichtigkeit, Prüfung, Bedächt-
lichkeit zu sein.

Die

der nur den Widerſtand ohne alle Form
wahrnimmt: die Finger nehmen zwar auch
den Widerſtand wahr, aber nicht inso-
fern sie taſten, sondern insofern sie über-
haupt als körperliche Maſſe anſtoſsen, und
als thieriſche Maſſe empfinden, der Lip-
penſinn aber “nous procure la plus déli-
cieuſe de toutes les senſations du tou-
cher”, und lehrt die Rüſſelthiere meiſtens
allein ihre Speiſe erkennen, was ihnen mit
dem Taſtorgan, z. B. dem Elephanten, der
Aente etc. nicht so leicht gelingt, und wenn
auch, doch nur in anderer Rükſicht, oder
wegen andern Eigenſchaften der Speiſen.
Inſofern wir mit den Fingern bloſs Wider-
stand auffaſſen, tasten wir nicht, dieſes
tritt erſt ein, wenn wir in das Kubiſelſe
des Körpers eindringen, wenn wir eine
Vorſtellung von seiner Geſtalt, von seinem
Attribut, das ihm gemäſs der Schwere-
function eingeprägt iſt, haben wollen.

Der geiſtige Charakter dieſes Sinnes
scheint Vorsichtigkeit, Prüfung, Bedächt-
lichkeit zu sein.

Die
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[112/0130] der nur den Widerſtand ohne alle Form wahrnimmt: die Finger nehmen zwar auch den Widerſtand wahr, aber nicht inso- fern sie taſten, sondern insofern sie über- haupt als körperliche Maſſe anſtoſsen, und als thieriſche Maſſe empfinden, der Lip- penſinn aber “nous procure la plus déli- cieuſe de toutes les senſations du tou- cher”, und lehrt die Rüſſelthiere meiſtens allein ihre Speiſe erkennen, was ihnen mit dem Taſtorgan, z. B. dem Elephanten, der Aente etc. nicht so leicht gelingt, und wenn auch, doch nur in anderer Rükſicht, oder wegen andern Eigenſchaften der Speiſen. Inſofern wir mit den Fingern bloſs Wider- stand auffaſſen, tasten wir nicht, dieſes tritt erſt ein, wenn wir in das Kubiſelſe des Körpers eindringen, wenn wir eine Vorſtellung von seiner Geſtalt, von seinem Attribut, das ihm gemäſs der Schwere- function eingeprägt iſt, haben wollen. Der geiſtige Charakter dieſes Sinnes scheint Vorsichtigkeit, Prüfung, Bedächt- lichkeit zu sein. Die

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Zitationshilfe: Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805/130>, abgerufen am 21.11.2024.