Suschen klammert sich an seinen Arm an und stöhnt: "Gott sei Dank!" Johannes erkennt jetzt den Mann. Es ist Christlieb, der sich mit untergestämmten Armen und ausgespreizten Beinen ihm jetzt gegenüber stellt und mit einer herausfordernden Miene ihn trotzig ansieht.
"Was unterstehen Sie sich?" -- beginnt Johannes. --
"Ho ho! unterstehen?" fällt ihm der Andere ins Wort "es fragt sich, wer sich Etwas zu unterstehen und wer Etwas zu verbieten hat -- was unterstehen Sie sich, mir mein Mädchen wegzureißen?"
"Diese Frechheit ist empörend!" sagte Johonnes, "Sie wollten gegen Suschen Gewalt brauchen -- sie schrie nach Hilfe!"
"Ei, welches Mädchen sperrt sich denn nicht, wenn man ihr einen Kuß geben will?" lachte Christlieb, "wenn sie auch selbst noch so große Lust dazu hat, denkt sie doch, sie muß schreien -- die wirkliche Hilfe aber kommt dann immer sehr ungelegen, wie jetzt Sie uns --" und er wollte Suschen wieder anfassen.
"Das ist abscheulich!" rief sie und hing sich an Jo- hannes, "Christlieb fiel über mich her -- ich sag' es ge- rade heraus, ich hab' ihn niemals leiden mögen und bin ihm überall ausgewichen, nun ist es hier doch gesche- hen, ach, lassen Sie uns eilen, daß wir fort kommen! nicht wahr Johannes, Sie gehen bis zu Hause mit mir?"
Suschen klammert ſich an ſeinen Arm an und ſtoͤhnt: „Gott ſei Dank!“ Johannes erkennt jetzt den Mann. Es iſt Chriſtlieb, der ſich mit untergeſtaͤmmten Armen und ausgeſpreizten Beinen ihm jetzt gegenuͤber ſtellt und mit einer herausfordernden Miene ihn trotzig anſieht.
„Was unterſtehen Sie ſich?“ — beginnt Johannes. —
„Ho ho! unterſtehen?“ faͤllt ihm der Andere ins Wort „es fragt ſich, wer ſich Etwas zu unterſtehen und wer Etwas zu verbieten hat — was unterſtehen Sie ſich, mir mein Maͤdchen wegzureißen?“
„Dieſe Frechheit iſt empoͤrend!“ ſagte Johonnes, „Sie wollten gegen Suschen Gewalt brauchen — ſie ſchrie nach Hilfe!“
„Ei, welches Maͤdchen ſperrt ſich denn nicht, wenn man ihr einen Kuß geben will?“ lachte Chriſtlieb, „wenn ſie auch ſelbſt noch ſo große Luſt dazu hat, denkt ſie doch, ſie muß ſchreien — die wirkliche Hilfe aber kommt dann immer ſehr ungelegen, wie jetzt Sie uns —“ und er wollte Suschen wieder anfaſſen.
„Das iſt abſcheulich!“ rief ſie und hing ſich an Jo- hannes, „Chriſtlieb fiel uͤber mich her — ich ſag’ es ge- rade heraus, ich hab’ ihn niemals leiden moͤgen und bin ihm uͤberall ausgewichen, nun iſt es hier doch geſche- hen, ach, laſſen Sie uns eilen, daß wir fort kommen! nicht wahr Johannes, Sie gehen bis zu Hauſe mit mir?“
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Suschen klammert ſich an ſeinen Arm an und ſtoͤhnt:
„Gott ſei Dank!“ Johannes erkennt jetzt den Mann.
Es iſt Chriſtlieb, der ſich mit untergeſtaͤmmten Armen
und ausgeſpreizten Beinen ihm jetzt gegenuͤber ſtellt und
mit einer herausfordernden Miene ihn trotzig anſieht.
„Was unterſtehen Sie ſich?“ — beginnt Johannes. —
„Ho ho! unterſtehen?“ faͤllt ihm der Andere ins Wort
„es fragt ſich, wer ſich Etwas zu unterſtehen und wer
Etwas zu verbieten hat — was unterſtehen Sie ſich,
mir mein Maͤdchen wegzureißen?“
„Dieſe Frechheit iſt empoͤrend!“ ſagte Johonnes, „Sie
wollten gegen Suschen Gewalt brauchen — ſie ſchrie
nach Hilfe!“
„Ei, welches Maͤdchen ſperrt ſich denn nicht, wenn man
ihr einen Kuß geben will?“ lachte Chriſtlieb, „wenn ſie
auch ſelbſt noch ſo große Luſt dazu hat, denkt ſie doch, ſie
muß ſchreien — die wirkliche Hilfe aber kommt dann
immer ſehr ungelegen, wie jetzt Sie uns —“ und er
wollte Suschen wieder anfaſſen.
„Das iſt abſcheulich!“ rief ſie und hing ſich an Jo-
hannes, „Chriſtlieb fiel uͤber mich her — ich ſag’ es ge-
rade heraus, ich hab’ ihn niemals leiden moͤgen und
bin ihm uͤberall ausgewichen, nun iſt es hier doch geſche-
hen, ach, laſſen Sie uns eilen, daß wir fort kommen!
nicht wahr Johannes, Sie gehen bis zu Hauſe mit mir?“
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/160>, abgerufen am 16.07.2024.
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