sten Sonnenhitze zurückzulegen hatten, denn es galt ja helfende Gesinnungsgenossen freundlich zu empfangen.
Wie nun unsere Drei um die dritte Nachmittags- stunde vom Bahnhof zurück mit zwölf fremden jungen Bur- schen singend daher gezogen kamen, so lief das ganze Dorf neugierig zusammen. Die fremden Burschen waren vom Kopf bis zum Fuß in graue Leinwand gekleidet, trugen solche Hosen und Jacken mit rothen Litzen benäht und gleiche, lichte Mützen mit rothen Rändern. Jhre Schritte gingen im muntern gleichmäßigen Takt, daß es von Wei- tem klang, als marschire eine Compagnie Soldaten in's Dorf ein. Erst sahen sich die Leute im Dorf verwundert an, dann aber empfingen sie die einwandernden Gäste mit fröhlichen Hurrahs. Die Sänger des Dorfes aber, die Mitglieder der Liedertafel, schlossen sich dem Zuge an und so zogen sie Alle zusammen hinauf auf die Burg. Johannes bewillkommnete sie hier, und sägte:
"Deutsche Brüder und Kameraden! Da sind wir nun hier zusammengekommen, Städter und Landleute, in froher fräftiger Jugend einmal vereinigt, den heiligen Jo- hannistag zu feiern. Der heilige Johannes war ein kräf- tiger ernster Mann, ein Prediger in der Wüste, der darin gegen alle äußere Eindrücke sich gekräftigt und abgehärtet hatte. Das that ihm Noth zu seinem gefahrvollen und wirkensreichen Lebenswandel, da brauchte er Kraft, Stärke,
ſten Sonnenhitze zuruͤckzulegen hatten, denn es galt ja helfende Geſinnungsgenoſſen freundlich zu empfangen.
Wie nun unſere Drei um die dritte Nachmittags- ſtunde vom Bahnhof zuruͤck mit zwoͤlf fremden jungen Bur- ſchen ſingend daher gezogen kamen, ſo lief das ganze Dorf neugierig zuſammen. Die fremden Burſchen waren vom Kopf bis zum Fuß in graue Leinwand gekleidet, trugen ſolche Hoſen und Jacken mit rothen Litzen benaͤht und gleiche, lichte Muͤtzen mit rothen Raͤndern. Jhre Schritte gingen im muntern gleichmaͤßigen Takt, daß es von Wei- tem klang, als marſchire eine Compagnie Soldaten in’s Dorf ein. Erſt ſahen ſich die Leute im Dorf verwundert an, dann aber empfingen ſie die einwandernden Gaͤſte mit froͤhlichen Hurrahs. Die Saͤnger des Dorfes aber, die Mitglieder der Liedertafel, ſchloſſen ſich dem Zuge an und ſo zogen ſie Alle zuſammen hinauf auf die Burg. Johannes bewillkommnete ſie hier, und ſaͤgte:
„Deutſche Bruͤder und Kameraden! Da ſind wir nun hier zuſammengekommen, Staͤdter und Landleute, in froher fraͤftiger Jugend einmal vereinigt, den heiligen Jo- hannistag zu feiern. Der heilige Johannes war ein kraͤf- tiger ernſter Mann, ein Prediger in der Wuͤſte, der darin gegen alle aͤußere Eindruͤcke ſich gekraͤftigt und abgehaͤrtet hatte. Das that ihm Noth zu ſeinem gefahrvollen und wirkensreichen Lebenswandel, da brauchte er Kraft, Staͤrke,
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ſten Sonnenhitze zuruͤckzulegen hatten, denn es galt ja
helfende Geſinnungsgenoſſen freundlich zu empfangen.
Wie nun unſere Drei um die dritte Nachmittags-
ſtunde vom Bahnhof zuruͤck mit zwoͤlf fremden jungen Bur-
ſchen ſingend daher gezogen kamen, ſo lief das ganze Dorf
neugierig zuſammen. Die fremden Burſchen waren vom
Kopf bis zum Fuß in graue Leinwand gekleidet, trugen
ſolche Hoſen und Jacken mit rothen Litzen benaͤht und
gleiche, lichte Muͤtzen mit rothen Raͤndern. Jhre Schritte
gingen im muntern gleichmaͤßigen Takt, daß es von Wei-
tem klang, als marſchire eine Compagnie Soldaten in’s
Dorf ein. Erſt ſahen ſich die Leute im Dorf verwundert
an, dann aber empfingen ſie die einwandernden Gaͤſte
mit froͤhlichen Hurrahs. Die Saͤnger des Dorfes aber,
die Mitglieder der Liedertafel, ſchloſſen ſich dem Zuge an
und ſo zogen ſie Alle zuſammen hinauf auf die Burg.
Johannes bewillkommnete ſie hier, und ſaͤgte:
„Deutſche Bruͤder und Kameraden! Da ſind wir
nun hier zuſammengekommen, Staͤdter und Landleute, in
froher fraͤftiger Jugend einmal vereinigt, den heiligen Jo-
hannistag zu feiern. Der heilige Johannes war ein kraͤf-
tiger ernſter Mann, ein Prediger in der Wuͤſte, der darin
gegen alle aͤußere Eindruͤcke ſich gekraͤftigt und abgehaͤrtet
hatte. Das that ihm Noth zu ſeinem gefahrvollen und
wirkensreichen Lebenswandel, da brauchte er Kraft, Staͤrke,
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/214>, abgerufen am 23.11.2024.
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