Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624.

Bild:
<< vorherige Seite

then furor nennet/ zum vnterscheide des aberwitzes oder blödig-
keit/ dürffen weder erfindung noch worte gesucht werden; vnnd
wie alles mit luft vnd anmutigkeit geschrieben wird/ so wird es
auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutig-
keit gelesen. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die
demühung loben/ der nachkommenen gunst aber können wir jh-
nen nicht verheißen.

Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: daß
im fall dieselbigen mit der natur vereintget werden/ muß etwas
folgen das böse mäuler leichtlicher tadeln können als nachmachen.

Eine guete art der vbung aber ist/ das wir vns zueweilen auß
den Griechischen vnd Lateinischen Poeten etwas zue vbersetzen
vornemen: dadurch denn die eigenschafft vnd glantz der wörter/
die menge der siguren/ vnd das vermögen auch dergleichen zue
erfinden zue wege gebracht wird. Auff diese weise sind die Rö-
mer mit den Griechen/ vnd die newen seribenten mit den alten
verfahren: so das sich Virgilius selber nieht geschämet/ gantze
plätze auß andern zue entlehnen; wie sonderlich Macrobius im
fünfften vnd sechsten buche beweiset. Wir sollen vns auch an
vnserem eigenen fleiße nicht genügen laßen, sondern/ weil viel
augen mehr sehen als eines/ vber die sachen welche wir an das
liecht zue bringen vermeinen/ berühmbter männer vrtheil erge-
hen laßen. Welches inngleichen die Römer so wol verstanden/
vnd in acht genommen/ das sie nicht leichtlich etwas offentlich
anßkommen laßen/ das nicht zuevor von einem vnd dem andern
geschätzet vnd durchgezogen worden. Ja/ wie man keinen rin-
ger oder fechter in offentlichen schawplatze auffführete/ er muß-
te vorher seinen namen geben/ vnd eine probe thun welches sie
[fremdsprachliches Material - 11 Zeichen fehlen] vnnd [fremdsprachliches Material - 11 Zeichen fehlen]. einschreiben vnnd appro-
biren hiessen: so gaben auch die/ welche in der zahl der Poeten
wolten gerechnet werden/ jhre getichte anderen Poeten zue vber-
sehen/ vnd erkündigten sich darüber jhrer meinung: dieses war

jhre
K

then furor nennet/ zum vnterſcheide des aberwitzes oder bloͤdig-
keit/ duͤrffen weder erfindung noch worte geſucht werden; vnnd
wie alles mit luft vnd anmutigkeit geſchrieben wird/ ſo wird es
auch nachmals von jederman mit dergleichen luſt vnd anmutig-
keit geleſen. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die
demuͤhung loben/ der nachkommenen gunſt aber koͤnnen wir jh-
nen nicht verheißen.

Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: daß
im fall dieſelbigen mit der natur vereintget werden/ muß etwas
folgen das boͤſe maͤuler leichtlicher tadeln koͤñen als nachmachẽ.

Eine guete art der vbung aber iſt/ das wir vns zueweilen auß
den Griechiſchen vnd Lateiniſchen Poeten etwas zue vberſetzen
vornemen: dadurch denn die eigenſchafft vnd glantz der woͤrter/
die menge der ſiguren/ vnd das vermoͤgen auch dergleichen zue
erfinden zue wege gebracht wird. Auff dieſe weiſe ſind die Roͤ-
mer mit den Griechen/ vnd die newen ſeribenten mit den alten
verfahren: ſo das ſich Virgilius ſelber nieht geſchaͤmet/ gantze
plaͤtze auß andern zue entlehnen; wie ſonderlich Macrobius im
fuͤnfften vnd ſechſten buche beweiſet. Wir ſollen vns auch an
vnſerem eigenen fleiße nicht genuͤgen laßen, ſondern/ weil viel
augen mehr ſehen als eines/ vber die ſachen welche wir an das
liecht zue bringen vermeinen/ beruͤhmbter maͤnner vrtheil erge-
hen laßen. Welches inngleichen die Roͤmer ſo wol verſtanden/
vnd in acht genommen/ das ſie nicht leichtlich etwas offentlich
anßkommen laßen/ das nicht zuevor von einem vnd dem andern
geſchaͤtzet vnd durchgezogen worden. Ja/ wie man keinen rin-
ger oder fechter in offentlichen ſchawplatze aufffuͤhrete/ er muß-
te vorher ſeinen namen geben/ vnd eine probe thun welches ſie
[fremdsprachliches Material – 11 Zeichen fehlen] vnnd [fremdsprachliches Material – 11 Zeichen fehlen]. einſchreiben vnnd appro-
biren hieſſen: ſo gaben auch die/ welche in der zahl der Poeten
wolten gerechnet werden/ jhre getichte anderen Poeten zue vber-
ſehen/ vnd erkuͤndigten ſich daruͤber jhrer meinung: dieſes war

jhre
K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079"/>
then furor nennet/ zum vnter&#x017F;cheide des aberwitzes oder blo&#x0364;dig-<lb/>
keit/ du&#x0364;rffen weder erfindung noch worte ge&#x017F;ucht werden; vnnd<lb/>
wie alles mit luft vnd anmutigkeit ge&#x017F;chrieben wird/ &#x017F;o wird es<lb/>
auch nachmals von jederman mit dergleichen lu&#x017F;t vnd anmutig-<lb/>
keit gele&#x017F;en. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die<lb/>
demu&#x0364;hung loben/ der nachkommenen gun&#x017F;t aber ko&#x0364;nnen wir jh-<lb/>
nen nicht verheißen.</p><lb/>
        <p>Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: daß<lb/>
im fall die&#x017F;elbigen mit der natur vereintget werden/ muß etwas<lb/>
folgen das bo&#x0364;&#x017F;e ma&#x0364;uler leichtlicher tadeln ko&#x0364;n&#x0303;en als nachmache&#x0303;.</p><lb/>
        <p>Eine guete art der vbung aber i&#x017F;t/ das wir vns zueweilen auß<lb/>
den Griechi&#x017F;chen vnd Lateini&#x017F;chen Poeten etwas zue vber&#x017F;etzen<lb/>
vornemen: dadurch denn die eigen&#x017F;chafft vnd glantz der wo&#x0364;rter/<lb/>
die menge der &#x017F;iguren/ vnd das vermo&#x0364;gen auch dergleichen zue<lb/>
erfinden zue wege gebracht wird. Auff die&#x017F;e wei&#x017F;e &#x017F;ind die Ro&#x0364;-<lb/>
mer mit den Griechen/ vnd die newen &#x017F;eribenten mit den alten<lb/>
verfahren: &#x017F;o das &#x017F;ich Virgilius &#x017F;elber nieht ge&#x017F;cha&#x0364;met/ gantze<lb/>
pla&#x0364;tze auß andern zue entlehnen; wie &#x017F;onderlich Macrobius im<lb/>
fu&#x0364;nfften vnd &#x017F;ech&#x017F;ten buche bewei&#x017F;et. Wir &#x017F;ollen vns auch an<lb/>
vn&#x017F;erem eigenen fleiße nicht genu&#x0364;gen laßen, &#x017F;ondern/ weil viel<lb/>
augen mehr &#x017F;ehen als eines/ vber die &#x017F;achen welche wir an das<lb/>
liecht zue bringen vermeinen/ beru&#x0364;hmbter ma&#x0364;nner vrtheil erge-<lb/>
hen laßen. Welches inngleichen die Ro&#x0364;mer &#x017F;o wol ver&#x017F;tanden/<lb/>
vnd in acht genommen/ das &#x017F;ie nicht leichtlich etwas offentlich<lb/>
anßkommen laßen/ das nicht zuevor von einem vnd dem andern<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;tzet vnd durchgezogen worden. Ja/ wie man keinen rin-<lb/>
ger oder fechter in offentlichen &#x017F;chawplatze aufffu&#x0364;hrete/ er muß-<lb/>
te vorher &#x017F;einen namen geben/ vnd eine probe thun welches &#x017F;ie<lb/><gap reason="fm" unit="chars" quantity="11"/> vnnd <gap reason="fm" unit="chars" quantity="11"/>. ein&#x017F;chreiben vnnd appro-<lb/>
biren hie&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o gaben auch die/ welche in der zahl der Poeten<lb/>
wolten gerechnet werden/ jhre getichte anderen Poeten zue vber-<lb/>
&#x017F;ehen/ vnd erku&#x0364;ndigten &#x017F;ich daru&#x0364;ber jhrer meinung: die&#x017F;es war<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K</fw><fw place="bottom" type="catch">jhre</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] then furor nennet/ zum vnterſcheide des aberwitzes oder bloͤdig- keit/ duͤrffen weder erfindung noch worte geſucht werden; vnnd wie alles mit luft vnd anmutigkeit geſchrieben wird/ ſo wird es auch nachmals von jederman mit dergleichen luſt vnd anmutig- keit geleſen. An den andern wollen wir zwar den willen vnd die demuͤhung loben/ der nachkommenen gunſt aber koͤnnen wir jh- nen nicht verheißen. Wiewol wir die vbung vnd den fleiß nicht verwerffen: daß im fall dieſelbigen mit der natur vereintget werden/ muß etwas folgen das boͤſe maͤuler leichtlicher tadeln koͤñen als nachmachẽ. Eine guete art der vbung aber iſt/ das wir vns zueweilen auß den Griechiſchen vnd Lateiniſchen Poeten etwas zue vberſetzen vornemen: dadurch denn die eigenſchafft vnd glantz der woͤrter/ die menge der ſiguren/ vnd das vermoͤgen auch dergleichen zue erfinden zue wege gebracht wird. Auff dieſe weiſe ſind die Roͤ- mer mit den Griechen/ vnd die newen ſeribenten mit den alten verfahren: ſo das ſich Virgilius ſelber nieht geſchaͤmet/ gantze plaͤtze auß andern zue entlehnen; wie ſonderlich Macrobius im fuͤnfften vnd ſechſten buche beweiſet. Wir ſollen vns auch an vnſerem eigenen fleiße nicht genuͤgen laßen, ſondern/ weil viel augen mehr ſehen als eines/ vber die ſachen welche wir an das liecht zue bringen vermeinen/ beruͤhmbter maͤnner vrtheil erge- hen laßen. Welches inngleichen die Roͤmer ſo wol verſtanden/ vnd in acht genommen/ das ſie nicht leichtlich etwas offentlich anßkommen laßen/ das nicht zuevor von einem vnd dem andern geſchaͤtzet vnd durchgezogen worden. Ja/ wie man keinen rin- ger oder fechter in offentlichen ſchawplatze aufffuͤhrete/ er muß- te vorher ſeinen namen geben/ vnd eine probe thun welches ſie ___________ vnnd ___________. einſchreiben vnnd appro- biren hieſſen: ſo gaben auch die/ welche in der zahl der Poeten wolten gerechnet werden/ jhre getichte anderen Poeten zue vber- ſehen/ vnd erkuͤndigten ſich daruͤber jhrer meinung: dieſes war jhre K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/79
Zitationshilfe: Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey. Breslau u. a., 1624, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/opitz_buch_1624/79>, abgerufen am 23.05.2024.