Er schalt sie zärtlich aus, daß sie jetzt an andere Leute denken und auf sie Rücksicht nehmen könne, indeß er nach der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wisse, daß Laura sein sei, so könne sie ihn doch nicht so lieb haben wie er sie. So stritten sie sich zärtlich ein Weil- chen und glichen darin ganz Laura's Lieblingstauben, die auch damit abwechseln, sich zu schnäbeln und zu zanken.
Darüber kam unser Schulmeister endlich nach Hause -- ganz außer sich, weil es für ihn nun gewiß geworden, daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er sah auch verstört aus -- aber die Liebenden waren zu sehr von ihrem Glück erfüllt, als daß sie ihm gleich hätten die Betrübniß ansehen sollen. Laura rief ihn fröhlich zu sich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen: "Was giebts denn?" und gerade über diese verdrießliche Frage mußte sie lachen und Friedrich rief fröhlich:
"Ein Brautpaar giebt's und so Gott will bald eine Hochzeit!"
Wie vom Donner gerührt stand unser Schulmeister. Zu jeder andern Zeit würd' er über so eine Nachricht vor Freuden gesprungen sein -- denn er wußte, was Friedrich für ein braver Bursche war und daß seine Schwester, de- ren Glück ihm selbst so sehr am Herzen lag, nicht leicht eine bessere Wahl hätte treffen können -- aber daß er ge- rade heute und jetzt noch in seiner trüben Stimmung
Er ſchalt ſie zaͤrtlich aus, daß ſie jetzt an andere Leute denken und auf ſie Ruͤckſicht nehmen koͤnne, indeß er nach der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wiſſe, daß Laura ſein ſei, ſo koͤnne ſie ihn doch nicht ſo lieb haben wie er ſie. So ſtritten ſie ſich zaͤrtlich ein Weil- chen und glichen darin ganz Laura’s Lieblingstauben, die auch damit abwechſeln, ſich zu ſchnaͤbeln und zu zanken.
Daruͤber kam unſer Schulmeiſter endlich nach Hauſe — ganz außer ſich, weil es fuͤr ihn nun gewiß geworden, daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er ſah auch verſtoͤrt aus — aber die Liebenden waren zu ſehr von ihrem Gluͤck erfuͤllt, als daß ſie ihm gleich haͤtten die Betruͤbniß anſehen ſollen. Laura rief ihn froͤhlich zu ſich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen: „Was giebts denn?“ und gerade uͤber dieſe verdrießliche Frage mußte ſie lachen und Friedrich rief froͤhlich:
„Ein Brautpaar giebt’s und ſo Gott will bald eine Hochzeit!“
Wie vom Donner geruͤhrt ſtand unſer Schulmeiſter. Zu jeder andern Zeit wuͤrd’ er uͤber ſo eine Nachricht vor Freuden geſprungen ſein — denn er wußte, was Friedrich fuͤr ein braver Burſche war und daß ſeine Schweſter, de- ren Gluͤck ihm ſelbſt ſo ſehr am Herzen lag, nicht leicht eine beſſere Wahl haͤtte treffen koͤnnen — aber daß er ge- rade heute und jetzt noch in ſeiner truͤben Stimmung
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Er ſchalt ſie zaͤrtlich aus, daß ſie jetzt an andere Leute
denken und auf ſie Ruͤckſicht nehmen koͤnne, indeß er nach
der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wiſſe,
daß Laura ſein ſei, ſo koͤnne ſie ihn doch nicht ſo lieb
haben wie er ſie. So ſtritten ſie ſich zaͤrtlich ein Weil-
chen und glichen darin ganz Laura’s Lieblingstauben, die
auch damit abwechſeln, ſich zu ſchnaͤbeln und zu zanken.
Daruͤber kam unſer Schulmeiſter endlich nach Hauſe —
ganz außer ſich, weil es fuͤr ihn nun gewiß geworden,
daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er ſah
auch verſtoͤrt aus — aber die Liebenden waren zu ſehr
von ihrem Gluͤck erfuͤllt, als daß ſie ihm gleich haͤtten
die Betruͤbniß anſehen ſollen. Laura rief ihn froͤhlich zu
ſich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen:
„Was giebts denn?“ und gerade uͤber dieſe verdrießliche
Frage mußte ſie lachen und Friedrich rief froͤhlich:
„Ein Brautpaar giebt’s und ſo Gott will bald eine
Hochzeit!“
Wie vom Donner geruͤhrt ſtand unſer Schulmeiſter.
Zu jeder andern Zeit wuͤrd’ er uͤber ſo eine Nachricht vor
Freuden geſprungen ſein — denn er wußte, was Friedrich
fuͤr ein braver Burſche war und daß ſeine Schweſter, de-
ren Gluͤck ihm ſelbſt ſo ſehr am Herzen lag, nicht leicht
eine beſſere Wahl haͤtte treffen koͤnnen — aber daß er ge-
rade heute und jetzt noch in ſeiner truͤben Stimmung
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/174>, abgerufen am 26.11.2024.
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