Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.nem Herzen -- drei Jahre sind es schon, daß sie todt Mutter Eva betrachtete das Bild andächtig und Thrä- "O viel besser!" fiel Johannes ein, "eine Engelsseele "Aber wie's der Anzug zeigt, ein vornehm Fräulein!" "Mutter, so eben war sie gar nicht!" fiel Johannes nem Herzen — drei Jahre ſind es ſchon, daß ſie todt Mutter Eva betrachtete das Bild andaͤchtig und Thraͤ- „O viel beſſer!“ fiel Johannes ein, „eine Engelsſeele „Aber wie’s der Anzug zeigt, ein vornehm Fraͤulein!“ „Mutter, ſo eben war ſie gar nicht!“ fiel Johannes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0190" n="182"/> nem Herzen — drei Jahre ſind es ſchon, daß ſie todt<lb/> iſt, ich trage ihr Bild unentweiht in meinem Herzen —<lb/> und auch aͤußerlich trag’ ich’s bei mir und kann Dir’s<lb/> zeigen.“ Er holte ſeine Brieftaſche hervor und zeigte da-<lb/> rin das fein gemalte Bild eines wunderlieblichen Maͤd-<lb/> chens. Es trug einen dichten Roſenkranz in den goldnen<lb/> Locken und ein himmelblaues Kleid von ſchillernder<lb/> Seide.</p><lb/> <p>Mutter Eva betrachtete das Bild andaͤchtig und Thraͤ-<lb/> nen traten ihr dabei in die Augen. Dies ſchoͤne Maͤd-<lb/> chen war todt und ſie hatte die ſchmerzlichſte Erinnerung<lb/> im Herzen ihres Sohnes geweckt; daruͤber machte ſie ſich<lb/> Vorwuͤrfe — aber wie konnte ſie das auch ahnen —<lb/> ſie hatte ganz Anderes zu hoͤren gedacht. — „Das iſt ja<lb/> ein wahres Engelsbild!“ begann ſie, „und wenn ſie ſo<lb/> gut als ſchoͤn geweſen iſt —“</p><lb/> <p>„O viel beſſer!“ fiel Johannes ein, „eine Engelsſeele<lb/> in einer Engelsgeſtalt, Mutter! wie lieb wuͤrdeſt Du ſie<lb/> gehabt haben und ſie Dich wieder!“</p><lb/> <p>„Aber wie’s der Anzug zeigt, ein vornehm Fraͤulein!“<lb/> warf die Mutter bedenklich ein, „die wuͤrde mir armen alten<lb/> Frau doch immer fremd begegnet ſein.“</p><lb/> <p>„Mutter, ſo eben war ſie gar nicht!“ fiel Johannes<lb/> raſch ein. „Sie war ganz Liebe und Hingabe an<lb/> alle gute Menſchen, gleichviel, ob ſie hoch oder niedrig,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0190]
nem Herzen — drei Jahre ſind es ſchon, daß ſie todt
iſt, ich trage ihr Bild unentweiht in meinem Herzen —
und auch aͤußerlich trag’ ich’s bei mir und kann Dir’s
zeigen.“ Er holte ſeine Brieftaſche hervor und zeigte da-
rin das fein gemalte Bild eines wunderlieblichen Maͤd-
chens. Es trug einen dichten Roſenkranz in den goldnen
Locken und ein himmelblaues Kleid von ſchillernder
Seide.
Mutter Eva betrachtete das Bild andaͤchtig und Thraͤ-
nen traten ihr dabei in die Augen. Dies ſchoͤne Maͤd-
chen war todt und ſie hatte die ſchmerzlichſte Erinnerung
im Herzen ihres Sohnes geweckt; daruͤber machte ſie ſich
Vorwuͤrfe — aber wie konnte ſie das auch ahnen —
ſie hatte ganz Anderes zu hoͤren gedacht. — „Das iſt ja
ein wahres Engelsbild!“ begann ſie, „und wenn ſie ſo
gut als ſchoͤn geweſen iſt —“
„O viel beſſer!“ fiel Johannes ein, „eine Engelsſeele
in einer Engelsgeſtalt, Mutter! wie lieb wuͤrdeſt Du ſie
gehabt haben und ſie Dich wieder!“
„Aber wie’s der Anzug zeigt, ein vornehm Fraͤulein!“
warf die Mutter bedenklich ein, „die wuͤrde mir armen alten
Frau doch immer fremd begegnet ſein.“
„Mutter, ſo eben war ſie gar nicht!“ fiel Johannes
raſch ein. „Sie war ganz Liebe und Hingabe an
alle gute Menſchen, gleichviel, ob ſie hoch oder niedrig,
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